Neues vom Glossator (8): Staatsrechtslehrer im Genderwahn
Zur Logik und zur Gliederung
Die Staatsrechtslehre ist im Genderwahn. Ich bin Staatsrechtslehrer. Also bin ich im Genderwahn.
Das ist ein Subsumtionsschluss. Ob es sich um die bekannte Form des Modus Barbara handelt, einer der meistbenutzten Figuren in den Übungen und Klausuren deutscher Universitäten? Eine Ungenauigkeit steckt in dem Satz. Im Obersatz ist von der Staatsrechtslehre und im Untersatz von einem Staatsrechtslehrer die Rede. Einmal von einer Lehre, einmal von einem Lehrer. Einmal von Frauen und Männern, einmal von einem Mann. Präzisieren wir also: Alle Staatsrechtslehrer sind im Genderwahn. Ich bin ein Staatsrechtslehrer. Also bin ich im Genderwahn. Das ist der Modus Barbara.
Wozu die Präzisierung? Damit es logisch einfacher und wissenschaftlicher ernsthafter wird. Denn es geht wirklich um eine ernste Sache, nicht erst seit #metoo und nicht erst, seitdem Frauen und Transidentitäten möchten, dass sie auf eine deutlichere Art und Weise benannt und bezeichnet werden. Es geht um den Genderwahn, also um Geschlecht und Wahn.
Ich versuche im Folgenden, die Dinge leicht zu machen, versichere aber, dass es nicht nur mir ernst ist, sondern dass wir, heute wie immer, an entscheidende Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalt angelangt sind. Das ist immer so, man ist immer an solchen Stellen. Mein Text beschreibt also zwar wegen der Ernsthaftigkeit ein Drama, aber er ist nicht nur dramatisch. Ernst, aber nicht nur Ernst. Aporetisch, aber es gibt Passagen – und daran bin ich interessiert, nämlich daran, Aporien in Passagen zu verwandeln, darum bin ich auch Glossator.
Wir sind wo angelangt? Wer wir? Staatsrechtslehrer? Männer, Frauen, Schwule, Lesben, Afd, Muslime und wie sie alle heißen? Die Juden und die Bayern? Die Dresdner und die Syrer? Peter, Inge und Karin auch? Moses (so heißt mein Dackel) auch? Ja, alle.
Ich habe, um den Ernst deutlich zu machen, die Schnauze voll, und seitdem mache ich die Schnauze anders auf, ich streike. Ich bestreike auch die Universität – weil dort der Genderwahn herrscht, allerdings gerade dort, wo man ihn nicht wähnt. Darum sage ich erst etwas zum Geschlecht, dann zum Wahn.
Geschlecht
Logisch zu sprechen gehört zur Sprache, zum logos. Dort soll, sagt man, und Vorsokratiker wie Parmenides haben das schon angedeutet, der Satz der Identität, der Satz vom Widerspruch und der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gelten. Entweder ist man Mann oder Frau, man ist nicht gleichzeitig Mann und Frau und eine dritte Option gibt es nicht. Geschlecht ist Geschlecht. Sagt eine Logik, die sich einmal für allgemein gehalten hat.
Aber dann kam der Genderwahn, und seitdem muss ich streiken. Im Traum gelten die genannten Sätze, die im Aristotelismus formalisiert und von den Glossatoren das erste Mal systematisiert und von den Universitäten des 19. Jahrhunderts auf unsere Nationalsprache bezogen wurden, nicht. Im Traum ist alles anders. Aber da schläft auch die Vernunft, wie bei dem Gerichtspräsidenten Schreber, jenem Patienten, aus dem Sigmund Freud eine Theorie der Paranoia machte. Bei Schreber schlief die Vernunft auch tagsüber und darum dachte er, er sei ein Luder. Der war im Genderwahn, in diesem Fall im Luderwahn. Glückliche, die es nicht sind! Der Genderwahn ist aber älter als jene, die 1968 geboren wurden.
