Nachhaltigkeit codieren
Wie Modelle und Standards in Green Finance und Bodenpolitik mit der Fläche umgehen (könnten)
Das Klimaschutzregime wäre ein gänzlich anderes, wenn wir es vom Boden her denken würden. Böden sind es, auf denen die Aktivitäten stattfinden, die Treibhausgase emittieren und jene Ökosysteme zerstören, welche so grundlegend benötigt werden, um Leben zu erhalten, CO2 zu binden und die Erde zu kühlen. Nur weil wir den Klimawandel zu einem bodenlosen Thema gemacht haben – sozusagen rechnerisch in die Atmosphäre verschoben haben – können wir ignorieren, dass der Boden die relevanteste Ressource zur Eindämmung des Klimawandels und der Ökosystemkatastrophe ist und für eine nachhaltige Transformation die Beschaffenheiten lokaler Ökosysteme mitgedacht werden muss.
Nicht nur der konservierende Schutz, sondern auch Wissen über die Bedarfe von Ökosystemen im Kontext des Klimawandels müssen viel stärker zur Leitschnur für das Recht werden. Als Rechtsethnologin ist mein Orientierungspunkt für diese Herausforderung nicht der Gesetzestext allein, sondern die „Programmierung“ staatlicher Verwaltungsinfrastrukturen durch Register, Datenformate, (automatisierte) Verwaltungsverfahren und administrative Praktiken. Im Zuge der Klimatransformation kommt ein wichtiges Werkzeug hinzu: Nachhaltigkeitskriterien und Indikatoren, die abstrakte Nachhaltigkeitsziele operationalisieren und Transformationsfortschritte vergleichbar machen sollen. Sie erfordern das Erheben, Analysieren und Berichten von Nachhaltigkeitswissen in einem neuen Ausmaß. Sie integrieren Klimawissen mit Hilfe von quantifizierten Zielen und abstrakten Kennzahlen in Recht, Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Daher sind zentrale Fragen, die wir uns für diese Entwicklung stellen müssen: Welche Wissensbestände fließen in Entscheidungen und Verfahren in Politik, Recht und Verwaltung ein? Wie abhängig ist die erfolgreiche Durchsetzung etwa des Rechts von der Datengovernance, sprich der Rechteverteilung bezüglich des Designs, der Verwaltung, Verwendung und Nutzung von (Nachhaltigkeits)daten? Wie verhält sich das nachhaltigkeitsorientierte Recht zu und mit den Verwaltungsverfahren und den Programmanwendungen – deren Standards, Modellen und auch Algorithmen? Diese sind, angelehnt an Lawrence Lessigs „Code is Law“ ebenfalls „Gesetze“. Indikatoren sind performatives Wissen. Eine aggregierte Zahl, ein Indikator, reduziert Komplexität und ermöglicht, dass Akteure auf Basis eines normativen Erkenntnismodells kontrolliert, reguliert und zur Rechenschaftspflicht gezogen werden können. Diese können relativ einfach als Zielwerte und Kriterien in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse, Gesetze und Verwaltungsverfahren integriert werden. Als Ethnologin untersuche ich Weltbilder und Wertvorstellungen, welche in das Regime der Nachhaltigkeitsstandards eingeflossen sind und durch dieses wiederum reproduziert werden.
Indikatoren sind Wissen und politische Werkzeuge gleichzeitig
Die große Herausforderung, die ich sehe, ist, dass ein Großteil der vielfältigen regulatorischen Ansätze für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Finanzrecht, Umweltrecht, Handelsrecht oder bei bodenpolitischen Instrumenten bis zu den privatrechtlichen Handlungsspielräumen der öffentlichen Hand nicht harmonisiert ist und keine zielscharfe Reduktion von negativen Umwelteinflüssen ermöglicht. Sektorübergreifend sind die Konzepte, Modelle und das Design der Standards, nach denen Nachhaltigkeit gedacht, berichtet und erreicht werden soll ein zentraler Hebelpunkt. Indikatoren sind Kennzahlen, die komplexe Wirkungszusammenhänge repräsentieren sollen, indem verschiedene Größen in Verhältnis gesetzt werden. In dem einfachsten Indikatorendesign ist damit ein Wirkungsmodell eingebaut, beispielsweise bei der Beziehungszahl CO2/€ oder CO2/qm2, wie sie häufig zur Berechnung der Effektivität einer grünen Anleihe beispielsweise mit Immobilienschwerpunkt verwendet werden würde. Eine Größe (Umsatz) repräsentiert eine Entität (Konzern), dessen Eigenschaft (CO2-Emission) gemessen werden kann, damit ein anderer Akteur (Bank) mit diesem Wissen einen Entscheidungsprozess verbessern kann (Investment). Wird jedoch die Emissionsreduktion durch Effizienz pro Quadratmeter beobachtet, werden raum- und ressourcenverbrauchende Villen aufgrund ihrer Dämmung belohnt; wenn wir Emissionsreduktion pro Person messen, wird auch sparsames Wohnen auf geringer Quadratmeterzahl belohnt. Für Indikatoren werden immer, wenn auch implizit, normative Entscheidungen getroffen, welche auf bestimmte Handlungsweisen, Akteure und ziele stärker fokussieren und andere ausblenden.
