„Newer than cellphones and the internet“: Die Homo-Ehe vor dem US Supreme Court
Zwei Dinge zeichnen sich nach der mündlichen Verhandlung um das kalifornische Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen ab: Erstens wird der Supreme Court den Fall jedenfalls nicht auf Kalifornien beschränkt entscheiden. Zweitens überzeugt eine Beschränkung der Entscheidung auf das Label „Ehe“ (das nur acht Staaten betrifft) die Richter und Richterinnen nicht, da dies (nur) die Staaten bestraft, die doch bereits weitgehende Gleichstellung eingeführt haben. Damit steht der Supreme Court vor einer Alles-oder-nichts-Entscheidung: Entweder entscheidet er, dass die Bundesverfassung gleichgeschlechtliche Ehen in allen 50 Bundesstaaten erfordert oder nicht erfordert, oder er stützt sich auf eine Zulässigkeitsfrage, um den Fall nicht zu entscheiden – dies würde dem demokratischen Prozess Zeit verschaffen, um den sich viele der Richter und Richterinnen sorgen, und die kalifornische Lösung weitgehend bestehen lassen.
Ich berichtete bereits von der Vorgeschichte und den wesentlichen Rechtsfragen dieses Falls und des DOMA-Falls Windsor (ein separater Verhandlungsbericht folgt). Die fünf Kläger sind Vertreter von zwei Initiativen gegen die Ausweitung der Ehe; einer von ihnen, William Tam, ein Anführer aus der chinesisch-amerikanischen Evangelikalen, vertritt derart radikale Ansichten, dass er sich aus dem Supreme-Court-Verfahren zurückgezogen hat. Die ursprünglichen Kläger und Klägerinnen, hier die Beklagten, sind ein lesbisches und ein schwules Paar, denen die Eheerlaubnis verweigert wurde. Vertreten werden die beiden Seiten durch zwei Freunde, von denen sich der eine mit einem ehemaligen Gegner verbündet hat: Klägervertreter Charles Cooper und Beklagtenvertreter Theodore Olson sind konservative Parteifreunde; der libertäre Olson schloss sich für das Vorgehen gegen Proposition 8 jedoch mit David Boies zusammen, der ihm in Bush v. Gore gegenüber gestanden hatte. Die Bundesregierung war als Amicus curiae geladen, vertreten durch ihren Solicitor General Donald B. Verrilli.
Das Problem des unverteidigten Gesetzes: Standing
Nach Art. III §2 der Bundesverfassung ist der Supreme Court für „cases“ und „controversies“ zuständig. Eigentlich verteidigt ein Bundesstaat seine eigene Gesetzgebung vor dem Supreme Court – doch Kalifornien ist dazu nicht bereit, ebenso wie die Bundesregierung im Hinblick auf das Bundesgesetz DOMA. Ist es akzeptabel, dass in einer solchen Situation niemand anderes das Gesetz vor den Bundesgerichten verteidigen darf, noch nicht einmal die, die es initiiert haben? Ursprünglich als Intervenienten zugelassen, hatten die Kläger den Fall bereits vor dem 9th Circuit Court of Appeal übernommen, mit dem Segen des kalifornischen Supreme Court. Zu Recht? Weder die beiden Prozessvertreter noch der Amicus curiae kamen um diese zentrale Frage herum; nur Mr. Olson gelang es zur Erheiterung der Anwesenden, vorher schnell einen Punkt zur Begründetheit einzuschieben.
Richterin Ginsburg wollte zunächst von Klägervertreter Cooper wissen, wie die Initiatoren von jedem anderen Bürger zu unterscheiden seien, der ein Gesetz bestätigt sehen wolle. Cooper berief sich auf die kalifornische Gesetzeslage, die eine solche Verteidigung zulässt – doch, wie Chief Justice Roberts (und auch Beklagtenvertreter Olson) einwendet,
that would leave the definition under Article III of the Federal Constitution as to who can bring — who has standing to bring claims up to each State. And I don’t think we’ve ever allowed anything like that.
Denn dann könnte der Bundesstaat grundsätzlich jede beliebige Person autorisieren, seine Gesetze zu verteidigen, ohne ihr mit ihren je eigenen Interessen treuhänderische Pflichten gegenüber dem Staat obliegen; diese Person, so Olson, könne dann auch nach eigenem Ermessen Anwaltskosten zulasten des Staats erzeugen. Zudem, wendet Richterin Sotomayor ein, sind die Verteidiger eines Gesetzes in der Regel von den Bürgern und Bürgerinnen des Staates gewählt. Das allerdings ist natürlich bei einem Volksentscheid genau das Problem, wie Cooper ausführt:
[A]fter all, the initiative process is designed to control those very public officials, to take issues out of their hands. And if public officials could effectively veto an initiative by refusing to appeal it, then the initiative process would be invalidated.
