9/11, 20 Jahre später: Verfassung und Recht im War against Terror
Im Auftaktevent unseres Kooperationsprojekts mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung, untersuchen wir welche Auswirkungen das auf 9/11 folgende, diffuse Sicherheitsframing auf internationaler, europäischer und deutscher Ebene hatte.
Sind in Reaktion auf 9/11 Unterschiede zwischen unterschiedlichen Regimetypen erkennbar, oder blieb keines von der Autokratisierungswelle verschont? Worin lassen sich innerhalb internationaler Konvergenzen Unterschiede erkennen? Wie lassen sich verfassungsrechtliche Garantien gegen staatliche Initiativen durchsetzen, und wie hat sich der politische Diskurs seit 9/11 verändert?
Eva Pils:
Als mächtigste Autokratie des 21. Jahrhunderts, dessen Regierungssystem auf der Einheit der Gewalten unter der Führung der kommunistischen Partei beruht, hat China sich den Diskurs des ‚war on terror‘ zum Beispiel im Kontext des ‚Volkskrieges gegen den Terror‘ in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang zueigen gemacht. Die Auswirkungen der systematischen Menschenrechtsverletzungen des Parteistaates in Xinjiang, in der gesamten Volksrepublik China und über Chinas Landesgrenzen hinaus weisen auf die globalen Ambitionen der Partei zur neototalitären Umgestaltung einer noch liberaldemokratisch geprägten, aber zunehmend fragilen Weltordnung hin.
Anja Mihr:
9/11 war weder eine Zäsur im internationalen Völkerrecht, noch ein Wendepunkt globaler Sicherheitspolitik. Der Anschlag war vielmehr ein Ergebnis verfehlter globaler Integrations- und Gleichstellungspolitik, nach dem Ende des Kalten Krieges.
Stephan Detjen:
9/11 hat den Diskurs über Recht und Innere Sicherheit auch in Deutschland verändert. In Politik, Medien und Rechtswissenschaft wurde über Rettungsfolter, Feindstrafrecht und eine Neujustierung von Freiheits- und Bürgerrechten im Namen der Inneren Sicherheit diskutiert. Zugleich wurden Abwehrkräfte gegen eine grundsätzliche Verschiebung des Grundrechteverständnisses wirksam. Was ist aus den argumentativen Frontlinien und Polarisierungen geworden, die sich nach 2001 abzeichneten?