Eine Frage der Analyseeinheiten und der Formate
Umweltwissen ist keine stabile Größe. Nachhaltigkeitskonzepte verändern sich dadurch, dass sie in die institutionellen Logiken der Wirtschafts- und Finanzwelt eingebettet werden. Nachhaltigkeitswissen wird zirkuliert, verändert und umgewandelt, je nachdem zu welchen Akteuren und Prozessen es attribuiert wird. Für die Finanzindustrie wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die Bewertung nach EU-Taxonomie und ESG (Risiken im Bereich Environmental, Social, Governance) auf konsolidierter Konzernebene durchgeführt. Die Angaben sind meist maschinenlesbar und quantitativ zu machen (beispielsweise der Prozentsatz des Umsatzes, der taxonomiekonform ist). Doch sie basieren letztlich auf textbasierten Erklärungen, die so individuell sein können, dass ihre algorithmische Analyse sperrig wird. Beispielsweise die Betroffenheit des Unternehmens von bestimmten Umweltrisiken (outside-in) oder auch die wesentlichen Umweltauswirkungen des Unternehmens (inside-out) beruhen auf Beschreibungen, die interpretiert werden müssen. Vor allem jedoch sind die Aspekte der einzelnen Tochterfirmen, Standorte und Geschäftsbereiche auf Konzernebene aggregiert. Damit lässt sich kaum erschließen, welche Regionen, Gruppen und Infrastrukturen konkret von Auswirkungen an den verschiedenen Unternehmensstandorten oder durch die verschiedenen Produkte betroffen sind.
Nach dem Leitfaden der EZB zu Umwelt- und Klimarisiken werden CO2-Emissionen pro Euro Umsatz eines Konzerns berechnet (bzw. geschätzt). Doch Umsatz und insbesondere Konzernverflechtungen sind alles andere als stabile Größen, sie können umgeschichtet, durch Ankäufe und Verkäufe verändert werden. Anders als die physischen Infrastrukturen: eine Kohlemine bleibt, selbst wenn der Konzern von der Börse genommen, verkauft wird oder die CO2-Zertifikate eines halben Regenwalds kauft. Die lokale Kommune, die von direkten und indirekten Umweltfolgen betroffen ist, muss die Krisen und sozialen Kettenreaktionen einer Region verwalten, selbst wenn sämtliche Finanzunternehmen sich dort zurückgezogen, oder ihre eigenen Risiken eingepreist haben. Umwelt- und Klimawissen wird nicht als ein objektives, stabiles Artefakt zirkuliert. Es wird Teil von Modellen, die ihre eigenen Annahmen, Prozesse und Wirkungsweisen haben: in Modellen der Risikobewertung, wie sie in der EZB-Klimarisikobewertung, CSRD und EU-Taxonomie definiert werden, wird ignoriert, dass es lokale Institutionen der Daseinsvorsorge gibt und darüber hinaus, dass die Klimagovernance und konkrete Umgangsweisen mit Böden verschiedenster Akteure Wechselwirkung haben können, Synergien, Zielkonflikte und Aufhebungseffekte produzieren können. Daher ist es einmal problematisch, wenn physische Klimafolgen ohne die Bedeutung lokaler Institutionen und ihrer Klimaresilienzstrategien prognostiziert werden: Dies suggeriert, es gäbe keine Kommunen, die Strategien gegen Hitzeinseln, Überschwemmung und Waldbrände entwickeln und von denen Unternehmen abhängig sind und mit denen sie kooperieren sollten. Unternehmenshandeln werden damit raum- und kontextlos konzeptioniert. Aus den Risikobewertungen der Unternehmen werden konkrete, lokale Auswirkungen der Unternehmensmaßnahmen nicht ersichtlich. Doch eine Klimaschutzmaßnahme ist nicht an jedem Ort gleich sinnvoll. Effizienzmaßnahmen, wie beispielsweise Energieeffizienzgebäude, führen nicht unbedingt zu einer absoluten Reduktion von Energie, wenn der Raumverbrauch pro Person die Einsparung auffrisst. Darüber hinaus können die betroffenen Regionen die Umweltberichterstattung von Firmen nicht nutzen, um die Auswirkungen auf ihre Region zu verstehen und die Angaben zu überprüfen. Global gesetzte Nachhaltigkeitsindikatoren der Finanzindustrie sind damit Steuerungswerkzeuge, auf die die Gesteuerten keinen Zugriff haben.
