Nonchalance im Rechtsstaat? Anfragen an den Spielhallen-Beschluss des BVerfG
Gut 19 Milliarden Euro werden bei bis vor kurzem sprunghaft steigender Tendenz jährlich mit Geldspielgeräten umgesetzt. Da dabei auch das Suchtverhalten kranker Menschen wirtschaftlich ausgenutzt wird, muss man kein Mitleid mit der Spielgerätewirtschaft haben, wenn die Landesgesetzgeber ihr in Ausführung des 2012 geänderten Glücksspielstaatsvertrags nun massiv zu Leibe rücken. Es gehört aber zum Markenkern des Rechtsstaats, dass die Anforderungen an die Eindämmung vormals erlaubten Verhaltens nicht davon abhängen, wie sympathisch man dieses findet – diese Frage ist Anlass, aber nicht Maßstab einer Regulierung. Ein Kern der Neuregelung des Rechts der Spielhallen liegt unter Vernachlässigung der sehr zahlreichen Details und Unterschiede zwischen den Ländern darin, dass teilweise auch unbefristet erteilte Betriebsgenehmigungen nach dem Ablauf von „Übergangsfristen“ von meistens fünf Jahren erlöschen und nur noch unter sehr viel strengeren Voraussetzungen als bisher neu erteilt werden können. Bei diesen Voraussetzungen geht es namentlich um die Einhaltung von Abständen von bis zu 500 Metern zu anderen Spielhallen und zu Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen frequentiert werden. Da der heutige Bestand an Spielhallen jedenfalls in den Ballungsgebieten diese Abstände vielfach unterschreitet, wird in den nächsten Jahren eine Vielzahl genehmigter Bestandsspielhallen wegfallen; die Spielgerätewirtschaft selbst geht davon aus, dass weniger als 10% der Spielhallen künftig noch genehmigungsfähig sind (Rn. 67). Auch bei zurückhaltenderen Berechnungen kann man also von einer veritablen Marktbereinigung sprechen. Diese muss sich in den Bahnen des Rechtsstaats bewegen, wobei ein wesentliches Problem darin liegt, dass die künftig erforderliche Auswahlentscheidung zwischen mehreren bestehenden Spielhallen innerhalb der Mindestabstände gesetzlich teilweise überhaupt nicht determiniert wird und damit allein in behördlicher Hand liegt.
In einem Beschluss aus der vergangenen Woche hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die gegen die Regelungen Berlins, Bayerns und des Saarlandes gerichteten Verfassungsbeschwerden vollumfänglich und überraschend unmissverständlich zurückgewiesen. Der Beschluss verdient Beachtung, weil rechtsstaatliche Mindeststandards hinter den immer wieder betonten besonders herausgehobenen Allgemeininteressen, die mit der Regulierung auch zweifellos verfolgt werden, stark verblassen. Dabei werden bemerkenswerte Aussagen getroffen, die für das Verfassungs- und Verwaltungsrecht weit über den Bereich des Glücksspielrechts hinaus Bedeutung haben könnten. Aus der an interessanten und zuweilen auch diskussionswürdigen Punkten reichen Entscheidung (genannt seien die markante Flurbereinigung im Bereich der Zulässigkeit, die Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder oder die etwas merkwürdige Substantiierungslast der Beschwerdeführerinnen zur Frage der Eingriffsintensität, Rn. 157) sollen hier nur allgemeine Fragen des Grundrechtseingriffs, des Gesetzesvorbehalts und des Vertrauensschutzes herausgegriffen werden.
Der Senat prüft zunächst die neuen Anforderungen an eine Genehmigung wie das Verbundverbot und die Abstandsgebote jeweils für sich am Maßstab der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen (primär geht es um die Berufsfreiheit) und hält die Eingriffe für verhältnismäßig. Dabei räumt er dem Gesetzgeber für seine (auch mir plausibel erscheinenden) Annahmen zur Notwendigkeit und zur Eignung suchtbekämpfender Maßnahmen einen beträchtlichen Einschätzungsspielraum ein. Der nicht ganz unwichtige Gesichtspunkt der Belastungskumulation wird dabei nur randständig abgehandelt (Rn. 156 f.). Erst anschließend werden die gesetzlichen „Übergangsfristen“ am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG für verhältnismäßig erklärt, wobei diese Fristen mehr bzw. etwas anderes sind als echte Übergangfristen: Es geht nämlich nicht um Wartefristen bis zur Inkraftsetzung eines neuen Rechtsregimes, sondern um nachträgliche Befristungen im Sinne des Auslaufens bestehender Genehmigungen, während die Anforderungen für neue Genehmigungen sofort gelten.