Geschlecht ist Geschlecht. Ich gehöre meinem Geschlecht an, ich habe ein Geschlecht, nicht zwei. Ich bin allerdings Effekt einer Paarung, mich gibt es nur, weil mein Vater und Mutter einmal die Kontrolle haben Kontrolle sein lassen und Sex miteinander hatten. Sex ist nicht nur Kontrollverlust, es ist auch Kontrolle. In manchen Fällen bei beiden, in manchen Fällen nur auf einer Seite dieses Paars. Mal liegt die eine Seite oben, mal die andere. Wie dem auch sei, da war ich. Fabian Steinhauer, Produkt eines kurzen Genderwahns. Wieso denn Wahn? Weil der kurze Moment des Kontrollverlustes nicht verhindert werden sollte und nicht verhindert werden konnte. Es kam der Schlaf der Vernunft, angeblich war das tagsüber. Nicht, dass meine Eltern mich nicht wollten. Einen Orgasmus bekamen sie trotzdem, vielleicht gerade deshalb. Meine Großmutter war wohl etwas verschnupft, als sie hörte, es gäbe ein drittes Kind. Könnt ihr Euch nicht kontrollieren, wird sie eventuell gedacht haben. Gefreut hat sie sich dann doch. Danke Mama, Danke Papa für eure lässige Art im Umgang mit dem Genderwahn.
Geschlecht ist Geschlecht. Seien wir wissenschaftlich und präzise und erzählen wir keine Halbwahrheiten, sondern die volle Wahrheit. Ich gehöre mehr als einem Geschlecht an. Ich bin Römer, ein Sohn Roms. Ich bin Europäer und katholisch. Ich bin ein Steinhauer, das ist eine katholische Familie, die irgendwann in Oberhausen auftaucht, und ein Brandi, italienische Emigranten. Seitdem ich selber Vater bin, bin ich sogar auch ein Russe, auch orthodox, auch jüdisch, auch ein Beljaev. Ich gehöre dazu noch dem Geschlecht der Staatsrechtslehrer an und dieses Geschlecht besteht aus Geschlechtern.
Wie sagten die Römer von ihrem Geschlecht? Söhne beiderlei Geschlechts. Wie? Waren nur die Söhne beiderlei Geschlechts? Nein, die Töchter auch, das meint die Formel auch, aber nicht nur! Yan Thomas hat sehr genau rekonstruiert, dass solche römischen Begriffe normativ, fiktiv, und dogmatisch waren und sich sehr genau von biologischen Kategorien unterschieden. Nicht erst Judith Butler spricht davon, dass Geschlecht auch der Effekt einer Konstruktion ist. Auch Yan Thomas behauptet das – und er belegt es mit römischem Recht. Das ist schon deswegen plausibel, weil die Biologie mit ihrem Anspruch auf Herrschaftswissen wesentlich jünger ist als das römische Rechts. Erst die Christianisierung des römischen Rechts macht aus den Begriffen des römischen Rechts solche, die auf eine göttliche Schöpfung bezogen werden. Und die Biologie säkularisiert das, erst nach der französischen Revolution. Linke Gesellen, revolutionäres Pack, die den Sinn dafür verstellt haben, dass Geschlecht normativ ist – also Effekt einer operationalisierten Differenz.
Nicht nur die Söhne sind Söhne beiderlei Geschlechts, auch die Töchter sind es. Das heißt, dass jene Differenz, die mit dem Begriff des Geschlechts operationalisiert wird, sowohl in Söhnen als auch in Töchtern vorkommt. Das sind beides Kreuzungen, keiner von denen ist rein. Nicht nur die Transidentität ist gespalten, auch die Söhne und auch die Töchter sind es. Nicht nur die Transidentität ist entzweit, auch die Söhne sind entzweit, allein schon weil sie Effekt einer Paarung sind und auch die Töchter sind entzweit, allein schon, weil sie Effekt einer Paarung sind. Jeder, der Effekt einer Paarung ist, ist entzwei. Er ist entzweit, so wie manchmal Wollknäuel entwirrt sind.
Dass der Mann und die Frau oft glauben, sie seien nicht entzweit und sie seien nicht entzwei, keiner von beiden (und oft genau auch als Paar nicht), das hat Gründe. Was sind das für Gründe? Natürliche? Ist das Glauben? Ist das die Natur des Glaubens oder glaubende Natur? Ich gehe als Jurist davon aus, dass diese Gründe normativ sind, dass sie sogar dogmatisch sind. Der Glaube an sich, der Glaube daran, nicht entzweit zu sein, gehört zu den Dogmen, die (auch) das Abendland dahin gebracht haben, wo es heute steht. Steht es gut oder schlecht darum? Darüber kann man sich entzweien. Zu diesen Gründen kommen wir gleich, im zweiten Teil, wenn ich erläutere, was ich unter Wahn verstehe.