So sah es auch Richter Alito im Gespräch mit Beklagtenvertreter Olson:
Now, in a State that has initiative, the whole process would be defeated if the only people who could defend the statute are the elected public officials. The whole point — you know this better than I do, because you’re from California — the whole point of the initiative process was to allow the people to circumvent public officials about whom they were suspicious.
Beklagtenvertreter Olson bot für das Problem des „unverteidigten“ Gesetzes nur die Möglichkeit einer Ernennung an – durch denselben Gouverneur, der das Gesetz nicht verteidigt, wie Scalia einwendet –, wie es bei Interessenkonflikten durchaus üblich sei. Richter Breyer schien die Sache für recht einfach zu halten: Eine public action, eine allgemeine Gesetzesvollziehungsklage, existiere zwar in etwa 40 Bundesstaaten, sei aber vom Supreme Court für Artikel III abgelehnt worden.
Ob sich eine Mehrheit der Richter und Richterinnen für eine Klagebefugnis finden wird, halte ich durchaus für zweifelhaft – wenngleich Alito und auch Scalia berechtigte Einwände anführen, wie dieser Fall bestätigt.
In der Sache ging es im wesentlichen um zwei Fragen: den Rechtfertigungsmaßstab und die Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare.
Der Rechtfertigungsmaßstab
Die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen orientiert sich an drei Stufen: dem schlichten Maßstab der rational basis aus Lee Optical, der intermediate scrutiny (die für Geschlechtsdiskriminierung gilt) und der strict scrutiny, die bisher nur für die Rassendiskriminierung gilt. Für sexuelle Orientierung ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden, welcher Maßstab anzulegen ist. Ausgangspunkt ist die Frage, ob Homosexuelle eine suspect class sind, also eine Gruppe, an deren Zugehörigkeit anzuknüpfen suspekt und damit besonders rechtfertigungsbedürftig wäre. So sieht es Solicitory General Verrilli: „[E]very warning flag that warrants exacting scrutiny is present in this case.“ Die Kläger dagegen versuchen sich der Frage zu entziehen:
JUSTICE SOTOMAYOR: … [C]an you think of any other rational basis, reason, for a State using sexual orientation as a factor in denying homosexuals benefits or imposing burdens on them?
MR. COOPER: Your Honor, I cannot. …
JUSTICE SOTOMAYOR: All right. If that if that is true, then why aren’t they a class? …
MR. COOPER: … We — we are saying the interest in marriage and … the State’s interest and society’s interest in … responsible … procreation is — is vital, but … with respect to those interests, … same-sex couples and opposite-sex couples are simply not similarly situated. … But … it does not qualify under this Court’s … traditional tests for identifying suspectedness [sic]. The — the class itself is — is quite amorphous. It defies consistent definition as — as the Plaintiffs’ own experts were — were quite vivid on. It … does not qualify as an accident of birth, immutability in that — in that sense.
Bezieht sich Cooper hier auf den Umstand, dass Homosexualität nicht zwingend eine unwandelbare, schicksalhafte, angeborene Eigenschaft einer Person sein sondern auch Teil einer über die Lebensdauer eines Menschen wandelbaren sexuellen Orientierung sein kann? Jedenfalls, so Cooper, könne auch ohne „suspectedness“ die Regierung nicht ohne weiteres „arbitrarily and irrationally“ mit einer Gruppe umgehen. Richter Kennedy überlegte schließlich, ob es sich möglicherweise (auch) um Geschlechtsdiskriminierung handelt:
JUSTICE KENNEDY: Do you believe this can be treated as a gender-based classification? … It’s a difficult question that I’ve been trying to wrestle with it.
MR. COOPER: Yes, Your Honor. And we do not. We do not think it is properly viewed as a gender-based classification. … I guess it is gender-based in the sense that marriage itself is a gendered institution, a gendered term, and so in the same way that fatherhood is gendered more motherhood is gendered, it’s gendered in that sense.
Dieses Argument ist überzeugend nicht nur im Hinblick auf die Heternormativität von Geschlecht – also die Erwartung einer heterosexuellen Ausrichtung innerhalb des gesellschaftlich zugewiesenen Geschlechts –, es hätte auch ein internationales Vorbild und den Reiz, dass der Rechtfertigungsmaßstab bereits geklärt ist; doch es ist kaum zu erwarten, dass das Gericht ihm folgen könnte. Eher ist zu erwarten, dass der Supreme Court sich der Frage der „Suspektheit“ Homosexueller stellt. Für Beklagtenvertreter Olson ist die Frage klar:
MR. OLSON: [Proposition 8] walls-off gays and lesbians from marriage, the most important relation in life, according to this Court, thus stigmatizing a class of Californians based upon their status and labeling their most cherished relationships as second-rate, different, unequal, and not okay.
