09 May 2016
Der Grundsatz (in)effektiver Opposition: zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Oppositionsfraktionsrechte
Übermächtige Koalitionen mit zersplitterter Opposition werden wohl auch in Zukunft die Parlamentswirklichkeit in Deutschland bestimmen. Vom Prinzip effektiver Opposition bleibt dann nur wenig übrig. In seinem letze Woche verkündeten Urteil zu Oppositionsrechten scheint uns das BVerfG mit der Vorstellung des heroischen Abgeordneten trösten zu wollen, der mit der Waffe der Chancengleichheit in der Hand die Kontrolldefizite des parlamentarischen Regierungssystems kompensiert. Das klingt vertraut, ruft hehre Liberalismus-Bilder des 19. Jahrhunderts auf. Mit Verfassungswirklichkeit und Parlamentspraxis haben und hatten diese Bilder indessen nichts zu tun. Continue reading >>
3
06 May 2016
“Ein Land hat ein Recht darauf, regiert zu werden”
Spanien steht vor Neuwahlen, nachdem die Parteien im Parlament monatelang keine mehrheitsfähige Regierung zustandegebracht haben. Ex-Verfassungsgerichtspräsident und -Generalanwalt am EuGH Pedro Cruz Villalón sieht im Verfassungsblog-Interview die Parteien in der Schuld und prophezeit seinem Land eine assymetrisch föderale Zukunft – möglicherweise mit Vorbildfunktion für Europa. Continue reading >>05 May 2016
„Karlsruher Allerlei“ statt Vatertag: von den Grenzen des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung
Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat das BVerfG Ende der 1980er Jahre als Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt und damit ein grundrechtliches Schwergewicht geschaffen. Reichweite und Konturen dieses Rechts wurden seither intensiv und kontrovers diskutiert – vor allem im Zusammenhang mit neuen reproduktiven Technologien. In seiner jüngsten Entscheidung kommt der Erste Senat nun einstimmig zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet sei, eine Grundlage für die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung von einem mutmaßlichen leiblichen Vater zu schaffen, der nicht der rechtliche Vater ist und dies auch nicht werden soll. Zu begrüßen ist der Ansatz des BVerfG, das Kenntnisrecht in seiner Schwergewichtigkeit zu relativieren. Die Begründung des Urteils überzeugt jedoch nicht in jeder Hinsicht. Continue reading >>
0
03 May 2016
Tax Transparency: too little, too late
As far as individuals are concerned, international problems can be tackled through increased tax cooperation and transparency. As to corporations, on the other hand, taxing multinational groups at arm’s length together with an increase of tax cooperation would not solve the problems of global tax law. In this case, the problem lies in the structural principles behind international taxation of multinational groups and, therefore, a reaction based only on tax transparency is clearly insufficient. Continue reading >>
0
02 May 2016
Leaked Transparency and Whistleblowers
The ability of organisational insiders to speak up and disclose information in the public interest is at the core democratic values. It seems paradoxical then to punish and prosecute those who actively practice them. The time is ripe to establish a legal framework with clear requirements for protected disclosure that affords a wide protection to individuals who expose wrongdoing in the public interest. Continue reading >>27 April 2016
Tax Evasion and Human Rights
The United Nations Covenant should be interpreted to prohibit state mandated bank secrecy, which facilitates tax evasion by wealthy residents of the developing world. In other words, bank secrecy laws of Lichtenstein, Panama, and Switzerland, for example, violate internationally recognized human rights. Continue reading >>
0
26 April 2016
Why Transparency Alone Will Not Suffice To Fight Tax Evasion
I am skeptical about the effectiveness of a shift towards more transparency. I do not believe that this could help overcoming the growing gap between legality and legitimacy in international tax law. Especially, I do not see how the gap can be reduced by making taxpayer information public. Or better, I do not believe this is the right path that States should pursue. Continue reading >>Privacy and Tax Evading
Privacy, at least with respect to taxes, is the shield of the villains. The legal or constitutional issue should not focus on preventing the flow of information but rather on the way the informed uses the information. Continue reading >>
0
25 April 2016
Panama Lessons: Less Privacy, More Tax Justice
Information is the new currency of international tax policy. Countries have successfully developed techniques and strategies to enhance the flow of tax-relevant information across borders. This shift requires adaptations with respect not just to human rights but to democracy: Lawyers should reconsider the traditional core of parliamentary power to tax. Democratic assent to the imposition of taxes needs to be informed consent. As long as lawmakers cannot assess the economic impact of existing and new tax rules in a global environment, lawmaking is a blind flight. Continue reading >>
0
“Das wäre wohl so etwas wie eine Verfassungskrise”
Wenn der FPÖ-Kandidat der nächste österreichische Bundespräsident wird, kann er womöglich die Regierung entlassen, eine neue ernennen und das Parlament auflösen - und niemand könnte ihn stoppen. Theo Öhlinger erklärt im Verfassungsblog-Interview, wie das Amt des Bundespräsidenten in Österreich ausgestaltet ist, welche verfassungsrechtlichen Unsicherheiten bestehen und ob eine Verfassungskrise in den Bereich des Denkbaren rückt. Continue reading >>24 April 2016
Is the European Central Bank Becoming a Central Bank for the People of Europe?