Dieser getrennte Prüfungsansatz des Senats lässt ein für die Betroffenen entscheidendes Problem in den Hintergrund rücken: Gravierend ist das Erlöschen der Bestandsgenehmigungen vor allem deshalb, weil die Aussichten, eine Spielhalle auf Grund einer neu erteilten Genehmigung weiter betreiben zu dürfen, eher gering sind und nach der Regelungsintention auch sein sollen. Für die Inhaber von Bestandsgenehmigungen ist die abstrakte Verfassungsmäßigkeit der künftigen Anforderungen an die Neuerteilung von Genehmigungen für sich genommen deshalb weniger interessant als die Frage, wer von ihnen die Marktbereinigung eigentlich „überleben“ wird. Deshalb passt die vom Senat zunächst vorgenommene generelle Prüfung des neuen Regimes, die eher an eine abstrakte Normenkontrolle erinnert, weil sie mit der Situation der Beschwerdeführerinnen wenig tun hat, nicht wirklich zu den Ausgangsfällen. Stattdessen hätte man beim Grundrechtseingriff unterscheiden können zwischen dem Erlöschen der Genehmigungen einerseits und den Anforderungen des neuen Regimes an die Wiedererteilung von Genehmigungen für Bestandsspielhallen. Diese beiden Gesichtspunkte, die nur zusammengenommen den Eingriff in die Berufsfreiheit ergeben sollen (Rn. 180), verschleift der Senat unter dem Stichwort „Übergangsfristen“. Damit wird der Frage ausgewichen, was bei der Ausführung eines grundrechtlich geschützten Verhaltens auf der Grundlage einer Genehmigung eigentlich Schutzgegenstand des Grundrechts ist – ist es nur das Verhalten, das ja auch ohne Genehmigung grundrechtlich geschützt wäre, oder ist es die Genehmigung selbst? Zwar muss es dem Gesetzgeber im Zuge einer grundlegenden Umsteuerung – etwa so, wie es auch mit dem „Atomausstieg“ geschehen ist – möglich sein, unbefristete, rechtmäßige und bestandskräftige Genehmigungen auslaufen zu lassen. Dass die erteilten Genehmigungen jedenfalls die Schutzintensität des betroffenen Grundrechts verstärken und damit die Rechtfertigungsanforderungen erhöhen, dürfte aber auch klar sein. Dieser Gesichtspunkt spielt im Beschluss des BVerfG jedoch praktisch keine Rolle (etwa indem der Senat in Rn. 189 ganz allgemein vom Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts spricht, obwohl es um Vertrauen auf den Bestand erteilter Genehmigungen geht).
Entscheidend ist die Frage, ob der Senat der kumulierten Eingriffsintensität für die Betroffenen hinreichend Rechnung getragen hat, und daran kann man zweifeln. In Bezug auf den Gesetzesvorbehalt referiert der Senat zunächst pflichtschuldig seine ständige Rechtsprechung, nach der alle wesentlichen Fragen bei Grundrechtseingriffen gesetzlich geregelt werden müssen, die Kriterien für Auswahlentscheidungen vorgezeichnet sein müssen und die gesetzliche Regelung umso detaillierter ausfallen muss, je intensiver ihre Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung sind (Rn. 182). Dann aber hält er es für verfassungsrechtlich unproblematisch, dass die Landesgesetzgeber die Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bestandsspielhallen innerhalb der Mindestabstände teilweise komplett den Behörden überlassen, ohne ihre Parameter auch nur ansatzweise vorzuzeichnen. Das ist nicht nur im Ergebnis das Gegenteil von dem, was sich aus der Verfassungsrechtsprechung sonst ergibt – auch die Begründung frappiert: Wenn es zunächst heißt, es gehe ja nicht um die grundsätzliche und allgemeine Zuordnung unterschiedlicher Grundrechtspositionen für eine unbestimmte Vielzahl künftiger Auswahlentscheidungen (Rn. 183), so ist daran nur richtig, dass die Anzahl der Auswahlentscheidungen anhand der Zahl der gegenwärtig betriebenen Spielhallen bestimmbar ist. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von den zuständigen Behörden entschieden werden muss, welche der Bestandsspielhallen noch neue Genehmigungen erhalten und welche nicht. Sodann verweist der Senat darauf, die ohnehin erforderliche Berücksichtigung der Grundrechte der Spielhallenbetreiber gebiete es auch ohne gesetzliche Bestimmung, dass die Behörden sich eines Verteilungsmechanismus bedienten, der die bestmögliche Ausschöpfung verbleibender Standortkapazitäten ermögliche (Rn. 185). Das ist natürlich richtig – aber mit dem allgemeinen Hinweis auf die Grundrechtsunmittelbarkeit der Verwaltung kann man einen materiell verstandenen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt auch ganz abschaffen oder ihn rein formal verstehen und sich auf Generalermächtigungen beschränken. Erstaunlich ist auch die Feststellung, es sei nicht ersichtlich, dass eine gesetzliche Festlegung von Auswahlkriterien den anstehenden komplexen Auswahlentscheidungen besser gerecht werde (Rn. 185 f.) – es geht doch gar nicht um die inhaltliche Qualität des Verwaltungshandelns, sondern um dessen sachlich-inhaltliche Legitimation, die maßgeblich durch seine gesetzliche Steuerung hergestellt wird. Deshalb irritiert auch der Hinweis, die Länder könnten den Gesetzesvollzug auch im Wege der Verordnungsgebung oder durch Verwaltungsvorschriften steuern, Rn. 186. Man fragt sich, ob die Verfassungsrechtsprechung zum rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt hier eine ganz grundsätzliche Wende nimmt. Sollte das der Fall sein, wird man künftig vielleicht fragen müssen, wo eine Entscheidung eine mittlere bis erhöhte Komplexität aufweist, was die Anforderungen an die gesetzliche Regelungsdichte erhöht, und ab wann eine sehr hohe Komplexität vorliegt, sodass der Gesetzgeber die Hände in den Schoß legen kann.
Zum Vertrauensschutz schließlich heißt es, Spielhallen wiesen „von vornherein einen besonderen sozialen Bezug“ auf, da sie auch von spielsüchtigen und suchtgefährdeten Spielern aufgesucht würden; deshalb sei Vertrauensschutz nicht in gleichem Maße geboten wie in anderen Wirtschaftsbereichen (Rn. 190). Auch könne grundsätzlich nicht darauf vertraut werden, dass eine günstige Rechtslage unverändert bleibe. Speziell für Mehrfachspielhallen sei die Schutzwürdigkeit des Vertrauens dadurch eingeschränkt, dass es sich um eine „wenn auch legale“ Gesetzesumgehung handle (Rn. 191). Der Senat kann auf dieser Grundlage ohne echte Abwägung feststellen, dass keine ernsthaften Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der fünfjährigen Übergangsfrist bestünden. Gegen diese knappen Ausführungen ist dreierlei einzuwenden: Erstens ist zweifelhaft und bedürfte jedenfalls einer eingehenderen Begründung, ob und wann eine erlaubte und damit eben grundrechtlich geschützte Tätigkeit auf der Grundlage einer Bewertung ihres Inhalts generell einem geringeren Vertrauensschutz unterliegt. Zweitens hätte gerade hier dem Vorliegen von Genehmigungen Rechnung getragen werden müssen, was fast vollständig ausgeblendet wird. Drittens geht es im Gewande des grundrechtlichen Vertrauensschutzes um eine Frage der Verhältnismäßigkeit des Auslaufens bestehender Genehmigungen innerhalb von fünf Jahren (in manchen Ländern). Deshalb sollte die Kernfrage der Erforderlichkeit, ob das Erlöschen aller Bestandsgenehmigungen notwendig ist oder ob die Erlöschensregelung nicht nur diejenigen Genehmigungen hätte erfassen können, die nach dem neuen Regime nicht mehr erteilt werden können, bzw. ob nicht die Einräumung einer behördlichen Widerrufsbefugnis gleich geeignet gewesen wäre, zumindest einmal aufgeworfen werden. Zudem sollte nicht lediglich behauptet werden, dass den Interessen der Betreiber, eine Amortisierung ihrer Investitionen zu erreichen und dabei einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften, mit einer fünfjährigen „Übergangsfrist“ ausreichend Rechnung getragen ist (so aber Rn. 193 f.). Vielmehr hätte die Beeinträchtigung der mit der Neuregelung verfolgten Allgemeininteressen zu den näher zu eruierenden Interessen der Betreiber an einer zeitweisen Weitergeltung der Bestandsgenehmigungen in Beziehung gesetzt und auf dieser Grundlage bestimmt werden müssen, ob die vorgesehenen Zeiträume angemessen sind. Die Überlegungen, die der Senat an dieser Stelle anstellt, sind so karg, dass man mit ihnen auch jede kürzere Frist bis zum Erlöschen der Genehmigungen hätte rechtfertigen können. Es geht wohlgemerkt nicht darum, ob fünf Jahre im Ergebnis als unzureichend anzusehen sind, sondern darum, dass auf der Grundlage der Ausführungen des Senats eigentlich nicht beurteilt werden kann, ob fünf Jahre als ausreichend anzusehen sind oder nicht.
