Die angehaltene Ausfertigung
Grenzen von Stillhaltezusagen und Hängebeschlüssen im Verfassungsprozess
Das Bundesverfassungsgericht verweist häufiger auf die „ständige Staatspraxis“, dass sich der Bundespräsident dazu bereit erklärt, ein Gesetz zunächst nicht auszufertigen, wenn ein Eilantrag gegen das Inkrafttreten gestellt wurde.1) Derzeit scheint es im Rahmen des Eilverfahrens gegen die Zustimmung zur Änderung des Direktwahlakts (es geht um die Einführung einer unionsrechtlichen Sperrklausel für die Europawahl, s. hier) wieder eine solche Zusage zu geben. Meistens bleibt das Vorgehen informell und im Hintergrund, nur vereinzelt hat das Bundespräsidialamt eine Erklärung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht im Wege einer Pressmitteilung verlautbart (s. hier). Der Beitrag will aufzeigen, dass Stillhaltezusagen nicht prinzipiell problematisch sind, dass sie auf Grund ihres faktischen Stattgabeeffekts aber rechtlichen Anforderungen und auch Grenzen unterliegen.
Hintergrund der angehaltenen Ausfertigung ist, dass Eilanträge nach § 32 BVerfGG keine aufschiebende Wirkung haben, aber das Bundesverfassungsgericht nicht sofort nach dem Eingang des Antrags entscheiden kann. Auch wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache regelmäßig außer Betracht bleiben können, brauchen auch Entscheidungen auf Grund der „Doppelhypothese“ ihre Zeit – also die Abwägung der Folgen einer stattgebenden Eilentscheidung bei später ausbleibendem Hauptsacheerfolg mit den Folgen einer ablehnenden Eilentscheidung bei anschließendem Hauptsacheerfolg. Dadurch kann für den Antragsteller ein Zeitraum mit ungesichertem Zustand entstehen. Für dieses Problem bietet § 32 BVerfGG in der jetzigen Fassung keine Lösung.
Mögliche Lösungen
Stillhalteabreden
In dieser Lage liegt die Funktion einer Bitte des Gerichts, mit der Ausfertigung des Gesetzes zuzuwarten, in der Sicherung des Antragstellers gegen einen Rechtsverlust. Eine solche Absicherung ist allerdings oft gar nicht notwendig: Wird ein Gesetz für nichtig erklärt, ist es regelmäßig so zu behandeln, als habe es nie gegolten. Gegen zwischenzeitlich eingetretene Rechtswirkungen sind Betroffene damit (trotz der rechtserhaltenden Regelung für Einzelakte in § 79 II 1 BVerfGG) recht umfassend abgesichert. Besonderheiten bestehen jedoch dort, wo durch Gesetz einem völker- oder europarechtlichen Vorhaben zugestimmt wird: Wird auf Grund eines solchen Gesetzes gegenüber anderen Staaten bzw. der Europäischen Union2) die Zustimmung Deutschlands erklärt, so wird die damit bewirkte Bindung von einer späteren Nichtigerklärung des Zustimmungsgesetzes nicht berührt. Hier also ist eine Absicherung gegen einen irreversiblen Rechtsverlust zwischen Eilantrag und Eilentscheidung notwendig. Darin bestehen der Anwendungsbereich und der gute Sinn von Stillhaltezusagen des Bundespräsidenten auf Bitten des Gerichts.
Da das Inkrafttreten eines Zustimmungsgesetzes die völkerrechtliche Bindung nicht selbst bewirkt, sondern ihre Herstellung nur erlaubt, könnte an Stelle des Bundespräsidenten auch die Bundesregierung „stillhalten“: bezogen auf die Ratifikationserklärung. Dass die Staatspraxis in eine andere Richtung gegangen ist, erklärt sich vielleicht dadurch, dass der Bundespräsident bei der Ausfertigung – ungeachtet der Diskussion um sein Prüfungsrecht – prinzipiell als neutrale Instanz wirkt, die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes keine politischen Interessen verknüpft. Die Bundesregierung hingegen ist in den angesprochenen Fällen die Initiatorin des Gesetzentwurfs, und sie steuert ungeachtet der notwendigen parlamentarischen Mitwirkung den politischen Prozess rund um das jeweilige völker- oder europarechtliche Vorhaben.
