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13 June 2025

Umsetzung verboten?

Vom Normwiederholungsverbot zum Normwiederholungsgebot

Die GEAS-Reform enthält in einer kleingedruckten Ausgabe über 500 Seiten Text. 10 der 11 neuen Rechtsakte sind dabei als Verordnungen eigentlich nicht umsetzungsbedürftig, da sie gemäß Art. 288 UAbs. 2 AEUV unmittelbare Wirkung haben. Nach dem Nationalen Implementierungsplan (NIP) vom Dezember 2024 sollen deswegen bisher auf den teilweise gleichlautenden Richtlinien beruhende Normen, etwa die Normen zur Schutzgewährung (§§ 3 – 4 AsylG) aus den deutschen Gesetzen und insbesondere dem Asylgesetz gestrichen werden. Zur Begründung führt der NIP an, diese Vorgehensweise ergebe sich (zwingend) aus dem unionsrechtlichen Verbot, „Vorschriften aus Verordnungen im nationalen Recht zu wiederholen (Wiederholungsverbot)“ (NIP S. 5).

Für die Rechtsanwendung würde dies bedeuten, dass neben den nationalen Gesetzen auch die unmittelbar geltenden Verordnungen bei jeder Einzelfallentscheidung in den Blick genommen werden müssen. Dies würde zu einem nicht überblickbaren Normenwust und Chaos sowie (jedenfalls zunächst) zu einer Blockade der Behörden führen, da aus dem Gesetz nicht mehr erkennbar ist, welche Normen gelten beziehungsweise zusätzlich berücksichtigt werden müssen. Es wird daher im Folgenden im Kontext der Umsetzung der GEAS-Reform untersucht, ob es unionsrechtlich tatsächlich verboten wäre, die beschlossenen Normen aus den Verordnungen zu wiederholen. Dabei werden insbesondere die Komplexität des Systems, sowie die Unionsrechtsprinzipien des Wirksamkeitsgebots („effet utile“) und der Normenklarheit in den Blick genommen, um zu ermitteln, wie eine wirksame Kombination aus Umsetzung und Ausführungsgesetz zu erreichen wäre.

Geplante Umsetzungsgesetzgebung zur GEAS-Reform

Die GEAS-Regelungen sollten – zumindest theoretisch – als Verordnungen direkt anwendbar sein und keiner nationalen Umsetzung bedürfen. Lediglich die Aufnahmerichtlinie (RL 2024/1346/EU, ARL) müsste als Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Auch die für Rückkehrentscheidungen grundlegende Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG, RRL) soll in absehbarer Zeit Verordnungscharakter erhalten. Allerdings sind die Verordnungen nicht immer so ausformuliert, dass eine direkte Anwendung möglich ist. Insbesondere die Asylverfahrensverordnung (VO (EU) 2024/1348, AVO) enthält an verschiedenen Stellen Wahlmöglichkeiten, die es erfordern, in einem Ausführungsgesetz nationale Normen zu erlassen, um die Anwendung der Verordnungen zu konkretisieren. So haben die Mitgliedstaaten etwa beim Grenzverfahren (vgl. Art. 43 und 45 AVO) oder bei der Anwendung beschleunigter Verfahren (Art. 42) partiell die Möglichkeit, durch nationale Regelungen zu bestimmen, in welchen Fällen diese Verfahren zur Anwendung kommen. Auch die Normen, die die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten sowie sicherer Drittstaaten regeln, sind in der AVO nicht abschließend. Mitgliedstaaten haben gemäß Art. 64 AVO auch weiterhin die Möglichkeit, über nationale Listen weitere Staaten als sichere Herkunftsstaaten oder sichere Drittstaaten zu benennen. Eine kombinierte Ausführungs- und Umsetzungsgesetzgebung ist also erforderlich.