Geschlecht ist etwas, das kann man durch die Grimms lernen, das mit einem Schlag markiert ist. Geschlecht wurde geschlagen, mit Marken. Da blieben Spuren zurück. Manchmal Narben. Glücklich die, die von ihrer Entzweiung nicht wissen. Wirklich? Riskant! Glücklicher die, sie sich mit ihrer Entzweiung versöhnt haben. Ich gehöre zu jenem Geschlecht der Staatsrechtslehrer, das sich einmal mit der Entzweiung versöhnt hat, das hält sogar gerade an.
Es gibt ein Geschlecht, das Glück gehabt haben kann und von Entzweiung gar nichts weiß. Legen wir diesem Geschlecht einmal folgenden Satz in den Mund: Ich bin ein Mann und nur ein Mann, welche Entzweiung meinst Du? Ich liebe Frauen und nur eine Frau, welche Entzweiung meinst du? Ich liebe Frauen und nur deutsche Frauen und überhaupt nur Deutschland und überhaupt nur das deutsche Europa und nur das deutsche Rom und nur die deutsche Globalisierung und ich sehe darin kein Problem, zumindest nicht meines, denn ich bin nicht entzweit, nur die anderen sind es. Alles an mir ist national – ich kenne keine Alienation. Die Aliens, das sind die immer die anderen.
Schluss mit dem gestellten, künstlichen Satz. Man dürfte sehen, dass es sehr problematisch ist, von Glück zu reden, wenn einer seine Entzweiung nicht kennt und glaubt, er habe Heimat, nur Heimat und wenn er glaubt, in ihm gäbe es keine Flucht.
Ich operiere, seitdem ich Jurist bin, mit der fundamentalen Zweideutigkeit der Sprache. Ich weiß, dass viele Juristen das unmöglich finden, weil ihre Sprache eindeutig zu sein habe. Das denke ich auch, aber ich denke, dass Eindeutigkeit Effekt einer operationalisierten Zweideutigkeit ist. Sicher kann die Operation einfach darin bestehen, die Zweideutigkeit zu unterschlagen. Aber wie im Fall unseres glücklichen Mannes ist das ein zweifelhaftes Glück. Dogmatik ist zweifelhafte Zweifellosigkeit.
Geschlecht ist etwas, was mindestens zweimal vorkommt, darum ist es eine fundamental zweideutige Kategorie – und ist es eine Kategorie, ist es eine Option. Es gibt Männer, es gibt Frauen, es gibt die dritte Option – und das ist die Option, die Differenz des Geschlechts so zu teilen und so zu übertragen, dass niemand sich diese Differenz aneignen kann. Geschlecht ist nicht eigentumsfähig. Ein Geschlecht hat man nicht wie Regenschirme, obwohl Regenschirme auch kaum eigentumsfähig sind, man vergisst sie so gerne. Geschlecht ist Teilnahme an und Übertragung in normativer Reproduktion. Ich denke, dass das die Römer wussten, als sie von den Söhnen beiderlei Geschlechts sprachen. Danke, Yan Thomas, für Ihre nachhaltige Forschung und Lehre! Schade, dass viele glauben, solche Einsichten wie die von Yan Thomas seien Schuld der 68’er – und das oft nur, weil sie keine ältere Literatur lesen und die Kunst Roms gar nicht kennen. Ius est ars.
Gendern ist gar nicht schlecht. Präzises Gendern habe ich gelernt, seitdem ich als Jurist gelernt habe, mit der Sprache möglichst präzise umzugehen, also in der Sprache möglich genaue Vorschriften zu machen. Präzision ist ja ein Fremdwort der Römer, sagen wir es lieber ganz und gar deutsch: Vorschnitte habe ich gelernt, ich habe es gelernt, mit der Sprache möglichst vorschneidend umzugehen, und darum gender ich gerne. Staatsrechtslehrer*in, an diesem Geschlecht nehme ich Teil, dieses Geschlecht übertrage ich gerne mit, weil ich weiß, dass das dieses Geschlecht und seine Bezeichnung sehr präzise sind – und noch mehr ermöglicht. Das ist wie mit dem Eigentum. Total präziser Begriff, ermöglicht einiges und Unterschiedliches auch.