Hängebeschlüsse
Die aus dem Verwaltungsprozess – auch dort wird mit Stillhalteerklärungen von Behörden gearbeitet – bekannte, in der VwGO allerdings nicht geregelte und nicht ganz unbestrittene Alternative besteht in einem Hängebeschluss: Damit verfügt das angerufene Gericht im Wege einer ersten (auflösend bedingten oder teils auch kurz befristeten) Eilentscheidung, dass bis zur eigentlichen Eilentscheidung das Handeln, das verhindert werden soll, nicht vorgenommen werden darf. Der einzige ausdrückliche Hängebeschluss des Bundesverfassungsgerichts3) erging im Eilverfahren über das Zustimmungsgesetz zum Eigenmittelbeschluss 2020 (als Teil des Vorhabens „Next Generation EU“, s. hier und hier): Am 26. März 2021 hatte der Zweite Senat zunächst angeordnet, dass das Zustimmungsgesetz vorläufig nicht ausgefertigt werden darf. Mit der eigentlichen (ablehnenden) Eilentscheidung vom 15. April 2021 erklärte er dann „die einstweilige Anordnung vom 26. März 2021“ für gegenstandslos. Warum es seinerzeit nicht zu einer Stillhalteabrede kam, ist nicht bekannt.
Kehrseiten der möglichen Lösungen
Nimmt man die Interessen der politischen Organe in den Blick, so zeigt sich, dass Stillhaltezusagen auch eine Schattenseite haben können. Wie lange ein Eilverfahren des Bundesverfassungsgerichts dauern kann und darf, ist nirgendwo festgelegt; es würde sich auch einer abstrakt-generellen Bemessung entziehen. Daher wird das Gericht bei einem Stillhalteersuchen den benötigten Zeitraum nicht verlässlich abschätzen können, und der Bundespräsident wird ihm auch keine zeitliche Vorgabe machen wollen. Deshalb sind nicht weiter spezifizierte Stillhaltezusagen verständlich. Doch sie bergen die Gefahr, dass ein völker- oder europarechtliches Vorhaben für einen längeren Zeitraum „angehalten“ wird. Das ist, wo eine Eilentscheidung auf eine Stillhaltezusage folgte, in der Vergangenheit kaum passiert: Beispielsweise zeigen die knapp drei Monate, die im Fall des ESM-Vertrags im Sommer 2012 zwischen Stillhalteerklärung und Eilentscheidung lagen, ein großes Bemühen um Verfahrensbeschleunigung mit Blick auf die Dringlichkeit des Vorhabens und das Warten ganz Europas in der Euro-Krise. Unabhängig vom praktischen Vorgehen stellt sich aber die Frage, ob es rechtliche Vorgaben für Stillhalteabreden gibt. Drängender noch ist die Frage, ob sie zum Anlass genommen werden dürfen, auf die Durchführung eines Eilverfahren zu verzichten und direkt in der Hauptsache zu entscheiden, wie es bei den Verträgen von Maastricht und Lissabon, beim ersten Durchgang des Verfahrens über das Einheitliche Patentgericht oder jüngst bei der ESM-Reform geschehen ist. Das Bundesverfassungsgericht selbst geht davon aus, dass eine Entscheidung im Eilverfahren „nicht veranlasst“ sei, wenn der Bundespräsident zum Stillhalten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bereit ist.4)
Ob aber die beiden Verfassungsorgane wirklich eine das Eilverfahren (scheinbar) erledigende Stillhalteabrede treffen dürfen, wird zweifelhaft, wenn man genauer auf den Effekt einer solchen Abrede blickt: Das Absehen von einer förmlichen Eilentscheidung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stillhalteabrede die Eilentscheidung nur dadurch erübrigen kann, dass sie ein funktionales Äquivalent einer Eilentscheidung ist: und zwar einer stattgebenden. Denn solange der Bundespräsident mit der Ausfertigung eines Zustimmungsgesetzes zuwartet, steht der Antragsteller so, als wäre dem Eilantrag stattgegeben worden. Faktisch ergeht eine zwischenzeitliche Regelung also durchaus – nur nicht im dafür vorgesehenen Verfahren des § 32 BVerfGG. Die gleiche Wirkung hat ein Hängebeschluss, der aber als gerichtliche Regelung für die Zwischenzeit näher am gesetzlichen Regelungsmodell zu liegen scheint.
