Absence Makes the Heart Grow Fonder
Pandemiebedingte Einreisebeschränkungen für nichtdeutsche Lebenspartner*innen
Nach einem bekannten englischen Sprichwort wächst die Liebe mit der Entfernung. Besonders zu wünschen ist dies in Zeiten der Covid-19-Pandemie all jenen Paaren, die eine grenzübergreifende Beziehung führen. Denn derzeit ist – trotz aller Lockerungen der letzten Tage – an ein baldiges Wiedersehen auf deutschem Boden für solche Paare, bei denen ein Partner oder eine Partnerin keine deutsche Staatsbürgerschaft hat, kaum zu denken.
Im Rahmen von flächendeckenden Maßnahmen in der Covid-19-Pandemie haben viele europäische Staaten ihre Grenzen für den privaten Grenzübertritt geschlossen oder diesen zumindest stark eingeschränkt. Besonders betroffen von diesen Beschränkungen ist nicht nur der Tourismus, sondern auch alle Personen, die in der Zeit vor dem Ausbruch des Coronavirus regelmäßig grenzüberschreitende Reisen aus persönlichen, familiären Gründen unternommen haben. Inwieweit der Grenzübertritt aus solchen Gründen im Moment erlaubt ist, wird von den einzelnen Staaten allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt.
Österreich und Deutschland im Vergleich
Österreich etwa stützt die dortigen Einreisebeschränkungen auf die „Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien“, zuletzt verlängert am 30.04.2020. Diese ordnet in § 1 Abs. 1 an, dass Personen, die aus den Nachbarstaaten nach Österreich einreisen möchten, ein ärztliches Zeugnis über ihren Gesundheitszustand vorweisen müssen. Dieses muss bescheinigen, dass ein Test auf SARS-CoV-2 für die Person durchgeführt wurde und negativ ausgefallen ist. Das Zeugnis darf dabei nicht älter als vier Tage sein. Allerdings regelt § 4 der Verordnung Ausnahmen von der obigen Verpflichtung. Seit der Änderung vom 09.04.2020 ist die Einreise „unter besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis“ ohne ärztliches Zeugnis möglich.
Darüber, was unter diesen Gründen etwa verstanden werden soll, klärt das Sozialministerium auf seiner Internetseite unter „Reisen und KonsumentInnenschutz“ auf: „Weitere Ausnahmen von der Verordnung sind besondere familiäre Gründe […] im Einzelfall, die bei der Grenzkontrolle bei der Einreise glaubhaft gemacht werden müssen. Zu den besonderen familiären Gründen zählen z.B. Besuche von Familienangehörigen bei Krankheit oder eigener Kinder im Rahmen von Obsorgepflichten, ein Besuch der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners.“ Damit können Lebenspartnerinnen und Lebenspartner unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin nach Österreich reisen, ohne ein ärztliches Zeugnis vorweisen zu müssen.
Anders ist dies bei der Einreise nach Deutschland. Auf der Suche nach einer Antwort gelangt man auf die Seite des Bundesinnenministeriums, wo unter der Rubrik „Coronavirus – Fragen und Antworten“ zu Reisebeschränkungen/Grenzkontrollen zu lesen ist, dass „Reisende ohne dringenden Reisegrund […] nicht mehr ein- und ausreisen“ dürfen. Was unter diesen dringenden Reisegründen (nicht) zu verstehen ist, findet sich dann weiter unten:
„Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern ist die Einreise zur Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft, auch über die deutsche Binnengrenze gestattet. Das Bestehen einer Ehe oder eingetragenen Lebensgemeinschaft wird als triftiger Grund für die Einreise anerkannt […]. Entsprechende Nachweise muss man beim Grenzübertritt dabeihaben. Mangels Nachvollziehbarkeit sollen andere Lebenspartnerschaften ohne amtlichen Nachweis (Trauschein) grundsätzlich kein triftiger Grund im Sinne des Einreiseregimes sein; im Einzelfall kann jedoch auch hier nach den jeweiligen Umständen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessen […] anders entschieden werden.“
Damit ist der Besuch der Lebenspartnerin bzw. des Lebenspartners anders als des Ehegatten oder der eingetragenen Lebenspartnerin grundsätzlich kein triftiger Grund für die Einreise nach Deutschland. Ausgenommen von diesen Beschränkungen sind allerdings deutsche Staatsangehörige; diesen ist die Einreise nach Deutschland ungehindert möglich. Nichtdeutsche Lebenspartner und Lebenspartnerinnen haben aber – anders als Saisonarbeitskräfte zur Spargelernte – mit einer Abweisung an der deutschen Grenze zu rechnen.
