Rechtliche Stolpersteine – eine Replik
Von einem Pflaster aus rechtlichen Stolpersteinen spricht Sophia Müller in ihrem Text, der ein Schlaglicht auf die rechtlichen Grundlagen des geplanten Einsatzes der Bundeswehr über Syrien wirft. Den ein oder anderen „Stolperstein“ enthält aber auch ihr Beitrag, sodass ein paar Worte der Entgegnung an dieser Stelle angezeigt erscheinen.
Zunächst einige Bemerkungen zur Frage, ob das Recht zur Selbstverteidigung aus Art. 51 UNCh eine hinreichende Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr in Syrien bietet. Sophia Müller schreibt zunächst schlicht, dass nach neuerer völkerrechtlicher Praxis Selbstverteidigung auch gegen bewaffnete Angriffe nicht-staatlicher Akteure geübt werden kann. Dem ist zuzustimmen, aber dennoch ist dies nur die halbe Wahrheit. Denn eine solche Selbstverteidigungsmaßnahme wird so gut wie immer auf dem Territorium eines souveränen Staates ergriffen werden und dadurch dessen territoriale Integrität verletzen. Daher verlangt die vorwiegende Ansicht im Völkerrecht zurecht, dass die Frage nach einem Selbstverteidigungsrecht gegen nicht-staatliche Akteure nicht ohne eine Betrachtung des Verhältnisses des nicht-staatlichen Angreifers und des von der Selbstverteidigungsmaßnahme betroffenen Staates zu beantworten ist. Nun wird man die von ISIL (zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten hier) kontrollierten Gebiete im Irak und in Syrien ohne Weiteres als „safe haven“ charakterisieren können und das syrische Regime als „unable“, diesen zu beseitigen, wodurch nach vorzugswürdiger Ansicht eine hinreichende Verbindung besteht, um Selbstverteidigung gegen ISIL auf dem Territorium Syriens zu üben. Die Problematik der Zurechnung der terroristischen Akte zu dem von der Selbstverteidigungsmaßnahme betroffenen Staat bei der Diskussion aber völlig unerwähnt zu lassen, wie es Sophia Müller in ihrem Text tut, entspricht jedenfalls nicht dem völkerrechtlichen status quo.
Über die Frage, ob die Anschläge vom 13. November 2015 in Paris die Schwelle eines zur Selbstverteidigung berechtigenden bewaffneten Angriffs überschreiten, lässt sich sicherlich trefflich streiten. Bei der Bewertung sollte man allerdings nicht lediglich quantitativ die Auswirkungen mit „dem Präzedenzfall des 11. September 2001“ gleichsetzen, sondern auch qualitativ berücksichtigen, dass in Paris zur gleichen Zeit eine Mehrzahl von Attacken an unterschiedlichen Orten mit ihren tödlichen Wirkungen ins Werk gesetzt wurde. Dies lässt auf eine ausgefeilte Kommando- oder jedenfalls Koordinierungsstruktur schließen. Weiterhin gehen die Anschläge weit über ein bloßes Grenzscharmützel hinaus, welches unstreitig noch nicht das Recht zur Selbstverteidigung auslöst. Sinn und Zweck der Schwelle des „bewaffneten Angriffs“ ist es, in einer angespannten Situation deeskalierend zu wirken und zu verhindern, dass jeder kleinere Grenzzwischenfall gleich zu einem großen Krieg führt. Die Anschläge des 13. November wurden hingegen von einem staatsähnlichen Gebilde, in dem fortwährend Terroristen ausgebildet werden, durchgeführt, welches dem Westen den Krieg erklärt hat und diesen Worten bereits eindrücklich mit den Anschlägen auf Charlie Hebdo und vom 13. November Taten hat folgen lassen. Dementsprechend bestehen sowohl Intention als auch Möglichkeiten für weitere Anschläge aufgrund des Rückzugsraums von ISIL in Syrien und im Irak fort (so im Übrigen auch SC-Res 2249!). Soll das Völkerrecht in dieser Situation tatsächlich kein Recht zur Selbstverteidigung vorsehen?