Fairnessaspekte der Indikatorenentwicklung
Daher ist es mir wichtig, den Wert gemeinsam koordinierter Nachhaltigkeitsindikatoren zu betonen, bei denen diejenigen, die von den Auswirkungen der Wirkungsmessung über jeweilige Sektoren hinaus betroffen sind, mitgedacht werden. Das Design von Indikatoren, die Datengrundlagen sowie die Ergebnisse müssen transparent, vielseitig nutzbar und öffentlich verhandelbar und zugänglich sein, weil sie kostspielige und wirkungsvolle Kraftakte sind. Wenn Nachhaltigkeitsmetriken neue Grundlagen für rechtliche und finanzielle Entscheidungen sind, dann ist die Datenverfügbarkeit, -nutzbarkeit und -verlässlichkeit durch die Governance ihrer Dateninfrastrukturen entscheidend für die resultierenden Indikatoren als Wissen und Steuerungsinstrumente. Doch die Design- und Zugangsrechte hinsichtlich Klima- und Umweltwissens sind über die Datenwertschöpfungskette hinweg sehr einseitig verteilt. Bei der Entwicklung der EU-Indikatorenstandards sind vor allem Finanzakteure beteiligt. Die Kosten der Erhebung und Bereitstellung der zugrundeliegenden Rohdaten haben vor allem die Unternehmen und die EU in Form des European Single Access Points. Die Auswertung dieser Datenrohstoffe wird jedoch exklusiv durch Ratingagenturen, Versicherungen und Banken durchgeführt. Diese teilen ihre Risikoprognosen seltenst mit denen, die sie tatsächlich treffen und machen Profit durch die Nutzung und den Verkauf des frei verfügbaren Datenrohstoffs. Das Design, die Erhebung, die Verwaltung, Auswertung und Nutzung von Daten wird von einer Datenökonomie angetrieben, welche sich nicht an denen orientiert, die Ökosystemkrise, Klimawandel und die sozialen Kettenreaktionen lokal zu tragen und zu verwalten haben, sprich an Kommunen als unmittelbare Verantwortliche für die Daseinsvorsorge und Infrastrukturen alltäglichen Lebens und Wirtschaftens. Für eine zukunftsfähige Gesellschaft ist der Umbau der Infrastrukturen hin zu einer klimaresilienten und nachhaltigen Grundversorgung jedoch besonders relevant. Diese ist betroffen durch den Klimawandel und gleichzeitig mitverantwortlich für besonders klimaschädliche Sektoren wie Verkehr, Gebäude oder Abfallentsorgung.
Datengovernance ist Nachhaltigkeitsgovernance
Indikatoren und Nachhaltigkeitsdaten können nicht als objektive Wahrheiten eingestuft werden. Sie sind als normativ bedingte und sozial und politisch konstruierte Werkzeuge zu verstehen, die situativ, performativ und durch soziale Institutionen entstehen. Es soll vielmehr sogar verdeutlichen, dass jeder Verwaltungsprozess implizite, sozial bedingte Wirkungstheorien diesbezüglich enthält, wie ein Akteur, mit welchem normativ begründeten Beleg zu welcher Handlungsmöglichkeiten ausgestattet ist. Wertvorstellungen schaffen Gesetze, Gesetze schaffen Register, Register enthalten, prüfen, agieren, sichern Repräsentationen und Wertvorstellungen und Wertvorstellungen stabilisieren wiederum Gesetze. Gerade weil Registerarchitekturen allein durch ihr Alter, ihre Behäbigkeit und ihre technische Entwicklung und Anwendung eine relative Eigenständigkeit neben den Gesetzen entwickeln, deren unsichtbare Bühne sie sein sollten, ist es relevant, die Tendenzen von Registern und ihren Anwendenden zu betrachten, bestimmte Zugänge und Nutzungsweisen zu erleichtern und andere zu erschweren. Die Verteilung der Mitgestaltungs- und Zugangsrechten an den Dateninfrastrukturen bedingt damit die Gestaltung der Welt und der Transformation unseres Umgangs mit ihr selbst.