Hochgehalten wird der Schutz von Lebenspartnerschaften demgegenüber in den Quarantäneverordnungen der Länder. Diese beruhen einheitlich auf einer Musterverordnung, auf die sich die Länder unter federführender Beteiligung des Bundesinnenministeriums am 06.04.2020 geeinigt hatten. Im § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 dieser Muster-VO ist eine Ausnahme von der Pflicht zur zweiwöchigen häuslichen Quarantäne gem. § 1 Abs. 1 nach der Einreise nach Deutschland geregelt. Diese Pflicht gilt grundsätzlich für alle Einreisenden unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 müssen sich Personen, „die einen sonstigen triftigen Reisegrund haben“ nach der Einreise aber nicht in häusliche Quarantäne begeben. Explizit als solche triftige Reisegründe genannt sind „insbesondere soziale Aspekte wie etwa […] der Besuch des nicht unter dem gleichen Dach wohnenden Lebenspartners“.
Lebenspartner und Lebenspartnerinnen ohne deutsche Staatsbürgerschaft wären damit von der Quarantänepflicht befreit, wenn sie denn nur nach Deutschland einreisen dürften.
Kollektive Unterstellung
Nach Angaben des Innenministeriums beruhen die Beschränkungen auf Art. 28 des Schengener Grenzkodexes (SGK). Nach diesem sind vorübergehende Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Union in Fällen erlaubt, die sofortiges Handeln aufgrund einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in einem Mitgliedstaat erfordern. Seinem Wortlaut nach kann Art. 28 SGK nur Rechtsgrundlage für Grenzkontrollen, nicht aber für Zurückweisungen an der Binnengrenze sein.
Für die wiedereingeführten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen finden dann aber über Art. 32 SGK die einschlägigen Bestimmungen des Titels II über die Einreise an den EU-Außengrenzen entsprechend Anwendung. Eine Einreise setzt danach gemäß Art. 6 Abs. 1 Ziff. e SGK unter anderem voraus, dass der oder die Einreisewillige keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen darf.
In Zeiten der Covid-19-Pandemie wird eine solche Gefahr für die öffentliche Gesundheit offenbar kollektiv allen Einreisenden unterstellt. Schon hier ist fraglich, ob eine solche allgemeine Annahme ein tauglicher Grund für die Abweisung der meisten Personen an den deutschen Binnengrenzen sein kann.
Grundrechtsschutz auch ohne Trauschein
Nichteheliche Partnerschaften sind grundrechtlich geschützt. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist zwar anders als die Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG nicht unter einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gestellt. Auch ihr steht allerdings der Schutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG, i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie durch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu. Auf europarechtlicher Ebene schützen Art. 7 GrCh und Art. 8 EMRK im Rahmen des Privatlebens auch, eine Partnerschaft einzugehen und aufrechtzuerhalten.
Wenn einem Teil der Beziehung die Einreise in das Land versagt wird, in dem sich der Partner oder die Partnerin aufhält, greift der Staat in die Abwehrrechte des Art. 2 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 Abs. 1) GG, Art. 7 GrCh und Art. 8 EMRK ein.
Besonders die Verhältnismäßigkeit einer solchen generellen Einschränkung wirft einige Zweifel auf. Zunächst handelt es sich bei den engsten privaten Beziehungen von Menschen um ein hohes Schutzgut, unabhängig davon, ob diese durch Heirat verrechtlicht sind oder nicht. Demgegenüber ist selbstverständlich auch der Gesundheits- und Lebensschutz der Menschen in Deutschland und die Verlangsamung der Ausbreitung des Coronavirus zur Sicherung der Gesundheitsversorgung ein überragend wichtiges Gemeingut. Es gilt also, beide Interessen in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.
