11 April 2025

Unverhoffte Profiteure

Wie das IFG dabei hilft, die deutsche Entwicklungspolitik transparenter zu machen

Viel Aufsehen hat in den letzten Tagen ein Satz aus einem Verhandlungspapier der koalierenden CDU/CSU und SPD erregt: Die Union strebte an, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „in seiner bisherigen Form“ abzuschaffen. Hiergegen gab es von Seiten der Zivilgesellschaft starke Proteste. Nun steht im neuen Koalitionsvertrag, das IFG solle stattdessen „mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung“ reformiert werden. Diese vage Formulierung lässt jedoch auch grundlegende Reformen zu, solange diese einen – wie auch immer definierten – „Mehrwert“ bieten.

Viele Stimmen haben bereits den demokratischen Mehrwert des IFG betont. Einige Kommentator*innen erinnerten an Fälle, in denen das IFG die politische Rechenschaftspflicht wesentlich gestärkt hat – etwa diverse Lobbyskandale einschließlich der Verstrickungen des Verhandlungsführers Philipp Amthor mit dem IT-Unternehmen Augustus Intelligence. Doch das IFG ist auch gerade in weniger öffentlichkeitswirksamen politischen Bereichen von herausragender Bedeutung – etwa in der deutschen Entwicklungspolitik.

Der Wert von individuellem Informationszugang in unbeliebten Politikbereichen

Außenpolitik ist kein politisches Terrain, auf dem sich viele Wähler*innenstimmen gewinnen lassen. Entwicklungspolitik ist da keine Ausnahme. Auch das zivilgesellschaftliche Interesse an einer Rechenschaftslegung der deutschen Entwicklungspolitik hält sich eher in Grenzen. Während es etwa viele deutsche NGOs gibt, die selbst Entwicklungsprojekte in den Zielländern betreiben oder umsetzen, gibt es weniger NGOs, die sich auf die Rechenschaft deutscher Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren (siehe etwa hier, S. 185).

So forderten politische Parteien in der letzten Legislaturperiode kaum öffentlichkeitswirksam Rechenschaft in Bezug auf die deutsche Entwicklungspolitik, von rechten Desinformationskampagnen zu „Radwegen in Peru“ einmal abgesehen. Lediglich Abgeordnete der Linken stellten regelmäßig Parlamentarische Anfragen in Bezug auf umstrittene Projektförderungen der deutschen Entwicklungsbank, der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) (siehe beispielsweise hier).

Menschen, die von deutscher Entwicklungspolitik betroffen sind, haben schlicht wenig politische „Lobby“. Gerade wenn eine solche Lobby fehlt und die Betroffenen weit weg sind, ist der individuelle Zugang zu Informationen zentral, um die Politik zur Rechenschaft ziehen zu können. Das IFG ermöglicht jedem deutschen Individuum, einen Informationszugang herzustellen, auch wenn Betroffene selbst nicht die Möglichkeiten dazu haben.

Friedrich Schoch hat bereits darauf hingewiesen, dass sich laut Bundesverwaltungsgericht parlamentarische Kontrolle und Öffentlichkeitskontrolle gegenseitig ergänzen. Ein hinreichendes Maß an politischer Rechenschaft wird also insbesondere durch deren Zusammenwirken hergestellt. Das heißt auch, dass die Öffentlichkeitskontrolle gerade in denjenigen Fällen stark sein muss, in denen die parlamentarische Kontrolle schwach ausfällt.