Beispiel Entwurf Agrarstrukturgesetz Brandenburg
Meine Doktorarbeit beschäftigte sich mit der Sicherung, Regulierung und Repräsentation von Eigentum an landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Datenbanken und Register wie die Grundbücher, Liegenschaftskataster, Handelsregister und Agrardatenbanken. In Bezug auf Landeigentum argumentierte ich dort, dass Eigentum nicht nur über ein Bündel an Rechten und die staatlichen Beschränkungen strukturiert wird, sondern auch über die Datengovernance der Grundbücher, welche die Sicherung, Repräsentation und Regulierung von Eigentumsrechten prägt. Ich habe staatliche Dateninfrastrukturen mit einer theoretischen Perspektive untersucht, welche die Entwicklung von Technologien und ihre Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Wertvorstellungen betrachtet. Auch in Verwaltungsprozesse sind Visionen einer wünschenswerten Welt eingeschrieben, welche aggregiertes Wissen in Registern herstellen, die wiederum Statistiken und damit Vorstellungen gesellschaftlicher Zusammenhänge mitbedingen.
In der andauernden Weiterentwicklung von staatlichen Registerinfrastrukturen „sedimentieren“ folglich auch Konzepte legitimer gesellschaftlicher Verhältnisse die sehr verschieden und widersprüchlich sein können. Die Grundbuchordnung ist älter als Artikel 14 des Grundgesetzes und wurde vor einem gänzlich anderen Hintergrund entwickelt. Sie könnte auch als ein Spiegel des bürgerlichen Versprechens von freier Persönlichkeitsentfaltung durch Privateigentum betrachtet werden, welches Ende des 19. Jahrhunderts endgültig die ständischen Privilegien hinsichtlich des Landeigentums aufheben sollte. Diese aufklärerische Idee des gleichwertigen Individuums lässt sich auch im Design der bürokratischen Artefakte, ihrer Formate, Kategorien und ihre Architektur finden. Nicht die Kontinuität der Adelsfamilie, sondern die Kontinuität eines physisch auffindbaren Stück Fläche markiert nun das erste Prinzip des Ordnungssystems der Flurstücknummer. Die Eigentümer sind lediglich eine Art wechselnde Eigenschaft des Grundstücks. Die Grundbuchblätter liegen nebeneinander in der Reihenfolge ihrer Erhebung: einzeln und autonom, die Rechte des Eigentümers und bestimmter Dritter transparent aufzeigend. Landeigentum wird als ein physisch greifbares Ding präsentiert, im Eigentum direkt im Grundbuch eingeschriebener juristischer oder natürlicher Personen. Und genau dadurch werden auf einer höheren Ebene neue Unsichtbarkeiten erzeugt: die Einbettung von Grundstücken in finanzielle Kontrollstrukturen und damit Vermögensverhältnisse bleiben unsichtbar, weil die Zuordnung der einzelnen Flurstücke zu einem gemeinsamen Eigentümer nur unter größtem Aufwand möglich ist. Und die im Grundbuch eingetragenen Firmen können selbst in komplexe Unternehmenskonstruktionen eingebettet sein, die die letztlichen Eigentümer verschleiern.
Doch mit der und durch die „Umnutzung“ von Dateninfrastrukturen können auch Diskurse und Gesetzesinitiativen verändert werden. Die landwirtschaftliche Bodenmarktregulierung war in Deutschland bisher darauf ausgerichtet, die Wirtschaftlichkeit der Nutzung zu sichern, indem die Aufteilung von Grundstücken und der Verkauf an Nicht-Landwirte kontrolliert wurde. 2018 wurde erstmalig eine Erhebung von Landeigentumskonzentration in Auftrag gegeben, welche weitere Bemühungen für ein neues Agrarstrukturgesetz unterstützte. In Brandenburg fand eine vollständige Erhebung der größten Eigentümer statt. Der aktuelle Gesetzesentwurf in Brandenburg sieht nun erstmalig vor, dass die „Versagung oder Einschränkung der Genehmigung bei unmittelbaren Grundstücksübertragungen“ (§7) auch dann möglich ist, wenn „eine agrarstrukturell nachteilige Anhäufung landwirtschaftlicher Nutzflächen“ vermutet werden kann, „weil die Summe der Flächen, die mit Vollzug des Erwerbs im Eigentum des Erwerbers stehen würden und der Flächen, die vom Erwerber aufgrund von Pachtverträgen und sonstigen Nutzungsverhältnissen bewirtschaftet werden, eine Größe von 2600 Hektar überschreitet.“ Der Schwellenwert der 2600 Hektar wurde aus Durchschnittsgröße der flächenreichsten 10 % (Dezil) der Brandenburgischen Betriebe abgeleitet, die 1302,8 Hektar beträgt.“
Natürlich betrachtet das Agrarstrukturgesetz nur einen geringen Teil der Bodenmobilität, da durch Vererbung um ein vielfaches häufiger ein Flächentransfer stattfindet, als durch Verkauf. Ebenso wären Anteilskäufe (sog. Share Deals) relevant. Dennoch ist das vorgeschlagene Agrarstrukturgesetz Brandenburg ein Beispiel dafür, wie neue Erkenntnisse grundlegende Perspektiven, regulierte Entitäten und damit Regulierungsmöglichkeiten schaffen.