Zwar ist dem Staat in einer Situation wie der aktuellen, in der schnelles und entschlossenes Handeln von größter Bedeutung ist, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Er kann also, um einer akuten Gefahr Herr zu werden, auch zunächst umfassende Maßnahmen erlassen. Damit einher geht aber auch die Pflicht, bei einer Entspannung der Lage fortlaufend zu überprüfen, ob die in Eile getroffenen Maßnahmen noch notwendig und angemessen sind und diese dann ggf. anzupassen. Gegenüber der deutschen kollektiven Abweisung von Personen an der Grenze ohne Prüfung im Einzelfall, ob der oder die Reisende eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, würde etwa das österreichische Modell der Einreise mit einem aktuellen Gesundheitszeugnis ein milderes Mittel darstellen.
Beachtlich ist darüber hinaus, dass sich das Bundesinnenministerium dazu, warum der Besuch von Lebenspartnerin oder -partner kein „dringender Grund“ für die Einreise sein soll, darauf beruft, dass solche Lebenspartnerschaften – anders als Ehen und eingetragene Lebenspartnerschaften – mangels Trauscheines bei einer Grenzkontrolle nicht nachvollzogen werden könnten. Operiert wird also mit dem klassischen „Da könnte ja jeder kommen!“-Argument. Offenbar befürchtet das Ministerium einen Ansturm auf die Grenzen der Bundesrepublik von Personen, die sich die Einreise mit behaupteten Lebenspartnerschaften erschleichen könnten. Wie Lebenspartnerschaften auch ohne Trauschein nachvollzogen werden können, zeigt ein Blick nach Österreich: Dort ist es möglich, Lebenspartnerschaften mithilfe einer Eigenerklärung der oder des Reisenden und einer Kopie des Ausweises oder Meldezettels der Partnerin oder des Partners oder auf andere teilweise kreative Art nachzuweisen. Gründe dafür, dass eine solche Glaubhaftmachung des Reisegrundes an den deutschen Grenzen nicht durchführbar sein soll oder mit erheblichem Missbrauch zu rechnen sein müsste, sind kaum ersichtlich.
Im Rahmen von Gleichheitserwägungen ist außerdem danach zu fragen, inwiefern die Anknüpfung an die Staatsbürgerschaft des über die deutschen Binnengrenzen einreisenden Lebenspartners bzw. der Lebenspartnerin ein geeignetes Merkmal für den Schutz der öffentlichen Gesundheit ist. Einen Schutz vor der Infektion durch das neuartige Coronavirus stellt diese jedenfalls – genauso wenig wie ein Trauschein – nicht dar. Ebenso zweifelhaft ist, wie die unter Federführung des Bundes entstandenen landesrechtlichen Quarantäneregelungen und die Abweisungspraxis der Bundespolizei an den deutschen Grenzen kohärent zusammenpassen sollen.
Für die betroffenen Paare besonders unerfreulich ist zuletzt der Verweis des Bundesinnenministeriums auf die Entscheidung durch pflichtgemäßes Ermessen im Einzelfall. Auf diese Weise lässt sich für den ausländischen Partner oder die ausländische Partnerin im Vorhinein nicht eindeutig ersehen, ob die Einreise im Einzelfall nicht doch möglich sein könnte. Ihm oder ihr bleibt also nur die hoffnungsvolle Anreise an die deutsche Grenze. Dort müssen sich die Betroffenen aber aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Abweisung einstellen.
Hinweis: Bei den Zitaten handelt es sich um den Stand von 05.05.2020 um 20:00 Uhr. Der Wortlaut der Informationen auf den Seiten der Ministerien ändert sich fortlaufend.
Vielen Dank für den schönen Beitrag. Da ich selbst als akademischer Konstanzer viele Emails von betroffenen Privatpersonen bekomme, ein kleiner Hinweis, damit sich in die Analyse keine rechtlichen Fehler einschleifen:
Der hier als Rechtsgrundlage für die Einreiseverweigerungen genannte Art. 6 Abs. 1 Buchst. e Schengener Grenzkodex gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für Drittstaatsangehörige, während Art. 3 i.V.m. Art. 2 Nr. 5 Buchst. a Grenzkodex für Unionsbürger (deklaratorisch) auf die Freizügigkeitsregeln verweist, die für die Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerungen der entscheidende Maßstab sind. Für den Kontrollvorgang gilt dann Art. 8 Abs. 2 f. Schengener Grenzkodex; aber das ist nur die isolierte Kontrolle, nicht die materielle Einreiseentscheidung.
