Die materiellen Kriterien für Wiederholungswahlen muss das Grundgesetz regeln
Nach Artikel 41 GG ist die Wahlprüfung Sache des Bundestages. Auf den ersten Blick ist das paradox, entscheidet doch ein gewähltes Gremium über die Gültigkeit der eigenen Wahl und damit seine eigene Zusammensetzung. Ganz so paradox ist die ganze Angelegenheit dann aber doch nicht, denn gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht möglich, welches abschließend entscheidet.
Weder das Grundgesetz noch das Wahlprüfungsgesetz stellen jedoch materielle Kriterien für eine Wiederholungswahl auf. Das ist in einer Demokratie ein ernsthaftes Problem, weil dann allein der Rechtsprechung die Aufgabe zufällt, die entsprechenden Kriterien zu entwickeln und sie somit judikativ Recht setzt.
Das wiederum ist nicht banal. Die Wahlprüfung und damit die Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl ist angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung auf Bundesebene über keine andere Form der direkten Mitbestimmung verfügt, von entscheidender Bedeutung für das Vertrauen in die Demokratie. Das BVerfG hat festgestellt, dass das Recht der Bürger*innen, „in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen“, elementarer Bestandteil des Demokratieprinzips ist. In einer Demokratie, anders als in einer Diktatur, gibt es die Möglichkeit, eine fehlerhafte Wahl zu korrigieren. Die abschließende Prüfung durch ein Gericht und nicht durch ein von der Wahl direkt betroffenes Gremium aus Abgeordneten (Wahlprüfungsausschuss) ist deshalb aus demokratietheoretischer Sicht zwingend. Denn eine abschließende Entscheidung in eigener Sache läuft immer Gefahr diskreditiert zu werden.
Dass die Wahlprüfung in Bezug auf die Bundestagswahl zweistufig aufgebaut ist, kann hier zunächst etwas verwundern, ist wohl aber angesichts der Aufgabenfülle des Bundesverfassungsgerichts derzeit nachvollziehbar. Zugleich wird aber grundlegender Änderungsbedarf deutlich.
Die Zweistufigkeit ist nicht das Problem
Beim Bundesverfassungsgericht waren 2020 noch 3.214 Verfahren anhängig. Bis 2010 gab es 201 Beschwerden in Wahlprüfungsverfahren, in der Zeit von 2010 bis 2020 waren es 246 Beschwerden (a.a.O.,S. 6). Beim Deutschen Bundestag gab es von der ersten bis zur 19. Wahlperiode über 3.000 Einsprüche. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2021 lagen dem Wahlprüfungsausschuss 2.115 Einsprüche vor. Es liegt auf der Hand, dass die Behandlung all dieser Einsprüche das BVerfG lahmlegen würde, zumindest wenn eine Entscheidung möglichst zu Beginn der Wahlperiode angestrebt wird. Die Anzahl der Einsprüche beim Wahlprüfungsausschuss und die Zahl der noch anhängigen Verfahren beim BVerfG machen deutlich, eine seriöse und möglichst frühe Entscheidung von Wahlprüfungsbeschwerden kann nicht gewährleistet werden. Die Möglichkeit des Wahleinspruchs zu beschränken wiederum scheint nicht angemessen, da vor dem Hintergrund des Wahlrechts als elementaren Bestandteils des Demokratieprinzips jedem/jeder Bürger*in die Möglichkeit der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl offen stehen sollte. Sicherlich, ein nicht unwesentlicher Teil der Einsprüche beim Wahlprüfungsausschuss betreffen die Vorkommnisse bei der Wahl in Berlin, aber auch ohne diesen besonders gelagerten Fall ist die Zahl der Einsprüche gewöhnlich so hoch, dass sie das BVerfG vermutlich überlasten würde. Die Regelung, dass ein Wahleinspruch nur schriftlich eingereicht werden darf (vgl. § 2 Abs. 3 WahlPrüfG) und eine E-Mail dieser Anforderung nicht entspricht, sollte allerdings noch einmal überdacht werden. Die Digitalisierung hat die E-Mail zu einem gängigen Kommunikationsmittel gemacht, so dass der Ausschluss eines Wahleinspruchs nicht mehr zeitgemäß erscheint.