[T]his … is not society’s right. It’s an individual right that this Court again and again and again has said the right to get married… is a personal right. It’s a part of the right of privacy, association, liberty, and the pursuit of happiness.
Olson verweist darauf, dass das Recht zu heiraten ein fundamental right ist, das im Rahmen der Due Process Clause selbst einen verschärften Rechtfertigungsmaßstab genießt. Chief Justice Roberts’ Einwand, dass hierfür möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit der Grund sei, lässt Olson nicht gelten: Der Supreme Court habe die Ehe stets mit Fortpflanzungsrechten gleichgestellt, nicht gleichgesetzt.
Ehe und Fortpflanzung über 55
Die Fortpflanzungsfrage ist eines der wesentlichen Argumente der Kläger. Die Ehe hiervon abzukoppeln, gefährde den Schutz, den sie für das Aufwachsen von Kindern biete:
MR. COOPER: … The concern is that redefining marriage as a genderless institution will sever its abiding connection to its historic traditional procreative purposes, and it will refocus, refocus the purpose of marriage and the definition of marriage away from the raising of children and to the emotional needs and desires of adults, of adult couples.
Dem zeigte sich auch Chief Justice Roberts aufgeschlossen; die Ehe habe sich traditionell entwickelt, um bestimmte Funktionen zu fördern, die bei Homosexuellen der Natur nach nicht vorlägen, nicht um diese auszuschließen.
Das wirft allerdings die Frage auf, ob dann auch andere nicht fortpflanzungsfähige Paare von der Ehe ausgeschlossen werden können – in den Worten von Richter Breyer: „What precisely is the way in which allowing gay couples to marry would interfere with the vision of marriage as procreation of children that allowing sterile couples of different sexes to marry would not? I mean, there are lots of people who get married who can’t have children.“ Zum Beispiel Paare über 55, wie Richterin Kagan einwarf, oder Paare, von denen ein Partner auf Lebenszeit im Gefängnis sitzt, wie Richterin Ginsburg mit dem Hinweis auf Turner v. Safley einwandte. Klägervertreter Cooper kam gehörig ins Schwitzen und ritt sich immer weiter hinein – nicht zuletzt weil er darauf beharrte, dass ja auch bei Paaren über 55 zumindest einer der Partner regelmäßig fortpflanzungsfähig bleibe (was ja auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren der Fall ist). Diese Insistenz verhalf schließlich sogar Strom Thurmond zu einem Gastauftritt, der das erste seiner vier ehelichen Kinder mit 68 zeugte und bis zum Alter von 100 US-Senator blieb:
MR. COOPER: Your Honor, even with respect to couples over the age of 55, it is very rare that couples both — both parties to the couple are infertile, and the traditional –
(Laughter.)
JUSTICE KAGAN: No, really, because if the couple – I can just assure you, if both the woman and the man are over the age of 55, there are not a lot of children coming out of that marriage.
(Laughter.)
MR. COOPER: … The marital norm, which imposes the obligations of fidelity and monogamy, Your Honor, advances the interests in responsible procreation by making it more likely that neither party, including the fertile party to that –
JUSTICE KAGAN: Actually, I’m not even –
JUSTICE SCALIA: I suppose we could have a questionnaire at the marriage desk when people come in to get the marriage – you know, Are you fertile or are you not fertile?
(Laughter.)
JUSTICE SCALIA: I suspect this Court would hold that to be an unconstitutional invasion of privacy, don’t you think?
JUSTICE KAGAN: Well, I just asked about age. I didn’t ask about anything else. That’s not – we ask about people’s age all the time.
MR. COOPER: Your Honor, and even asking about age, you would have to ask if both parties are infertile. Again –
JUSTICE SCALIA: Strom Thurmond was – was not the chairman of the Senate committee when Justice Kagan was confirmed.
(Laughter.)
MR. COOPER: Very few men – very few men outlive their own fertility.
Schaden für das Kindeswohl?