In February 2016, while David Cameron and the other EU-leaders were busy negotiating the terms of Britain’s membership of the Union, the European Central Bank (ECB) did something curious. It changed its self-description on its website from: the ECB “is the central bank for Europe's single currency, the euro” to: the ECB “is the central bank for the euro area” and “of the 19 European Union countries which have adopted the euro.” The ECB, it seems, confines itself no longer to being the central bank of a free floating currency, defying and denying national specificities and territorial borders. Furthermore, its governmental activities are no longer limited to governing the currency: it claims to govern for the euro area as a central bank of the 19 euro countries. Continue reading >>22 April 2016
Die Causa Böhmermann: Ein Tiefpunkt und noch ein Tiefpunkt und noch ein Tiefpunkt
Die Frage, die der Fall Böhmermann aufwirft, ist nicht, ob Böhmermann sich strafbar gemacht hat oder nicht und die Bundesregierung ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen durfte oder nicht. Sondern die Frage ist, ob es Sinn macht, in diesem Fall mit dem Recht zu kommen. Das hängt auf einer ersten und vordergründigen Ebene davon ab, ob das Recht auf diesen Fall überhaupt eine Antwort oder jedenfalls eine einigermaßen klare Antwort hat. Hat es eine Antwort? Continue reading >>Warum die “Reform” des Sexualstrafrechts keine ist
Wenn ein Unrechtszustand länger andauert, kann es geschehen, dass er als Normalität wahrgenommen wird. Dies zeigt auch der aktuelle Gesetzentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts, welcher nicht auf fehlendes Einverständnis abstellt, sondern in einem Sondertatbestand des „sexuellen Missbrauchs“ einige Konstellationen aufzählt, in denen ein sexueller Übergriff trotz fehlendem Widerstand strafbar ist. Der Vergewaltigungsmythos des unbedingten Widerstandes wird damit als Regelfall bestätigt, und Betroffene, die sich nicht physisch wehren, werden terminologisch wie dogmatisch mit Geschäftsunfähigen gleichgestellt. Continue reading >>Causa Böhmermann: Die Rückkehr der Staatsehre?
Die Entscheidung zur Ermächtigung der deutschen Staatsanwaltschaft, gegen Jan Böhmermann ein Strafverfahren nach § 103 StGB einzuleiten, wird naturgemäß hitzig diskutiert. Über die politischen, straf- und menschenrechtlichen Aspekte hinaus weist der Fall auch eine nicht zu verachtende allgemein-völkerrechtliche Komponente auf: Die Achtung der Ehre fremder Staaten. Continue reading >>21 April 2016
Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz: Ein Pyrrhus-Sieg der Freiheitsrechte?
Datenschutz, Privatsphäre und Freiheit haben konkret gewonnen, aber generell verloren: Warum die gestrige Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen BKA-Gesetz kein ungetrübter Grund zur Freude ist. Continue reading >>Dilma Rousseff and the Impeachment Process: Questions of Power and Influence
Dilma Rousseff, the President of Brazil, is about to be forced out of office soon. Any impeachment process is, first and foremost, political, dealing with questions of power and influence. To be sure, political reforms such as the introduction of measures to significantly reduce the number of parties in Congress are urgently needed. Unfortunately, there is no immediate remedy to this significant deficiency in sight. And yet, it is clear that any governing coalition to function in Brazil’s political system requires a president extremely skilled in engaging with the legislative, creating deals, forging alliances and making compromises. Dilma Rousseff is facing the end of her political career because she has utterly failed in this respect. Continue reading >>15 April 2016
Anmerkung zur Ermächtigung der Bundesregierung im Fall Böhmermann
Was hat die Kanzlerin mit ihrer Ermächtigung der Strafjustiz, gegen Jan Böhmermann wegen Verstoßes gegen § 103 StGB vorzugehen, gesagt? Und was steht dabei auf dem Spiel? Anmerkungen eines Philosophen zu einem potenziellen Tag für die verfassungshistorischen Geschichtsbücher. Continue reading >>Die Kanzlerin schützt den Rechtsstaat. Oder wie?
