Informationsfreiheitsgesetz: Die USA könnten beleidigt sein…
Das Bundesverwaltungsgericht hat sein Urteil gefällt, in welchem Umfang die Bundesregierungen Journalisten aus Rücksicht auf “internationale Beziehungen” die Auskunft verweigern darf – und das Ergebnis ist ernüchternd: In dem Fall ging es um Flugdaten, die Rückschlüsse auf die geheimen CIA-Flüge mit entführten Islamisten an Bord zugelassen hätten. Diese Daten durfte die Regierung mit der Begründung verweigern, dass die USA sonst vielleicht böse werden könnten.
Das Informationsfreiheitsgesetz gibt jedermann einen Anspruch gegen Bundesbehörden, ihnen vorliegende Informationen rauszurücken. Natürlich gibt es Ausnahmen. So besagt § 3 IFG:
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
- 1.
- wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf
- a)
- internationale Beziehungen…
Das OVG hatte den Journalisten nach Hause geschickt: Die Bundesregierung habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Veröffentlichung der Daten die Beziehungen zu den USA belasten können, und das reiche als Grund zur Geheimhaltung aus. Das fand das BVerwG in Ordnung. Zitat aus der PM:
Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räume das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung ein. Innerhalb dieses Spielraums bestimme die Bundesregierung die außenpolitischen Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie. Nur mit Blick auf diese Ziele und die insoweit verfolgte außenpolitische Strategie könne die Frage beantwortet werden, ob sich die Bekanntgabe von Informationen nachteilig auf die auswärtigen Belange auswirken könne. Die Ziele der Bundesregierung, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von weiteren “Verstimmungen” der amerikanischen Seite freizuhalten und die bisherige Zusammenarbeit mit den amerikanischen Nachrichtendiensten nicht zu beeinträchtigen, hielten sich in diesem weitgesteckten und gerichtlich nicht nachprüfbaren Spielraum außenpolitischer Gestaltung. Der Eintritt solcher Nachteile könne nur Gegenstand einer Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar sei.
Das Informationsfreiheitsgesetz war eine der großen Reformen der rot-grünen Epoche: Es hat mit dem obrigkeitsstaatlichen Selbstverständnis des “Amtsgeheimnisses” aufgeräumt, wonach es die Gesellschaft einen Dreck angeht, welche Informationen der Staat seinem Handeln zugrundelegt. In der Praxis funktioniert es allerdings offenbar nur begrenzt. Überspitzt könnte man sagen: Das, was eine Information wissenswert macht, ist gleichzeitig Grund genug, sie geheim zu halten.
Vorbild des IFG, ironisch oder nicht, ist der US-amerikanische “Freedom of Information Act” aus dem Jahr 1966, eine der Großtaten der Civil-Rights Ära, bekannt aus allerhand Hollywood-Politthrillern. Auch dort gibt es Ausnahmen: Die Regierung kann per “executive order” bestimmte Informationen für geheimhaltungsbedürftig erklären. Das wird sie vor allem dann tun, wenn diese Informationen außen- bzw. verteidigungspolitisch heikel sind.
Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass der Fall in den USA, mutatis mutandis, wesentlich anders ausgegangen wäre. Keine Regierung gibt achselzuckend Informationen Preis, die ihre außenpolitischen Bemühungen stören könnten. Den systematischen Unterschied finde ich aber trotzdem interessant: In den USA wird die Geheimhaltung per politischem Akt hergestellt. Damit bekennt der Präsident Farbe, wie er das Verhältnis zwischen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und exekutivischem Spielraum gewichtet. Reagan hat das anders gehandhabt als Carter, und Obama wird das vermutlich anders handhaben als Bush.
In Deutschland dagegen ist es nicht nötig, in dieser Weise politisch Farbe zu bekennen. Das steht alles sauber im Gesetz, samt justiziell kaum kontrollierbarem Beurteilungsspielraum. Der deutsche Beamte ist nicht schuld, er tut nur, was rechtens ist…
H/T an Kanzlei Dr. Bahr