Wahn
Was ist mit dem Wahn? Die Normalen gehen davon aus, dass nur der Wahnsinnige wahnsinnig ist. Nur der soll einen Sinn für den Wahn haben. Nur dessen Sinne sollen im Wahn befangen sein. Jene, die im Wahn ausgebildet wurden, die denken etwas anders darüber nach. Wer wird denn im Wahn ausgebildet? Das sind sogenannte Geisteswissenschaftler und alle die, die in etwas ausgebildet wurden, für das es zwar normale, natürliche und reale Gründe gibt, aber nicht nur. Was an diesen Gründen normal und natürlich und real ist, dass reicht diesen Wissenschaftlern nicht, Normalität, Natur und Realität sind in diesen Wissenschaften (aussagenlogisch formuliert) notwendige, aber keine hinreichenden Gründe. Normen zum Beispiel sind nicht nur normal, nicht nur natürlich, nicht nur real. Sie sind auch normativ. Alle normativen Wissenschaften gehören insofern zu den Wissenschaften, die im Wahn ausgebildet wurden. Die Psychoanalyse gehört dazu. Die Theologie gehört dazu.
Diese Wissenschaften beschäftigen sich mit Gründen und Abgründen. Daran operieren sie. Der Mord ist verboten, weil er trotz des Verbotes stattfindet. Der Vertrag braucht Vorschriften, weil es in der Realität anders läuft. An Gott muss man glauben. Der kommt vielleicht auch in der Natur vor, zum Beispiel im Krebsgeschwür, der kommt vielleicht auch in der Realität vor, zum Beispiel in Auschwitz, aber er kommt nicht nur dort vor. Auch in der Toskana im Urlaub kommt Gott vor. An den muss man glauben, Wissen reicht nicht.
Das ist Wahn. Wahn klingt nicht schön, darum sprechen die Normalos nicht vom Wahn. Die sprechen zum Beispiel, wie Kelsen, von der Grundnorm und sie sagen, das sei fiktiv. Manche sagen es anders und sagen, das römische Recht sei erfunden worden, von wem, das wisse man nicht genau. Fiktionen, Erfindungen – das klingt viel besser als Wahn. Die zeitgenössischen Philosophien und Theorien sprechen nicht vom Wahn, sie sprechen vom Phantasma. Klingt auch blöd, aber was sie sagen wollen, heißt: Es geht bei dem Wahn nicht um Phantasie, nicht um Begabung, nicht um ein Talent dazu, Fiktionen sich ausdenken zu können. Es gibt Einrichtungen, die sind, auch wenn sie nicht nur real sind, sondern auch symbolisch und imaginär, da. Die stehen da und zur Verfügung, das sind artifizielle und technische Einrichtungen. Das meinen die mit einem Phantasma. Die meinen das nicht böse, wenn die sagen, dass Gesellschaften phantasmatisch organisiert sind. Die wollen sagen, dass auch moderne Gesellschaften normativ sind und dass sie dogmatische Grundlagen haben, weil diese Gesellschaften Einrichtungen haben, dank derer die Gesellschaften an sich glauben können – und wenn es gut läuft, kann dann sogar jeder in der Gesellschaft an sich glauben.
Ich bin im Genderwahn, weil ich das Phantasma kenne. Es ist gar kein schlechtes Phantasma, daran glauben zu können, man sei ein Mann. Die Transidentität ist irgendjemand wie ich, nur anders. Und wer bin ich? Ich bin irgendwie anders als die Transidentität. Wir teilen das Geschlecht, wir teilen die Frage nach dem Geschlecht – und wir teilen sogar eine gemeinsame Grundlage, nämlich die phantasmatische Grundlage des Geschlechts.
In dem Streit um die dritte Option gibt es mehrere Optionen. Ich persönlich halte die Lösung solcher Konflikte über Art. 3 GG sinnvoller als die Lösung über das Persönlichkeitsrecht. Die Lösung über das Persönlichkeitsrecht befeuert eine Identitätspolitik und sie befeuert das Phantasma. Nur eins würde ich nie behaupten: dass die Transidentität mit dem Wahn angefangen hat. Die hat sich keine Register ausgedacht. Die hat es sich nicht ausgedacht, dass man sein Geschlecht im Pass festhalten muss. Das hat die weder erfunden, noch sich ausgedacht. Diesen Wahn macht sie mit. Manche gut, manche schlecht. Entzweit und entzwei sind aber alle, denn alle teilen und übertragen die Frage nach dem Geschlecht. Wir werden reproduziert, und auch wenn wir eins sind, sind wir Effekt von Paarung, Teilung und Übertragung. Will Mann nur Mann sein und sich nur als Mann reproduzieren, will er, dass seine Kinder alle Männer sind, kommen vielleicht Frauen bei raus, und Schuld daran ist nicht die Frau. Denn aus der kommen auch Männer raus.
