Die bunte Welt der Verfassungsvielfalt
Es gibt ein neues Tool für Leute wie mich, die nichts lieber tun als mit großen Stauneaugen durch die bunte weite Welt der Verfassungsvielfalt spazieren. Das fantastische Comparative Constitutions Project hat es gebastelt, und zu finden ist es hier.
“Constitute” ist sein Name: Es ermöglicht, zu allen möglichen Themen mit zwei Mausklicks festzustellen, welche Verfassungen das auf welche Weise regeln. Mindestalter für Verfassungsrichter? Gibt es in 25 Ländern von Aserbaidschan bis Zimbabwe, mal liegt es bei 30, mal bei 35, mal bei 40. Pflicht, zur Wahl zu gehen? 13 Länder, davon überraschend viele im militärdiktatur-geplagten Südamerika.Welche Verfassungen verpflichten die Bürger zu arbeiten? 53 Stück, darunter Italien, Spanien und Japan.
Ich kriege gar nicht genug davon.
Der eigentliche Nutzen ist aber handfest politisch: Mit diesem Tool kann jeder sehen, was es für Alternativen gibt zu den Regeln in seiner Verfassung. Die Amerikaner beispielsweise sehen auf einen Blick, wer sonst noch alles ein Recht, Waffen zu tragen, in seiner Verfassung hat: Guatemala, Iran, Haiti und Mexiko.
Das gleiche gilt, wenn Änderungsvorschläge oder gar Entwürfe für eine neue Verfassung diskutiert werden. Die Bandbreite des Möglichen und des Üblichen liegt nun für jeden offen.
Natürlich hat das Tool seine Grenzen: nicht alles ist so vergleichbar, wie es die schöne thematische Matrix nahezulegen scheint. Manches ist auch irreführend: Unter den 79 Ländern, die das geistige Eigentum in der Verfassung schützen, taucht beispielsweise Deutschland auf, nur weil es eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Gebiet gibt (Art. 79 Nr. 9 GG). Aber das macht nichts, schließlich sieht man ja sofort, womit man es zu tun hat.
Das Projekt hat durchaus Potential. Allerdings ist es in dieser Form noch nicht brauchbar: Eine Suche nach dem Topic “environment” zB. findet Deutschland nicht, da in der englischen Übersetzung von Art. 20a jedenfalls nicht wortwörtlich vom Umweltschutz gesprochen wird. Verlass auf Vollständigkeit besteht also nicht.
Deutschlands Verfassung schützt das geistige Eigentum, zwar nicht in Art. 79, aber in Art 14 (vgl. zB. BVerfG Schulbuchprivileg).