11 November 2025

Reden und reden lassen

Die Regelungen der parlamentarischen Rede durch die (neue) Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Es ist eine gut gepflegte Mär, dass die parlamentarische Plenardebatte ein Ort der Deliberation sei, an dem Parlamentarier versuchen, ihre noch unvoreingenommenen Kolleginnen und Kollegen durch Argumente in der Sache zu überzeugen, um deren Zustimmung zu einem Antrag zu gewinnen. Für demokratische Parlamente war diese Sicht nie richtig. Wird sie gleichwohl gepflegt, geschieht dies in einer (bewussten oder unbewussten) Tradition der Parlamentarismuskritik, die auf eine Delegitimierung des bedeutendsten Organs der repräsentativen Demokratie hinausläuft.

In demokratischen Parlamenten ist es der Regelfall, dass ein Antrag nicht unter dem Eindruck der Plenumsdebatte angenommen bzw. abgelehnt wird. Stattdessen treffen die Abgeordneten diese Entscheidung bereits zuvor und auf Basis von abstrakt ausgebildeten inhaltlichen Linien. Im Deutschen Bundestag werden diese Linien durch die Partei- und Koalitionszugehörigkeit gezeichnet – die ganz wenigen „freigegebenen“ Abstimmungen sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Das inhaltliche Wägen des Für und Wider findet nicht im Plenum, sondern zeitlich vorgelagert und arbeitsteilig statt.

Ist die Plenardebatte dann überflüssig? Mitnichten! Die öffentliche Plenardebatte ist in der repräsentativen Demokratie enorm wichtig. Sie ist der Ort, an dem die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Öffentlichkeit Gründe für ihr Abstimmungsverhalten und sonstiges politisches Handeln präsentieren (können). Zwar werden die tatsächlichen und die gegebenen Gründe nicht immer deckungsgleich sein. Auch ist es nicht zu beanstanden, wenn innerhalb der Fraktion mitunter anders gesprochen wird als im Plenum. Denn das alles ändert nichts daran, dass die Parlamentarierinnen im Plenum diejenigen Gründe präsentieren, mit denen sie ihr Verhalten vor der Öffentlichkeit und insbesondere der Wahlbürgerschaft rechtfertigen.

Mit anderen Worten: Zweck der parlamentarischen Rede ist nicht Deliberation, sondern Information. In den Plenardebatten werden Themen gesetzt und aufgegriffen, die Mehrheit präsentiert und begründet ihre Politik, die Opposition präsentiert ihre Kritik und Gegenentwürfe – und zwar wahrnehmbar für diejenigen, die über die Wiederwahl entscheiden. Das ist für eine Demokratie essentiell.

Damit eine Plenardebatte gelingt, braucht sie Struktur und einige Grundregeln. Für den Deutschen Bundestag wurden diese nun durch eine Neufassung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) nachgeschärft. Vor allem wurde das Ermessen der sitzungsleitenden Bundestagspräsidentin normativ gestärkt und das parlamentarische Ordnungsrecht verschärft – was beides nachvollziehbar und stimmig ist.

Wege zur Wählerschaft und Rückkoppelungen

Um die Änderungen und ihre Hintergründe zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst einen Blick auf die unterschiedlichen Wege zu werfen, über die die Inhalte der Plenardebatte das Publikum erreichen. Die unmittelbare Teilnahme von Zuschauern vor Ort ist die absolute Ausnahme, auch Parlamentsfernsehen und Plenarprotokolle werden vor allem von Spezialisten oder zu speziellen Anlässen konsultiert. Die Mehrzahl der Menschen nimmt von den Plenardebatten nur auszugsweise Kenntnis – meist vermittelt über private Massenmedien. Diese Art der massenmedialen Vermittlung ist vielfältig und stetem Wandel unterworfen. Man muss nur an die Unterschiede zwischen Parlamentsberichterstattung in einer überregionalen Tageszeitung, in Nachrichten auf verschiedenen Fernsehsendern oder in kurzen Clips auf sozialen Medien denken. Die unterschiedlichen Wege der medialen Vermittlung bleiben dabei nicht ohne Rückwirkung auf Art und Stil der parlamentarischen Redebeiträge und damit auf die Plenardebatte als Ganzes. Der kenntnisreiche Redebeitrag in der Haushaltsdebatte wird von der Parlamentskorrespondentin einer überregionalen Tageszeitung gerne aufgegriffen, selbst wenn er trocken präsentiert wird. Die polternde, vielleicht gar faktenfreie Stellungnahme oder der provokative Zwischenruf trenden hingegen in bestimmten sozialen Medien. Je nachdem, welches Publikum man erreichen und welches Medium man bespielen möchte, wird die Art des parlamentarischen Sprechens angepasst bzw. auf einen Effekt hin ausgerichtet. Mit dieser Ungleichzeitigkeit muss die parlamentarische Debatte leben. Das ist an sich kein Problem. Eine handgreifliche Gefahr besteht aber, wenn unausweichlich komplexe Inhalte allein aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie zu stark vereinfacht werden oder es gar nicht mehr um irgendeine Form von politischer Auseinandersetzung, sondern nur noch um Aufmerksamkeit oder Zweckentfremdung geht.

