Es geht auch ohne Seehofer: Wie die Bundeskanzlerin für eine Entlassung des Verfassungsschutzpräsidenten sorgen kann
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, ist durch seine zweifelhaften Interviewäußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz unter starken öffentlichen Druck geraten. Forderungen nach einer Entlassung, die inzwischen auch von der Koalitionspartei SPD kommen, ist Bundesinnenminister Seehofer bis jetzt entgegengetreten.
Die öffentliche Diskussion über eine mögliche Entlassung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz nimmt wie selbstverständlich an, diese könne nur der Bundesinnenminister veranlassen. Gegen oder ohne den Bundesinnenminister könne der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht entlassen werden. Der Fall Maaßen sei deshalb zwangsläufig auch ein Fall Seehofer. Das trifft aber jedenfalls rechtlich nicht zu. Der Bundespräsident kann vielmehr auf Vorschlag der Bundeskanzlerin den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Einer Mitwirkung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat bedarf es dafür nicht.
Hierzu im Einzelnen: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist Bundesbeamter des höheren Dienstes der Besoldungsgruppe B 9. Als solcher ist er politischer Beamter, den der Bundespräsident jederzeit gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 3 BBG in den einstweiligen Ruhestand versetzen kann. Rechtlich entscheidender Akteur ist also eine Person, die in der öffentlichen Diskussion über den Fall Maaßen noch überhaupt keine Rolle gespielt hat: der Bundespräsident.
Vom zuständigen Ressortminister spricht das Bundesbeamtengesetz hingegen überhaupt nicht. In den USA kann Präsident Trump den Sonderermittler Mueller nicht über den Kopf seines Justizministers Sessions hinweg entlassen. Der deutsche Bundespräsident kann das hingegen bei politischen Beamten durchaus.
Da es der Sinn der Regelungen über politische Beamte ist, die Übereinstimmung der Inhaber hoher Beamtenfunktionen mit der politischen Orientierung der Bundesregierung sicherzustellen, ist es indes selbstverständlich, dass der Bundespräsident einen politischen Beamten erst dann in den einstweiligen Ruhestand versetzen kann, wenn die Bundesregierung den Beamten nicht länger in seiner Funktion belassen möchte. Das wird bei politischen Beamten meist dann der Fall sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und der Bundesregierung in politischer Hinsicht erschüttert ist. Es ist dabei Angelegenheit des Bundespräsidenten, sich nach pflichtgemäßem Ermessen der Auffassung der Bundesregierung zu versichern.
In der Regel wird diese Auffassung der Regierung in einem vom zuständigen Ressortminister verantworteten förmlichen Antrag zum Ausdruck kommen. Das ist aber weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich geboten. Der entsprechende Vorschlag kann dem Bundespräsidenten vielmehr auch für die Bundesregierung durch die Bundeskanzlerin unterbreitet werden. Der Bundespräsident darf sich dabei an das Urteil der Bundeskanzlerin anknüpfen, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesregierung und dem politischen Beamten nicht länger gegeben ist. Im Interorganverhältnis zwischen Bundesregierung und Bundespräsident vertritt die Bundeskanzlerin die Bundesregierung nach außen. Der Bundespräsident darf sich an ihrer Einschätzung orientieren. Dies gilt zumal deshalb, weil die Bundeskanzlerin nicht allein gleichberechtigtes Mitglied des Kollegialorgans Bundesregierung ist, sondern innerhalb der Bundesregierung über die Richtlinienkompetenz verfügt. Ein politischer Beamter, der nach Einschätzung der Bundeskanzlerin nicht mehr Gewähr dafür bietet, die politischen Leitlinien der Bundesregierung in seinem Handeln zu beachten, kann vom Bundespräsidenten in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.