In einem Rechtsstaat, so Kanzlerin Angela Merkel in Sachen Böhmermann, sei „es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen“. Wieso eigentlich nicht? Warum gibt es dann überhaupt ein einschlägiges Ermächtigungsdelikt? Tatsächlich ist nach Art. 1 Abs. 3 GG die Bundesregierung durchaus verpflichtet, eine entsprechende Grundrechtsabwägung vorzunehmen. Continue reading >>11 April 2016
Erlaubte Schmähkritik? Die verfassungsrechtliche Dimension der causa Jan Böhmermann
Jan Böhmermanns Spottverse auf den türkischen Präsidenten Erdoğan sind erklärtermaßen Schmähkritik und als solche nicht von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG gedeckt – eigentlich. Kann Schmähkritik so verpackt werden, dass diese ausnahmsweise die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitet? Fällt sie auch dann aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit heraus, wenn ihr Verfasser mit dieser „Verpackung“ deutlich macht, dass es ihm erkennbar gerade nicht um den Inhalt der Schmähkritik selbst, sondern um etwas (wiederum erkennbar) anderes geht. Einiges spricht hier dafür, die Meinungsfreiheit tatsächlich in diesem Sinne zu interpretieren. Continue reading >>07 April 2016
Mit den eigenen Waffen geschlagen: Die Reaktion des EuGH auf den unbedingten Vorrang der Menschenwürde vor dem Unionsrecht nach dem BVerfG
Der EuGH bewegt sich – aber er gibt dabei klar die Richtung vor. Das ist das Fazit zu seinem Urteil von vorgestern zum europäischen Haftbefehl. Die Antwort auf eine Vorlage des OLG Bremen, in der es um die Auslieferung aufgrund eines europäischen Haftbefehls bei der Gefahr menschenrechtswidriger Haftbedingungen im ersuchenden Staat ging, war zuletzt mit besonderer Spannung erwartet worden. Denn das BVerfG hatte vor kurzem einen Auslieferungsfall nach Italien zum Anlass genommen, nach Jahrzehnten die Solange-Rechtsprechung für den Anwendungsbereich der Menschenwürde in den Ruhestand zu verabschieden: Künftig hat Art. 1 Abs. 1 GG über den Hebel der Identitätskontrolle, und zwar ungeachtet des generellen Grundrechtsschutzstandards in der EU, immer Vorrang vor kollidierenden unionsrechtlichen Verpflichtungen. Dies konnte von europäischer Seite kaum unwidersprochen bleiben. Continue reading >>
0
06 April 2016
Iceland’s Citizen Constitution: the Window Remains Wide Open
Iceland is, once again, in political turmoil after the Panama Papers revelations. This might revitalize a project which had fascinated constitutionalists from all over the world before it seemingly was derailed by the political establishment - a new constitution written by the citizens of Iceland themselves. Continue reading >>
0
04 April 2016
The Panama Papers: What Should Be Done?
If the U.S., the European Union, and Japan were to agree to impose a tax on income flows to tax havens, the tax-evasion problem would largely be solved without the need for cooperation from the havens. Using a 30 percent tax will do the trick. What prevents this obvious solution from happening is that the U.S. is willing to aid and abet tax evasion by Europeans, while the EU is willing to aid and abet tax evasion by Americans. This reflects the political power of the rich on both sides of the Atlantic. Continue reading >>The Panama Papers: Six Preliminary Observations
The Panama papers is a treasure trove of information on the activities and clientele of a large, but not atypical, legal firm operating in an offshore financial centre or the tax haven of Panama. It follows a series of spectacular leaks by the International Consortium of Investigative Journalists that included the Lichtenstein leak, HSBC, the Lux-leaks and now the Panama papers. What have we learned from this latest leak so far? Continue reading >>02 April 2016
Freedom of Religion vs Islamophobia: Lombardy’s “Anti-Mosque Law” is Unconstitutional
While islamophobia is on the rise after the carnages of Paris and Bruxelles, recent developments in Italy may foster the confidence in the freedom of religion of European Muslims. In a ground-breaking decision, the Italian Constitutional Court has nullified a regional “anti-mosques law” enacted by the Lombardy Region one year ago, discriminating the Muslim community of this rich and populated area of Northern Italy. Continue reading >>31 March 2016
How to protect European Values in the Polish Constitutional Crisis
Does the Polish development concern us — the European citizens and the European institutions we have set up? There is a functional and a normative argument to state that it does. The normative argument is that the European Union organizes a community of states that profess allegiance to a set of fundamental values—among others, democracy, the rule of law, and human rights. The functional reason is that the European legal space presupposes mutual trust. European law operates on the presumption that all institutions are law-abiding. Otherwise, the legal edifice crumbles. Continue reading >>30 March 2016
Paradoxes of Constitutionalisation: Lessons from Poland
This comment aims to explain a number of paradoxes of constitutionalization on the example of the current constitutional crisis in Poland. It attempts to demonstrate that this crisis is not only political in its nature, but structural as it results from the inherent tension between the concept of rule of law, democracy and human rights. It is also argued that the success of constitutionalization as a global project depends on strong social endorsement of constitutional institutions and practices, including judicial review. Continue reading >>
0
29 March 2016
“Emergency Constitutional Review”: thinking the unthinkable? A Letter from America
With the constitution and the rule of law in Poland under systemic attack and the Constitutional Court weakened by the refusal of the government to publish its decisions, ordinary judges should step in and, if need be, declare unconstitutional laws inapplicable by themselves. An example for this sort of emergency constitutional review has already been set by the Polish Supreme Court in a decision of March 17th. Continue reading >>
0