Eingangs behauptet Sophia Müller ferner, ein Recht zur Gewaltanwendung könne völkerrechtlich entweder auf eine Resolution des Sicherheitsrates oder auf das Selbstverteidigungsrecht gestützt werden. Zuzustimmen ist zwar der damit verbundenen Aussage, dass das Selbstverteidigungsrecht nur solange besteht, bis der Sicherheitsrat „die erforderlichen Maßnahmen“ getroffen hat. Von einer mit dem „Treffen der erforderlichen Maßnahmen“ verbundenen „Deaktivierung“ des Selbstverteidigungsrechts wird man aber erst dann ausgehen können, wenn der Sicherheitsrat entweder selbst die Anwendung von Waffengewalt autorisiert oder – sofern dies nicht der Fall ist – explizit und ausdrücklich die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts verbietet. Über die Frage, ob die Resolution des Sicherheitsrates 2249 vom 20. November 2015 nun die Anwendung militärischer Gewalt autorisiert oder nicht, ist bereits andernorts Vieles gesagt worden (hier und hier). Geht man nun, wie Sophia Müller, davon aus, dass der fehlende Verweis auf Kapitel VII der Charta dazu führt, dass der Resolution eine Autorisierung zur Anwendung militärischer Gewalt gegen ISIL nicht zu entnehmen ist, besteht also das Recht zu Selbstverteidigung fort. Dennoch wird man schwerlich behaupten können, die Formulierungen „calls upon Member States […] to take all necessary measures […] to eradicate the safe haven“ und „urges Member States […] to suppress the financing of terrorism“ seien gänzlich bedeutungslos. Letztlich bringt der Sicherheitsrat damit zumindest zum Ausdruck, dass er die Anwendung militärischer Gewalt gegen ISIL nicht für völkerrechtswidrig hält. So betrachtet ist es durchaus nicht nur „politische Augenwischerei“, wenn sich die Bundesregierung neben dem Selbstverteidigungsrecht zur Untermauerung der Völkerrechtskonformität des Einsatzes zusätzlich auch auf die Resolution des Sicherheitsrates beruft.
Mit Blick auf Art. 42 Abs. 7 EUV konstatiert Sophia Müller, dass nach Ansicht der Bundesregierung die Geltendmachung des EU-Bündnisfalls durch Frankreich ein Einschreiten „gebietet“. Dies kann aber jedenfalls dem dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegten Antrag zum Einsatz der Bundeswehr, BT-Drs. 18/6866, nicht entnommen werden. Dort ist lediglich von der Zusicherung von Solidarität und Beistand die Rede, die von Art. 42 Abs. 7 EUV gefordert würde. Dass Art. 42 Abs. 7 EUV – genauso wie Art. 5 des NATO-Vertrags – keine unbedingte Rechtspflicht zu militärischem Beistand enthält, ist unstreitig und wird in dem genannten Antrag der Bundesregierung auch nicht behauptet.
Schlichtweg unzutreffend ist die Behauptung, dass eine Militäraktion im Rahmen des EU-Bündnisfalls aufgrund der NATO-Bündnisklausel in Art. 42 Abs. 7 UAbs. 2 EUV nicht möglich sei. Richtig ist, dass ein Tätigwerden nach Art. 42 Abs. 7 EUV nicht zur Beeinträchtigung der Pflichten der Mitgliedstaaten des NATO-Vertrags aus diesem führen darf. Solange die NATO aber selbst in dieser Angelegenheit nicht aktiv geworden ist und ein verringertes Engagement in laufenden NATO-Einsätzen durch einen Einsatz im Rahmen von Art. 42 Abs. 7 EUV nicht zu besorgen ist, verbietet diese Klausel keineswegs einen EU-Militäreinsatz. Welcher normative Gehalt verbliebe denn der Norm dann noch, bei einer solchen Auslegung?