Ich bin darum ein großer und geduldiger Leser der Literatur von Thomas Meinecke, der, etwa in „Selbst“, einen fantastischen Text zum Genderwahn vorgelegt hat, von dem man als Staatsrechtslehrer etwas lernen kann.
Subversionen und Subkulturen
Ich habe irgendwann erfahren, dass ich entzwei und entzweit bin. Ich denke, mir geht es darin so, wie allen Staatsrechtslehrern. Wir werden nämlich Juristen, weil die Welt nicht in Ordnung ist und wir damit Probleme haben. Wir sind nehmen Anteil an einer Welt, die nicht nur, aber auch chaotisch ist. Diese Erfahrung der Entzweiung machen alle.
Jetzt gibt es aber manche, die fragen auf besondere Art und Weise nach der Entzweiung. Die machen das, weil sie besonders bedrängt werden. Es gibt Staatsrechtslehrer, die in einem behüteten Haus aufwachsen, während der Jugend nur schwach politisiert wurden, gutes Abi, Förderung durch den bayrischen Staat, dann exzellenter Jurist, dann Sprengstoffexperte, vulgo C4-Professur. Solche Staatsrechtslehrer gibt es, aber auch die haben einen Trieb. Auch die sind getrieben. Denen reicht die Professur nicht, die müssen weiter, erst zum Bundesverfassungsgericht. Und auch das reicht denen nicht, weiter! Die müssen noch Bundespräsident werden. Das reicht nicht, die wollen auch noch an einem ganz alten Geschlecht teilnehmen. Zu dieser Gruppe gehörte zum Beispiel Roman Herzog. Der Vorname sagt schon, dass er ein Sohn Roms war. Herzog. Und am Ende lebt er mit Frau von Berlichingen, auch auf einem Schloss. Darin kommt viel Natur und Normalität und Realität vor, aber nicht nur, es klingt auch wie ausgedacht. Das ist auch ausgedacht, aber nicht nur, es ist auch echt und Alltag. Roman Herzog war im Genderwahn, und dass ausgerechnet er es war, der sagte, dass ein Ruck durch Deutschland gehen müsse, das halte ich für keinen Zufall. Der kannte seine Entzweiung, glaube ich, auch wenn ich das nicht immer gemerkt habe. Der hat sich aber auf die Phantasie und das Phantasma voll eingelassen. Und auf seinen Trieb und sein Treiben.
Das Interessante daran ist, das Roman Herzog zu einer Subkultur gehörte. Der war sowohl die Allgemeinheit als auch Mitglied einer kleinen Subkultur der Adeligen, der von Berlichingens. Der 18. Götz von Berlichingen lebt heute noch, ich kenne den gut, wir sind Freunde und ich weiß, wie speziell diese Subkultur ist. Wir haben schon oft gelacht, wenn er einen Tisch reserviert hatte, und wir nicht in die Bar kamen, weil die Türsteher dachten, wir wollten sie verarschen. Ich habe Zeugen!
Durch Subkulturen geht ein Ruck.
Das klingt lustig, ist es aber nicht immer. Nur, weil Kulturen stabil sein können, also auch ihr Phantasma sie trägt, heißt das nicht, dass es in ihnen nicht auch Subkulturen gibt. Es gibt vor allem da Subkulturen, wo das Phantasma nicht trägt und wo die Leute in einem ganz normalen Sinne wahnsinnig werden. Das sind Szenen der Transgression. Die Leute begreifen die Wirklichkeit nicht, ihre Begriffe reichen nicht aus, sie rutschen in den Übergriff und das Übergriffige ab. Das ist Transgression. Das gibt es nicht nur in Subkulturen, aber da auch und da teilweise auf besonders rationale Art und Weise. Denn aus der Transgression entstehen andere Begriffe. Man greift solange, bis es wieder passt und der Übergriff zum Begriff wird.
