20 October 2025

Ein rundfunkrechtliches „Solange“?

Erste Gedanken zur Entscheidung des BVerwG betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Beitragspflicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) an die längerfristige Vielfalt und Ausgewogenheit seines Programms, also die Qualität des durch den ÖRR geleisteten Beitrags zur Meinungsbildung, gekoppelt. In der Pressemitteilung zum noch unveröffentlichten Urteil (BVerwG 6 C 5.24) wird die gerichtliche Konzeption bereits in einem Konkretheitsgrad dargestellt, der es uns als lohnend erscheinen lässt, sie rechtswissenschaftlich in Augenschein zu nehmen. Ein institutionalisiertes Vielfaltsmonitoring könnte die chronische Kritik am Rundfunksystem tatsächlich konstruktiv verarbeiten. Die gewählte Konstruktion dürfte die Verwaltungsgerichtsbarkeit aber überfordern und als Druckventil versagen.

Eine Vorgeschichte zwischen Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit

Dass der Erste Senat des BVerfG den Rundfunkbeitrag 2018 für verfassungsmäßig erklärt hatte, ließ den Klagestrom gegen diesen nicht abebben. Stattdessen kam es in der Folge zu einem interessanten Ping-Pong-Spiel zwischen den Gerichtsbarkeiten.

Renitente Beitragsverweigerer, die den ÖRR als nicht ausgewogen und  „links-grün-lastig“ kritisierten, verwiesen die Oberverwaltungsgerichte bislang darauf, dass sie Programmbeschwerden verfassen oder sich informell an die Rechtsaufsicht der Anstalten wenden könnten, nicht aber die Angebotsqualität der mit Programmautonomie ausgestatteten Anstalten einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterziehen können (vgl. hier, hier, hier, hier und hier).

In zwei Entscheidungen der 3. Kammer des Ersten Senats – jeweils begründete, obgleich nicht ersichtlich begründungsbedürftige Nichtannahmen – deutete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Zuge dieser Entwicklung an, dass die Frage, inwiefern die Beitragspflicht in Verbindung mit der Auftragserfüllung des ÖRR stehe, aus seiner Sicht nicht geklärt und keinesfalls durch das Senatsurteil aus dem Jahr 2018 entschieden sei (vgl. hier und hier).

So wurde Autorität durch Andeutung demonstriert: Ohne dass die Kammer eigene Positionen zum rundfunkverfassungsrechtlichen Verständnis formulierte, motivierte ihre gleichsam unterbliebene Zurückweisung des Beschwerdeführervortrags auch die 1. Kammer des VerfGH NRW, die Offenheit der Rechtsfrage zu betonen und rechtswissenschaftliche Stimmen dazu, sie affirmativ aufzugreifen und weiterzuentwickeln (B. Schneider, NVwZ 2024, 39 f.; Gersdorf, NVwZ 2025, 1465 ff.; von Coelln, FS Gounalakis, 2025, 262 ff.).

Der 6. BVerwG-Senat, der 2017 noch geurteilt hatte, die Möglichkeit, die Rundfunkabgabe zu verweigern, wenn die Programminhalte des ÖRR „gegen Anforderungen des Grundgesetzes [verstießen]“, bestehe „offensichtlich nicht“, ließ nun eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen den rezeptionsunwilligen VGH München zu und hob ihn in seiner Sachentscheidung auf. Dabei verweist er schon in seiner Pressemitteilung auf die zwischenzeitlich ergangenen Kammerentscheidungen des BVerfG. Langfristig könnte sich die 3. Kammer des BVerfG durch ihre Andeutungen, wie im Folgenden näher ausgeführt wird, im zwischengerichtlichen Konsens zweijährlich getaktete Senatsentscheidungen beschert haben.

Ein rundfunkrechtliches „Solange“?

Die Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV sei verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigt, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, bestehend aus Fernsehen, Hörfunk und Telemedien, die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt.