Gestaltung durch Selbstorganisation

Damit ist, in recht groben Strichen, die Herausforderung skizziert, vor der ein Parlament bei der Organisation einer modernen Plenardebatte steht: Letztere soll das Publikum sowohl gehaltvoll als auch verständlich über die Politik der Mehrheit und die Kritik der Opposition informieren können. Wie dies gelingen kann, ist stetig neu zu verhandeln und zwar zuvörderst vom Parlament selbst im Rahmen seiner Selbstorganisation.

Diese bildet und verändert sich vor allem durch die parlamentarische Praxis, die wiederum zu einem guten Teil in der Geschäftsordnung sedimentiert ist, aber natürlich auch von ihr beeinflusst wird. Praxis und Geschäftsordnung sind nicht immer deckungsgleich, was unter anderem daran liegt, dass die Geschäftsordnung nicht alles regelt (und von ihr ggf. abgewichen werden kann, § 126 GO-BT). Auch die Observanz spielt im Selbstorganisationsrecht des Parlaments seit jeher eine größere Rolle als andernorts, wenngleich ihre Belastbarkeit im Fall einer verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung immer schwächer ist als die geschriebenen Rechts – weshalb letzteres die sicherere Währung ist.

Ziele der Neufassung der GO-BT 2025

Vor diesem Hintergrund sind die neuesten Änderungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu sehen. Die Neufassung wurde am 17.10.2025 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. Sie verfolgt mehrere Ziele (BT-Drs. 21/1538, S. 69). Zum einen soll die Geschäftsordnung mit der sich zwischenzeitlich teilweise gewandelten parlamentarischen Praxis synchronisiert werden, diese also nachvollziehen, sie hier und dort auch stimulieren. Hiervon erhofft sich die Begründung des Entwurfs der Regierungsfraktionen auch eine „Stärkung des Parlaments als Ort der Debatte“ (ebd.). Zudem sollen manche Unklarheiten beseitigt werden, auch vor dem Hintergrund der Zunahme verfassungsgerichtlicher Auseinandersetzungen über das parlamentarische Innenrecht. Dies hängt eng zusammen mit dem noch darüber hinausgehenden dritten Ziel, „die Resilienz des Parlaments“ zu steigern (ebd.), womit gemeint ist, dass Obstruktion und Zweckentfremdung parlamentarischer Rechte erschwert werden sollen.

Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die wichtigsten Neuregelungen der GO-BT mit Bezug zur Rede im Plenum geworfen werden. Die ist indes nur ein Ausschnitt der Neuregelungen, der zudem seinerseits nur ausschnittsweise betrachtet wird.