In ihrem letzten Block zum Verfassungsrecht schreibt Sophia Müller, dass „der Einsatz der Bundeswehr nach Art. 24 Abs. 2 GG im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit stattfinden“ müsste. Auch dies spiegelt die grundgesetzliche Rechtslage nicht vollständig wider. Denn Art. 87a Abs. 2 GG erlaubt den Einsatz der Bundeswehr auch zur Verteidigung. Dieser, terminologisch vom Verteidigungsfall des Art. 115a Abs. 1 S. 1 GG verschiedene Begriff umfasst nach zutreffender Ansicht alle Einsätze zur individuellen und kollektiven Verteidigung im Sinne von Art. 51 UNCh (s. z.B. BVerwGE 127, 302, Rn. 107). Da, wie oben gesehen, der Einsatz völkerrechtlich zur kollektiven Verteidigung Frankreichs durch Art. 51 UNCh legitimiert ist, findet die Entsendung der Bundeswehr bereits in Art. 87a Abs. 2 GG eine Rechtsgrundlage. Aus diesem Grund ist im Übrigen auch die im Februar 2015 auf Einladung der irakischen Regierung begonnene Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nord-Irak mit dem Grundgesetz vereinbar und stellt keineswegs einen „klaren Verstoß gegen das Grundgesetz dar“. Zuzustimmen ist Sophia Müller jedoch, dass diese Ausbildungsmission im Nord-Irak entgegen der von der Bundesregierung vertretenen Ansicht nicht im Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems stattfindet, da es der ad-hoc-Koalition in der Tat an einer hinreichend verfestigten institutionellen Struktur fehlt. Die Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats (S/PRST/2014/20) genügt nicht, damit diese Mission „im Rahmen und nach den Regeln“ des kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen stattfindet, wie es die Bundesregierung behauptet (BT-Drs. 18/3561).
Aber auch Art. 24 Abs. 2 GG stellt – entgegen der Ansicht von Sophia Müller – eine taugliche Rechtsgrundlage für den Einsatz in Syrien dar, da die EU nach dem Vertrag von Lissabon ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne dieser Vorschrift ist. Denn Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass sie „durch ein friedensicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit [begründet], der wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichtet und Sicherheit gewährt“ (BVerfGE 90, 286, Rn. 236 – Out of area). Zur Wahrung des Friedens sind die Mitgliedstaaten nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV völkerrechtlich verpflichtet. Denn Art. 3 Abs. 3 EUV definiert als Ziel der EU, „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV verpflichtet die Mitgliedstaaten sodann, „die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe [zu unterstützen] und […] alle Maßnahmen [zu unterlassen], die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten“. Sicherheit nach dem Regelwerk der EU gewährleistet ferner die Beistandsklausel des Art. 42 Abs. 7 EUV. Dass diese Vorschrift keine Rechtspflicht zu militärischer Unterstützung enthält, ist mit Blick auf den vergleichbar konzipierten Art. 5 des Nordatlantikvertrags genauso unproblematisch, wie der Umstand, dass die EU bisher noch keine über diese Beistandsverpflichtung hinausgehende gemeinsame Verteidigungspolitik nach Maßgabe von Art. 42 Abs. 2 EUV festgelegt hat. Dass die EU in ihrer Gesamtheit einschließlich ihres institutionellen Gefüges ein friedenssicherndes Regelwerk darstellt, kann nicht ernsthaft in Frage stehen, war dies doch von Anbeginn die treibende Kraft hinter der Europäischen Einigung, beginnend mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. In den berühmten Worten des damaligen französischen Außenministers Robert Schumann, die die Grundlage für die Schaffung der EGKS bildeten, heißt es nicht umsonst: „Wer nicht mehr frei über Energie und Stahl verfügt, kann keinen Krieg mehr erklären.“ Anders als die NATO, hält die EU jedoch bisher noch keine permanenten, integrierten Kommandostrukturen bereit. Daraus den Schluss zu ziehen, die EU sei kein System kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG überzeugt jedoch nicht. Denn einerseits verfügen auch die Vereinten Nationen über keine ständige, integrierte Kommandostruktur. Andererseits müssen auch Militärmissionen, die auf der Grundlage von Art. 5 des NATO-Vertrags stattfinden, nicht zwingend von den integrierten NATO-Strukturen geführt werden. Gleiches gilt erst recht für vom Sicherheitsrat mandatierte Einsätze – auch von diesen verlangt das Grundgesetz nicht, dass sie unter Führung der Vereinten Nationen stattfinden. Daher handelt es sich, entgegen des obiter dictums des Bundesverfassungsgerichts in der Lissabon-Entscheidung (BVerfGE 123, 267, Rn. 255 und 390) bei der EU um ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG. Indem die Verteidigungsminister der EU-Mitgliedstaaten in ihrer Sitzung am 17. November Frankreichs Hilfsgesuch unter Art. 42 Abs. 7 EUV akzeptiert haben, haben sie den Bündnisfall der Europäischen Verträge aktiviert, sodass das Engagement der Bundeswehr in Syrien zur Unterstützung Frankreichs verfassungsrechtlich auf Art. 24 Abs. 2 GG gestützt werden kann.
