Warum ich den KI-Vertragsergänzungen des Beck-Verlags nicht zustimme
Der C.H.Beck-Verlag fordert seine (wissenschaftlichen) Autor:innen seit einiger Zeit dazu auf, einer „Vertragsergänzung zur KI-Nutzung“ zuzustimmen. Diese soll den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Textproduktion regeln. Sie ist Teil einer strategischen Neuausrichtung des Verlags im KI-Zeitalter: Der Verlag will in naher Zukunft ein eigenes KI-System namens „beck-noxtua“ betreiben und ist offenbar bestrebt, die eigene Rechtsposition abzusichern und den bestehenden Wettbewerbsvorteil im Rechtsinformationsmarkt auch auf das neue Marktsegment zu übertragen.
Der Verlag informiert im Anschreiben, dass er plant, „die Werke seiner Autorinnen und Autoren künftig auch so aufzubereiten und zu verwerten, dass sie unter Zuhilfenahme geschützter Sprachmodelle exklusiv für seine Nutzer durchsucht, befragt und auch zitiert werden können“. In einer E-Mail versucht der Verlag, die „wichtigsten Fragen“ zu beantworten, um den Autor:innen ihre Entscheidung zu erleichtern. Insgesamt beabsichtigt er, die von den Autor:innen geschaffenen Inhalte „künftig für und durch eigene KI-Anwendungen zu verarbeiten“. Um diese Zusammenarbeit „rechtssicher“ zu gestalten, schlägt der Verlag im Kern zwei neue Klauseln vor, mit denen die bestehenden Autor:innenverträge ergänzt werden sollten:
(1) KI-Erstellungsklausel
Diese Klausel lautet:
„Der Urheber verpflichtet sich insbesondere, das jeweilige Werk in der dem Verlag abgelieferten Fassung nicht in Gänze oder in Teilen durch eine auf Künstlicher Intelligenz basierende Anwendung zu erstellen oder verarbeiten zu lassen (z.B. durch Bearbeitungen, Übersetzungen und Zusammenfassungen).“
In den E-Mail-Erläuterungen wird dazu ausgeführt, dass der Verlag damit „keineswegs eine pauschale Untersagung jeglichen Einsatzes von KI“ bezwecke. So sei es „unbedenklich“, wenn Autor:innen „KI-Anwendungen als vorbereitende Hilfsmittel im Arbeitsprozess (z. B. zum Entwurf einer Gliederung) oder in Form einer KI-basierten Rechtschreib- und Grammatikprüfung einsetzen“. Aus der Erläuterung ergeben sich die zwei vom Verlag mit der Klausel verfolgten Ziele: (a) Der Verlag will sicherstellen, dass „der konkret abgelieferte Text vollständig durch eine natürliche Person formuliert und geschaffen wird“ und damit urheberrechtlich schutzfähig ist. (b) Der Verlag will sicherstellen, „dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte in frei zugängliche Sprachmodelle gelangen, wo sie ohne Vergütung für das Training verwendet werden.“ Dies gefährde neben den Interessen der Autor:innen auch die des Verlages, nicht zuletzt deshalb, weil „die Betreiber der Sprachmodelle durch ihre AGBs“ Nutzungsrechte an den eingegebenen Inhalten erwerben könnten.
(2) KI-Trainingsrechteklausel
Diese Klausel lautet:
„Der Urheber ist damit einverstanden, dass allein der Verlag das jeweilige Werk für die automatisierte Analyse insbesondere zur Erkennung von Mustern, Trends und Korrelationen verwenden kann; insofern verzichtet der Urheber darauf, sich diese Nutzungen selbst vorzubehalten.“
Der Zweck dieser Klausel wird in der E-Mail nicht näher erläutert. Eine eigenständige Vergütung für diese ausschließliche Rechteeinräumung – auch und gerade unter Ausschluss der Urheber:innen selbst – ist nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit der „Honorierung“ führt der Verlag lediglich aus, dass „KI-Anwendungen wie der beck-chat die Attraktivität von beck-online insgesamt [steigern]“ würden, was zu höheren Umsätzen und damit insgesamt auch zu einem größeren Honorarvolumen führen würde. Insbesondere KI-optimierte Werke „werden von der KI häufiger als Quelle angegeben und mit höherer Wahrscheinlichkeit geklickt, was einen höheren Honoraranteil zur Folge hat.“ In diesem Zusammenhang zu sehen sind auch Ausführungen zur „Sichtbarkeit“ von Werk und Autor:in. Der Verlag führt dazu aus, dass „beispielsweise bei allen Anwendungen die Anzeige von Quellen neben der KI-generierten Antwort“ erfolgen werde. Bei dem neuen Produkt Beck-Noxtua denke der Verlag „darüber hinaus über die Möglichkeit der Integration von Autoren- und Werkabbildungen in die Quellenangabe nach“.