Die Zentralität von Transparenz in der Entwicklungsfinanzierung

Gerade in der Entwicklungspolitik ist Transparenz nicht nur notwendige Vorstufe von politischer Rechenschaft, sondern schon per se eine Form der Rechenschaft. Wer im Ausland von deutschen Entwicklungsprojekten betroffen ist, hat nämlich nur beschränkte Schutzmöglichkeiten. Während es noch öfter gelingen mag, öffentlichen Druck herzustellen, ist etwa eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung deutlich schwieriger. Bevor daran aber überhaupt zu denken ist, müssen den Betroffenen genügend Informationen über die geförderten Projekte zur Verfügung stehen. Solche Informationen sind aber oft nicht für alle Betroffenen einfach zugänglich. Dies ist vor allem hinsichtlich der Privatsektorentwicklungsfinanzierung („private sector development“) schon lange ein Kritikpunkt. Diese Form der Entwicklungsfinanzierung wird von der DEG, einem 100-prozentigen Tochterunternehmen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), betrieben. Dabei werden nicht öffentliche Institutionen, sondern in den Zielländern aktive private Unternehmen finanziell und teils beraterisch unterstützt. Mehr Transparenz wird dabei vor allem im Bereich der Environmental and Social Governance gefordert, da dort auch menschenrechtliche Risiken von Projekten zutage treten und ausgehandelt werden können. Mangelnde Transparenz hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass detaillierte Informationen über einzelne Entwicklungsprojekte und deren menschenrechtliche Auswirkungen teilweise nur unter hohem Rechercheaufwand zivilgesellschaftlicher Akteur*innen zusammengetragen werden konnten (siehe etwa Herre und Backes). Faktisch können sich die Akteure so ihrer menschenrechtlichen Verantwortung entziehen.

Die deutschen Entwicklungsfinanzierer KfW und DEG haben bereits auf solche Kritik reagiert: Die DEG hat ihre Veröffentlichungsrichtlinie in den letzten Jahren weiterentwickelt, um einen weitreichenderen Zugang zu projektbezogenen Informationen zu gewähren. Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist noch unklar. Zuletzt zeigte der sogenannte DFI Transparency Index von 2023 der Initiative „Publish What You Fund“, dass die Transparenzrichtlinien vieler Europäischer Entwicklungsfinanzinstitute – darunter auch die der DEG – noch verbesserungswürdig sind. Die Transparenz der Institute wurde unter anderem hinsichtlich projektbezogener Informationen, des Impact Managements und der Environmental and Social Governance überprüft. Kritikpunkt war insbesondere, dass sich nur schwer feststellen lasse, in welchem Umfang Informationen mit Betroffenen vor Ort geteilt werden und ob Betroffene hinreichenden Zugang zu Beschwerdemechanismen haben.

Mangelnde Transparenz kann strukturelle Probleme der entwicklungspolitischen Arbeit weiter verschärfen. Sie schwächt nicht nur die ohnehin schon geringen Beteiligungsmöglichkeiten von Betroffenen im Ausland an entwicklungspolitischen Entscheidungsprozessen, die sie unmittelbar betreffen. Mangelnder Informationszugang bedeutet auch, dass sich diese Entscheidungsprozesse generell nur schwer kritisieren lassen – sowohl von Betroffenen als auch etwa von deutschen NGOs. Das ist auch hinsichtlich der menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands bedenklich. Laut dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist Entwicklungszusammenarbeit menschenrechtsbasiert auszugestalten (siehe etwa hier, Rn. 11). Für die deutsche Entwicklungspolitik gilt deshalb eigentlich schon seit 2011 ein menschenrechtsbasierter Ansatz. Dieser dient dazu, menschenrechtliche Normen in praktische Prinzipien zu „übersetzen“, die in der entwicklungspolitischen Arbeit genutzt werden können (siehe auch Wagner, S. 146). Danach sollen betroffene Personen im Zielland der Entwicklungspolitik als Subjekt wahrgenommen werden und entwicklungspolitische Anstrengungen der Verwirklichung ihrer Menschenrechte dienen. Transparenz ist dabei als wesentliches menschenrechtliches Prinzip anerkannt (siehe hier, S. 12). Der Bereich der Privatsektorentwicklungsfinanzierung aber wird in diesem Policy-Konzept – wie auch in früheren menschenrechtsbasierten Policy-Konzepten – nicht explizit miteingeschlossen.