Die abschließende Behauptung, dass ein diesem Einsatz zustimmender Beschluss des Bundestages der Opposition den Weg nach Karlsruhe ebnen würde, wurde bereits in den Kommentaren zu Sophia Müllers Beitrag kritisiert. Hinzuzufügen ist zu den dort vorgebrachten Argumenten noch, dass, selbst wenn die Opposition ¼ der Mitglieder des Bundestages für eine abstrakte Normenkontrolle mobilisieren könnte (dies ist im Übrigen nicht ganz ausgeschlossen, war doch im Out-of-area-Urteil die seinerzeit an der Regierung beteiligte FDP auch eine der klagenden Parteien), fraglich ist, ob ein schlichter Parlamentsbeschluss einen tauglichen Antragsgegenstand abgibt. In einem konkreten Normenkontrollverfahren hatte das BVerfG einen solchen Beschluss als Antragsgegenstand ausreichen lassen (BVerfGE 90, 60). Allerdings hatte der streitgegenständliche Beschluss in diesem Verfahren einerseits gesetzesersetzenden Charakter, was bei einem den Auslandseinsatz ermöglichenden Parlamentsbeschluss nicht der Fall ist, da er keine abstrakt-generelle Regelung trifft. Zudem stellte das BVerfG in dieser Entscheidung auch maßgeblich auf die Publikation eines solchen Beschlusses ab, als Voraussetzung für dessen Rechtsaktsqualität. Auch daran fehlt es einem Zustimmungsbeschluss zu einem Auslandseinsatz. Ein solcher nimmt mangels Publikation etwa im BGBl. nicht für sich in Anspruch, Rechtsnorm zu sein. Bedenken gegen die Tauglichkeit bestehen aber vor allem deshalb, weil es sich bei einem solchen Beschluss letztlich „nur“ um ein Abstimmungsergebnis handelt, um den temporären Abschluss parlamentarischer Willensbildung. Ließe man dies bereits als Verfahrensgegenstand genügen, hätten die bei einer Abstimmung unterlegenen Fraktionen stets die Möglichkeit, die politisch verlorene Auseinandersetzung im rechtlichen Gewand vor dem BVerfG fortzusetzen. Dadurch würde das Verfahren entwertet und die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle des Staatshandelns letztlich geschwächt.
Vielen Dank für diesen Beitrag, der mich in meiner Skepsis gegenüber dem Aufsatz vom gestrigen Tage erfreulicherweise in nahezu allen Punkten bestätigt. Einzig und allein die These, dass die EU ein System gegenseitiger Sicherheit im Sinne des Art. 24 II GG darstellen soll, erscheint mir angesichts der Relativierung des Vertragstextes in Art. 42 VII EUV immer noch etwas zweifelhaft (“Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.” heißt es dort)
1. Nach der aus völkerrechtlicher Sicht höchst fragilen “save heaven”-Doktrin, wäre selbst ein Krieg gegen Belgien, Frankreich selbst (welchen besseren save heaven als die Banlieues gibt es denn in Europa?) oder sogar Bündnis-Partner Türkei gerechtfertigt. Diese Doktrin ist tatsächlich nie Völkergewohnheitsrecht geworden. Wenn man Völkerrecht herleiten will, muss man “consistent state practice” vorweisen. Und daran fehlt es, es ist nämlich keineswegs Staatenpraxis, dass man den Staat bombardiert, aus dem ein Straftäter stammt (wäre ja auch absurd!). Vorrangig ist hier auf die Strafverfolgung der anderen, nach dem System der Union, gleichrangigen Staaten zu vertrauen.
2. Die Begründung für die Annahme eines “bewaffneten Angriffs” überzeugt nicht einmal ansatzweise.
Das in Art. 51 UN Charta verankerte Recht auf Selbstverteidigung droht bei dessen inflationären und vorschnellen Bejahung zur leeren Hülle, wenn nicht gar zu seinem Gegenteil, einem Recht auf Aggression, zu verkommen. Das ist eine Perversion des schneidigsten völkerrechtlichen Instruments, das jeder Nation im Falle eines „bewaffneten Angriffs“ zusteht. Selbstverteidigung ist jedoch kein Selbstzweck, sondern eine Ausnahme vom völkerrechtlichen Grundsatz des Gewaltverbots in Artikel 2 Nr. 4 UN Charta.