Als ergiebiger erwies sich die Frage nach den realen Kindern und ihrem Kindeswohl, die Richter Scalia und Richterin Ginsburg in ein durch Klägervertreter Cooper vermitteltes Zwiegespräch verwickelte. Scalia wies darauf hin, es sei unter Soziologen bisher umstritten, ob ein Schaden für Kinder gleichgeschlechtlicher Paare ausgeschlossen werden könne – hier hätte ihn ein wenig Rechtsvergleichung vielleicht erhellen können. Kalifornien kann sich auf solche Zweifel allerdings nicht stützen, wie Ginsburg zu bedenken gab – denn gleichgeschlechtlichen registrierten Partnerschaften steht dort schon jetzt sowohl die Fortpflanzungsmedizin als auch die Adoption offen. Scalia wandte ein, den Beklagten gehe es aber um eine bundesweite Regelung. Richter Kennedy (der offenbar auch Kreationisten nicht vergrätzen will) lenkte schließlich den Blick zurück nach Kalifornien:
JUSTICE KENNEDY: I – I think there’s – there’s substantial – that there’s substance to the point that sociological information is new. We have five years of information to weigh against 2,000 years of history or more. On the other hand, there is an immediate legal injury or legal – what could be a legal injury, and that’s the voice of these children. There are some 40,000 children in California, according to the Red Brief, that live with same-sex parents, and they want their parents to have full recognition and full status. The voice of those children is important in this case, don’t you think?
Auch der Vertreter der Bundesregierung, Verrilli, verwies auf die realen Kosten des Wartens: „it denies to the children, ironically, the very thing that Petitioners focus on is at the heart of the marriage relationship.“ Allerdings ist die Frage der Kinder für die Beklagten und die Bundesregierung ein wenig brenzlig, wie Chief Justice Roberts aufzeigte – denn sie argumentieren einerseits, dass Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften keinen Schaden davontragen, aber andererseits, dass der Mangel der Anerkennung ihrer Eltern als Ehegatten ihnen schade.
An „institution which is newer than cell phones or the Internet“
Doch sind die Kosten des Wartens hoch genug, um jetzt über eine Frage zu entscheiden, die sich derzeit rasant entwickelt? Mehrere Richter und Richterinnen, liberal wie konservativ, äußerten offene Zweifel.
JUSTICE ALITO: … Traditional marriage has been around for thousands of years. Same-sex marriage is very new. I think it was first adopted in The Netherlands in 2000. So there isn’t a lot of data about its effect. And it may turn out to be a – a good thing; it may turn out not to be a good thing, as the supporters of Proposition 8 apparently believe. But you want us to step in and render a decision based on an assessment of the effects of this institution which is newer than cell phones or the Internet?
Richterin Sotomayor warf ein, in Sachen Segregation habe der Supreme Court die Frage gar von 1898 bis 1953 „sickern“ lassen – während es hier gerade einmal um vier Jahre gehe. Der Vertreter der Bundesregierung, Solicitor General Verrilli, antwortete am elegantesten:
GENERAL VERRILLI: … [T]he principal argument in 1967 with respect to Loving and that the Commonwealth of Virginia advanced was: Well, the social science is still uncertain about how biracial children will fare in this world, and so you ought to apply rational basis scrutiny and wait. And I think the Court recognized that there is a cost to waiting and that that has got to be part of the equal protection calculus.
Gerade Richterin Ginsburg, vor ihrer Ernennung eine ausgewiesene Frauenrechtlerin, hatte wiederholt angedeutet, dass der Supreme Court 1973 in Roe v. Wade eine Abtreibungsliberalisierung für die gesamten USA verlangt hatte, statt diese Frage dem Gesetzgebungsprozess zu überlassen. Noch 1971 nahm der Supreme Court einen Parallelfall zu Perry mangels Erheblichkeit nicht zur Entscheidung an – nur drei Jahre nachdem er in Loving v. Virginia das rassistische Mischehe-Verbot für verfassungswidrig erklärt hatte. Erst 2003 hat der Supreme Court in Lawrence v. Texas Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen für verfassungswidrig erklärt. Auch in Perry könnte er einer sich im Gang befindlichen Entwicklung vorgreifen – und dadurch möglicherweise das Klima vergiften, wie es bei Roe geschah.
MR. COOPER: The accepted truth … is one that is changing and changing rapidly in this country as people throughout the country engage in an earnest debate over whether the age-old definition of marriage should be changed to include same-sex couples. The question before this is whether the Constitution puts a stop to that ongoing democratic debate and answers this question for all 50 States. In Baker v. Nelson, this Court unanimously dismissed for want of a substantial Federal question.
JUSTICE GINSBURG: Mr. Cooper, Baker v. Nelson was 1971. The Supreme Court hadn’t even decided that gender-based classifications get any kind of heightened scrutiny. … And the same-sex intimate conduct was considered criminal in many States in 1971, so I don’t think we can extract much in Baker v. Nelson.
