Verfassungsblog als Plagiatsopfer?
Eine Menge Wissenschaftler und Scheinwissenschaftler sind in den letzten Monaten ihrer fatalen Neigung überführt worden, sich mit anderer Leuts Gedanken den intellektuellen Federschmuck zu vervollständigen.
Jetzt kann sich anscheinend auch der Verfassungsblog rühmen, ungekennzeichnet zitiert worden zu sein. Auf der Plagiats-Enthüllungsseite Vroniplag taucht eine Passage aus einem Blogpost von Matthias Kötter auf, die die Autoren eines Buchs über juristische Methodenlehre offenbar so interessant fanden, dass sie sie gleich mal in ihr Buch copypasteten.
Ich hatte das Buch nicht in den Händen und habe das nicht selber überprüft. Ich muss mich da auf die Akkuratesse der Vroniplag-Rechereure verlassen. Aber unterstellt, das ist so, wie dort behauptet: Das freut einen ja schon erst mal. Ist ja auch ein schöner Text, den der Matthias da geschrieben hat. Volles Verständnis dafür, dass die Autoren das Bedürfnis überkam, seine Gedanken weiterzuverbreiten.
Doppelt Spaß macht uns der Vorgang, weil die Autoren damit ihre Qualifikation, ihre Studenten über das saubere juristische Arbeiten zu belehren, auf das Eindrucksvollste unter Beweis stellen.
Dreifach zum Jubeln gibt er uns Anlass, weil die Vroniplag-Detektive aus dem Buch wie folgt zitieren:
- Seite 121, Rn 1: “„E Pluribus Unum“[FN 1: Guttenberg, Verfassung und Verfassungsvertrag, S. 1.] – aus vielen Eines. Wer sich diesen Leitsatz, der das Siegel der Vereinigten Staaten prägt, auch für die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit zu eigen machen will, wird schnell sein blaues Wunder erleben.” (…)
Uns ist schon bekannt, dass viele Wissenschaftler Blogs nicht für zitierfähige Literatur halten. Ich kann darin zwar keinen rechten Sinn entdecken, aber wer das so sieht, bitte schön. Allerdings hatte das allerdings immer so verstanden, dass dann eben aus Blogs, nun ja … halt nicht zitiert wird.
Aber zu sagen, den Content nehmen wir schon, aber wir verschweigen schamhaft, woher er kommt – dass “nicht zitierfähig” womöglich das bedeutet, darauf wäre ich von alleine nicht gekommen.
In the US, the famous Blue Book even tells you how to cite comments to blog posts, and this is done by academics and judges alike: http://www.volokh.com/2010/05/19/hitting-the-big-time-and-going-straight-to-the-top/
ich lach mich kringelig!
Das Buch scheint bereits von amazon verschwunden zu sein. Wenn das stimmen sollte, bekommt auch der Untertitel des Buches eine besondere Nuance: “Wissenschaftliches Arbeiten für Juristen in Zeiten des Internets”.
Das Bild oben ist so peinlich..
Gestern abend haben die Autoren, Bernd Holznagel aus Münster und zwei seiner Mitarbeiter, gegenüber Vroniplag angekündigt, das Buch erst mal aus dem Verkehr zu ziehen und zu untersuchen, was da passiert ist:
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Forum:Stellungnahme_Holznagel,_Ricke,_Schumacher?t=20120619220120
Ich habe Prof. Holznagel angeschrieben. Er hat mir geantwortet, dass er mich auf dem Laufenden hält, was die Untersuchung betrifft, und sich für den Vorfall entschuldigt.
bemerkens-, lesens- und bedenkenswert auch die Diskussion mit Nomos-Programmleiter (und habilitiertem Verfassungsrechtler) Johannes Rux auf der oben verlinkten Vroniplag-Seite.
Auf LTO nimmt Roland Schimmel den Fall noch mal auseinander, auf sehr lustige und lesenswerte Weise:
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/plagiatsverdacht-gegen-juristische-arbeitstechniken-und-methoden-holznagel-itm-muenster-vroniplag-wiki/
Nur meinen Humor überschätzt er dann doch ein bisschen: Dass ich “Verständnis” für die Plagiatoren geäußert haben soll, ist mir völlig neu. Ironiefalle, offenbar.
http://archiv.twoday.net/stories/97065938/