Rechtliche Vorgaben und Grenzen
Diese faktische Stattgabewirkung veranlasst die Frage, ob es rechtliche Vorgaben und Grenzen für Stillhalteabreden und Hängebeschlüsse gibt.
Stillhalteabreden
Zunächst verlangt § 32 BVerfGG eine Entscheidung über Eilanträge. Wenn das Bundesverfassungsgericht, wie es vor allem in Kammerentscheidungen geschieht, schnell in der Hauptsache entscheidet und dabei aussprechen kann, dass sich der Eilantrag erledigt hat, ist das im Prinzip nicht problematisch: Die Beteiligten stehen hier nicht anders, als sie bei einer Entscheidung über den Eilantrag stehen würden – sie stehen sogar besser, wenn sie innerhalb kürzester Zeit eine endgültige Sachentscheidung bekommen. Problematisch wird es aber, wenn der Verzicht auf die Durchführung des Eilverfahrens nicht auf die Möglichkeit einer schnellen Hauptsacheentscheidung zurückgeht, sondern auf eine informelle Zwischenregelung, die faktisch wie eine Stattgabe im Eilverfahren wirkt. Würde in dieser Lage auf eine förmliche Eilentscheidung verzichtet, fiele unter den Tisch, dass für eine stattgebende Entscheidung gegen das Inkrafttreten eines Gesetzes – und zusätzlich mit außenpolitischen Implikationen – nach der ständigen Verfassungsrechtsprechung besonders hohe, hier gewissermaßen „doppelt hohe“ Anforderungen gelten. Einen Zustand herbeizuführen, für den diese Anforderungen eigentlich erfüllt sein müssten, ist deshalb nur vorläufig, d.h. bis zur Möglichkeit einer Entscheidung zulässig, in der dann geprüft wird, ob die strengen Voraussetzungen auch erfüllt sind. Ausfallen darf dieser Entscheidungsmaßstab wegen der faktisch stattgebenden Wirkung der Stillhalteabrede dagegen nicht. Ansonsten könnte ohne Berücksichtigung der Rechtspositionen und der politischen Interessen von Parlament und Regierung ein völker- oder europarechtliches Vorhaben ohne Folgenabwägung über längere Zeit aufgehalten oder sogar ganz verhindert werden. So lagen im ersten Durchgang des Verfahrens über das Einheitliche Patengericht zwischen der Stillhaltezusage und der Bekanntgabe der Hauptsacheentscheidung knapp drei Jahre und im Verfahren über die ESM-Reform knapp eineinhalb Jahre.
Es bleibt die Frage, für wie lange eine Zwischenregelung mit faktisch stattgebender Wirkung herbeigeführt werden darf. Die Regelungen in § 32 II, V und VII BVerfGG ermöglichen zügige Eilentscheidungen, worin ein ohnehin selbstverständliches Beschleunigungsgebot zum Ausdruck kommt. In der Folge einer Stillhaltezusage muss auf diese Beschleunigung ganz besonderes Augenmerk gelegt werden, damit die faktische Zwischenregelung nicht länger aufrechterhalten wird als unbedingt nötig. Freilich bemisst sich gerade in komplexeren völker- und europarechtlichen Verfahren der angemessene Zeitraum für ein Eilverfahren sicherlich eher in Monaten als in Wochen. Die Frage nach einer maximalen Dauer von Stillhaltezusagen beantwortet § 32 VI BVerfGG implizit mit: Danach tritt eine einstweilige Anordnung nach sechs Monaten außer Kraft. Wenn aber eine gerichtliche Entscheidung anhand eines rechtlichen Maßstabs nach sechs Monaten ausläuft und dann durch eine erneute Entscheidung wiederum anhand dieses Maßstabs ersetzt werden muss, dann kann eine kriterienlose informelle Zwischenregelung auf keinen Fall eine Sicherungswirkung entfalten, die über diejenige einer gerichtlichen Entscheidung hinausgeht. Deshalb komme ich mit Blick auf § 32 VI BVerfGG zu dem Schluss, dass eine Stillhaltezusage nach längstens sechs Monaten ausläuft5). Das genügt praktischen Bedürfnissen, da auch in komplizierteren Verfahren – das belegt das erwähnte Eilverfahren zum ESM-Vertrag – innerhalb von sechs Monaten eine wohl durchdachte Eilentscheidung jedenfalls auf der Grundlage einer Folgenabwägung getroffen werden kann. Im Übrigen spricht viel dafür, wegen der funktionalen Äquivalenz von Stillhalteabrede und stattgebender Eilentscheidung davon auszugehen, dass für eine einstweilige Anordnung, die einer Stillhalteabrede nachfolgt, nach § 32 VI 2 BVerfGG eine Zweidrittelmehrheit im Senat6) notwendig ist, weil schon die Stillhalteabrede faktisch wie eine erste Stattgabe wirkt.