MR. COOPER: Well, Your Honor, certainly I acknowledge the precedential limitations of a summary dismissal. But Baker v. Nelson also came fairly fast on the heels of the Loving decision.
Doch Richterin Ginsburg gibt später selbst den Hinweis, auf den sie sich stützen könnte. Vor Loving sei zunächst McLaughlin entschieden worden, ein Fall in dem es um das Verbot des Zusammenlebens gemischtrassiger Paare ging: „So first there was the question of no marriage, and then there was marriage.“ Doch zwischen den beiden Urteilen liegen nur – vier Jahre.
Der Wandel der Verfassung, der diesen Fragen zugrunde liegt, interessiert den Originalisten Scalia natürlich besonders:
JUSTICE SCALIA: … I’m curious, when – when did – when did it become unconstitutional to exclude homosexual couples from marriage? 1791? 1868, when the Fourteenth Amendment was adopted? Sometimes – some time after Baker, where we said it didn’t even raise a substantial Federal question? When – when – when did the law become this?
…
MR. OLSON: It was constitutional when we – as a culture determined that sexual orientation is a characteristic of individuals that they cannot control, and that that –
JUSTICE SCALIA: I see. When did that happen? When did that happen?
MR. OLSON: There’s no specific date in time. This is an evolutionary cycle.
JUSTICE SCALIA: Well, how am I supposed to know how to decide a case, then – … – if you can’t give me a date when the Constitution changes?
Für Scalia ist die Sache natürlich einfach: Die Antwort ist, die Verfassung ändert sich nicht. Beklagtenvertreter Olson wollte sich darauf nicht einlassen: In Kalifornien liege der entscheidende Zeitpunkt nach der Öffnung der Ehe, und damit in einem Klima, das eindeutig keine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung erlaubt.
Einer, acht, oder 50 Staaten?
Auch der 9th Circuit Court of Appeal hatte sein Urteil darauf gestützt, dass die Ehe bereits für alle geöffnet gewesen sei, bevor Proposition 8 sie 140 Tage später für Homosexuelle (wieder) verboten habe. Diese Sichtweise würde es dem Supreme Court ermöglichen, den Fall nur für Kalifornien zu entscheiden, denn solch eine einmalige Situation ist in keinem anderen Bundesstaat gegeben. Doch die Richter und Richterinnen zeigten sich diesem Argument gegenüber nicht sehr aufgeschlossen.
Das Sachargument des Court of Appeal, die Vorenthaltung der Bezeichnung „Ehe“ bei vollständiger Gleichstellung im übrigen sei diskriminierend, träfe ansonsten auf insgesamt acht Bundesstaaten zu. Der Vorsitzende Richter schien hiervon nicht beeindruckt:
CHIEF JUSTICE ROBERTS: If you tell — if you tell a child that somebody has to be their friend, I suppose you can force the child to say, this is my friend, but it changes the definition of what it means to be a friend. And that’s it seems to me what the — what 4 supporters of Proposition 8 are saying here. You’re – all you’re interested in is the label and you insist on changing the definition of the label.
…
MR. OLSON: It is like you were to say you can vote, you can travel, but you may not be a citizen. There are certain labels in this country that are very, very critical. You could have said in the Loving case, what – you can’t get married, but you can have an interracial union. Everyone would know that that was wrong, that the — marriage has a status, recognition, support….
Doch vor allem schien es viele der Richter und Richterinnen zu stören, dass mit einer solchen Entscheidung gerade die Staaten „bestraft“ würden, die bereits große Schritte unternommen hätten, während die, die keinerlei Gleichstellung vorsähen, ungeschoren davon kämen:
JUSTICE GINSBURG: So a State that has made considerable progress has to go all the way, but at least the Government’s position is, if it has done – the State has done absolutely nothing at all, then it’s – it can do – do as it will.
Diese widersprüchliche Logik würde darauf hindeuten, die Frage generell zu entscheiden – doch vor einem Urteil für alle 50 Bundesstaaten scheinen fast alle Richter und Richterinnen zurückzuschrecken. Vielleicht konnte Beklagtenvertreter Olson zumindest Richterin Ginsburg ins Schwanken bringen – mit einem Zitat von ihr aus dem VMI-Fall:
“A prime part of the history of our Constitution is the story of the extension of constitutional rights to people once ignored or excluded.”
[…] wie im Proposition 8-Fall Hollingsworth v. Perry stellte sich die Vorfrage ob der Supreme Court überhaupt entscheiden kann. […]
[…] von vielen, auch von mir, vorhergesagt, hat der Supreme Court sich also gegen eine Entscheidung in der Sache entschieden und […]