Klassische Szenen der Transgression sind die Drogenszene und sie sexuellen Subkulturen, allen voran die SM-Szene. In der Drogenszene gibt es den Rausch, aber wenn es dort einmal gut läuft (was wenn überhaupt, dann nur (sehr) kurz der Fall ist) dann gibt es dort die höchste Rauschrationalität. Die kennen die Stoffe und sie sind vollständig aufgeklärt. Das gleicht gilt für den Sex. Man findet keinen aufgeklärteren Sex als in der BDSM-Szene. Das sagt nicht nur de Sade, nicht nur Sacher-Masoch, nicht nur postmoderne Spinner, auch sehr präzise ausgebildete Wissenschaftler. Und wenn die gut sind, dann haben die sich eben auch in der BDSM-Szene ausbilden lassen. Die BDSM-Szene ist juridisch strukturiert und organisiert. Die haben Regeln und Vereine und Prinzipien, safe sane and consensual. Aber die haben eben die höchste Erregungsrationalität entwickelt. Wer richtig erregen will und wer sich richtig erregen lassen will, der geht dahin – weil das dort rational und juridisch erfolgt. Wer es nicht will, braucht da nicht hin. Bin ich da? Geh ich da hin? Die Frage ist erstens privat, zweitens intim und drittens völlig irrelevant, weil es nicht um Gruppenzugehörigkeit geht. Es geht um die Sache.
Durch diese Subkulturen geht ein Ruck. Erstmal nur für sie, weil ihnen etwas an der Wirklichkeit, der Natur und der Norm nicht passt. Aber wenn es dort gut läuft, dann geht der Ruck vielleicht auch irgendwann durch die ganze Gesellschaft.
Fazit
Eines kann man in den Subkulturen noch lernen, außer eben dieser hoch spezialisierten Rationalität. Das ist ein Phänomen, weswegen ich heute, als jemand, der die Schnauze voll hat, über Staatsrechtslehre im Genderwahn schreibt.
Wenn die Menschen aufhören, Kriterien zu haben, wenn sie aufhören, an ihre Gründe zu glauben, dann werden sie unsicher. Und dann haben einige Angst und andere werden neurotisch. Ich halte das Erstarken der AfD für ein Phänomen der Angst und Unsicherheit, aber nicht nur das. Aber nicht nur die Stärke der AfD liegt in der Angst. Auch die Schwäche der etablierten Parteien und Medien liegt in der Angst. Renten, Arbeit, Infrastruktur, Natur, Ökonomie – die Kriterien, nach denen eine Gesellschaft sich organisieren soll, die sind unsicher. Ist das Abendland noch ein Modell oder ist China das bessere Modell? Plötzlich kommen noch hochneurotische Jungs mit dicken Bärten aus dem Morgenland und tun so, als seien sie die neue Herrenrasse. Die Dinge sind unsicher.
Es gibt darin ein faschistisches Prinzip: Wenn die Menschen unsicher sind, tendieren sie dazu, nach Gruppenzugehörigkeit zu entscheiden. Darauf setzt die AfD, ich nicht. Glaubt der AfD nix, glaubt dem Gauland nix. Hör aber genau hin, was der sagt! Nehmt Euch seine Unsicherheit zu Herzen! Zweideutigkeiten setzen sich in solchen Fällen immer gegen Eindeutigkeiten durch. Der spielt genial, fallt nicht drauf rein. Natürlich ist Gauland nicht (nur) Faschist, nicht nur Nationalsozialist. Der ist ja zweideutig und spielt mit den Zweideutigkeiten, da ist der Postmodern und Postrukturalist. Von dem Vogelschiss erzählen auch Deleuze und Guattari. Aber anders als der Gauland wollten Deleuze und Guattari Normativität und Macht nicht nur enteignen, die wollten das verhindern, dass andere im Namen von Macht und Normativität sich Macht und Normativität aneignen. Anders als Deleuze will sich Gauland die Macht aneignen. Der will herrschen und der will, das Deutschland Gauland wird. Und wenn Ihr Eure Ängste vor Gauland nicht durchschaut, dann kommt der sehr weit damit, weil der völlig zu recht sagt, dass die Herrschenden nichts mehr beherrschen. Ich will nicht, dass Deutschland Gauland wird, weil ich weiß, dass der Faschismus auch dann in Gauland sitzt, wenn der nichts davon wissen will.