Weitere Einzelheiten bei: https://verfassungsblog.de/travel-bans-in-europe-a-legal-appraisal/
Herzlichen Dank für diesen für mich persönlich sehr wichtigen Artikel, da meine Partnerin in der Ukraine lebt und ebenfalls bisher nicht einreisen durfte. Mittlerweile ist der Passus auf der BMI-Website etwas geändert: “Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern ist die Einreise zur Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft auch über die deutsche Binnengrenze gestattet. Das Bestehen einer Ehe oder eingetragenen Lebensgemeinschaft wird als “triftiger Grund” für die Einreise anerkannt, Einreise- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben davon aber unberührt. Dies gilt im Einzelfall auch für Lebenspartnerschaften ohne amtlichen Nachweis, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass diese bestehen.” Trotzdem bleibt natürlich der Unsicherheitsfaktor “pflichtgemäßes Ermessen” des Beamten bei der Einreise. Wenn der einen schlechten Tag oder prinzipiell etwas gegen “wilde” Ehen hat…
Herzlichen Dank für diesen Kommentar. Ich bin hier ebenfalls betroffen. Allerdings kamen wir (mein Lebensgefährte ist EU Bürger) mit einem Flug des Rückholprogramms an, für welchen er eigens von seiner Botschaft angemeldet wurde nachdem in der Presse von Herrn Maas verkündet wurde, er würde mit der EU hier zusammenarbeiten. Uns wurde bei Einstieg noch bestätigt dass er einreisen könne (ich habe ein Haus in Deutschland, er ist aber nicht dort gemeldet, das hatten wir auch so angegeben) nachdem seine Passdaten noch einmal übermittelt wurden “sonst würden wir ihn gar nicht erst ins Flugzeug lassen”. Am Flughafen wurden wir sofort auf die Wache verbracht, er sollte zurückweisungs-Dokumente auf deutsch unterzeichnen obwohl er diese nicht lesen konnte und ich diese Rechtstexte nicht wirklich übersetzen vermochte. Der Ton wurde bedrohlich als er die Unterzeichnung ablehnte weil er nicht verstand was dies für ihn bedeute. Auf deutsch wollte es mir keiner erklären welche Folgen das rechtlich hat. Ich wurde angeschrien ich solle es so gute es geht übersetzen. Ihm wurde auch der Transit über Land in sein Heimatland verweigert bzw. diese Option erfuhren wir erst als sie unsere Pässe einkassiert hatten, zufällig von Beamten an einem anderen Kontrollpunkt, denn uns beiden wurden (auch mir als deutsche) die Pässe abgenommen bis ich einen Flug für meinen Lebensgefährten aus dem Flughafen in ein Drittland vorweisen konnte was ohne seinen Pass und die Abschnitte für die Koffer sehr schwierig wurde, die sich bereits hinter dem Zoll befanden. Erst danach bekam zumindest ich meinen Pass wieder und auch erst nachdem ich das ausdrücklich verlangte. Die Stimmung konnte man gut und gerne als hasserfüllt und tendenziell rassistisch bezeichnen, zumindest in meinen Ohren. Dass wir bereits 35 Stunden auf den Beinen waren, wurde nicht berücksichtigt. Erst eine Dame der Flughafenmission klärte uns am Ende darüber auf, als sie mich weinend auf dem Boden sitzen fand, dass es für solche Situationen nicht nur einen Beistand, sondern auch Feldbetten und Nahrung gäbe (im Flughafen hatte alles zu und wir mussten aus dem Wasserhahn trinken) und wir darauf hätten hingewiesen werden müssen. Sie müssen die Antwort nicht veröffentlichen, ich bin nur froh dies einmal von der Seele geschrieben zu haben, da diese Situation unsere Pläne für die Zukunft grundlegend verändert hat, wir vertrauen nicht mehr so recht darauf, ohne Trauschein oder gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland verweilen zu können ohne dass man ihn plötzlich hinauswirft. Natürlich ist das alles neu für die Beamten und das Auswärtige Amt, aber ich fühle fortan mit jedem, der sich an einer deutschen Grenze erklären muss. Das Ganze war in meinen Augen unmenschlich, bedrohlich, willkürlich, und einer EU nicht würdig.