Das BVerfG habe 2018 in der Senatsentscheidung zum Rundfunkbeitrag die hinreichende Vielfalt und Ausgewogenheit implizit für den damaligen Zeitpunkt bejaht, die Beitragspflicht damit aber nicht von deren tatsächlicher Erfüllung bis in alle Ewigkeit für verfassungsmäßig erklärt (so zuvor bereits das VG Freiburg 2023, Rn. 54). Stattdessen müsse der den ÖRR betreffende Status quo für den betreffenden Zeitraum eigens ermittelt werden.

Die Pressemitteilung des BVerwG enthält dabei konzeptionelle Parallelen zu der zuvor von Hubertus Gersdorf ausgearbeiteten Konzeption justiziabler Auftragserfüllung durch den ÖRR (NVwZ 2025, 1465 ff.). In einem nicht unwesentlichen Punkt scheint der 6. Senat aber von Gersdorf abzuweichen: Während dieser ein subjektiv-öffentliches Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG mit dem synallagmatischen Charakter des Beitrags begründet, bei dem der Beitragspflicht eine Gegenleistung in qualitativer Hinsicht entspreche (1467 f.), grenzt sich das BVerwG in seiner Pressemitteilung hiervon ab: Weder § 2 RBStV noch Bestimmungen des MStV verknüpften die Beitragspflicht mit der Erfüllung des Funktionsauftrags.

Anscheinend lässt es das BVerwG dabei bewenden, der mit der Beitragspflicht verbundene Grundrechtseingriff bedürfe einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage, die § 2 Abs. 1 RBStV aber nur solange darstelle, wie der ÖRR seinen Auftrag erfüllt und so die „verfassungsrechtliche Äquivalenz zwischen Beitragspflicht und Programmqualität“ aufrechterhält. Mit der Konzeption sind zwei Konsequenzen verbunden: Erstens lässt sich diese Argumentation auch auf die in der Literatur zunehmend für verfassungsrechtlich möglich erachtete Umstellung auf eine Steuerfinanzierung des ÖRR erstrecken. Zweitens wird damit die Verfassungsmäßigkeit einer abstrakt-generellen Norm in außerordentlicher Weise von dynamischen Entwicklungen des Realbereichs abhängig gemacht. § 2 RBStV unterliegt quasi einem rundfunkrechtlichen „Solange“.

In dieser Konzeption ist wohl auch die Ursache dafür zu suchen, dass das Gericht in seiner Pressemitteilung ohne nähere Begründung ausführt, den Anstalten komme kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der besagten Äquivalenz zwischen Beitragspflicht und Programmqualität – also der Vielfalt und Ausgewogenheit ihres Angebots – zu. Wohlgemerkt ist ein solcher Beurteilungsspielraum der Anstalten bei der Ausfüllung wertungsbedürftiger Rechtsbegriffe wie der Ausgewogenheit und Vielfalt im Rahmen der Rechtsaufsicht bislang unstreitig, weil ansonsten der Sache nach eben doch Zweckmäßigkeitserwägungen angestellt und aufgedrängt werden könnten (Hahn in Binder/Vesting, RundfunkR, Anh. § 49 Rn. 44; BeckOK Info&MedienR/Kühling Art. 5 GG Rn. 73; von Coelln, FS Gounalakis 2025, 262; vgl. Gersdorf, NVwZ 2025, 1474). Dass das BVerwG den Beurteilungsspielraum der Anstalten nun ausschließt, könnte im Maßstab der Verfassungsmäßigkeit des § 2 RBStV als abstrakt-genereller Norm und dem insoweit bestehenden gesetzgeberischen Spielraum begründet liegen. Aber auch wenn das BVerwG davon ausgeht, der Spielraum des Gesetzgebers surrogiere insoweit den der Anstalten, erschließt sich nicht vollends, weswegen es seiner Aussage zu den Anstalten überhaupt bedarf.

Die Krux mit den Gutachten

Nach der Konzeption des BVerwG soll die Vielfalt und Ausgewogenheit des ÖRR innerhalb des gerichtlichen Verfahrens durch wissenschaftliche Gutachten untersucht werden. Den Klägerinnen und Klägern obliege dabei regelmäßig, für eine gutachterliche Vorprüfung zu sorgen, die unter Umständen durch die Verwaltungsgerichte weiterbetrieben werde und in ein Normenkontrollverfahren vor dem BVerfG münden könne, Art. 100 Abs. 1 GG.

