Der Staatstrojaner – und was man verfassungsrechtlich dagegen tun kann
Am 22.06.2017 hat der Bundestag einem Gesetzesentwurf zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens zugestimmt. Die Strafprozessordnung ermächtigt fortan ausdrücklich zu Online-Durchsuchungen und Quellen-Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ). Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken der Opposition sowie der grundrechtlichen Eingriffsintensität dieser Maßnahmen dürfte es noch einige Zeit dauern, bis die Regelungen auf den verfassungsgerichtlichen Prüfstand kommen. Mit einem abstrakten Normenkontrollverfahren ist (derzeit) nämlich nicht zu rechnen, und an der Zulässigkeit einer Individualverfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz bestehen ebenso Zweifel. Eine verfassungsgerichtliche Kontrolle des Gesetzes ist deshalb wohl nur über die Fachgerichte denkbar, entweder weil ein Fachgericht die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlagen selbst in Frage stellt und ein Vorlageverfahren gem. Art. 100 I GG bzw. § 13 Nr. 11 BVerfGG anstrebt oder aber in Form einer Urteilsverfassungsbeschwerde. Der Einsatz des sogenannten Staatstrojaners in künftigen Strafverfahren ist deshalb erst einmal „beschlossene Sache“.
Einführung
Es ist mittlerweile problemlos möglich, auf informationstechnische Systeme zuzugreifen, ohne dass deren Nutzer davon Kenntnis erlangen. Der Einsatz bestimmter Software ermöglicht einen prinzipiell uneingeschränkten Zugriff auf solche Daten, die sich auf den Speichermedien dieser Systeme befinden. Bei Online-Durchsuchungen und der Quellen-TKÜ nutzen Behörden diese Möglichkeit gezielt aus. Nachdem heimlich eine Software auf ein solches System überspielt wurde, haben die Behörden dann grundsätzlich einen uneingeschränkten Datenzugriff. Während die Online-Durchsuchung allgemein darauf abzielt, diesen Datenzugriff auszunutzen und auf dem Speichermedium befindliche Daten auszulesen und zu verarbeiten, ist es das Anliegen einer Quellen-TKÜ, die Daten mittlerweile häufig verschlüsselter Kommunikationsvorgänge (E-Mails, Textnachrichten, Internet-Telefonate, u. a.) vor der Verschlüsselung zu erfassen und auszuleiten. Die Maßnahmen unterscheiden sich also mehr in ihrem Zweck als in der eingesetzten Technik.
Für beide Maßnahmen enthielten bisher nur das BKA-Gesetz sowie gefahrenabwehrrechtliche Bestimmungen der Länder ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen. Das Bundesverfassungsgericht war mit diesen Regelungen bereits teilweise befasst. Während der Einsatz der Quellen-TKÜ in seiner Grundsätzlichkeit gebilligt worden ist (BVerfG, Urteil vom 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09), wurde im Jahre 2008 eine landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Online-Durchsuchung für verfassungswidrig erklärt und klargestellt, dass entsprechende Maßnahmen – aufgrund der damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffsintensität – nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind (BVerfG, Urteil vom 27. 2. 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07). Online-Durchsuchungen und die Quellen-TKÜ werden künftig zu den strafverfahrensrechtlichen „Standardmaßnahmen“ zählen. Beide Maßnahmen haben eine hohe grundrechtliche Eingriffsintensität sowie eine erhebliche potenzielle Streubreite. Dritte können von ihnen auch zufällig betroffen sein. Vor diesem Hintergrund stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen: zum Einen, ob die Gesetzesänderung mit den Grundrechten, insbesondere den verfassungsgerichtlichen Vorgaben, im Einklang steht, und zum Anderen, inwieweit das Gesetz deshalb einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zugeführt werden kann. Letztere Fragestellung ist Schwerpunkt des nachfolgenden Beitrags. Die Beurteilung der materiellen Verfassungsmäßigkeit hingegen ist Gegenstand der Ausführungen von Tobias Singelnstein, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.
Statthafte Verfahrensarten
Als statthafte Verfahrensarten für ein Vorgehen gegen die neuen ermittlungsbehördlichen Ermächtigungen sind die Normenkontrollverfahren gem. Art. 93 I Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG bzw. Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG sowie die Individualverfassungsbeschwerde gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8 BVerfGG anzudenken. Jedenfalls das konkrete Normenkontrollverfahren wird erst dann Relevanz erlangen, sofern Fachgerichte die jeweiligen Vorschriften anzuwenden haben.