Das verfassungsrechtlich gewährleistete Ressortprinzip (Art. 65 Satz 2 GG) steht dem nicht entgegen. Zwar untersteht das Bundesamt für Verfassungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG dem Bundesministerium des Innern. Diese dienstliche Unterstellung bedeutet aber nicht etwa, dass der Bundespräsident sich bei der Entscheidung über den einstweiligen Ruhestand eines politischen Beamten aus dem Bereich des Bundesamts ausschließlich an der politischen Einschätzung des zuständigen Ressortministers zu orientieren hätte.
Das bestätigen im Übrigen auch die entsprechenden Regelungen in der Geschäftsordnung der Bundesregierung. So sind alle Vorschläge zur Ernennung politischer Beamter der Bundesregierung zu unterbreiten (§ 15 Abs. 2a GOBReg). Soll ein Beamter der Besoldungsgruppe B 9 aufwärts in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, ist vor entsprechenden Mitteilungen die Stellungnahme des Bundeskanzlers einzuholen (§ 19 Satz 1 GOBReg). Die Geschäftsordnung der Bundesregierung verdeutlicht hier, dass die Entscheidung über die Ernennung und Entlassung politischer Beamter auch regierungsintern nie allein eine Angelegenheit des zuständigen Ressortministers ist. Im Übrigen wird das auch bereits in der Anordnung der Bundesregierung über die Einrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 7. November 1950 deutlich, die ausdrücklich bestimmt, dass der Leiter des Bundesamtes und sein Stellvertreter mit Zustimmung des Bundeskanzlers ernannt werden.
Angesichts dieser verfassungsrechtlichen wie einfachrechtlichen Situation ist offenkundig, dass den Bundespräsidenten weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich die Verpflichtung trifft, die Entlassung eines politischen Beamten nur mit Zustimmung des zuständigen Ressortministers vorzunehmen. Eine derartige Verpflichtung ergibt sich auch nicht etwa aus der Gegenzeichnungspflicht nach Art. 58 GG. Denn dieser Pflicht wird nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 58 Satz 1 GG mit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler genügt. Einer kumulativen Gegenzeichnung durch den zuständigen Ressortminister bedarf es nicht. Auf die regierungsinterne Zuständigkeit des Bundeskanzlers kommt es dabei nicht an. Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine zumindest regierungsinterne Mitwirkungspflicht des Bundesinnenministers hier auch nicht etwa aus der Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 1 GOBReg, wonach Verfügungen und Anordnungen dem Bundespräsidenten erst nach der Gegenzeichnung durch den zuständigen Bundesminister zur Vollziehung vorzulegen sind. Denn diese Vorschrift ist verfassungskonform so zu verstehen, dass es einer Gegenzeichnung durch den zuständigen Bundesminister nicht bedarf, wenn der Bundeskanzler selbst gemäß Art. 58 Satz 1 GG die Gegenzeichnung übernimmt.
Wenn die Bundeskanzlerin einen Verbleib des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Amt nicht länger wünscht, kann sie dem Bundespräsidenten daher auch ohne Mitwirkung des Bundesinnenministers dessen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand vorschlagen. Rechtlich liegt es allein bei Kanzlerin und Präsident, ob Hans-Georg Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleibt oder nicht.
Vielen Dank, Christoph Schönberger. Sie hätten gestern abend bei Anne Will in der Talkshow mitdiskutieren sollen.
Herzliche Grüße
Michael Wildt
Gibt es auf ihrer Seite auch eine Version für Dekstopnutzer? Ist ja Grauenhaft, ich bin doch nicht blind.
Die „Ausschaltung“ des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes ist doch keine rechtliche Frage, sondern eine politische.
Es geht um die Deutung der Chemnitz-Vorfälle. Und dabei stehen sich die Parteivorsitzenden zweier Parteien, der CDU und der CSU, mit unterschiedlichen Deutungen gegenüber.
Die Entlassung von Herrn Maaßen ist rechtlich nach BBG sicherlich ohne Angabe von Gründen möglich. In diesem Fall könnte Herr Seehofer aber nicht mehr Mitglied der großen Koalition bleiben, es sei denn, unter Hinnahme eines völligen Gesichtsverlustes, mit erheblichen Auswirkunken auf den Ausgang der Bayern-Wahl.