Die Änderungen im Überblick: Zwischen Nachvollziehen und Verschärfen

Debattenbeiträge, Zwischenfragen, Zwischenbemerkungen, Kurzinterventionen, Erklärungen

Ein guter Teil der Neuregelungen enthält keine Neuerungen in der Sache, sondern fasst Bestehendes präziser oder vollzieht eine ohnehin bereits geänderte parlamentarische Praxis nach (näher BT-Drs. 21/1538, S. 73 ff.): § 28 Abs. 1 GO-BT regelt nun auch explizit das bereits praktizierte Rundenprinzip bei der Reihenfolge der Redner. Der neue § 27a GO-BT unterscheidet nun Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen, die während des Redebeitrags eines anderen Mitglieds des Bundestages (MdB) gestellt werden können (Abs. 1), und Kurzinterventionen, die im Anschluss an einen Debattenbeitrag eines anderen MdB erfolgen können (Abs. 2); in Gestalt der letzteren können auch weiterhin Erklärungen zur Aussprache abgegeben werden, deren eigenständige Regelung in § 30 GO-BT a.F. gestrichen wurde. Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen müssen – wie bisher – kurz und präzise sein und dürfen nur zugelassen werden, wenn der Redner einverstanden ist; die Neufassung stellt klar, dass auch der Präsidentin ein Ermessen zukommt, die Zwischenfrage/-bemerkung abzulehnen. Für eine Kurzintervention (die früher als „Zwischenbemerkung“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 GO-BT a.F. geregelt war) kann die Präsidentin im Anschluss an einen Debattenbeitrag einem anderen MdB das Wort erteilen; hiernach kommt dem ursprünglichen Redner eine Antwortmöglichkeit zu.

Deutlicher als bisher stellt die GO-BT für die unterschiedlichen Arten von kurzen Wortbeiträgen klar, dass es im Ermessen der Bundestagspräsidentin liegt, sie zuzulassen oder nicht. Das soll – gerade in Anbetracht eines knappen Zeitbudgets – eine konzise Sitzungsleitung ermöglichen, die nicht durch zu viele Kurzbeiträge verlängert und/oder gestört wird. Auch die Verschärfung der Tatbestandsvoraussetzungen für Erklärungen außerhalb der Geschäftsordnung (§ 32 GO-BT: nur noch im Fall „dringlicher“ Erklärungen) zielt in diese Richtung, ebenso die Reservekompetenz der Präsidentin, die Dauer von Aussprachen selbst festzulegen, falls im Ältestenrat oder Plenum keine Entscheidung zustande kommt (§ 35 Abs. 1 GO-BT). Dass die GO-BT das Ermessen nun deutlicher betont, zum Teil auch konkretisiert (etwa § 27a Abs. 2 GO-BT), ist wohl auch eine Reaktion darauf, dass Vorgänge innerhalb des Parlaments derzeit immer häufiger – manchmal nur um des Streites Willen – vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden. Die Ermessensausübung normativ zu unterfüttern, ist somit sinnvoll.

Dabei ist es – das muss betont werden – keinesfalls so, dass das Parlament mit den Neuregelungen die parlamentarische Rede und insbesondere kurze Zwischenbeiträge eindämmen wollte. Im Gegenteil: In der aktuellen Stunde, in der eine Aussprache über „ein Thema von allgemeinem aktuellen Interesse“ (§ 106 GO-BT) stattfindet, wurden Zwischenfragen, Zwischenbemerkungen und Kurzinterventionen durch die Neufassung von Anlage 3 III. 10. nunmehr ausdrücklich zugelassen. Dies dient laut der Begründung auch dazu, „die Lebendigkeit des Debattenformats weiter zu steigern“ sowie einen „fundierten Austausch in der Sache“ zu ermöglichen (BT-Drs. 21/1538, S. 82). Die aktuelle Stunde soll damit attraktiver werden – und mit der Möglichkeit von Zwischenbemerkungen etc. wird der Gefahr vorgebeugt, dass MdB unwidersprochen Behauptungen aufstellen. Auch § 27a Abs. 2 Satz 4 GO-BT, nach dem die Präsidentin eine Kurzintervention zulassen soll, wenn es um die Zurückweisung von Äußerungen gegen die eigene Person oder die Richtigstellung eigener Äußerungen geht, zielt in diese Richtung.

Reden zu Protokoll

Zwischen Neuerung und Nachvollzug stehen auch die Regelungen, die es den MdB ermöglichen, Reden und Erklärungen zu Protokoll zu geben, d.h. ihre Beiträge nicht mündlich vorzutragen, sondern schriftlich einzureichen (was im Protokoll ausgewiesen wird). Während dies für Aussprachen zu einzelnen Tagesordnungspunkten bereits in § 78 Abs. 6 GO-BT vorgesehen war und ist, sieht § 33 Abs. 2 GO-BT nun – erneut die Praxis nachvollziehend – vor, dass (auch einzelne) Redebeiträge außerhalb der Kernzeiten mit Zustimmung des Präsidenten schriftlich zu Protokoll gegeben werden können. Hinsichtlich der – auch bisher schon möglichen – schriftlichen Erklärungen zu einer Abstimmung besteht nunmehr ein ausdrücklicher Anspruch darauf, dass sie in das Plenarprotokoll aufgenommen werden (§ 31 Abs. 1 S. 3 GO-BT).