Die abstrakte Normenkontrolle ist nicht als präventives Verfahren ausgestaltet, sodass eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht hier erst nach der Gesetzesverkündung möglich ist. Im Übrigen ist momentan nicht damit zu rechnen, dass ein solches Verfahren angestrebt wird. Gem. Art. 93 I Nr. 2 GG bzw. § 76 I BVerfGG sind die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt. Die Fraktionen von Union und SPD haben dem Gesetzentwurf zugestimmt, sodass eine Antragsstellung der Bundesregierung nahezu ausgeschlossen ist. Eine Landesregierung dürfte vor diesem Hintergrund ebenfalls keine verfassungsgerichtliche Kontrolle beabsichtigen. Nach Auffassung der Opposition ist die Gesetzesänderung zwar verfassungswidrig, ihr fehlt es aber an der für die Antragstellung notwendigen Anzahl an Abgeordneten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich die Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl verschieben.
Möglichkeit und Voraussetzungen der Verfassungsbeschwerde, betroffene Grundrechte
Beide Maßnahmen berühren die individuelle Freiheitssphäre des Einzelnen. Deshalb stellt sich besonders die Frage nach der Möglichkeit einer Individualverfassungsbeschwerde. Gem. Art. 93 I Nr. 4a GG und § 90 I BVerfGG kann diese von „Jedermann“ mit der plausiblen Behauptung erhoben werden, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in einem Grund- bzw. grundrechtsgleichen Recht verletzt worden zu sein. Das gegenständliche Gesetz wäre als ein „Legislativakt“ ein Akt der öffentlichen Gewalt. Beschwerdeberechtigt sind natürliche und gem. Art. 19 III GG inländische juristische Personen, soweit das als verletzt gerügte Grundrecht seinem Wesen nach auf diese anwendbar ist.
Beschwerdeführende haben schlüssig darzulegen, selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem Grund- bzw. grundrechtsgleichen Recht verletzt zu sein. Art. 13 GG kommt – von Sonderfällen abgesehen – als möglicherweise verletztes Grundrecht nicht in Betracht. Bei Online-Durchsuchungen wird in der Regel eine Software auf das informationstechnische System überspielt, ohne, dass zu diesem Zweck in bestimmte Räumlichkeiten eingedrungen wird. Entsprechend kann für die Quellen-TKÜ argumentiert werden. Art. 13 GG ist nur dann betroffen, wenn und soweit die Software physisch auf das System überspielt wird oder dieses derart manipuliert, dass Vorgänge innerhalb der Wohnung überwacht werden können. Nicht auszuschließen ist hingegen eine Verletzung des in Art. 10 GG normierten Post- und Fernmeldegeheimnisses. Dieses schützt Inhalt und nähere Umstände laufender Telekommunikationsvorgänge. Sofern im Wege der Online-Durchsuchung oder Quellen-TKÜ auf damit verbundene Kommunikationsvorgänge zugegriffen wird, kommt somit grundsätzlich eine Verletzung von Art. 10 GG in Betracht. Unter Umständen kommt es aber gerade nur zu einem Zugriff auf abgeschlossene Kommunikationsvorgänge, zur Überwachung informationstechnischer Systeme sowie zur Durchsuchung von deren Speichermedien. Soweit Art. 10 GG für diese Fälle nicht vor staatlichen Zugriffen auf informationstechnische Systeme schützt, wäre dann zumindest eine Verletzung von Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG möglich. Das hierüber definierte Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt ein Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. In dieser Ausprägung schützt die auch als Computer-Grundrecht bezeichnete verfassungsrechtliche Gewährleistung den Einzelnen vor staatlichen Zugriffen auf informationstechnische Systeme, die personenbezogene Daten in einer Breite enthalten, dass deren Kenntnisnahme Rückschlüsse auf die private Lebensgestaltung des Einzelnen zulässt. Dies trifft insbesondere auf Mobiltelefone und Computer zu, welche heutzutage de facto auch als „ausgelagertes Gedächtnis“ angesehen werden können. Die Online-Durchsuchung ermächtigt zu einem gezielten Zugriff auf solche Geräte, sodass eine mögliche Grundrechtsverletzung zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen wäre.
Unmittelbare, gegenwärtige und Selbstbetroffenheit des Beschwerdeführers
Bei einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz liegen verschiedene Probleme in der unmittelbaren, gegenwärtigen sowie in der Selbstbetroffenheit des Beschwerdeführers.