In den Bereich richterlicher Expertise fällt die Angebotsqualität nicht, sodass Gutachten einen Rationalitätsgewinn versprechen. Aber der 6. Senat scheint die Herkulesaufgabe, die er letztlich auch seiner eigenen Gerichtsbarkeit aufbürdet, nicht vollends überblickt zu haben. Während sich der auf negative Vielfaltssicherung ausgerichtete § 60 MStV an die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) als ein entsprechend ausgerichtetes und ausgestattetes Organ wendet, soll nun kläger- und fachgerichtsseitig die ungleich komplexere Vielfalt und Ausgewogenheit des ÖRR ermittelt werden. Gersdorf hält das (anders als B. Schneider, NVwZ 2024, 40) zurecht für nicht leistbar, spricht stattdessen von einer Darlegungslast der Rundfunkanstalten und konstruiert diese de lege lata als Nebenpflicht zu jener, die Qualitätsvorgaben des Angebots aus § 26 MStV zu erfüllen (NVwZ 2025, 1474) – ein weiterer Aspekt, in dem ihm der Senat, soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich, nicht folgt.

Wagt man den Blick in die Nachbardisziplinen, zeigt sich, dass die Frage, wie die Vielfalt des ÖRR sinnvollerweise untersucht werden sollte, zwar nicht neu, aber deswegen noch lange nicht beantwortet ist. Vielfalt hat viele Dimensionen: Geht es um Akteure – die Medienschaffenden selbst oder die, über die berichtet wird? Geht es um die Themen? Oder um die Perspektiven auf Themen? Sind diese Dimensionen mit quantitativen und/oder qualitativen Methoden zu ermitteln? Und in welchem Bedeutungsverhältnis stehen Fernsehen, Hörfunk und Telemedien? Begreift man Vielfaltssicherung als Repräsentationsverfahren („die in der Gesellschaft vorfindlichen Auffassungen und Werthaltungen im Angebot angemessen abzubilden“), beginnen die empirischen und konzeptionellen Schwierigkeiten schon damit, die Ausgangslage zu erfassen, nicht nur ihre Repräsentation im Programm. Damit sind unterschiedliche Disziplinen und Subdisziplinen angesprochen, die Medien- und Kommunikationswissenschaft etwa, aber auch die Politikwissenschaft und (Medien-)Ökonomie. Selbst ambitionierte Studien, wie die 2024 von Maurer/Kruschinski/Jost 2024 vorgelegte, sind im Gegenstand und Zeitraum ihrer Untersuchung begrenzt und werden nicht müde, dies auch zu betonen.

Zu diesen generellen Begutachtungsherausforderungen tritt nun ein praktisches Fristen- und Präklusionsproblem hinzu: Das BVerwG verlangt nämlich, dass in den Gutachten „eine längere Zeitspanne von nicht unter zwei Jahren, die mit dem in dem angefochtenen Bescheid abgerechneten Zeitraum endet“, in den Blick genommen wird. Es fordert also eine Zeitspanne, die einerseits teilsynchron zur Beitragsschuld verläuft, dabei aber regelmäßig weiter als diese zurückreicht. Mit diesem Aspekt der teilweisen Abrechnungssynchronität wird aber eine durch Widerspruchs- und Klagefristen vermittelte Gutachtenaktualität eingefordert, die jedenfalls bei einer wissenschaftlichen Standards genügenden Arbeitsweise kaum leistbar sein wird: Vier Wochen nach Fälligkeit des Rundfunkbeitrags tritt Säumnis ein, § 11 Abs. 1 S. 1 Beitragssatzung. In der Folge wird der Beitrag der säumigen Person gem. § 10 Abs. 5 S. 1 RBStV durch Bescheid festgesetzt. Es gilt dann die übliche einmonatige Widerspruchsfrist, § 70 Abs. 1 VwGO, vor Gericht schließlich die Präklusionsvorschrift des § 87b VwGO.

