Von stolpernden Juraakrobaten
Nichtjuristen haben ja immer ihre helle Freude daran, einen besonders fintenreichen Juristen über seine eigenen advokatisch-akrobatisch verknoteten Juristenbeine stolpern zu sehen.
Das kann man jetzt mit besonderem Genuss in einer neuen Nichtannahmeentscheidung des BVerfG tun: Da wird einem Notar, der sich offenbar besonders raffiniert vorkommt, in erfrischender Weise heimgeleuchtet. Dazu kommt, das ist jetzt eher ein fachfremder Aspekt, dass der Fall in Ostfriesland spielt.
Notaren ist es verboten, Filialen aufzumachen – eine Regel, über deren Sinn und Zweck man sich streiten kann, wie bei Apotheken oder noch vor wenigen Jahren bei Anwaltskanzleien auch, die aber unzweifelhaft besteht und von quasi-amtlichen Organen der Rechtspflege, wie Notare es sind, natürlich beachtet werden muss.
Sie dürfen zwar auch außerhalb ihrer Kanzlei beurkunden, wenn der Kunde das will. Aber dafür wird eine eigene Gebühr fällig.
Der hier klagende ostfriesische Notar arbeitet bei einer Sozietät, die auch in einem Nachbarort eine Kanzlei unterhält. Dort beurkundete er regelmäßig, und zwar ohne die Gebühr für die Auswärtsbeurkundung in Rechnung stellen.
Daraufhin bekam er vom Präsidenten des Landgerichts Aurich 5000 Euro Bußgeld aufgebrummt.
Auswärtsgebühr? Was für eine Auswärtsgebühr?
Das fand er skandalös: Die Auswärtsgebühr, so argumentierte der Listenreiche, sei gar nicht entstanden. Die entstehe nämlich nur, wenn auf Verlangen des Kunden auswärts beurkundet wird. Und die Kunden hätten gar nichts verlangt. Er habe das von ganz alleine angeboten.
Und eine Gebühr, die nicht entstanden ist, könne er auch nicht fordern. Also habe er alles richtig gemacht, und das Bußgeld sei die pure Willkür.
Dieser Sicht der Dinge mochte sich die 2. Kammer des Ersten Senats nicht recht anschließen.
Vielmehr sei der Zweck der Bundesnotarordnung, eine funktionsfähige Rechtspflege zu gewährleisten, auch dann gefährdet, wenn
sich ein Notar Wettbewerbsvorteile dadurch verschafft, dass er das Entstehen von Zusatzgebühren systematisch vereitelt und auf diese Weise den Rechtsuchenden seine Amtstätigkeit gegen geringere Kosten anbieten kann.
Fazit: Verfassungsbeschwerde offensichtlich aussichtslos.
Foto: Carsten (Pixelroiber), Flickr Creative Commons
Link vergessen?
Korrigiert, dankeschön
Als Longboarder muss ich mich ja mal ganz unwissenschaftlich über das Bild beschweren. Der Mensch auf dem Board stolpert nicht, er slidet – in Bewegung sieht das ganze dann so aus: http://www.youtube.com/watch?v=5nNSx7UcNms
Das nur als Hinweis 😉
Im Ergebnis sicher wunderbar, aber:
Wo bitte ist die Ermächtigungsgrundage für die Sanktion, wenn der Tatbestand doch die Nichterhebung einer angefallenen (!) Gebühr erforderte und eben nicht die Vereitelung des Gebührenanfalls?
Schlummerte da nicht vielleicht doch ein klitzkleines Problem vor dem Hintergrund des Analogieverbots?
Wie lautet die Antwort der Kammer hierauf?
Hier lässt sich wohl nur noch sinngemäß Roman Herzog zitieren: Ja glauben Sie denn, wir wüssten nicht, wer hier die Sau ist und wie man die schlachtet?
Offensichtlich herrscht also in Karlsruhe weiter die Schweinehundtheorie. Glückwunsch!
Das Herzog-Zitat ist schön, das kannte ich noch nicht 🙂