Hängebeschlüsse
Meiner Auffassung nach steht das Instrument des Hängebeschlusses dem Bundesverfassungsgericht nicht zur Verfügung. Relevant wird die Frage nur, wenn eine sehr schnelle Eilentscheidung ausscheidet und eine Stillhalteabrede nicht zustande kommt. Warum sollte das Bundesverfassungsgericht hier dazu befugt sein, eine vorläufige Eilentscheidung zu treffen, die zwar die gleichen Wirkungen hat wie eine endgültige, die aber maßstabslos ergeht und damit im freien Ermessen des Gerichts steht? Zugespitzt: Darf das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz anhalten, ohne zumindest eine Folgenabwägung vorzunehmen? Dagegen spricht, dass § 32 BVerfGG Erleichterungen für schnelle Eilentscheidungen beinhaltet, nicht aber die Möglichkeit einer maßstabs- und prüfungslosen Eilentscheidung. Dagegen spricht weiter, dass die Abfassung von § 32 I BVerfGG klar in die Richtung einer alle Interessen berücksichtigenden Entscheidung weist. Schließlich sprechen die in § 32 III und IV BVerfGG vorgesehene Widerspruchsmöglichkeit und die Option des Gerichts, infolge eines Widerspruchs die Vollziehung seiner einstweiligen Anordnung auszusetzen, gegen eine jederzeitige amtswegige Ersetzung einer nur vorläufig gemeinten Eilentscheidung durch eine endgültige7). Deshalb gehe ich davon aus, dass Hängebeschlüsse einer gesetzlichen Grundlage im BVerfGG bedürften, die es gegenwärtig nicht gibt.
Schluss
Der fragmentarische Charakter der Prozessordnung des Bundesverfassungsgerichts lässt viele Fragen unbeantwortet. Dass die Praxis nach Lösungen sucht, um auftretenden Problemen und Bedürfnissen gerecht zu werden, ist nicht zu kritisieren. Auch das Instrument der Stillhalteabrede zur Absicherung des Zeitraums zwischen Eilantrag und Eilentscheidung ist, wo ein Sicherungsbedürfnis besteht, nicht als solches problematisch. Doch es sollte so eingesetzt werden, dass die Interessen der übrigen Verfassungsorgane berücksichtigt werden. Aus meiner Sicht führt das zum Auslaufen von Stillhaltezusagen nach sechs Monaten und zur Unzulässigkeit des Verzichts auf die Durchführung von Eilverfahren anlässlich solcher Zusagen. Sollte darin oder in der fehlenden Möglichkeit von Hängebeschlüssen keine bedarfsgerechte Rechtslage gesehen werden, könnte nur der Gesetzgeber daran etwas ändern.
Der Verfasser war an mehreren der angeführten Verfahren als Prozessbevollmächtigter beteiligt, er gibt hier aber nur seine persönliche Auffassung wieder. Die Überlegungen gehen zurück auf den Beitrag „Stillhalten im Verfassungsprozess“ in: P. Donath/A. Heger/M. Malkmus/O. Bayrak (Hrsg.), Der Schutz des Individuums durch das Recht, Festschrift für Rainer Hofmann, Bd. 2, 2023, S. 1117-1132.
