Ich habe mich bei der ungarischen Medienaufsicht beschwert
Ungarns Regierung will, wie wir wissen, die Medien stärker an die Kandare nehmen. Manche hegen den zarten Verdacht, dass die Strenge der Kontrolle nicht vollkommen abgekoppelt sein wird von der Position, die die jeweiligen Medien gegenüber der Regierungspolitik einnehmen.
Zu den ausgesprochen regierungsfrommen Medien gehört die “Budapester Zeitung”, eine ziemlich winzige deutschsprachige Wochenzeitung, die einem gewissen Jan Mainka gehört. Herr Mainka findet die Mediengesetze total super. Jetzt hat er in seiner Zeitung einen Leitartikel veröffentlicht, der mir die Ehre bereitet, sich ausschließlich mit meiner Person und meinem FAZ-Essay über die ungarische Verfassungsgebung auseinanderzusetzen.
Auf der Suche nach Dingen, die er mir anhängen kann, ist Herr Mainka auf den Gedanken verfallen, mich des Plagiarismus zu bezichtigen: Ich hätte aus meinem eigenen Interview mit János Kis abgeschrieben bzw. dessen Gedanken ungekennzeichnet als meine eigenen ausgegeben. Das ist schon deshalb eine spaßige Idee, weil ich den Essay bei der FAZ eingereicht hatte, noch bevor ich mit Kis überhaupt gesprochen habe. Herrn Mainkas Artikel, der sich sehr mit den journalistischen Standards seiner Zeitung brüstet, erweckt überdies den Anschein, dass er das Kis-Interview überhaupt nicht gelesen hat.
Mir macht das deshalb großen Spaß, weil mir der Vorfall Gelegenheit verschafft, mich bei der ungarischen Medienaufsicht zu beschweren. Hab die Beschwerde gerade hingefaxt.
Jetzt bin ich mal gespannt.
Sehr schön! Mal sehen, was aus der Beschwerde wird. Worauf haben Sie sich denn berufen? Vielleicht sollten Sie Artikel 12 Abs. 1 ACT CIV (“Medienverfassung”) , das Recht auf Gegendarstellung, gegenüber der Zeitung in Anschlag bringen. Bei der Beschwerde zum Medienrat sollten Sie das Ausgewogenheitserfordernis (Artikel 12 Abs. 2 Act CLXXXV) erwähnen.
Beste Grüße und viel Erfolg
Peter Panter
wahrscheinlich wird die ungarische medienaufsicht irgendeinen grund finden entweder
-auf einer auf ungarisch abgefassten beschwerde zu bestehen oder
-sich für deutschsprachige zeitungen für unzuständig zu erklären aus grund [muss noch gefunden werden, bitte etwas absurdes einsetzen]…
wie so etwas eben typischerweise läuft, wenn man versucht, vorschriften gegen ihre eigentliche stoßrichtung einzusetzen. auch wenn mir diese beschwerde sehr sympathisch ist.
@nutella, @max steinbeis: Da bin ich gespannt. Eine Sache ist aber klar, Herr Steinbeis: Selbstverständlich muss eine Beschwerde in ungarischer Sprache verfasst sein. Das ist auch nicht “irgendein Grund”, Nutella, sondern völlig logisch. Sie würden sich ja auch nicht auf Ungarisch an eine Behörde in Deutschland wenden, oder? Wenn Sie also sprachlich nachbessern möchten, Herr Steinbeis, helfe ich gern.
Hier die Antwort. Kam prompt und zuverlässig:
Dear Mr. Steinbeis,
Thank you for your fax message sent on 6th April 2011. The President of the Authority designed me as the head of the Presidential Secreteriat to answer you.
According to the new Media law of Hungary, the Act CLXXXV. of 2010. on Media Services and Mass Media, the National Media and Infocommunications Authority is allowed to act in cases of written media,like newspapers, only from 1st July 2011, therefore unfortunately we can not look into your matter.
„Section 216. (4) In the event of violations of Articles 14-20 of the Press and Media Act and violations of the provisions specified in Chapter I. of Part Two herein, the administrative proceedings against the provider of on-demand media services or media products, and against the provider of on-demand media services, respectively, may only be launched after 1 July 2011, for breach of law committed after this date. Media service providers and broadcasters shall comply with the obligations defined in Article 9 (3), Article 10 (1) (a), Article 72 (3) and Article 74 (3) herein following 1 April 2011. Administrative proceedings for violation of obligations may only be launched against them for breach of law committed after this date.”
After 1st July 2011. the request is to be submitted in writing sent by post to the address of the National Media and Infocommunications Authority (H-1015 Budapest, Ostrom u. 23-25.)
I hope my letter was useful to you.
Budapest, 8. April 2011.
Best regards,
dr. Jur. Balazs Pokol
Das Recht auf Gegendarstellung unterliegt nicht dieser Frist und da Tatsachen über Sie falsch dargestellt wurden, würde ich mich an Ihrer Stelle direkt an die Budapester Zeitung mit einer Gegendarstellung wenden.
Hab den Brief mit der Forderung einer Gegendarstellung gerade abgeschickt. Vielen Dank für die Hilfe, Herr Panter!
Wenn der Artikel nach dem 1. Juli noch online ist, werde ich bei der Medienaufsicht noch mal nachhaken.
Die Süddeutsche schreibt heute auf der Medienseite einen Bericht über meine Klopperei mit der Budapester.
Diese “Klopperei”, wie Herr Steinbeis sie nennt, erinnert mich an einige Schüler aus dem Wirtschaft/Recht-Leistungskurs des Dante-Gymnasiums in München, die in den frühen 90er Jahren mal eine praktische Studie in Sachen Strafrecht durchgeführt haben. Sie haben sich gegenseitig angezeigt, um zu erfahren, was passiert. Der hier dargestellte Streit zwischen den beiden Protagonisten MS und BZ hat ebenso viel Sinn.
Das ungarische Recht kennt übrigens für derarige Fälle ein wirkungsvolles Mittel. Zivilklage auf Gegendarstellung. Das Problem ist nur, das man dann Geld in die Hand nehmen müsste. In Fällen, in denen es weniger um die Sache geht, ist es natürlich billiger, Faxe an Behörden zu verschicken. Machen wir das doch alle, dann kommt die Behörde nicht dazu, die Artikel von dem Schmierfinken Zsolt Bayer zu prüfen und zu ahnden. Und man hätte wieder etwas, worüber wir uns aufregen und schreiben können. Nennt man dann wohl perpetuum mobile 🙂
[…] ausgerechnet über Herrn Mainka erhalten, dem Herausgeber der Budapester Zeitung, der daselbst so kenntnisreich über mich und meinen FAZ-Artikel geschrieben hatte und mit dem ich seither in einem regen […]