Die Möglichkeit, Beiträge zu Protokoll zu geben, wird mitunter kritisiert; befürchtet wird ein Niedergang der Öffentlichkeitskultur des Parlamentarismus. Ausgehend von dem oben skizzierten Sinn und Zweck parlamentarischer Rede sind solche Sorgen unbegründet: Weil es im Plenum des Parlaments nicht um Deliberation, sondern um Information geht, ist gegen Reden zu Protokoll zunächst einmal nichts einzuwenden. Denn den schriftlich eingereichten Beiträgen kommt ein vergleichbarer Informationswert zu wie den mündlichen – und die mündliche Plenardebatte wird ohnehin von den allerwenigsten Wahlbürgerinnen unmittelbar verfolgt.

Parlamentarisches Ordnungsrecht

Echte Neuerungen sind die Verschärfungen des parlamentarischen Ordnungsrechts bei Sachruf, Ordnungsruf, Sitzungsausschluss und Ordnungsgeld.

Mit einem sogenannten Ruf zur Sache wird ein Redner ermahnt, wenn er vom Verhandlungsgegenstand abschweift. Wie bisher führen drei solcher Rufe zur Sache während einer Rede zum zwingenden Wortentzug durch die sitzungsleitende Präsidentin, der hierbei kein Ermessen zukommt (§ 36 Abs. 1 GO-BT). Neu ist, dass die Sitzungsleitung den Redner beim zweiten Sachruf nicht mehr darauf hinweisen muss, dass ihm bei einem dritten Sachruf das Wort entzogen wird. Die Begründung vermerkt beinahe lakonisch, dies sei „angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Sach- bzw. Ordnungsrufen entbehrlich geworden (keine schützende Unkenntnis)“ (BT-Drs. 21/1538, S. 75). Die Regelung zum Sachruf wurde zudem erweitert und erfasst nun neben Abschweifungen bei Reden auch die zweckwidrige Nutzung von Erklärungen zur Geschäftsordnung, zur Abstimmung oder außerhalb der Tagesordnung – auch hier soll Missbrauch vorgebeugt werden.

Neu ist des Weiteren, dass drei Ordnungsrufe in derselben Sitzung zum zwingenden Sitzungsausschluss des betreffenden MdB für die betreffende Sitzung führen – ebenfalls ohne Vorwarnung beim zweiten Ordnungsruf (§ 36 Abs. 2 GO-BT). Zudem können Ordnungsrufe nunmehr „im Einzelfall“ auch nachträglich bis zum Ende des auf den Ordnungsverstoß folgenden dritten Sitzungstages erlassen werden (§ 36 Abs. 3 GO-BT; zuvor galt Ähnliches nur für die Rüge von Zwischenrufen in zeitlich engerem Rahmen: § 119 Abs. 2 GO-BT a.F.).

Der Sitzungsausschluss ohne Ordnungsruf für bis zu 30 Tage bleibt weiterhin bei „gröblicher Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ möglich (§ 38 Abs. 1 GO-BT); auch er kann nun unter erleichterten Voraussetzungen nachträglich erlassen werden (§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 GO-BT). Das „Wie“ eines Sitzungsausschlusses ist deutlich detaillierter als zuvor geregelt (§ 38 Abs. 3, § 36 Abs. 2 Satz 4 GO-BT), was zeigt, dass das Parlament insoweit mit gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnet bzw. diesen vorbeugen will. In entgegengesetzter Richtung ist neu, dass im Fall eines Sitzungsausschlusses dem ausgeschlossenen MdB „im begründeten Einzelfall“ die Teilnahme an geheimen Wahlen und namentlichen Abstimmungen ermöglicht werden kann (§ 38 Abs. 1 Satz 4 GO-BT [in den Verweisen in der GO-BT zumeist fälschlich als Satz 5 bezeichnet]).