References
↑1 | S. zuletzt BVerfGE 153, 74 (131) – Einheitliches Patentgericht I; 158, 210 (227) – Einheitliches Patentgericht II; 163, 165 (210) – ESM-Reform. |
---|---|
↑2 | Das betrifft den Sonderfall zustimmungsbedürftiger Unionsrechtsakte wie etwa beim Eigenmittelbeschluss nach Art. 311 III 3 AEUV oder beim Europawahlrecht nach Art. 223 I 2 S. 2 AEUV. |
↑3 | Der Sache nach gab es auch früher bereits Hängebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, die aber nicht so bezeichnet wurden, s. BVerfGE 85, 127 (128) – nach 16 Tagen ersetzt durch die eigentliche Eilentscheidung; BVerfGE 88, 185 (186 f.) – befristet auf eine Woche; BVerfGE 99, 145 (155) – befristet auf 18 Tage; BVerfGE 104, 38 (39); 104, 39 (40); und 104, 41 (41) – „bis zur endgültigen Entscheidung über den Eilantrag“; und den Kammerbeschluss zu 2 BvR 1978/13 vom 27.03.2018 – „bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, längstens für die Dauer eines Monats“. |
↑4 | S. BVerfGE 153, 74 (131) – Einheitliches Patentgericht I; 163, 165 (210) – ESM-Reform. |
↑5 | Dem entsprach im zweiten Durchgang des Verfahrens über das Einheitliche Patentgericht der Zeitraum zwischen der Stillhaltezusage (13.01.2021) und der Bekanntgabe der Eilentscheidung (09.07.2021). |
↑6 | S. § 93d II 2 BVerfGG. |
↑7 | Im Verwaltungsprozess ist die Lage nach § 80 VII VwGO, der trotz fehlender dortiger Bezugnahme auch auf das Verfahren des § 123 VwGO angewendet wird, m.E. eine andere. |
Dass es nur einen ausdrücklichen Hängebeschluss des BVerfG gäbe, ist so nicht richtig. Abseits der Konstellation des völkerrechtlichen Vertrages gibt es eine Vielzahl derartiger Beschlüsse.
Dass der Hängebeschluss keine gesetzliche Grundlage haben würde, überzeugt mich in dieser Pauschalität nicht. Der Hängebeschluss ist in seiner Wirkung einem “normalen” Beschluss identisch. Er unterscheidet sich nur in seiner Begründung (wofür § 32 BVerfGG aber Regelungen vorsieht) und in seiner Entscheidungsform (wofür auch der GVP Regelungen bereithält). Im Inhalt gibt es aber keinen Unterschied, da § 32 BVerfGG dem BVerfG die Freiheit lässt, den Sachverhalt so zu regeln, wie es das für sinnvoll hält.
Zutreffend finde ich eher die Problematik der Stillhaltabkommen, weil diese tatsächlich nicht geregelt sind. Das wiederum scheint mir aber eher kein Problem des BVerfG zu sein: Dieses muss “nur” Rechtsschutz im Bezug auf den Antragsgegenstand leisten. Der wird auch durch eine Stillhaltevereinbarung geleistet.
Was dadurch aber ungeklärt bleibt, ist das Verhältnis von den Normbetroffenen zum Bundespräsidenten. Denn was passiert in dieser Situation, wenn ein Normbetroffener auf die Ausfertigung hofft (und insoweit uU sogar durch Unionsrecht geschützt wird)? Mir scheint es hier keine (zumindest unionsrechlich) tragbare Lösung zu sein, dass der Bundespräsident einfach ohne jede gesetzliche Grundlage nichts tun darf.
Vielen herzlichen Dank!
Zwei Rückfragen hätte ich, wenn ich darf:
-Kennen Sie noch mehr Hängebeschlüsse als die in FN 3 Genannten?
-Wichtiger: Sie würden also sagen, im Wege des Hängebeschlusses darf das Gericht allein das Sicherungsbedürfnis des Antragstellers ohne weitere Berücksichtigung sonstiger Umstände zum Anlass nehmen, die “dringende Gebotenheit” iSv § 32 I BVerfGG (zunächst) zu bejahen? Hätte das dann irgendeine (zeitliche) Grenze? Müsste man nicht doch verlangen, dass das Überwiegen der Interessen des Antragstellers im Wege einer kurzen Folgenabwägung begründbar ist (die Begründung kann ja nachgereicht werden, entfiele dann aber nicht ganz).
Freundliche Grüße,
Heiko Sauer.