Die Rolle des IFG

Die Forderung nach mehr Transparenz in der Entwicklungsfinanzierung konnten zwei NGOs 2022 rechtlich erfolgreich geltend machen. Die NGOs reichten vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt Transparenzklage nach dem IFG ein, nachdem die KfW es abgelehnt hatte, Dokumente zu einer Investition ihrer Tochtergesellschaft DEG in das in Paraguay aktive Agrarunternehmen PAYCO offenzulegen. Den Beteiligten ging es vor allem um eine Offenlegung der Umwelt- und Sozialaktionspläne des Unternehmens – einem der größten Landbesitzer in Paraguay, dem vorgeworfen wird, in Landkonflikte mit indigenen Gruppen und Umweltschäden verwickelt zu sein.

Aus den Umwelt- und Sozialaktionsplänen von PAYCO würde sich etwa ergeben, inwiefern mögliche Risiken für Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzungen bekannt waren und adressiert wurden. Die KfW verteidigte sich insbesondere damit, dass die DEG als privatrechtlich organisiertes Unternehmen eigenständig handele, öffentliche Informationsansprüche hinsichtlich ihrer Tätigkeiten also nicht bestünden. Das überzeugte das Verwaltungsgericht nicht. Es ordnete die KfW als auskunftspflichtige Behörde nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG ein, die sich der DEG nach § 1 Abs. 1 S. 3 IFG zur Aufgabenerfüllung bedient. Sie müsse deshalb neu prüfen, ob die entsprechenden Informationen der DEG herauszugeben sind. Insbesondere unterschied das Gericht bezüglich eines Auskunftsanspruchs nicht zwischen dem Bereich der „public sector“- und „private sector“-Entwicklungsfinanzierung; es sah also die Zusammenarbeit der DEG mit Privaten genauso als Umsetzung der deutschen Entwicklungspolitik an wie andere Formen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit.

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, die KfW hat die streitgegenständlichen Dokumente noch nicht herausgegeben. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hätte das IFG die Schutzmöglichkeiten von Betroffenen der deutschen Entwicklungspolitik entscheidend gestärkt. Doch schon jetzt zeigt das Verfahren zumindest, dass Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen innerhalb von Projekten den bankinternen Bereich unter Umständen verlassen und von Dritten einsehbar sein können. Ebenfalls wird deutlich, dass staatseigene Unternehmen wie die DEG – trotz privatrechtlicher Organisationsform – nach dem IFG öffentlich rechenschaftspflichtig sein können. Weil menschenrechtliche Normen bei der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere auf prozessualer Ebene relevant sind (siehe etwa hier S. 63ff.), kann die Herausgabe von Dokumenten auch eine konstruktivere menschenrechtliche Kritik ermöglichen als parlamentarische Auskünfte.

Gerade wenn politische Machtasymmetrien, wirtschaftliche Interessen und menschenrechtliche Risiken ineinandergreifen, braucht es niedrigschwellige und individuell durchsetzbare Transparenzinstrumente. Sie können besonders die Rechte derjenigen stärken, die politisch stark unterrepräsentiert sind. Im Fall der Entwicklungspolitik erhöhen sie die Kontrollmöglichkeiten nicht nur der deutschen Zivilgesellschaft, sondern auch betroffener Individuen im Ausland. Das IFG ist also mehr als ein Verwaltungswerkzeug zur Informationsgewinnung – es kann auch zu einem menschenrechtlichen Korrektiv werden. Bei einer künftigen Reform des IFG ist dies zu bedenken. Diese sollte nicht nur, wie es der Koalitionsvertrag verspricht, einen „Mehrwert“ für „Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung“ bringen, sondern für alle, die von deutscher (Entwicklungs-)Politik betroffen sind.


SUGGESTED CITATION  Terrey, Sofie-Marie: Unverhoffte Profiteure: Wie das IFG dabei hilft, die deutsche Entwicklungspolitik transparenter zu machen, VerfBlog, 2025/4/11, https://verfassungsblog.de/ifg-menschenrechte/, DOI: 10.59704/d816f1c86c1b1042.

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