Selbstbetroffen ist ein Beschwerdeführender im Falle einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde grundsätzlich nur, wenn er auch Adressat der angegriffenen Norm ist. Bei §§ 100a, 100b StPO n.F. handelt es sich um Ermächtigungsgrundlagen, die Ermittlungsmaßnahmen gegenüber jedermann ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht lässt es genügen, dass der Beschwerdeführer schlüssig darlegt, mit einiger Wahrscheinlichkeit durch mögliche Vollzugshandlungen in seinen Grundrechten betroffen zu sein (BVerfG, Urteil vom 27. 2. 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07). Im Falle der Entscheidung zur Antiterrordatei wurde – aufgrund der Streubreite der streitgegenständlichen Maßnahme – ein möglicher Kontakt des Beschwerdeführenden zu Personen, die dem Terrorismus nahe stehen, für ausreichend erachtet (BVerfG, Urt. v. 24. 4. 2013 – 1 BvR 1215/07). Es liegt deshalb durchaus nahe, auch bei einer Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen die Rechtsgrundlage zur Online-Durchsuchung bzw. zur Quellen-TKÜ richtet, zu fordern, dass gegen den Beschwerdeführer bzw. Personen, mit denen dieser in Kontakt steht, mit einiger Wahrscheinlichkeit wegen einer Katalogtat gem. § 100a II bzw. § 100b II StPO n.F. ermittelt wird. Beschwerdeführenden insoweit aber eine etwaige Darlegungslast aufzuerlegen, liefe letztlich darauf hinaus, dass diese sich selbst der Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen auszusetzen hätten. Dies kann unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nicht verlangt werden.
Gegenwärtige Betroffenheit erfordert, dass der Beschwerdeführer schon oder noch von der Maßnahme betroffen ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Gesetz lediglich beschlossen und noch nicht verkündet. Dies stünde der gegenwärtigen Betroffenheit des Beschwerdeführenden zwar dann nicht entgegen, wenn künftige Rechtsauswirkungen klar abzusehen wären; an der grundsätzlichen Vorhersehbarkeit – konkreter – strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen bestehen aber Zweifel. Nach Gesetzesverkündung hätte der Beschwerdeführer an und für sich ebenfalls mit einem gewissen Maß an Wahrscheinlichkeit darzulegen, von Maßnahmen auf Grundlage der Rechtsnormen berührt zu sein. Die Behauptung, unter Umständen einmal in der Zukunft betroffen zu sein, genügt dem nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Betroffenheit ist aber zu berücksichtigen, dass es Beschwerdeführenden unzumutbar wäre, sich durch einen Vortrag selbst strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen auszusetzen.
Im Unterschied zur gegenwärtigen und Selbstbetroffenheit bestehen an einer unmittelbaren Betroffenheit erhebliche Zweifel. Beschwerdeführende sind nämlich grundsätzlich nur dann unmittelbar betroffen, wenn ihre Grundrechtspositionen durch den Beschwerdegegenstand selbst verkürzt werden und nicht erst durch weitere Vollzugsakte. Ermächtigungsgrundlagen, begründen zunächst keine „spürbaren“ Rechtsfolgen für den Einzelnen. Solche werden erst durch sich anschließende Vollzugsmaßnahmen herbeigeführt. Der Beschwerdeführer ist allerdings auch dann unmittelbar betroffen, wenn er gegen die einzelnen Vollzugsakte nicht oder nicht in zumutbarer Weise vorgehen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre es dem Beschwerdeführenden insbesondere dann möglich, unmittelbar gegen das Gesetz vorzugehen, wenn er von den einzelnen Vollzugshandlungen keine oder zumindest keine zuverlässige Kenntnis erlangt (BVerfG, Urteil vom 20.4.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09). Bei den Ermächtigungsgrundlagen zur Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ kann davon allerdings nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. §§ 100a, 100b StPO n.F. rechtfertigen zwar Maßnahmen „ohne Wissen des Betroffenen“, allerdings ist zu berücksichtigen, dass Betroffene gem. § 101 Nr. 3 bzw. Nr. 4 n.F. StPO nach Abschluss der Maßnahme unterrichtet werden müssen. Insoweit wird durchaus eine aktive Rechtspflicht zur Benachrichtigung begründet.
In entsprechenden Fällen entfällt aber gerade die Betroffenheit unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit (BVerfG, Urt. v. 24. 4. 2013 – 1 BvR 1215/07). § 101 IV 3 und 4 StPO lassen zwar Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht zu und § 101 V StPO beinhaltet diesbezüglich einen zeitlichen Aufschub. Einerseits ließe sich deshalb durchaus argumentieren, dass die Benachrichtigungspflichten die fehlende Kenntnis Betroffener von Maßnahmen gem. §§ 100a, 100b StPO n.F. nicht auffangen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09). Die Vorschriften sind andererseits unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Benachrichtigung nur solange und soweit unterbleiben darf, wie dies unbedingt erforderlich ist. Im Übrigen beugt § 101 VIII StPO einer Nutzung und Verwendung erhobener Daten über die Zwecke der Strafverfolgung hinaus vor. Nicht vernachlässigt werden sollte in jedem Fall aber, dass die Neuregelungen zu erheblichen Grundrechtseingriffen ermächtigen. Es ist deshalb nicht unbedenklich, Betroffenen bloß nachträglichen Rechtsschutz zu ermöglichen. Ob das Bundesverfassungsgericht ähnlich argumentiert, ist unklar. An der Zulässigkeit einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde bestehen deshalb grundsätzliche Bedenken.
Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei der Rechtssatzverfassungsbeschwerde, Möglichkeit der Urteilsverfassungsbeschwerde
Letztlich wäre die Zulässigkeit einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtswegerschöpfung bzw. des Subsidiaritätsgrundsatzes bedenklich. Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen ein formelles Gesetz kommt zwar nicht in Betracht, ausgehend vom Subsidiaritätsgrundsatz hat der Beschwerdeführer jedoch alle ihm offen stehenden prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern. Für den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass § 101 VII 2 StPO n.F. Betroffenen Rechtsschutz gewährt. In einem entsprechenden Verfahren wäre die Verfassungsmäßigkeit von § 100a bzw. § 100b StPO n.F. dann eine Vorfrage. Hält auch das Fachgericht die Normen nicht für verfassungsgemäß, hat das Vorlageverfahren nach Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG zu erfolgen, andernfalls ergeht eine Entscheidung, gegen die Betroffene – nach Rechtswegerschöpfung – im Wege der Urteilsverfassungsbeschwerde vorgehen können. Ob dieses Vorgehen Beschwerdeführenden auch unter Gesichtspunkten eines effektiven Grundrechtsschutzes zugemutet werden kann, ist hingegen zweifelhaft. So ist in jedem Falle zu berücksichtigen, dass § 101 VII 2 StPO n.F. bloß nachträglichen Rechtsschutz ermöglicht. Ähnlich wie bei der unmittelbaren Betroffenheit lautet die Frage auch hier: Begründen Online-Durchsuchungen bzw. die Quellen-TKÜ für Betroffene bereits derart irreversible Rechtsfolgen, dass präventiver Rechtsschutz zwingend erforderlich wäre?
Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung
Eine Verfassungsbeschwerde bedarf gem. § 93a I BVerfGG der Annahme zur Entscheidung. Das ist gem. § 93a II lit. a BVerfGG zumindest dann der Fall, wenn ihr „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“ zukommt. Voraussetzung ist eine verfassungsrechtliche Rechtsfrage, die nicht bzw. nicht abschließend geklärt ist, entscheidungserheblich ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde auch nur mittelbar gegen § 100a bzw. § 100b StPO n.F. richtet, geht es um deren Verfassungsmäßigkeit – und somit um eine verfassungsrechtliche Rechtsfrage – die im Übrigen nicht abschließend geklärt ist. Teilweise hat sich das Bundesverfassungsgericht zwar schon mit der Verfassungsmäßigkeit etwaiger Maßnahmen auseinander gesetzt, Beschwerdegegenstand waren aber spezielle gefahrenabwehrrechtliche Regelungen und nicht der Einsatz solcher Maßnahmen in einem Strafverfahren. Eine Verfassungsbeschwerde hätte auch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Dies ist dann der Fall, wenn die Verfassungsbeschwerde Probleme von einigem Gewicht betrifft, die auch in künftigen Verfahren Bedeutung erlangen können. Es ist nahezu sicher, dass die Strafverfolgungsbehörden künftig von den streitgegenständlichen Maßnahmen Gebrauch machen werden, sodass es sich bei der Beurteilung von deren Verfassungsmäßigkeit um eine mehr als grundlegende Rechtsfrage handelt. In der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde muss es allerdings auf diese Grundsatzfrage auch ankommen, andernfalls fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit und die Verfassungsbeschwerde wäre nicht zur Entscheidung anzunehmen. Davon kann in der Regel dann ausgegangen werden, wenn die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig ist. Besonders die Annahme einer möglichen Rechtssatzverfassungsbeschwerde wird deshalb maßgeblich davon abhängen, wie das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit beurteilt – die Entscheidungserheblichkeit bei einer Urteilsverfassungsbeschwerde lässt sich (abschließend) hingegen nur anhand der Umstände des jeweiligen Verfahrens beurteilen.
Die verfassungsprozessualen Bedenken kommen mir sehr übertrieben vor. Das BVerfG hat schon über Verfassungsbeschwerden entschieden, die sich unmittelbar gegen strafprozessuale Eingriffsermächtigungen gerichtet haben, und Beschwerdebefugnis wie Subsidiarität recht großzügig gehandhabt (BVerfGE 109, 279; BVerfGE 129, 208). Warum sollte es in diesem Fall anders sein?