Auch das Design staatlicher Register prägt Handlungsspielräume
Was weiterhin kaum gesichert ist, ist die nachhaltige Nutzung der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Ein Gedankenspiel: Wie würden wir über Bodenschutz sprechen, wenn der Zustand der Böden, die Bodendegradation, -versiegelung und das Artensterben detailliert vermerkt und kartiert wäre und Landeigentumsrechte an die kontinuierliche Verbesserung des Zustandes geknüpft wären? Wenn sämtliche jemals durchgeführten Umweltverträglichkeitsstudien (inklusive der Vorkommen von Altlasten), die Messergebnisse von Wasser- und Bodenqualität öffentlich und systematisch zugänglich wären? Wenn die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Flächennutzung in online zugänglichen „Grundbüchern“ registriert wären, statt nur die dinglichen Rechte der Eigentümer? Die Kluft zwischen Handeln der Flächennutzer, Verwaltungsverantwortung und -handeln würde sicht- und messbar. Öffentlichkeit und Politik könnte den offensichtlichen Auswirkungen des Bodenumgangs und den Lücken des Bodenschutzes, den wir gesellschaftlich zulassen, vielleicht weiterhin zu ignorieren versuchen, dennoch wären das Beweismaterial für Rechtsprozesse und Gesetzesinitiativen vorhanden, durch welches Akteure identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden können. Dies ist kein Vorschlag, sondern ein Gedankenspiel, ein Gegenextrem zu der aktuell von der EU und Finanzinstitutionen vorangetriebenen „raumlosen“ und „bodenlosen“ Nachhaltigkeitsstandards und -dateninfrastrukturen.
Datenprinzipien als Transformationsprinzipien
Eine datenbasierte Transformation in Richtung Klimaresilienz und Nachhaltigkeit braucht gute Prinzipien für eine Transformation von Dateninfrastrukturen. Ethnologinnen können dabei unterstützten, denn die bestehenden Kategorien sind ihnen von ihrer Profession her fremd. Sie folgen den üblichen Grenzen nicht, in die Wissens- und Aufgabenbereiche unterteilt sind und folgen Objektzusammenhängen und wie diese durch Datenverwaltung, Beratungskonzepte, Behörden, Juristen verbunden oder getrennt sind. Wie würden notwendige Dateninfrastrukturen, Wissensbereiche und administrative Einheiten gedacht werden, wenn man von dem Konzept eines Grundbuches für die Rechte des Bodens ausginge? Derzeit sind nur die Rechte von Eigentümern an Land übersichtlich gebündelt, nicht aber ihre Verpflichtungen und öffentlichen Beschränkungen. Wenn Verwaltungsprozesse stärker darauf ausgerichtet werden könnten, die Folgen für Biodiversität und Klima sichtbar zu machen, können sie auch vermeidbar gemacht werden.
Mein letzter Appell ist daher, dass wir mit wissenschaftlichem Wissen nicht nur Indikatoren und Gesetze begründen, sondern ihre Wirksamkeit überprüfen sollten. Transformation im Kontext der Ökosystemkrise bedeutet, dass wir einen Weg einschlagen müssen, dessen Richtung wir mit jedem neuen Schritt erst verstehen können und das auf einem Pfad, der sich unter unseren Füßen verändern wird. Mit der größeren Einbindung von Daten, vermeintlichen Fakten, darf nicht vernachlässigt werden, die Werte und Ziele zu reflektieren, die in unsere Werkzeuge des Messens und Steuerns eingeschrieben werden und sie so designed werden müssen, dass sie kontinuierlich auf eine zielscharfe und gerechte Transformation rekalibriert werden können.
Danke für die detaillierte Darstellung. “Bodenlos” – das trifft es gut. letztendlich wird der Grund und Boden nicht nur beim Klimaschutz etc. ignoriert, dies trifft auch auf die Vorstellungen von Eigentum an sich zu.