Verschärft wurden auch die Regelungen zum Ordnungsgeld. Es kann – nach wie vor – bei nicht nur geringfügigen Verletzungen der Ordnung oder der Würde des Bundestages verhängt werden, auch nachträglich (§ 37 Abs. 2 GO-BT). Neu ist, dass mit dem dritten Ordnungsruf innerhalb von drei Sitzungswochen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden muss (außer alle drei Ordnungsrufe ergingen in einer Sitzung und führten damit zum vorrangigen Ausschluss, der in finanzieller Hinsicht „nur“ zu einer Kürzung der Kostenpauschale führt, vgl. § 14 Abs. 2 AbgG).

Die Höhe des Ordnungsgeldes wurde verdoppelt: Das erste Ordnungsgeld muss nun 2.000 € betragen, das Ordnungsgeld im Wiederholungsfall 4.000 € (§ 37 Abs. 3 GO-BT, § 44a AbgG). Die Begründung der Änderung verweist zum einen darauf, dass die Höhe des Ordnungsgelds lange unverändert war, während die Abgeordnetendiäten stiegen. Zum anderen – und dies dürfte entscheidender sein – will das Parlament damit auch auf „Rückschritte in der Debattenkultur“ (BT-Drs. 21/1539, S. 2) reagieren. Einer Inflation der allzu plumpen Provokationen soll durch Preiserhöhung entgegengewirkt werden – das erste Ordnungsgeld entspricht nun etwas mehr als 1/6, das zweite etwas mehr als 1/3 der monatlichen Diät i.H.v. 11.833,47 € (ohne Amtsausstattung und Kostenpauschale).

Selbstorganisationsrecht als Selbstbeschreibung

Selbstorganisationsrecht ist immer auch Selbstbeschreibung und lässt damit Rückschlüsse auf das Selbstverständnis zu. Deswegen sagt die Neufassung der vorgestellten Regelungen der GO-BT über die Plenardebatte auch etwas darüber aus, wie die beschließende Mehrheit die Plenardebatte sieht und zukünftig sehen möchte.

Den grundsätzlichen Modus der Plenardebatte hält das Parlament für tauglich, denn die bisherige Praxis wird im Wesentlichen beibehalten; die neue Möglichkeit von Zwischenfragen, Zwischenbemerkungen und Kurzinterventionen in Aktuellen Stunden ist insoweit die (relativ) größte Neuerung, bleibt aber in bekannten Bahnen. Insoweit auf Kontinuität zu setzen, ist institutionell klug, zumal für entscheidungsmächtige Organe eine nüchterne Ernsthaftigkeit durchaus angemessen ist.

Die Änderungen zeigen aber deutlich, dass der Deutsche Bundestag seine Debattenkultur von innen bedroht sieht – durch in Form und Sprache unangemessen provozierende Redebeiträge und Obstruktion. Die Reaktion hierauf ist eine deutlichere Betonung des Ermessens der sitzungsleitenden Präsidentin und eine Verschärfung des Ordnungsrechts. Beides ist nachvollziehbar. Eine konzise Sitzungsleitung und der abschreckende Effekt hoher Ordnungsgelder können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass allzu grobe Ausfälle parlamentarischer Rede oder ihre Zweckentfremdung seltener werden.

Auf die Debattenkultur bezieht sich auch die vielleicht bemerkenswerteste Neuregelung. Sie findet sich in § 33 Abs. 3 GO-BT, kommt ohne Rechtsfolge aus und lautet: „Die Rede sowie alle anderen Beiträge zur Beratung sollen von gegenseitigem Respekt und der Achtung der anderen Mitglieder des Bundestages sowie der Fraktionen geprägt sein.“ Diese Selbstvergewisserung ist von Bedeutung. Verletzungen des parlamentarischen Stils und des gegenseitigen Respekts dürfen nicht unwidersprochen bleiben.


SUGGESTED CITATION  Hilbert, Patrick: Reden und reden lassen: Die Regelungen der parlamentarischen Rede durch die (neue) Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, VerfBlog, 2025/11/11, https://verfassungsblog.de/bundestag-geschaftsordnung-obstruktion/.

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