Alles in allem lässt der Spielhallen-Beschluss des BVerfG es an der ein oder anderen Stelle doch etwas an rechtsstaatlicher Sensibilität missen. Das mag einem hier wie gesagt weniger im Magen liegen als anderswo. Es wäre aber besser, wenn man das Gefühl haben könnte, dass es darauf nicht nur nicht ankommen sollte – sondern auch tatsächlich nicht ankommt.
Steht auch schon im Atomausstiegsurteil, der Sozialbezug, die Kassation der Bestandsgenehmigungen, der fehlende Vertrauensschutz. Das Plattmachel der Spielhallen ist wirtschaftlich weniger schmerzlich, als die teuren KKW…
Scheint ein wenig nach Verfassungsrechtmäßigkeit m.E. eher nur bei verhältnismäßig angemessen gebotenen Entschädigungsregeln klingen zu können?
So war es nicht gemeint, dafür sehe ich auch keine Grundlage. Der Eingriff muss m.E. unabhängig von Zahlungen verhältnismäßig sein; ob er das ist, lässt sich auf Grund der Ausführungen schwer sagen.
In dem Urteil scheint, etwas bemerkenswert, bei sonst breiteren Erörterungen, eine mögliche Verfassungswidrigkeit hinsichtlich Art. 14 GG, kaum begründet oder belegt, in nur einem einzigen Satz abgehandelt. Art. 14 GG solle hier keinen eigenständigen weitergehenden Schutz als Art. 12 GG entfalten können. Nach verbreiteter Ansicht sollen in den Rechtswissenschaften Ergebnisse weniger wichtig jedenfalls als angemessene Schwerpunktsetzung sein. Problematisches soll richtig breiter und Unproblemntisches weniger breit erörtert sein. Die vergleichbar knappen Ausführungen zu Art. 14 GG in dem Urteil scheinen völlig Problemlosigkeit nahezulegen. Nur von vornherein völlig unproblematisch kann vorliegend fehlender weitergehender Schutz durch Art. 14 GG eventuell nicht ohne weiteres für jedermann klar einleuchtend ersichtlich scheinen. Dies zumal Art. 12 GG und Art. 14 GG grundsätzlich verschiedene Inhalte schützen und unterschiedliche Dogamtik hierzu besteht. Zumindest ein wenig eindeutig klarerer begründende Ausführungen oder Belege hierzu können günstig scheinen.
Kaum Publikumsverkehr.
Am Tage 3-4 Personen.
25 jähriger Besitzer fährt neue S-Klasse.
Und – auweia – wäscht dort das illegal erworbene Geld eines Großfamilienclans. Davon gibt es in meinem multikulturellen Wohngebiet 14 Objekte.
Das interessante ist “jeder” weiß es und kennt die Machenschaften – keiner tut etwas dagegen – jedenfalls nicht so das positive Synergien für die Ordnungskräfte unserer Gemeinschaft entstehen.
Jede juristische Plauderei dazu ist Unterstützung dieser zumeist halbseidenen Subjekte (damit meine ich nicht den kleinen Kneipier an der Ecke mit seinen zwei obligatorischen Daddlern.).