Ich setze auf Sachzwänge. Und da lerne ich etwas von den Subkulturen. Was passiert da nämlich? Was sieht man da?
Nur weil jemand katholisch ist, heißt das nicht, dass er nicht schwul sein kann. Nur weil jemand lesbisch ist, heißt das nicht, das sie nicht in der AfD sein kann. Nur weil jemand ein SS-Mitglied ist, heißt das nicht, dass er nicht schwulen SM-Sex betreibt. Das muss nicht sein, kann aber sein. Nur weil jemand tapferer Genosse und treuer Partisan ist, heißt das nicht, dass er nicht gerne kokst. In den Subkulturen trifft man im Alltag auf die unglaublichsten und unwahrscheinlichsten Paarungen. Da haben sogar Schwule Sex mit Frauen – ihnen ist es nur peinlich, in der Schwulenszene davon zu berichten, da würde ja an ihrem Image kratzen. Da haben sogar Lesben Sex mit Männern und Verheiratete mit Unverheirateten. Da herrscht der Genderwahn auf ein alltägliche Weise, still, heimlich, diskret – und das ist gut so. Das ist alles andere als die große Versöhnung, dort ist es auch tragisch und komisch. Aber alles ist anders als sonst, und man lernt die Verkehrungen so gut kennen wie sonst nur im Karneval oder auf Betriebsfeiern. Nur weil es das gibt, heißt das nicht, dass man drüber reden muss. Zensur ist gut, wenn sie hilft.
Der Ruck, der durch die Subkulturen geht, der soll nicht durch alle gehen. Wer sagt, dass er in der Normalität keine Probleme findet, in der Natur und der Realität auch nicht, der ist in glücklichem Genderwahn, wer will sich daran stören? Er muss nur damit rechnen, dass ihm widersprochen wird. Die Subkulturen gehen davon aus, dass er das aushält und ein offenes Ohr und ein offenes Herz hat.
Ich danke Kathrin Passig und Daniel Loick für Impulse.
Was für ein Ritt!
Schöne Glosse.
Ritter reiten eben, was nicht heisst, dass das Pferd dabei nicht auch fliegt und springt. Merci!
Die Staatsrechtslehre oder alle Staatsrechtslehrer sollen im Genderwahn sein. Im Genderwahn soll es nichts nicht entzweites geben. Bereits dies kann Widerspruch insich sein. Im Genderwahn kann es nicht nicht entzweite Staatsrechtslehre oder Staatsrechtslehrer geben. Was nicht entzweit im Genderwahn sein soll, kann im Genderwahn nicht nicht entzweit bestehen. Entweder es gibt Genderwahn. Dann keine nicht entzweiten Staatsrechtslehre und Staatsrechtslehrer. Oder es gibt nicht entzweite Staatsrechtslehre und Staatsrechtslehrer. Dies dann nur nicht im Genderwahn.
Fazit?
Ein Fazit ist erst möglich, soweit genügende Sicherheit besteht, selbst nicht nur ein Hase(nfuß) zu sein.
Das ist der Modus darii, nicht barbara.
Der Modus Barbara beinhaltet drei a, ist also dreimal universell affirmativ.
Der Modus darii einmal universell affirmativ, dann zweimal partikular affirmativ (ii)
Alle Staatsrechtslehrer sind= a
Ich bin ein Staatsrechtslehrer: i ?
Also bin ich: i?
Es kann sein, dass sie recht haben. Dann muss ich nochmal nachsitzen! Aber ich könnte ja auch teilweise Staatsrechtslehrer sein, was ist dann? Wie bestimmt man in der klassiche Logik den Unterschied zwischen dem universellen und dem partikularen? Können Sie mir helfen, lieber Kai Denker? Es ist schon so lange her, das ich das gebüffelt habe.
Entschuldigen Sie mal wieder die Tippfehler, bin schon wieder am Handy im Zug!
Kai Denker, können Sie mir nochmal Feedback geben, wegen ihre Antithese? Ich glaube ja, dass die Aussage, ich sei ein Staatsrechtslehrer zumindest logisch betrachtet universell affirmativ ist. Sie scheinen da einen Gegenthese zu vertreten, das dürfte alle Logiker interessieren, insbesondere die, die dem Genderwahn entgehen wollen. Ich stehe für Argumente zur Verfügung.
mit besten Grüßen FS