Der Weg zur endgültigen Entscheidung über einen Wahleinspruch und damit die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Wahl ist durch diese Zweistufigkeit länger, als wenn sofort – wie zum Beispiel in Berlin – ein Verfassungsgericht entscheiden würde. In der Literatur1) heißt es, das Parlament verfüge über Sachnähe. Das ist nicht überzeugend. Die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit von Wahlen ist keine Frage der Sachnähe, sondern vielmehr eine Frage der Aufbereitung von Tatsachen, um Wahlfehler zur erkennen, und einer anschließenden rechtlichen Wertung. Für die Zweistufigkeit spricht vielmehr, dass zumindest die Sammlung von Tatsachen sozusagen vorgelagert werden kann, wie die Anhörung im Wahlprüfungsausschuss zur Gültigkeit der Bundestagswahl in Berlin deutlich gemacht hat. Mithin übernimmt der Wahlprüfungsausschuss einen Teil der Sachverhaltsaufklärung für das BVerfG. Dass der Wahlprüfungsausschuss ein politisch geprägter Ausschuss und die Sachverhaltsaufklärung eine originär gerichtliche Aufgabe ist, ändert an der Nützlichkeit dieser „Hilfsleistung“ nichts. Denn das BVerfG ist frei, sich auf die Sachverhaltsaufklärung zu beziehen oder eine eigene, auch ergänzende Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen. Der schon erwähnte zahlenmäßige Umfang der Wahlprüfungsbeschwerden und die Arbeitsbelastung des BVerfG sprechen zunächst für eine Zweistufigkeit.
Die durch die Zweistufigkeit lange Verfahrensdauer bis zu einer Entscheidung über die Gültigkeit und Ungültigkeit einer Wahl kann allerdings auch die Legitimität von Parlamentsentscheidungen zumindest dann partiell in Frage stellen, wenn davon auszugehen ist, dass durch die Wahlfehler andere Mehrheitsverhältnisse verhindert worden sind. Diese Gefahr wird noch dadurch verstärkt, dass weder im GG noch im Wahlprüfungsgesetz Fristen für die Entscheidung über Wahlprüfungsbeschwerden normiert wurden. Theoretisch wäre also denkbar, dass der Wahlprüfungsausschuss eine Beschlussfassung über eine Wahlprüfungsbeschwerde solange verschiebt, dass eine abschließende Entscheidung des BVerfG vor Ende der Wahlperiode nicht mehr möglich ist.
Wenn nun aber die Konstruktion des derzeitigen Wahlprüfungsverfahrens dazu führt, dass eine Entscheidung für oder gegen die Ungültigkeit einer Wahl erst nach einem längeren Zeitraum gefällt werden kann, bietet es sich an, über Alternativen nachzudenken. Eine solche Alternative könnte darin bestehen, dass ein dritter Senat beim BVerfG eingerichtet wird. Über dessen Zuständigkeiten kann im Einzelnen diskutiert werden, denkbar wäre insoweit eine Zuständigkeit für Fragen des Parlaments-, Wahl- und Parteienrechts.