Ein „bewaffneter Angriff“ im Sinne des Artikel 51 UN Charta ist mehr als bloße „Gewalt“. Er setzt in Anlehnung an die Aggressionsdefinition in der UN(GA)-Resolution 3314 (XXIX) die Beschießung oder Bombardierung fremden Hoheitsgebiets durch die Streitkräfte eines anderen Staates voraus. Es entspricht der herrschenden Auffassung im Völkerrecht, dass Gewaltanwendungen unterhalb der Schwelle eines solchen bewaffneten Angriffs das Selbstverteidigungsrecht nicht auslösen. Der IGH verlangt in seiner Rechtsprechung für einen bewaffneten Angriff massive militärische Gewaltanwendung, gemessen an dem Ausmaß der Gewalt und ihrer Wirkung (IGH, Nicaragua-Fall, ICJ Rep. 1986, 14, Rn. 191, 195).
Ohne die Anschläge auch nur im geringsten zu minimieren (das verbietet allein schon das Verbot der Abwägung Leben gegen Leben, aber nichts anderes geschieht mit der Reaktion durch Krieg!!), liegt schlicht bei einem Anschlag noch kein solcher militärischer Angriff vor. Abgesehen davon, dass es an einer Zurechnung zu einem Staat vollkommen fehlt. Es ist auch längst nicht customary int’l law, dass non-state-actors einen Krieg erklären können. Durch die Kriegerische Reaktion werden stattdessen Mörderbanden zu Kriegsgegnern erhoben. Es ist zynisch, wenn nun eben jene “coalition of the willing”, die die Terroristen die letzten 4 Jahre bewaffnet und ausgebildet (! ja, liegt dann der save heaven nicht vielleicht sogar ganz wo anders?) hat, vorgibt, gegen jene im Wege der “kollektiven Selbsverteidigung” in den Krieg zu ziehen.
EIne gegenteilige Annahme, würde den Begriff des “Weltfriedens” zur reinen Farce degradieren. Sie bedeutet die Rückkehr zum “ius ad bellum”, nur diesmal nicht mehr zu Gunsten selbstherrlichen Nationalstaaten, sondern der “kollektiven Sicherheitssysteme”. Hingewiesen sei auch darauf, dass die Prinzipien zur Staatenverantwortlichkeit selbst ein deeskalierendes Reaktionsschema vorsehen.
3. Und schließlich fehlt in der obigen Auseinandersetzung jeglicher HInweis darauf, dass Syrien – was auch immer man von dem gegenwärtigen Amtsinhaber halten mag – ein “legitimate government” hat, das auch noch fähig ist, diplomatische Beziehungen einzugehen. Es gibt keinen Völkerrechtsgrundsatz, der die militärische Intervention gegen den ausdrücklichen Willen des rechtmäßigen Herrschers gestattet. Selbst die Grundsätze der “humanitarian intervention” haben längst keinen Völkergewohnheitsstatus, was unter anderem die zurückhaltende Reaktion Deutschlands beim Lybien-Einsatz unter Beweis gestellt hat.
4. Und schließlich: Dass die EU ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit sein soll, ist mehr als fragwürdig, sagt doch Art. 42 Abs. 7 UAbs. 2 EUV selbst: “Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.” – m.a.W.: Die GASP maßt sich nicht an, die NATO-Verpflichtungen zu verdrängen, da diese weiterhin “Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist”.
Hingewiesen sei auch auf die Ausführungen des BVerfG zur GASP: “Das bisherige Verständnis der Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik spricht allerdings gegen diese Sichtweise. Danach waren militärische Beiträge niemals rechtlich, sondern allenfalls politisch “geschuldet”.”
Erforderlich ist vielmehr ein einstimmiger Ratsbeschluss. Und selbst dann besteht kein Bündnispflicht im Sinne einer kriegerischen Interventon: “Eine mögliche politische Einigung zwischen den Mitgliedstaaten, Streitkräfte im europäischen Bündnis einzusetzen, wäre nicht in der Lage, auf rechtlicher Ebene eine Handlungspflicht zu erzeugen, die den insoweit gegenüber Art. 23 GG spezielleren konstitutiven Parlamentsvorbehalt nach Art. 24 Abs. 2 GG überspielen könnte. ” (BVerfGE 123, 267 (425) – Lissabon).