Ich bin ziemlich sicher, dass die dargelegte Rechtsauffassung richtig ist (könnte sie mangels Fachwisen auch gar nicht beurteilen/widerlegen).
Macht nur einmal mehr deutlich, warum man weder Politik- mit Rechtsfragen verwechseln sollte noch glauben, Recht ersetze Politik.
Rein rechtlich könnte ein deutscher Bundeskanzler auch sämtliche Minister einer Regierung rausschmeissen, es bedürfte auch dazu nur eine Antrages durch den Bundeskanzler und die Zustimmung des Bundespräsidenten. Wer allerdings glaubt, das sei ein praxistaugliches Konzept, hat zwar Recht, aber nicht Politik verstanden.
Vielen Dank für den spannenden Beitrag.
Die Kritik, der Autor verwechsele Recht und Politik, trifft nicht zu. Der Beitrag stellt die Rechtslage dar, die von den Medien bisher anders dargestellt wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Anders als die Kritiker hier meinen, ist diese Rechtslage aber natürlich ein wichtiger Punkt in der politischen Auseinandersetzung. Denn es macht einen Unterschied, ob Merkel Seehofer entlassen muss, um Maaßen loszuwerden, oder ob sie Maaßen selbst entlassen kann und Seehofer (und die CSU) dann sehen muss, wie er damit umgeht. Es kann, aber es muss nicht dasselbe Ergebnis dabei herauskommen. Und für die Bewertung durch die Öffentlichkeit kann es auch von Bedeutung sein, ob Merkel oder ob Seehofer die Fraktionsgemeinschaft aufkündigt.
Lieber Herr Schönberger,
herzlichen Dank für diesen anregenden Beitrag.
Ich bin allerdings skeptisch, ob die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Ressortprinzips dabei ausreichend zur Geltung kommt. Sowohl beim BBG als auch bei der Geschäftsordnung der Bundesregierung handelt es sich ja um Normtexte, die an der Verfassung zu messen sind und nicht umgekehrt. Die Reichweite des Ressortprinzips bedürfte daher aus meiner Sicht zunächst einer von einfach-rechtlichen Erwägungen losgelösten Betrachtung. Und da sprechen aus meiner Sicht doch gute Gründe dafür, dass eine direkte Entlassung (über den Bundespräsidenten) durch die Bundeskanzlerin nicht möglich ist.
Gerade in Personalangelegenheiten obliegt die Entscheidung insoweit beim Ressortminister. Die Bundeskanzlerin kann nicht einfach unter Umgehung des Willens des zuständigen Bundesministers ihr unliebsame Personen in den Ruhestand versetzen lassen. In der Regel kommt ihr hier noch nicht einmal eine Richtlinienkompetenz zu. Letzeres kann man hier möglicherweise anders sehen – die politische Brisanz ist ja offenkundig. Auch dann aber kommt allenfalls die Erteilung einer entsprechenden Weisung an den Bundesminister in Betracht. Kommt er dieser nicht nach, kann sie diesen entlassen, aber m.E. gleichwohl nicht die Entlassung des Beamten eigenmächtig vornehmen. Andernfalls ergäbe das Ressortprinzip aus meiner Sicht wenig Sinn. Im Ergebnis bedeutet dies, dass auch die einfachgesetzliche Ausgestaltung diesen Anforderungen genügen muss. Der Bundespräsident ist daher gehalten, Herrn Maaßen nur in den Ruhestand zu versetzen, wenn dies auch dem Willen des zuständigen Bundesministers entspricht. Oder?
Beste Grüße,
Alexander Thiele
Sehr interessant. Diese Argumentation entspricht auch meiner Intuition. Zumindest ist die Rechtslage gar nicht so eindeutig. Wäre bei einer entsprechenden Verletzung des “Ressortrechts” ein Organstreitverfahren (gg. die Bundeskanzlerin oder den Bundespräsidenten?) vor dem BVerfG zulässig? Oder befinden wir uns doch im Bereich exkutiver Eigenverantwortung, der einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist?