Die vom Verlag vorgeschlagenen Änderungen sind aus urheber(vertrags)rechtlicher, wettbewerbspolitischer sowie wissenschaftstheoretischer Perspektive problematisch. Die tatsächlichen und rechtlichen Hintergründe und auch die konkreten Folgen des Vorschlags sind für viele mit dem Urheberrecht und den Entwicklungen auf dem KI-Markt nicht vertraute Autor:innen nicht hinreichend bekannt. Die Schreiben des C.H. Beck-Verlags tragen nicht dazu bei, diese Zusammenhänge transparent zu machen. Obwohl der Verlag in seiner E-Mail sich insbesondere für die Interessen der Autor:innen einzusetzen vorgibt, ergibt eine Analyse der vorgeschlagenen Änderungen, dass sie die wirtschaftlichen Interessen des Verlags unangemessen stark bevorzugen und die berechtigten Anliegen der Hochschullehrenden deutlich zurücksetzen.
Urheberrechtliche Ausgangslage
Um diese Einschätzung nachvollziehen zu können, ist eine (sehr knappe) Einführung in die mit der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten durch KI hervorgerufenen Fragen hilfreich. Dabei geht es (mindestens) um drei Problemkreise:
(1) Das Training eines KI-Modells mit urheberrechtlich geschütztem Material setzt in der Regel eine Vervielfältigungshandlung voraus. Diese bedarf der Zustimmung der Rechteinhaber:innen, es sei denn, es greift eine gesetzliche Nutzungserlaubnis. Eine solche steht in der EU und in Deutschland für das sog. Text-and-Data-Mining bereit (vgl. Art. 4 Richtlinie 2019/790/EU, § 44b UrhG). Umstritten ist, ob diese gesetzliche Nutzungserlaubnis auch die Nutzung für das Training generativer KI-Modelle erfasst. Bejaht man die Frage, können Anbietende und Betreibende von KI-Modellen diese Werke erlaubterweise nutzen; es sei denn, die Rechteinhaber:innen haben einen Vorbehalt erklärt (Opt-Out). Verneint man die Frage, dann bedarf die Nutzung von Werken für das Training eines KI-Modells der Erlaubnis der Rechteinhaber:innen. Das ist – wenig überraschend – die Rechtsauffassung der VG WORT und der deutschen Verlage. Dieses Problem betrifft also die urheberrechtliche Frage nach dem KI-Input auf der Ebene der Trainingsdaten.
(2) Beim Betrieb eines KI-Systems wird diskutiert, ob die im KI-Modell dauerhaft enthaltenen Informationen selbst eine Kopie des genutzten Trainingsmaterials sind, jedenfalls dann, wenn und soweit wiedererkennbare Trainingsinhalte reproduziert werden können. Dieses Problem betrifft die dauerhafte Nutzung des KI-Inputs im KI-System.
(3) Die dritte Frage betrifft den KI-Output. Handelt es sich dabei um wiedererkennbare Werke, liegt nach der wachsenden Tendenz in der Literatur in dieser Ausgabe eine ebenfalls urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung (in Form der öffentlichen Wiedergabe).