Der fehlende gesetzliche Maßstab
Problematischer als die Zweistufigkeit ist das Fehlen eines gesetzlichen materiellen Maßstab für die Entscheidung, eine Wahl für gültig oder ungültig zu erklären. Relativ unstreitig dürfte sein, dass nicht jeder Fehler zur Ungültigkeit einer Wahl führt. Wahlfehler treten relativ häufig auf, und beispielsweise der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages (S. 20) geht zu Recht davon aus, dass die fehlende Unterbindung der Erkennbarkeit der Stimmabgabe einen Wahlfehler darstellt. Würde ein solcher Wahlfehler zur Anordnung einer Wiederholungswahl führen, wäre das Bestandsinteresse des gewählten Parlaments nicht gewährleistet. Eine Wahl ganz ohne Wahlfehler ist kaum vorstellbar; zumindest bei dem nicht ganz einfachen Prozess der Aufstellung von Wahlbewerbenden in den Parteien wird es regelmäßig Verstöße – wenn auch häufig marginaler Art – gegen die formalen Regeln des Wahlrechts geben. Das BVerfG hat bereits 1993 festgestellt, dass Wahlfehler auch von Dritten begangen werden können, soweit sie unter Bindung an wahlgesetzliche Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation einer Wahl erfüllen.
Richtigerweise wird davon ausgegangen, dass Wahlprüfungsbeschwerden nur erfolgreich sein und Wahlen für ungültig erklärt werden können, wenn ein Wahlfehler die Zusammensetzung des Bundestages beeinflusst hat oder beeinflusst haben könnte. Das hat das BVerfG bereits im Jahr 1955 entschieden. Es würde auch dem Demokratieprinzip widersprechen, wenn jeder noch so marginale Wahlfehler zur Ungültigkeit einer Wahl führen würde und so das Wahlverfahren überhaupt gar keinen Anfang und kein Ende mehr hätte und so als Verfahren, das zu keiner Entscheidung führt, ad absurdum geführt wäre.
Was konkret der Maßstab für „Zusammensetzung des Bundestages beeinflusst haben könnte“ sein soll, ist gesetzlich nicht geregelt. Das ist das zentrale Problem bei der Wahlprüfung. Denn mangels gesetzlicher Regeln musste das BVerfG eigene Maßstäbe entwickeln, um anschließend eine Subsumtion vorzunehmen und über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Wahl entscheiden zu können. Gerade im Kontext des Rechtsstaatsprinzips ist eine solche judikative Rechtsetzung nicht hinnehmbar. Die Rechtsetzung obliegt der Legislative, die Judikative ist an Recht und Gesetz gebunden, das BVerfG hat bei verfassungswidrigen Normen eine Verwerfungskompetenz. Das BVerfG ist mit judikativer Rechtsetzung äußerst zurückhaltend, wird im Hinblick auf fehlende materielle Kriterien bei Wahlanfechtungen aber geradezu „gezwungen“, diese materiellen Kriterien statt des Gesetzgebers festzulegen.
Im Hinblick auf den Maßstab des Kriteriums „Zusammensetzung des Bundestages beeinflusst haben könnte“ wird in der Literatur und auch in der Rechtsprechung des BVerfG davon ausgegangen, dass die mögliche Beeinflussung der Zusammensetzung des Bundestages durch einen Wahlfehler eine konkrete oder reale Möglichkeit darstellen muss2). Die weitere Konkretisierung oblag aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Regelung dem BVerfG. Im Jahr 2008 hat das BVerfG in der Entscheidung zum sogenannten negativen Stimmgewicht trotz sich ergebender Mandatsrelevanz keine Entscheidung zur Ungültigkeit der Wahl getroffen. Es hat als Maßstab formuliert (Rdn. 134 ff.), dass in den Fällen, in denen ein Wahlfehler sich auf die Mandatsverteilung auswirkt, die Wahlprüfungsentscheidung dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs unterliege. Demnach darf die Entscheidung nur soweit gehen, wie der festgestellte Wahlfehler es verlange. Schlussfolgernd daraus sei vorrangig der Wahlfehler zu berichtigen, statt die Wahl zu wiederholen. Wird die Wahl teilweise für ungültig erklärt, dürfe ein Wahlwiederholung nur dort stattfinden, wo sich der Wahlfehler ausgewirkt habe, „also in dem betroffenen Stimmbezirk, Wahlkreis oder Land.“ In der zitierten Entscheidung verweist das BVerfG auf das sich aus dem Demokratieprinzip ergebende Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, welche mit „den Auswirkungen des festgestellten Wahlfehlers abzuwägen“ sei. Das BVerfG entschied: „Die Ungültigerklärung einer gesamten Wahl setzt einen erheblichen Wahlfehler von solchem Gewicht voraus, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Volksvertretung unerträglich erschiene.“
Die hinter einer solchen Argumentation stehenden Gesichtspunkte haben aus demokratietheoretischer Sicht einiges für sich. Eine Wiederholungswahl findet stets unter anderen politischen Bedingungen als die eigentliche Wahl statt. Es ist also bei einer Wiederholungswahl nicht auszuschließen, dass der nach dem Grundgesetz auf vier Jahre angelegte Wähler*innenwille verfälscht wird. Das Grundgesetz legt eine Wahlperiode von vier Jahren fest und trifft in Art. 68 GG eine Regelung zur vorzeitigen Auflösung des Bundestages. Eine Wiederholungswahl läuft Gefahr, soweit sie die gesamte Wahl betrifft, den grundgesetzlich aus guten Gründen verankerten Mechanismus der vorfristigen Beendigung einer Wahlperiode zu umgehen.