Eine im Ansatz ähnliche Auffassung vertritt Herzog im einflussreichen Grundgesetz-Kommentar von Maunz/Dürig (Art. 65 Rn. 7 ff.): danach soll die Richtlinienkompetenz auch Weisungen im Einzelfall beinhalten, wenn es um das politische Schicksal des Bundeskanzlers geht. Das sehen freilich nicht alle so.
Worauf der Beitrag nicht eingeht ist die Anordnung des Bundespräsidenten zur Ernennung und Entlassung von Beamten (http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_23062004_DI31105013b.htm): nach Art. 2 Abs. 1 sind Vorschläge von der zuständigen obersten Bundesbehörde einzureichen – das wäre hier das BMI (vgl. den schon erwähnten § 2 BVerfSchG).
Das bestätigt auch die Durchführungsbestimmung zu dieser Anordnung (https://www.jurion.de/gesetze/richterbeanodbest/4/?from=1%3A562141%2C1%2C20090424): “Sie [die Vorschläge] sind durch die Bundeskanzlerin […] bzw. […] den zuständigen Bundesminister […] gegenzuzeichnen (§ 4 Abs. 1 S. 3). Spricht das nicht eher dafür, dass die Initiative hier vom Bundesinnenminister kommen müsste bzw. dieser einen Vorschlag zur Entlassung der Bundeskanzlerin jedenfalls gegenzeichnen müsste?
Ich bin dem Verfassungsblog immer wieder sehr dankbar, um solche grundlegenden Erläuterungen! Ich lese sie jedes mal mit grossem Interesse. Die Unterscheidung der staatsrechtlichen Vorgaben und der politischen Dimension, ist gerade in solchen Fällen immer Interessant. Wenn Frau Merkel Herrn Massen durch Herrn Steinmeier entlassen lässt, dürfte Herr Seehofer ziemlich sauer sein, wenn er der Entlassung nicht zugestimmt hat, mit je nach dem gravierenden Folgen für die aktuelle Bundesregierung und die sie tragende Parteien. Könnte jetzt Herr Steinmeier die Entlassung von Herrn Massen ablehnen? Ich persönlich würde sagen ja aber stimmt das auch? Ist es rechtlich möglich aber ein politisches No-Go?! Der Wunsch der Bundeskanzlerin ist Folge zu leisten, da der Bundespräsident im Prinzip keine politische Agenda verfolgen soll, da er sonst ins Gehege der Richtlinienkompetenz des amtierenden Bundeskanzlers kommt und diese klar dem Kanzler zusteht, gemäss Grundgesetz?
@M Danne
Theoretisch wäre hier in der Tat das Organstreitverfahren (als Intraorganstreitverfahren) denkbar. Sollte die Bundeskanzlerin also die Entlassung bei Steinmeier veranlassen und dieser käme dem nach, könnte Seehofer wohl zum Bundesverfassungsgericht gehen – und zwar gegen Steinmeier. Denn dieser wäre zu einer Versetzung in den Ruhestand eben nur mit Zustimmung des Innenministers befugt gewesen und hätte mit der Versetzung den rechtlich relevanten Akt vorgenommen. Umgekehrt könnte aber auch Frau Merkel gegen Herrn Seehofer vorgehen und feststellen lassen, dass dieser zur Vornahme der Entlassung verpflichtet ist, da sie angesichts der politischen Relevanz ausnahmsweise eine solche Einzelweisung aussprechen durfte. Letzte Konstellation: Merkel geht gegen Steinmeier vor, weil dieser eine Entlassung verweigert (sie dürfte diesen Prozess freilich aus den genannten Gründen verlieren…)
A.T.
Hat zwar nicht unmittelbar verfassungsrechtliche Relevanz, dennoch:
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird der Besoldungsgruppe B9 zugeordnet: macht monatlich € 11.577,53.