Diese drei Probleme werden urhebervertragsrechtlich überlagert, wenn die Urheber:innen – wie in Verlagsverträgen üblich – ihre Nutzungsrechte umfassend an eine Lizenznehmerin (translativ) übertragen haben. Das erfolgt mit der ausschließlichen Einräumung von Nutzungsrechten an allen möglichen Nutzungsarten (vgl. § 31 UrhG). Nach dieser umfassenden Rechteeinräumung ist ausschließlich der Verlag (und grundsätzlich auch nicht mehr der:die Autor:in, vgl. § 31 III 2 UrhG) zur Nutzung, zur Erlaubniserteilung an Dritte und zur Rechtsverfolgung berechtigt. Diese Nutzungsrechtseinräumung kann im Verlagsvertrag auch vorab erfolgen. Dabei gibt es eine Besonderheit: Wenn es sich um eine im Vertragsabschlusszeitpunkt unbekannte Nutzungsart handelte, bedarf die Einräumung von Nutzungsrechten der Schriftform und kann von dem:der Urheber:in bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einseitig widerrufen werden (§ 31a UrhG). Grundsätzlich liegt daher die Befugnis, über die Nutzung von Werken für das Training, für das Vorhalten und für den Output von KI-Systemen zu entscheiden, bei den einzelnen Autor:innen. Nur wenn sie diese Rechte umfassend dem Vertrag eingeräumt haben, hat dieser die Entscheidungsmacht. Man muss daher aufgrund der Auslegung des Verlagsvertrags prüfen, ob der Verlag tatsächlich das ausschließliche Nutzungsrecht an der dauerhaften Vorhaltung im KI-Modell und am KI-Output hat.
Besonders zweifelhaft ist, ob der Verlag – unter der Voraussetzung, dass die Schranke des § 44b UrhG nicht anwendbar ist – bereits aufgrund des im Verlagsvertrag eingeräumten Vervielfältigungsrechts auch die Befugnis erworben hat, die Werke zum Training des KI-Modells zu nutzen. Offenbar zweifelt auch der C.H.Beck-Verlag daran, weil er aus diesem Grund die Zusammenarbeit „rechtssicher gestalten“ möchte. Die Funktion der Rechtenutzungsklausel besteht darin, diese Zweifelsfrage zugunsten des Verlags zu entscheiden. Obwohl danach eine Einräumung von Nutzungsrechten zu einem spezifischen Zweck erfolgt, sieht der Änderungsvorschlag dafür keine eigenständige Vergütung vor. Der Verlag geht offensichtlich davon aus, dass diese Rechteeinräumung bereits mit der vertraglich geschuldeten Vergütung abgegolten ist. Diese Position ist mit Blick auf den Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 32 Abs. 1 UrhG) zweifelhaft.
Analyse der neuen Beck-Vertragsklauseln zu KI und Urheberrecht
(1) Die KI-Erstellungsklausel
Die KI-Erstellungsklausel enthält ein weitreichendes vertragliches Verbot der KI-Nutzung bei der wissenschaftlichen Textproduktion. Das ist nicht nur aus einem wissenschaftstheoretischen Grund ausgesprochen problematisch. Darin liegt auch der wettbewerbspolitisch kritisch zu sehende Versuch des C.H. Beck-Verlags, seine Marktmacht im Rechtsinformationsmarkt auf den Einsatz von KI-Systemen zu erstrecken.
Wissenschaftstheoretische Entscheidungsanmaßung
Die Rechtswissenschaft muss sich dringend darüber verständigen, was gute wissenschaftliche Praxis in Zeiten generativer KI bedeutet. Das ist eine genuin wissenschaftliche Aufgabe. Die Rechtswissenschaft wird sich zwischen einer Reihe von Optionen entscheiden können – und müssen. Die vom Verlag in den erläuternden Hinweisen – nicht aber im sehr breiten Wortlaut der Klausel selbst – beispielhaft genannten „unbedenklichen“ KI-Nutzungen betreffen den Einsatz von KI-Systemen als vorbereitende Hilfsmittel im Arbeitsprozess; genannt werden der Entwurf einer Gliederung oder eine KI-basierte Rechtschreib- und Grammatikprüfung. Diese bilden nur das eine Ende der denkbaren Nutzungsmöglichkeiten ab. Die von einigen Fakultäten in jüngerer Zeit beschlossenen KI-Richtlinien für Studium und Prüfung gehen teilweise deutlich über die vom Verlag allein für zulässig gehaltenen Einsatzgebiete hinaus. Indem der Verlag seinen Autor:innen vertraglich – und damit sanktionsbewehrt – vorschreiben möchte, wie diese in Zeiten generativer KI zu arbeiten haben, maßt er sich eine Kompetenz an, die weder er noch ein anderer Verlag hat. Darüber zu entscheiden, ist die ureigenste Aufgabe der Wissenschaft. Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir in Zeiten generativer KI arbeiten und was gute wissenschaftliche Praxis heute bedeutet. Der Vorschlag des Verlags beruht noch dazu ausschließlich auf den eigenen ökonomischen Interessen. Dieser möchte sich damit eine möglichst exklusive und gegenüber Wettbewerbern gerichtlich durchsetzungsfähige Rechtsposition verschaffen. Ein:e Wissenschaftler:in kann und sollte dieser Klausel jetzt nicht zustimmen.