Ist der Wahlfehler so gravierend, dass er am Ende zu einer Verfälschung der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag führt, ist eine Erklärung der Ungültigkeit der Wahl und damit eine komplette Wiederholungswahl allerdings zwingend. Eine Wiederholungswahl betrifft auch die Statusrechte von betroffenen Abgeordneten. Das BVerfG hat im Jahr 1983 bereits festgehalten, dass an der Gewährleistung der in Art 39 Abs 1 S 1 GG festgelegten Dauer der Wahlperiode der Status des Abgeordneten Anteil hat. Konkret entschied das BVerfG (Rdn. 92): „Die in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegte Dauer der Wahlperiode bringt nicht nur zum Ausdruck, in welchen Abständen die demokratische Legitimation der Volksvertretung durch die Wähler (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) erneuert werden muss; die zeitliche Festlegung der Wahlperiode auf vier Jahre soll von Verfassungs wegen dem Bundestag als zentralem demokratischen Verfassungsorgan auch die wirksame und kontinuierliche Erfüllung seiner Aufgabe ermöglichen. (…) Ebensowenig wie die laufende Wahlperiode außerhalb des in der Verfassung vorgesehenen Verfahrens verlängert werden darf (…), darf sie entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes verkürzt werden.“
Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus führt kein Weg daran vorbei, die materiellen Kriterien für die Erklärung der Gültigkeit und Ungültigkeit einer Wahl (grund)gesetzlich zu verankern. Solche Kriterien müssen eine gerechte Abwägung zwischen Korrekturinteresse nach einem Wahlfehler und Bestandsinteresse des gewählten Parlaments darstellen, eine Mandatsrelevanz ist unabdingbar, aber allein nicht ausreichend, wie sich bereits an diversen Entscheidungen des BVerfG zeigt. Offensichtliche Fehler im Rahmen der Zuerkennung von Mandaten nach dem Wahlakt wiederum müssten zwingend korrigiert werden. Denkbar wäre insoweit eine Formulierung, welche die unterschiedlichen Konstellationen umfasst: offensichtlicher Fehler bei der Zuteilung von Mandaten, Teilungültigkeit und Ungültigkeit der Wahl.