Dass die Spielräume, die im Hinblick auf die Anwendung der Verordnungen bestehen, problematisch sind, zeigt sich auch anhand der geplanten Gesetzgebung zur Umsetzung und Anwendung des GEAS in Deutschland. So sollen nach den Gesetzentwürfen aus dem November 2024 viele der Regelungen des AsylG, des AufenthG und des AsylbLG erhalten bleiben, während die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes (§§ 3 ff. AsylG) gestrichen werden. Diese inhaltliche Entkernung wird damit begründet, dass diese Vorgaben in der QualifikationsVO enthalten sind. Trotz dieser vermeintlichen wechselseitigen Exklusivität ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht eindeutig, ob die konkrete Norm auch eine unionsrechtliche Entsprechung hat oder nicht. An einigen Stellen verweisen die Gesetzentwürfe auf die neuen Verordnungen, an anderen geschieht dies aber nicht. Zudem folgt die geplante Umsetzung keiner klar erkennbaren Systematik. Dies hat zur Konsequenz, dass in den Gesetzentwürfen nur an einigen Stellen und teilweise auch nur partiell Regelungen aus den Verordnungen übernommen werden. Die Umsetzung der GEAS-Reform soll nach dem im Koalitionsvertrag geäußerten Willen der Bundesregierung noch im Jahr 2025 verabschiedet werden (Zeile 3003 ff.). Dies ist zeitlich nur dann möglich, wenn große Teile der schon vorliegenden Gesetzentwürfe und die geschilderte Regelungstechnik, also das Nebeneinander der Verordnungen und der nationalen Normen, unverändert für die Gesetzgebung zur GEAS-Reform übernommen werden.

Kein absolutes Normwiederholungsverbot

Begründet wird all das mit dem Normwiederholungsverbot, das allerdings (fälschlicherweise) als absolute Grenze für die nationale Gesetzgebung verstanden wird. Schon im NIP wurde postuliert, es müssten „aufgrund des unionsrechtlichen Verbots, Vorschriften aus Verordnungen im nationalen Recht zu wiederholen (Wiederholungsverbot) […] entsprechende Regelungen in bestehenden nationalen Gesetzen gestrichen werden“ (S. 5). Das sog. Normwiederholungsverbot, das vom EuGH im Urteil Variola im Jahr 1973 grundlegend festgehalten wurde, stehe also angeblich einer Übernahme der direkt geltenden Verordnungen des GEAS in das nationale Recht entgegen.

Im Urteil Variola beschäftigte sich der EuGH allerdings inhaltlich nicht mit einem Verbot, unionsrechtliche Normen zu wiederholen. Es ging vielmehr um die Frage, ob die unmittelbare Wirkung durch einen nationalen Gesetzgebungsakt, der den Verordnungstext wiedergibt, vereitelt wird, weil nicht klar und sichtbar bleibt, dass die entsprechende Norm aus dem Unionsrecht stammt. Nach der zutreffenden Analyse des BVerfG ging es um eine nationale Parallelgesetzgebung, die dazu führen würde, dass die „Adressaten über den Unionsrechtscharakter der einschlägigen Regelung getäuscht würden und das Auslegungsmonopol des Gerichtshofs der Europäischen Union unterminiert würde.“ Das Normwiederholungsverbot greift immer dann nicht, wenn „nationale Bestimmungen im Interesse ihres inneren Zusammenhangs und ihrer Verständlichkeit für den Adressaten einzelne Aspekte der Unionsverordnungen wiederholen“. Dies gilt insbesondere, wenn „eine zersplitterte Rechtslage durch den Erlass eines zusammenhängenden Gesetzeswerks“ bereinigt werden soll (so die Zusammenfassung des BVerfG aus einem Beschluss von 2022, Rn. 61). Der EuGH hat bereits in einem Urteil im Jahr 1985 klargestellt, dass kein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt, wenn nationale Gesetze „im Interesse ihres inneren Zusammenhangs und ihrer Verständlichkeit für die Adressaten bestimmte Punkte der Gemeinschaftsverordnungen wiederholen“ (Rn. 27). Er begründete dies weiter damit, dass ein Gesamtsystem, das aus dem Zusammenspiel zwischen unionsrechtlichen und nationalen Regeln besteht, „nicht allein durch die Gemeinschaftsverordnungen ins Werk gesetzt werden“ kann.