Wettbewerbspolitisches Argument
Die Geschäftsstrategie des C.H. Beck-Verlags zielt offensichtlich darauf ab, zweifelsfrei urheberrechtlich geschützte Inhalte vollständig exklusiv zu erwerben. Im Kern will der Verlag sich damit eine möglichst starke Rechtsposition aufbauen, die er auch gegen Wettbewerber einsetzen kann. Darauf weist der Verlag selbst hin, weil er in der E-Mail auf „die Gefahr“ aufmerksam macht, „dass sich die Betreiber der Sprachmodelle durch ihre AGBs Rechte an [den] Inhalten verschaffen“. Dieser Hinweis ist einerseits berechtigt: Wer Texte in KI-Anwendungen eingibt und damit arbeitet, trifft in den AGB der KI-Systemanbieter häufig (nicht immer) auf Klauseln, wonach die Nutzenden der KI-Systembetreiberin einfache (!) Nutzungsrechte an den Texten zum Training und zum Betrieb der KI einräumen (KI-Input und KI-Output). Damit sichert sich wiederum die KI-Systembetreiberin in der gegenwärtigen Rechtsunsicherheit ab und holt sich eine vertragliche Lizenz zur (einfachen) Nutzung dieser Inhalte für die oben genannten drei Zwecke ein. Darin liegt aus der rationalen Sicht des C.H.Beck-Verlags ein Risiko: Der Verlag ist bestrebt, ausschließliche, von jedem einfachen Nutzungsrecht Dritter freie und zweifelsfrei urheberrechtlich geschützte Inhalte für das eigene System zu erwerben. Nur das erlaubt es ihm, bei einer Wiedererkennbarkeit des Outputs von KI-Systemen von Wettbewerbern dagegen urheberrechtlich vorzugehen. Deshalb will der Verlag den Autor:innen vorschreiben, keine Texte in KI-Systeme einzugeben, weil er nicht ausschließen kann, dass die ihm später gelieferten Texte mit einfachen Nutzungsrechten belastet sind. Kombiniert mit der in Verlagsverträgen häufigen Praxis, bereits vor Werkentstehung das ausschließliche Nutzungsrecht vorab einzuräumen, gelingt es dem Verlag, auf diesem Weg sicherzustellen, dass alle Inhalte belastungsfrei bei ihm liegen. Die KI-Erstellungsklausel ist damit ein wichtiger Baustein in der Strategie des Verlags, seine Marktmacht auf dem Rechtsinformationsmarkt in die Nutzung generativer KI-Systeme zu transferieren. Die deutsche Rechtswissenschaft sollte sich zumindest die Frage stellen, ob sie dieses geschäftliche Interesse des Beck-Verlags unentgeltlich unterstützen möchte.
(2) Die KI-Trainingsrechteklausel und die Vergütungsfrage
Mit der KI-Trainingsrechteklausel adressiert der C.H. Beck-Verlag die oben skizzierte Rechtsunsicherheit: Auf Grundlage der (umstrittenen) Prämisse, wonach das Training von KI-Modellen mit Werken nicht von der gesetzlichen Nutzungserlaubnis in § 44b UrhG erfasst wird, weist die Klausel diese Nutzungsbefugnis ausschließlich (!) dem Verlag zu. Das ist der zweite Baustein des vom Verlag angestrebten Geschäftsmodells: Will er sein eigenes KI-System anbieten, muss er sicherstellen, dass er auch die Nutzungsrechte am Training des KI-Modells hat. Will er sicherstellen, dass damit niemand anderes alternative KI-Modelle baut und entsprechende KI-Systeme am Markt anbietet, muss er sich diese Nutzung ausschließlich einräumen lassen.