Zum Vergleich: Die äußerst aufschlussreiche Studie von Maurer/Kruschinski/Jost erhebt nicht den Anspruch, die Vielfalts- und Ausgewogenheitsbestimmung des ÖRR-Gesamtangebots zu erfassen und untersucht drei Monate. Damit wäre sie nach Ansicht des BVerwG also viel zu eng und viel zu kurz bemessen. Dennoch war die Studie für die anschließende Auswertung darauf angewiesen, unter anderem neun Codiererinnen und Codierer über ein halbes Jahr hinweg zu beschäftigen. Verfahrensrechtlich eingekleidet lässt sich so etwas allenfalls im Rahmen einer bis ins Kleinste durchkalkulierten Strategic Litigation realisieren.

Das falsche Forum für eine richtige Frage

Wer die Beitragspflicht von der Programmqualität abhängig machen und gleichzeitig die verfassungsrechtlich vorgegebene Finanzierungsgarantie des ÖRR nicht aufs Spiel setzen möchte, muss sehr hohe Hürden aufstellen. So geht das BVerwG mit gutem Beispiel voran und schließt seine Pressemitteilung mit der in der Sache bedeutungslosen Prognose, es erscheine „nach dem bisherigen tatsächlichen Vorbringen derzeit überaus zweifelhaft, ob die Klägerin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wird erreichen können.“ Das dürfte ein Vorgeschmack auf die zukünftige verwaltungsgerichtliche Praxis sein.

Tatinstanzen dürften prozessökonomisch bemüht sein, die Mitwirkungsbeiträge der Klägerinnen und Kläger, geleistet durch Privatgutachten zum Zustand des ÖRR, im Rahmen des § 86 VwGO als unzureichend zu würdigen. Diesen gelänge es von vornherein nicht, Verletzungen verfassungsrechtlicher Vielfalts- und Ausgewogenheitserfordernisse zu plausibilisieren und drängten dem Gericht folglich nicht auf, selbst weitergehende Gutachten in Auftrag zu geben. Wer so taktiert, muss dann freilich hoffen, dass auf entsprechende Verletzungen der gerichtlichen Aufklärungspflicht gestützte Revisionsrügen in Leipzig verständnisvoll behandelt werden.

Die im nächsten Schritt anstehende verfassungsgerichtliche Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfreut sich bekanntlich aufgrund der sehr hohen Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 BVerfGG generell keiner großen Beliebtheit. Nach der Konzeption des BVerwG wird die Vorlage zudem zu einem außergewöhnlich stark interdisziplinär-empirisch aufgeladenen Instrument der Qualitätskontrolle. Formal mag es darum gehen, unter zwei Rechtsbegriffe zu subsumieren, in der Sache aber geht es um eine inhaltliche Langzeitwürdigung eines medialen Angebotskonglomerats. Wenn ein Gericht dann doch dem BVerfG vorlegt, ist wiederum umstritten, ob und in welchen Konstellationen andere mit dem Rundfunkbeitrag befasste, aber (noch) nicht von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugte Spruchkörper derweil analog § 94 VwGO ihr Verfahren aussetzen können, ohne sich selbst dem Ressourceneinsatz einer Vorlage aussetzen zu müssen (Schoch/Schneider/Rudisile, VwGO § 94 Rn. 48 ff.). Prozessökonomisch naheliegend, würde so eine „Einer für Alle“-Vorlagestrategie jedenfalls die Chance verstreichen lassen, der untersuchungsgegenständlichen und methodischen Relativität der Gutachten durch Pluralismus abzuhelfen.

Bekanntlich dienen die Subsidiaritäts- und Substantiierungserwägungen des BVerfG dazu, den Boden einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung aufzubereiten, auch empirisch und nachbarwissenschaftlich. Aber diese Erwägung passt vorliegend nicht recht. Während die fachgerichtliche Tatsachenuntersuchung auf Einzeltatsachen zugeschnitten ist, geht es dem BVerfG im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen nach § 26 Abs. 1 S.1 BVerfGG regelmäßig um die „Feststellung genereller Tatsachen (legislative facts)“ (BVerfGE 77, 360 (362); Voßkuhle, NJW 2013, 1329 (1333)) – eben solchen wie der Funktionalität und Qualität des Rundfunksystems. Erst auf dieser Ebene scheinen Gutachten, wie sie vorliegend nötig wären, schulterbar. Dies auch, weil hier eigene Maßstäbe für die noch hinzunehmende Verfahrensdauer angelegt werden (vgl. § 97a Abs. 1 S. 2 BVerfGG). Im Übrigen ermöglichen es auch erst die Flexibilisierungspotenziale der bundesverfassungsgerichtlichen Tenorierungstechnik, die enormen Härten einer Unausgewogenheitsfeststellung abzufedern (denkbare Erwägung: „Eine finanzielle Zerstörung des ÖRR wäre noch diskursschädlicher als eine vorübergehend hinzunehmende Unausgewogenheit desselben.“).