Das GEAS als komplexes Gesamtsystem

Die GEAS-Reform, die auf Basis der bisher bestehenden Richtlinien ergangen ist und diese mit Ergänzungen in Verordnungen umwandelt, besteht dementsprechend nicht aus einer einzelnen Verordnung, sondern aus mehreren Verordnungen mit unterschiedlichen Regelungsbereichen. Sie ist schon aus ihrer Genese heraus ein sehr komplexes Gesamtsystem. Die Registrierung und das Screening sind in der ScreeningVO und der EurodacVO geregelt, wobei die ScreeningVO bereits einen Verweis auf die Regelungen der AVO und der AufnahmeRL enthält. Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren („Dublin-Verfahren“) ist in der Asyl- und MigrationsmanagementVO (AMMVO) geregelt, das materielle Asylverfahren in der AVO, beide wiederum werden ergänzt um Regelungen in Krisenfällen in der KrisenVO (KVO). Die Schutzzuerkennung und der sich an die Schutzgewährung anschließende Status sind in der QualifikationsVO geregelt und die Aufnahmebedingungen während des Asylverfahrens in der AufnahmeRL (ARL). Kommt es zu einer Ablehnung des Schutzbegehrens, ist die RückführungsRL (RRL) einschlägig. Hinzu kommt, dass die Umsetzung des Gesamtsystems an vielen Stellen durch Verweise ins nationale Recht und Umsetzungsanweisungen nationale Regelungen erfordert. Dies zeigt sich auch an den Gesetzesvorschlägen für Änderungen des AsylG und des AufenthG. In vielen Fällen sind neben diesen Normvorschlägen die unionsrechtlichen Regelungen weniger sichtbar, da sie sich in den Verordnungen „verbergen“. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie nicht ausreichend beachtet werden.

Dies soll ein Beispiel illustrieren: Stellt die Person einen Asylantrag in Deutschland, muss – gegebenenfalls nach einem Screening – zunächst nach der AVO bestimmt werden, wie das Verfahren abläuft. Die Zuständigkeit für die Durchführung des materiellen Asylverfahrens wird dann über die AMMVO bestimmt. Die zuständige Behörde, der Aufenthaltsort und weitere Verfahrensnormen ergeben sich aus dem AsylG, soweit die AVO dafür Spielräume lässt (was sie an vielen Stellen tut). Ist oder wird Deutschland zuständig, gilt die AVO ergänzt durch das AsylG für das Verfahren. Danach muss die Schutzgewährung basierend auf der QualifikationsVO geprüft werden. Kommt es nicht zu einer Schutzgewährung, sind die Abschiebungsverbote aus dem AufenthG in den Blick zu nehmen. Anschließend müssen die Rückführungshindernisse der Rückführungsrichtlinie nach der Richtlinie und ihrer partiellen nationalen Umsetzung im AsylG, aber etwa auch nach den kinderrechtlichen Standards, die sich aus der Grundrechtecharta, der UN-Kinderrechtskonvention und dem nationalen Kindesschutzrecht ergeben, geprüft werden, bevor eine Abschiebungsandrohung ergehen kann. Diese Kurzschilderung gilt dabei nur für das Inlandsverfahren. An den Außengrenzen (insbesondere den internationalen Flughäfen) läuft es nochmal anders. An Komplexität ist dieses rechtliche System auch nach den Vereinheitlichungsbemühungen der GEAS-Reform kaum zu überbieten.

Wie oben dargelegt, verbietet das Unionsrecht die Normwiederholung in solchen komplexen Gesamtsystemen nicht. Eine Normwiederholung ist im Gegenteil sogar geboten, wenn diese notwendig ist, um dem Unionsrecht im Gesamtsystem eine entsprechend sichtbare Position zu verschaffen.

Notwendigkeit der Umsetzung als Gesamtsystem

Besonders für die Verwaltungsebene würde die bisher geplante Gesetzgebung eine sehenden Auges herbeigeführte Überforderung bedeuten. Die Anwendung des Unionsrechts wäre wohl zumindest für den Anfang blockiert, da alle Prozesse neu gestartet werden müssten. Die ausführenden Behördenmitarbeitenden sind nicht perfekt ausgebildet im Europarecht, wenn sie überhaupt einen rechtlichen Hintergrund haben. Diese Kompetenz von ihnen zu erwarten, würde unweigerlich zu Anwendungsfehlern führen. Um das Fehlerpotential zu minimieren, ist es in diesem komplexen Gesamtgefüge notwendig, die Gesetze für die Umsetzung und Anwendung des GEAS so zu gestalten, dass sie das nationale Recht so umgestalten, dass es mit den geänderten nationalen Normtexten allein verstehbar ist. Das bedeutet, dass auch die direkt anwendbaren Normen dafür (idealerweise) in möglichst wenige Bundesgesetze übernommen werden müssten. Dafür bietet sich – auch aufgrund ihrer bereits bekannten Abgrenzungen der verschiedenen Ebenen – die bisherige Struktur der Aufteilung in ein AsylG (für die Schutzgewährung und die Asylverfahren) und ein AufenthG (für die weiteren Verfahrensaspekte, die Statusfragen und eine potentielle Rückkehr) an. Eine davon getrennte Umsetzung der sozialrechtlichen Fragen ist aufgrund der anderweitigen behördlichen Zuständigkeit weiterhin sinnvoll und aufgrund der AufnahmeRL auch notwendig, da diese (als Richtlinie) ins nationale Recht umgesetzt werden muss.