Für die Autor:innen bleibt dabei unklar, ob der Verlag seine KI-Modelle tatsächlich nur mit den Inhalten trainiert hat und trainieren wird, die er von den Autor:innen für diesen spezifischen Nutzungszweck lizenziert hat. Wie stellt der Verlag sicher, dass die Präferenz von Autor:innen, die nicht zustimmen möchten, tatsächlich berücksichtigt wird? Wie wird der Verlag mit Autor:innen umgehen, deren Einschätzung von seiner abweicht? Werden diese auch in Zukunft Verlagsverträge beim C.H. Beck-Verlag bekommen? Oder muss in Zukunft jede:r Autor:in ohne zusätzliche Vergütung sich jeder Möglichkeit begeben, ihre Inhalte für das Training anderer KI-Modelle einzusetzen?
In der KI-Trainingsrechteklausel liegt – immer unter der Prämisse der Nichtanwendbarkeit der Schrankenregelung – eine signifikante Stärkung der Rechtsposition des Verlags. Für diese Leistung bietet der Verlag keine unmittelbare Gegenleistung an. Er lässt sich ein für das Geschäftsmodell zentrales Nutzungsrecht einräumen, ohne die Autor:innen dafür zu vergüten. In der „erläuternden“ E-Mail heißt es, die KI-Erstellungsklausel solle sicherstellen, „dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte in frei zugängliche Sprachmodelle gelangen, wo sie ohne Vergütung für das Training verwendet werden“, weil das die Interessen der Autor:innen gefährde. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Verlag seine Autor:innen vor dem vergütungsfreien Training allgemeiner Sprachmodelle mit ihren Werken warnt, für sich selbst aber diese Vergütungsfreiheit für diese Nutzungsart der Werke beansprucht.
Der Verlag verweist in der E-Mail darauf, dass KI-optimierte Werke von der KI häufiger als Quelle angegeben und mit höherer Wahrscheinlichkeit geklickt würden. Sollte die Vergütung tatsächlich vom Klick der Nutzenden abhängen, ist das eine für Autor:innen alarmierende Nachricht. Die aktuelle Entwicklung bei den Suchmaschinen zeigt, dass beim Einsatz von generativen KI-Chatbots deutlich weniger auf die Quellen geklickt wird. Es gibt gute Gründe, anzunehmen, dass diese Entwicklung im Wesentlichen auch bei der Suche nach spezifischen Inhalten auftreten wird. Daher liegt es nahe, zu vermuten, dass der Einsatz der Beck-KI zu weniger und nicht mehr Vergütung führen wird.
(3) Die VG WORT-Problematik
Die VG WORT hat – auf Grundlage ihrer Rechtsauffassung, dass das Training von KI-Modellen nicht gesetzlich erlaubt ist – eine KI-Lizenz erarbeitet. Sie erlaubt das Training von KI-Modellen und die Nutzung des KI-Outputs ausschließlich für unternehmensintern eingesetzte KI-Systeme. Damit sie die dafür erforderlichen (einfachen) Nutzungsrechte einräumen kann, wurde der Wahrnehmungsvertrag mit den Autor:innen (und Verlagen) insoweit geändert. Nach § 1 Nr. 37 des neuen Wahrnehmungsvertrags übertragen die Autor:innen der VG WORT die entsprechenden Nutzungsrechte. Der C.H. Beck-Verlag hat gegenüber der VG WORT dieser Rechteeinräumung widersprochen. Damit verbleiben die Nutzungsrechte von C.H. Beck-Verlagserzeugnissen beim Verlag. Die einzelnen Autor:innen können nach dem geänderten Wahrnehmungsvertrag ebenfalls dieses Recht individuell ausüben und dem Verlag übertragen. Deshalb ist die Aussage in den Erklärungen des Verlags zutreffend, dass die angestrebte Ergänzung zum Verlagsvertrag nicht gegen den (geänderten) Wahrnehmungsvertrag verstößt, den die Autor:innen mit der VG WORT abgeschlossen haben.