Soweit ein offensichtlicher Fehler bei der Mandatszuteilung stattfindet, muss dieser korrigiert werden, ohne dass eine Teilwiederholungswahl stattfindet. In diesem Fall ist die nicht dem Wahlergebnis entsprechende Feststellung im Rahmen der Wahlprüfungsbeschwerde zu korrigieren. Eine Teilungültigkeit könnte für Wahlfehler mit Mandatsrelevanz dann erklärt werden, wenn nur bestimmte Wahlbezirke oder Wahllokale von einem Wahlfehler betroffen sind. Im Hinblick auf eine komplette Wiederholungswahl und damit komplette Erklärung der Ungültigkeit könnte vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung darauf abgestellt werden, dass die Mandatsrelevanz rechnerisch entweder zu anderen politischen Mehrheitsverhältnissen führt oder einen zu bestimmenden Prozentsatz von Mandanten umfasst. Rechnerisch mögliche andere Mehrheiten auf Grund von Wahlfehlern mit Mandatsrelevanz sollten in jedem Fall immer zu einer kompletten Ungültigkeit und damit kompletten Wiederholungswahl führen, denn dieser Fall ist vergleichbar mit den vom BVerfG aufgestellten materiellen Kriterien für die Vertrauensfrage des/der Bundeskanzlerin. In einem solchen Fall nämlich ist davon auszugehen, dass ohne Wahlfehler der/die Bundeskanzler/Bundeskanzlerin nicht die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß. Bei der auflösungsgerichteten Vertrauensfrage kommt es auf den Verlust der Handlungsfähigkeit einer parlamentarisch verankerten Bundesregierung an, wozu das BVerfG erläutert, Handlungsfähigkeit bedeute, „dass der Bundeskanzler mit politischem Gestaltungswillen die Richtung der Politik bestimmt und hierfür auch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß.“ Richtigerweise kann der Einwand kommen, dass die sog. Kanzlermehrheit sich im Laufe einer Legislaturperiode ändern könne und nicht für die gesamte Legislaturperiode gesetzt ist. In einem solchen Fall kommt dann die auflösungsgerichtete Vertrauensfrage in Betracht. Wenn aber durch Wahlfehler eine andere rechnerische Mehrheit denkbar ist, kann es nicht überzeugen, auf eine Wiederholungswahl zu verzichten. In einer solchen Situation würde durch Wahlfehler mit Mandatsrelevanz eine Situation entstehen, nach der es rechnerisch möglich ist, dass der/die Bundeskanzler*in für die Richtung seiner/ihrer Politik von Anfang an keine Mehrheit hat. Der Wähler*innenwillen wäre nicht mehr repräsentiert. In diesem Fall dürfte das Korrekturinteresse der Wahl das Bestandsinteresse des Parlaments deutlich überwiegen und ist zwingend eine komplette Wiederholungswahl durchzuführen.
Zusammenfassend ergibt sich im Hinblick auf das Wahlprüfungsverfahren erheblicher Reformbedarf.
1. Es ist – soweit am zweistufigen Aufbau des Wahlprüfungsverfahrens festgehalten werden soll – zwingend, eine Fristenregelung einzuführen, mit der eine Entscheidung zunächst des Wahlprüfungsausschusses und dann des Bundestages in angemessener Zeit festgeschrieben wird.
2. Um judikative Rechtsetzung zu verhindern, sollte (grund)gesetzlich normiert werden, nach welchen materiellen Kriterien bei einem Wahlfehler eine Wahl für teilweise ungültig oder komplett ungültig erklärt wird und eine teilweise oder komplette Wiederholungswahl stattfinden muss. Gleichzeitig muss ein Korrekturinteresse bei offensichtlichen Fehlern im Rahmen der Mandatszuteilung gesetzlich verankert werden. Im Hinblick auf eine komplette Wiederholungswahl bietet sich insoweit an Kongruenz zu den materiellen Anforderungen an eine vorzeitige Auflösung des Bundestages herzustellen und auf eine die Mehrheitsverhältnisse ändernde Auswirkung abzustellen oder einen zu bestimmenden Prozentsatz von Mandaten umfasst.
3. Falls die Zweistufigkeit abgeschafft wird, sollte beim BVerfG ein dritter Senat eingerichtet werden, der für das Parlaments-, Wahl- und Parteienrechts zuständig wäre.
Der Artikel wurde vor der Verhandlung des Landesverfassungsgerichtshofes Berlin zur Berlin-Wahl verfasst.