Ein beamteter Staatssekretär wird der Besoldungsgruppe B11 zugeordnet: macht monatlich € 14.157,33.
Macht einen Anstieg der Besoldung von 22,3%.
Wenn aber Maaßen im Recht ist mit seiner Behauptung es habe keine “Hetzjagden gegeben , die ja im Übrigen von Sachsens MP, der leitenden Staatsanwaltschaft und der Polizeiführung sowie den Reportern der “Freien Presse Chemnitz” gestützt wird, und die Video Sequenz der sog. “Antifa Zeckenbiss” nicht verifiziert werden kann, darf er dann trotzdem mit der Begründung der fehlenden Vertrauensgrundlage aus seinem Amt verwiesen werden? Müsste dazu nicht der BP die Rechtslage prüfen?
Und ist es nicht die Aufgabe des VS derartige Vorfälle wie in Chemnitz zu überprüfen, einzuordnen und gegf. zu korregieren?
Meine Bewertung lautet: Der von Merkels rot-rot-grünem medialen Politkartell abgefeuerte Schuss gegen den Verfassungsschutzpräsidenten und der Institution selbst (Zweiteilung bzw. Abschaffung) ging gewaltig nach hinten los. Ein Rohrkrepierer !
Der wirkliche Schaden aber lautet: Wir verlieren an der Spitze einer für die Sicherheit des Staates zuständigen Institution einen Spitzenbeamten mit Mut zur eigenen Haltung.
Die Hoffnung der Kanoniere des „Rohrkrepierers“, nun ließe sich im Amt für Verfassungsschutz jemand installieren, der hilft, unliebsame Konkurrenten auszuschalten wird sicherlich nicht aufgegeben, dürfte aber aktuell nicht umsetzbar sein.
Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 71,75%. Die Besoldungserhöhung um € 2.579,80 führt also zu einer Erhöhung des Ruhegehalts um € 1.851,01 (wenn die 71,75% erreicht werden sollten). Ein Durchschnittsverdiener erhält pro Jahr einen Entgeltpunkt, der mit € 32,03 (Rente West) bewertet wird. Ein Durchschnittsverdiener müsste also 57,79 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um eine Rente zu erhalten, die mit der Ruhegehaltserhöhung korrespondiert.
GaGroReKu (Ganz Große RegierungsKunst) der Groko.
Die Ruhegehaltserhöhung bei Herrn Maaßen in Höhe von € 1.851,01 korrespondiert mit „fiktiven“ Beiträgen (2 BvL 17/99). Die „fiktiven“ Beiträge erhöhen das zu versteuernde Einkommen nicht.
Die Altersversorgung bei Arbeitnehmern wird einkommensteuerlich in 2018 für den Sonderausgabenabzug nur bis zur Höhe von € 23.712 ,00 berücksichtigt. Damit ein Durchschnittsverdiener eine Rente von € 1.851,01 erhält, müsste er bei einem Durchschnittsverdienst von € 37.873,00 (Anlae 1 zu SGB VI), einem Beitragssatz von 18,6% und 57,79 Jahren Beiträge in Höhe von:
€ 37.873,00 * 18,6% *57,79 = € 407.094,60
aufwenden. Davon werden aber nur € 23.712,00 steuermindernd berücksichtigt.
Das BVerfG findet diese Beschränkung bei Arbeitnehmern gerechtfertigt. Es handele sich nach Grund und Höhe um einen sachgerechten Grund für die Beschränkung der Altersvorsorgeaufwendungen und die damit verbundene Ausnahme von der gesetzgeberischen Entscheidung für eine grundsätzlich nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte (2 BvR 323/10: Rn. 66).
Jeder Steuerpflichtige sollte € 400.000,00 zusätzlich als Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigen können. Aus meiner Sicht werden Arbeitnehmer im Vergleich zu Herrn Maaßen im Steuerecht als Grundrechtsträger zweiter Klasse behandelt.