Was der Verlag verschweigt, sind die Folgen dieser Konstruktion: Die VG WORT hat keine Möglichkeit, an C.H. Beck-Inhalten eine KI-Lizenz an Unternehmen im Rechtsmarkt zu vergeben. Diese Möglichkeit hätte es erlaubt, dass immerhin die Kanzleien und Unternehmen im Rechtsmarkt mit den bestehenden Inhalten ein eigenes KI-System bespielen können. Damit könnte ein wettbewerblicher Druck auf das Beck-KI-System entstehen, weil dieses mit unternehmensinternen Lösungen konkurriert. Das hätte wohlfahrtssteigernde Effekte, nicht nur was den Preis des Angebots betrifft, sondern auch bezüglich seiner Benutzungsfreundlichkeit. Das alles verhindert C.H. Beck. Dazu kommt, dass die Vergütung der von der VG WORT wahrgenommenen Nutzungen für wissenschaftliche Autor:innen interessant ist. Aufgrund der Verteilungspläne der VG WORT würden Autor:innen daher im Ergebnis finanziell besser stehen, wenn die VG WORT – in dem sehr kleinen Anwendungsbereich der KI-Lizenz – lizenzieren würde.
(4) Erschwerung der Arbeitsbedingungen in Lehre und Forschung
Der C.H.Beck-Verlag bietet mit beck.online eine der wichtigsten deutschen Datenbanken im Bereich Recht an. Der Zugang dazu ist für die Lehre und Forschung essenziell. Der Verlag bietet den Universitäten und Hochschulen Module an, in denen er jeweils nach ausschließlich wirtschaftlichen Interessen geleitete und nicht immer hinreichend nachvollziehbare einzelne Werke und Sammelwerke bündelt. Das führt dazu, dass viele für Lehre und Forschung wichtige Beiträge für die Lehrenden und Forschenden an den Universitäten nicht ohne Weiteres zugänglich sind: Zahlreiche für Forschung und Lehre unverzichtbare Titel sind inzwischen nur noch in Modulen verfügbar, die in den lizenzierten Zugängen nicht enthalten sind und deren Erwerb für gemeinnützige Institutionen unerschwinglich ist. Das führt dazu, dass die Forschenden, Lehrenden und Studierenden zunehmend von der digitalen Nutzung der Werke des Verlags ausgeschlossen werden. Das betrifft auch Werke, die zu einem großen Teil von Forschenden dieser Institutionen geschrieben wurden. Die vorgeschlagene „KI-Vertragsergänzung“ verstärkt dieses Ungleichgewicht: Einerseits sollen die Autor:innen zusätzliche Rechte an den Verlag (vergütungsfrei) übertragen, andererseits wird deren eigener Zugang zu den relevanten Ressourcen eingeschränkt – und das dadurch entstehende Produkt wird teuer erkauft werden müssen. Es ist deshalb an der Zeit, dass der C.H.Beck-Verlag auf die Produktionsbedingungen der Wissenschaft Rücksicht nimmt und den wissenschaftlichen Institutionen erweiterte Zugänge bereitstellt. Selbstverständlich muss es sein, dass die Nutzung der KI-Modelle des Verlags in die Lizenzpakete der gemeinnützigen Hochschulen ohne Zusatzkosten integriert wird.
Zusammenfassung
Die Analyse zeigt, dass der C.H. Beck-Verlag mit den neuen Vertragsklauseln drei zentrale Geschäftsziele verfolgt: Erstens sollen sie den Aufbau und die Absicherung des eigenen KI-Geschäftsmodells ermöglichen, indem sich der Verlag umfassende Rechte an allen Inhalten sichert. Zweitens bezwecken sie den systematischen Ausschluss von Wettbewerbern vom Zugang zu juristischen Inhalten, um seine Marktmacht zu stärken. Drittens ermöglichen sie die Akquisition zentraler Nutzungsrechte von Autor:innen, ohne dafür eine angemessene zusätzliche Vergütung zu leisten.
Die Klauseln haben erhebliche Schwächen aus Autor:innensicht. Obwohl die KI-Trainingsrechte für das Geschäftsmodell des Verlags von zentraler Bedeutung sind, erhalten Autor:innen keine zusätzliche Vergütung für diese Rechteübertragung. Die Vertragsgestaltung zeigt keine erkennbare Rücksicht auf Autor:inneninteressen, sondern fokussiert einseitig die Verlagsbelange. Die Funktionsbedingungen der Produktion und Nutzung von Texten im wissenschaftlichen Kontext werden weitgehend ignoriert. Besonders problematisch ist die Einschränkung der wissenschaftlichen Arbeitsfreiheit und der erhebliche Einfluss auf die Ausgestaltung der guten wissenschaftlichen Praxis. Man kann den Autor:innen aus der Wissenschaft nur empfehlen, diese KI-Vertragsergänzung nicht zu unterzeichnen.