Durch die zahlreichen Verweise ins nationale Recht in einzelnen Verordnungen (insbesondere in der AVO) sind in allen Mitgliedstaaten Ausführungsgesetze notwendig. Eine Abschaffung der nationalen Rechtsakte kommt nicht in Betracht, da beispielsweise für Deutschland weder das Asyl-, noch das Aufenthalts- oder das Asylbewerberleistungsgesetz vollständig obsolet werden.

Im Zuge der Neugestaltung des nationalen Rechts ist auch die Signalwirkung nicht zu unterschätzen, die beispielsweise von der Streichung der Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes aus dem AsylG ausgehen würde. Sofern die Kürzungen mit den materiellen Voraussetzungen der Schutzgewährung den Kern und Zweck des Flüchtlingsschutzes betreffen, entsteht eine restriktive Schieflage, die den Vorgaben des GEAS nicht gerecht wird. Die nationale Implementierung der GEAS-Reform kann daher nicht ohne eine substantielle Verankerung ihrer zentralen Normen im jeweiligen nationalen Recht erfolgen.

Nebeneinander unzureichend

Die aktuell geplante Gesetzgebung lässt sich als Nebeneinander von Unions- und mitgliedstaatlichem Recht mit mangelhafter Verweisungstechnik beschreiben. Es ist absehbar, dass eine solche Gestaltung dazu geeignet wäre, Asylverfahren stark zu verlangsamen und fehleranfällig zu machen. Gerade das Fehlen von systematischen Verweisen auf die umfassenden Garantien, die für den Schutz von Minderjährigen und im Bereich der Informationspflichten und Verfahrensrechte vorgesehen sind, birgt das Risiko, dass diese Garantien in der Praxis übersehen werden. So sind etwa die generellen Garantien für Minderjährige im „Dublin“-System in Art. 23 AMMVO enthalten, während sich das Zuständigkeitskriterium für unbegleitete Minderjährige in Art. 25 AMMVO findet. Diese Regelungstechnik in der Verordnung selbst kann schon dazu beitragen, dass Garantien unter den Tisch fallen und sich Räume für behördliche Willkür öffnen. In der vorgesehenen Ausführungs- und Umsetzungsgesetzgebung fehlen solche Verweise nun ebenfalls, was in Kombination mit den geplanten Beschränkungen der Reichweite von Rechtsbehelfen durch die GEAS-Reform besonders problematisch ist (siehe in diesem Symposium dazu Stübinger). An vielen Stellen wird zudem eine gerichtliche Klärung der genauen Reichweite der Garantien erforderlich sein.

Aktuell sind vor allem die möglichen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und die Haft explizit im Kabinettsentwurf enthalten. Das ist bezüglich der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in Freiheitsrechte nachvollziehbar. Andersherum allerdings Normen wegzulassen, die Verbesserungen etwa für Minderjährige und bei den Informations- und Beteiligungsrechten bringen, macht diese tendenziell unsichtbar. Das Normwiederholungsverbot kann hier nicht selektiv als Vorwand dienen, um insbesondere Rechte von Schutzsuchenden einzuschränken.

Effet utile und Normenklarheit

Eine Wiederholung des Unionsrechts ist erlaubt, wenn dies – wie vorliegend – für die Rechtsklarheit in einem komplexen Gesamtsystem notwendig ist. Ein solcher Fall liegt – wie oben dargelegt – insbesondere dann vor, wenn eine ganze Reihe unionsrechtlicher, einzelstaatlicher und regionaler Vorschriften zusammentreffen und das unionsrechtliche System nicht allein durch die Verordnungen bestimmt ist. Für die Umsetzung der GEAS-Reform ist somit eine Wiederholung des Normtextes nicht nur rechtmäßig, sondern geboten.