Zuvörderst legt das institutionelle Gefüge des ÖRR mit seinen Gremien und Verfahren aber eine interne Kontrolle nahe. Wie Gersdorf treffend bemerkt, sieht der Reformstaatsvertrag (7. MÄStV), der aktuell der Zustimmung der Landesparlamente harrt, bereits Leistungsanalysen Auftragsberichte eines Medienrats u.a. bezüglich der Ausgewogenheit und Vielfältigkeit des Angebots vor. Dieser Erarbeitungskontext erscheint deutlich erfolgsversprechender als eine entsprechende Substantiierungsobliegenheit klagender Beitragsschuldner. Ihn zu gestalten ist, wie auch die qualitative Ausrichtung von Rundfunkangeboten, Ausdruck des gesetzgeberischen Spielraums. Die gesetzgebenden Organe nutzen diesen Spielraum, indem sie über Organisation und Verfahren steuern und die inhaltliche Ausfüllung der Zielbegriffe, wie Vielfalt und Ausgewogenheit, plural besetzten Gremien überlassen, die eigens dafür geschaffen wurden.

Cui bono?

Wem gereicht die Entscheidung also zum Vorteil?

Der Verwaltungsgerichtsbarkeit schon mal nicht. Ihr Verfahrensrecht ist nicht darauf ausgerichtet, dem Volkssport des Rundfunkbashings mit Realbereichserforschungen in der Breite beizukommen. Wenn dann die erfolgreichen Klagen ausbleiben, dürfte die Antipathie gegen den ÖRR auch alsbald die Verwaltungsgerichtsbarkeit miteinschließen. Immerhin hat auch die Öffnung für Programmbeschwerden den ÖRR nicht vor seinen Kritikerinnen und Kritikern bewahrt.

Gereicht die Entscheidung aber dem ÖRR selbst zum Vorteil? Als Weckruf könnte sie durchaus dazu dienen, Selbstkontrollen und Dokumentationen zu verstärken. Im Schreckensszenario einer erstarkenden medienfeindlichen Partei, die den ÖRR nach dem Vorbild Ungarns und Polens unter der PiS-Regierung kapert, lässt sich die Entscheidung mit Felix Zimmermann auch als Element wehrhafter Demokratie lesen. Eine ernsthafte Begutachtung der Vielfalt und Ausgewogenheit, die wissenschaftlichen Standards und bundesverwaltungsgerichtlichen Maßstäben genügt und sich über mehrere Jahre erstreckt, wird sie dagegen nicht generieren.

Am ehesten kann sich das BVerfG freuen. Es bekommt fachgerichtlich eine neue, hochkontroverse und -politische Prüfungsdomäne angeboten. Gleichzeitig ermöglicht das vom 6. BVerwG-Senat gesetzte Zweijahresfenster ihm, ständige Verfahrenseingänge mit geringem Aufwand zu verwerfen. Jedenfalls dürfte es kaum gelingen, mit den verfassungsgerichtlichen Substantiierungspflichten genügend darzulegen (§§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG), dass das Zweijahresfenster generell oder im Einzelfall verfassungsrechtlich inadäquat gesetzt ist.


SUGGESTED CITATION  Mast, Tobias; Schulz, Wolfgang: Ein rundfunkrechtliches „Solange“?: Erste Gedanken zur Entscheidung des BVerwG betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags, VerfBlog, 2025/10/20, https://verfassungsblog.de/bverwg-beitragspflicht-rundfunk/, DOI: 10.59704/b0652a12d5333e3e.

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