Muskelkraft als Mordmerkmal
Die Unionsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur „Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen“ vorgelegt. Darin wird unter anderem die Ergänzung des Mordmerkmals „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ vorgeschlagen. Die in dem Entwurf angesprochenen Probleme, insbesondere im Hinblick auf Trennungsmorde und die so genannten Haustyrannenfälle, werden durch die Erweiterung des Mordparagrafen jedoch nicht zielführend gelöst. Es liegt nämlich nicht (nur) an der materiellen Rechtslage, dass die Rechtsprechung bestimmte Fallkonstellationen nicht bereits de lege lata als Mord bestraft.
Continue reading >>Der hohe Preis der Effektivität
Schmerzgriffe sind innerhalb einer polizeilichen Ordnungslogik praktikabel, da sie eine effektive und zügige Kontrolle des Versammlungsgeschehens ermöglichen. Bei friedlichen Versammlungen wie den Protestaktionen der Letzten Genration sind Schmerzgriffe jedoch abzulehnen, da sie rechtlich unzulässig sind. In diesem Kontext sind sie auf lange Sicht geeignet, das gesellschaftliche Vertrauen in eine fair und rechtsstaatlich handelnde Polizei zu beeinträchtigen.
Continue reading >>Aber wer bewacht die Wächter?
Als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols ist die Polizei eine Institution, deren Kontrolle im demokratischen Rechtsstaat besondere Bedeutung zukommt. Immer wieder zeigt sich, dass die bestehenden Mechanismen unzulänglich sind, um von Polizist:innen begangene Straftaten zu verfolgen und anderen Fehlverhalten nachzugehen. Für eine stärkere Unabhängigkeit in einschlägigen strafrechtlichen Ermittlungen würde eine gesonderte Ermittlungsbehörde sorgen – Vorbilder gibt es schon in anderen europäischen Ländern. Nicht-strafbaren Vorfällen und teilweise auch strukturellen behördlichen Defizite könnten externe Stellen nachgehen, die neben der Kontrolle auch Kommunikation und Mediation zur Aufgabe haben.
Continue reading >>Eine Strategie tut not, nicht Schnellschüsse
Der Freistaat Sachsen hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, der die Vorschriften gegen Nötigung von Angehörigen von Verfassungsorganen auf Kommunal- und Europapolitiker erstreckt. Er sieht auch eine Art Stalking-Tatbestand vor, der Übergriffe in den Bereich der persönlichen Lebensgestaltung von Amts- und MandatsträgerInnen kriminalisiert. Fast zeitgleich hat der Freistaat Bayern einen Gesetzentwurf präsentiert, der sich gegen die Verbreitung von Deep Fakes richtet. Die Vorschläge reagieren auf einzelne, als bedrohlich erachtete Phänomene mit symbolischen Strafschärfungen bzw. kleinräumigen, einzelfallbezogenen Gesetzesänderungen zur Schließung von Gesetzeslücken. Was den Vorhaben fehlt ist eine Gesamtstrategie auf Grundlage einer umfassenden Gefahrenanalyse.
Continue reading >>Half-baked decision
Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden (BGH 1 StR 106/24), dass sein Begriffsverständnis zur „nicht geringen Menge“ im Betäubungsmittelgesetz (7,5 g THC) pauschal auf die wortgleiche Neuregelung im Konsumcannabisgesetz zu übertragen sei. Dies stellt eine nach Art. 103 Abs. 2 GG unzulässige Analogie dar und überschreitet damit die Grenze zulässiger Auslegung im Strafrecht. Denn eine nicht geringe Menge THC kann nicht mit einer nicht geringen Menge Cannabispflanzen, um deren Besitz es in der Entscheidung ging, gleichgesetzt werden.
Continue reading >>Spionage im Europäischen Parlament?
Der Haftbefehl gegen Jian G., Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, schlägt wenige Wochen vor der Europawahl politisch hohe Wellen. Wir zeigen in einer kurzen strafrechtlichen Einschätzung, dass eine Strafbarkeit von Jian G. naheliegt, sollte der bislang in der Presse dargelegte Verdacht zutreffen. Deutlich schwieriger ist momentan die Frage nach einer Strafbarkeit Maximilian Krahs wegen einer Beteiligung an einer geheimdienstlichen Agententätigkeit einzuschätzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann § 99 StGB nur täterschaftlich begangen werden. Eine wohl eher in Betracht kommende Beihilfe durch Krah bliebe daher straffrei. Wir vertreten dementgegen die Ansicht, dass sich auch der Gehilfe eines geheimdienstlichen Agenten strafbar machen kann.
Continue reading >>Without a Doubt
The German Federal Court of Justice recently announced that the exclusion of functional immunity for foreign state officials in cases of international crimes is “without a doubt” part of customary international law. Like many others in academic literature, we agree with this conclusion – the German government would be well advised to embrace it and put an end to its long-standing ambiguous position on the matter.
Continue reading >>Gewalt durch Sitzblockaden
Sitzblockaden der „Letzten Generation“ bewerten deutsche Gerichte als Nötigung durch Gewalt. Ich halte dies für vereinbar mit dem Begriff „Gewalt“, den § 240 Strafgesetzbuch enthält. Gewalt bedeutet nicht zwingend Aktivität – maßgeblich ist, ob körperlich wirkende Macht über eine andere Person ausgeübt wird. Damit wende ich mich gegen den kürzlich erschienenen Beitrag von Siegmar Lengauer, der aus österreichischer Perspektive ungläubig auf die deutsche Rechtsprechung zum Gewaltbegriff blickt und diese ablehnt.
Continue reading >>Zwischen Fluss, Meer und Strafbefehl
Macht sich strafbar, wer den Satz „from the river to the sea, Palestine will be free“ verwendet? In aller Regel nicht. Der Slogan ist vieldeutig und Gerichte müssen bei mehreren Deutungsmöglichkeiten wegen der Meinungsfreiheit genau begründen, warum allein die strafbare Interpretation plausibel sein soll. Er kennzeichnet auch nicht die Hamas, denn verschiedene Akteure verwenden ihn seit Jahrzenten bis heute.
Continue reading >>Ist das Rechtsgüterschutz oder kann das weg?
Die (straf-)rechtliche Regulierung der Prostitution/Sexarbeit ist seit Jahren nicht nur in feministischen Kreisen hoch umstritten. Insbesondere die Diskussion um die Einführung eines Sexkauf-Verbots nach schwedischem Vorbild kommt nicht zum Erliegen. Weniger heiß diskutiert werden die bestehenden strafrechtlichen Vorschriften, die die Prostitution betreffen. Dabei lohnt sich der Blick in den 13. und 18. Abschnitt des StGB, denn hier wird der ambivalente Blick des Gesetzgebers auf das Phänomen Prostitution/Sexarbeit einmal mehr deutlich.
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