Grundsätzlich wären in diesem Kontext zwar Verweise gegenüber echten Normwiederholungen vorzuziehen. Diese vermeiden die Gefahr, einen Verschleierungseffekt zu verursachen, wie etwa bei der Innenausschussanhörung zur Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung deutlich wurde. Allerdings sind auch die europarechtlichen Grundsätze der Normenklarheit und der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) zu beachten. Das Prinzip der Normenklarheit verlangt als Ausfluss des Prinzips der Rechtssicherheit, dass aufgrund der erlassenen Normen klar sein muss, welche Bestimmungen anzuwenden sind. Der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit sieht eine möglichst hohe Effizienz bei der Auslegung und Anwendung europarechtlicher Normen vor. Dazu müssen die getroffenen Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, dass das Vertragsziel möglichst einfach und effizient erreicht werden kann. Gemessen an diesen Grundsätzen erscheint die für die geplante Gesetzgebung zur Implementierung der GEAS-Reform gewählte Regelungstechnik europarechtswidrig, weil sich die betroffenen Personen aus der Lektüre der jeweiligen deutschen Normen kein vollständiges Bild ihrer Rechtsposition machen können und auch für die rechtsanwendenden Behörden viele Unklarheiten bestehen bleiben. Gleichzeitig kann, angesichts der Vielzahl der in den Asylverfahren anwendbaren Rechtsakte, die Chance auf eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung durch eine Bündelung und Sichtbarkeit der Regelungen in wenigen nationalen Fachgesetzen (im oben skizzierten Sinne) deutlich verbessert werden.

Rechtssetzung als Chance

Um die wirksame Anwendung der Bestimmungen der GEAS-Reform sicherzustellen, muss daher eine Regelungstechnik gewählt werden, die die Notwendigkeit der praktischen Wirksamkeit der Neuregelungen im Sinne des Unionsrechts systematisch in den Blick nimmt und diese durch Übernahme der Normen ins deutsche Recht sichtbar macht. Insbesondere die Normen, die die Schutzgewährung und die Verfahren betreffen, müssen weiterhin im deutschen Recht leicht auffindbar und klar sein. Es muss etwa aus den Normen klar hervorgehen, welche Rechte und Pflichten asylsuchende Personen haben, wie die Verfahren mit welchen Garantien durchgeführt werden, welche Sanktionen bei Nichtbeachtung der Verfahrensnormen drohen und welche Kompetenzen die handelnden Personen und Behörden haben. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Anwendung der Verordnungen sind daher Normwiederholungen, die aus Gründen der Rechtssicherheit als solche gekennzeichnet sein müssten, zulässig und sinnvoll. Durch solche Normwiederholungen lässt sich die Wahrscheinlichkeit der Beachtung der europarechtlichen Normen deutlich erhöhen, wie etwa auch Erfahrungen mit den Rechten türkischer Staatsangehöriger nach dem Assoziationsrecht (ARB 1/80) zeigen.

Wenn diese Vorgaben beachtet werden, bietet das Gesetzgebungsverfahren auch die Chance, dem von der Hyperaktivität des Gesetzgebers verworrenen Gesamtsystem des Asyl- und Aufenthaltsrechts eine neue Übersichtlichkeit zu verleihen. So würden einerseits für die betroffenen Personen und die ausführenden Behörden ihre Handlungsmöglichkeiten und -pflichten deutlich und andererseits die europarechtliche Prägung des gesamten Normenkomplexes deutlich. Eine kohärente Umsetzung des Gesamtsystems kann nur durch umfangreiche Normwiederholungen im nationalen Recht gelingen. Übergeordnetes Ziel muss dabei sein, beide Forderungen des EuGH aus dem Urteil Variola zu erfüllen: Normenklarheit und Sichtbarkeit des Europarechts.


SUGGESTED CITATION  Hruschka, Constantin: Umsetzung verboten?: Vom Normwiederholungsverbot zum Normwiederholungsgebot, VerfBlog, 2025/6/13, https://verfassungsblog.de/umsetzung-verboten/, DOI: 10.59704/dbab7a613aad0a91.

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