Parteinahe Stiftungen sind Partei-Stiftungen
Anmerkungen zur Parteienfinanzierung aus Anlass des BVerfG-Beschlusses zur AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung
Erneut ist die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch gescheitert, eine Berücksichtigung ihrer Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) bei der staatlichen Finanzierung der parteinahen Stiftungen durchzusetzen. Letztes Jahr war es die Stiftung selbst, die Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung des Bundesverwaltungsamtes und den Haushaltsplan angriff, allerdings ohne Ausschöpfung des Rechtswegs und daher offenkundig unzulässig. Auch das Vorgehen der DES gegen den Haushaltsplan war mangels Außenwirkung zum Scheitern verurteilt.
Zehn Anträge
Daneben hat auch die Partei selber schon vor einiger Zeit Organklage erhoben. Jetzt hat sie mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ebenfalls eine Niederlage erlitten: Das BVerfG hat den Antrag abgelehnt. Die Hauptsache ist allerdings noch nicht entschieden.
Im einstweiligen Rechtsschutz hatte die AfD insgesamt zehn Anträge gestellt. Diese richteten sich gegen unterschiedliche Maßnahmen und unterschiedliche Antragsgegner. In dem jetzt entschiedenen Verfahren hatte die AfD beantragt, das Bundesinnenministerium zur Zahlung von Zuschüssen von 480.000 Euro für das Jahr 2018 und 900.000 Euro für das Jahr 2019 an die DES zu verpflichten. Daneben waren noch Anträge auf Richterablehnung enthalten, denen hier nicht weiter nachgegangen werden soll.
Feststellung, nicht Verpflichtung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war bereits unzulässig. Der Ausspruch im Eilverfahren kann nicht weiter reichen als die Entscheidung in der Hauptsache. Im Organstreitverfahren geht es um die Feststellung des Verstoßes einer Maßnahme oder Unterlassung gegen das Grundgesetz (§ 67 S. 1 BVerfGG); eine Verpflichtung kommt als Ausspruch gar nicht in Betracht. Das Urteil im Organstreit hat eben keine rechtsgestaltende oder kassatorische Wirkung. Folgerichtig kann diese Rechtsfolge auch nicht im Eilverfahren erstritten werden. Eine Ausnahme ist nur bei der Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts denkbar.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt das Gericht zutreffend zu dem Schluss, dass der Antrag unzulässig ist, weil er darauf gerichtet ist, das Bundesinnenministerium zu verpflichten, die oben genannten Beträge zu zahlen. Das Gericht gibt daneben zu bedenken, dass unklar ist, ob im einstweiligen Rechtsschutz des Organstreitverfahrens nur der Schutz eigener organschaftlicher Rechte oder ob auch eine Verpflichtung zur Leistung an nicht verfahrensbeteiligte Dritte erstritten werden kann. Dazu fehle es aber am entsprechenden Vortrag durch die Antragstellerin, da nicht dargelegt worden sei, dass der DES etwa Insolvenz oder Liquidation droht. Zutreffend lehnt das Gericht den Antrag folglich ab.
Stiftungsfinanzierung auf dem Prüfstand
Mit dieser Entscheidung im Eilverfahren ist noch nichts gesagt darüber, ob die DES auch zukünftig leer ausgehen wird. Was das Hauptsacheverfahren betrifft, so erscheint dessen Ausgang nicht sehr klar. Die Frage der Stiftungsfinanzierung ist letztlich seit dem Stiftungsurteil von 1986 (BVerfGE 73, 1) nicht mehr vom BVerfG angerührt worden. Erst der Eintritt einer neuen Partei auf der politischen Bühne ruft die Undurchlässigkeit und Exklusivität des bisherigen Verteilungssystems ins Gedächtnis und führt zu einer neuen rechtlichen Überprüfung.
Parteinahe Stiftungen werden mit erheblichen staatlichen Mitteln ausgestattet. Allein der Bund gab 2017 satte 581 Millionen Euro an die fünf parteinahen Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien. Allein die frei verwendbaren Globalzuschüsse des Bundes beliefen sich für das Haushaltsjahr 2019 auf rund 132 Millionen Euro. Hinzu kommen noch Mittel aus den Bundesländern. Im Vergleich zur absoluten staatlichen Finanzierungsobergrenze für (alle!) Parteien in Höhe von 190 Millionen Euro für das Jahr 2019 ist das eine gigantische Summe.
Mit dem Geld erfüllen die Stiftungen auch im weitesten Sinne Aufgaben der Parteien, wenn sie etwa politische Bildungsarbeit betreiben (siehe § 1 Abs. 2 PartG). Hier liegt auch der Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Daneben unterhalten die Stiftungen Auslandsbüros, sie wirken an der Entwicklungszusammenarbeit mit oder vergeben Stipendien, betreiben Forschungseinrichtungen und Politikberatung.
Fehlen eines formellen Parteistiftungsgesetzes
In Anbetracht der hohen Zuschüsse ist es überraschend (und verfassungswidrig), dass es kein formelles Gesetz gibt, welches die Höhe, die Verteilung und die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Förderung niederlegt. Ein derartiges Parteistiftungsgesetz wird seit Jahren unter anderem mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes gefordert, aber bisher fehlte es an einem Korrektiv gegenläufiger Interessen im Bundestag: Solange die Stiftungen der Bundestagsparteien mit Zuschüssen bedacht wurden, war kein Interesse an einer gesetzlichen Regelung der Förderungsvoraussetzungen erkennbar.
In der „Gemeinsamen Erklärung zur staatlichen Finanzierung der politischen Stiftungen“, also die Verabredung der Zuschussempfänger, an welcher sich die Haushaltspolitiker orientieren, wird als Voraussetzung für eine Förderung eine wiederholte Vertretung im Bundestag genannt. Die Höhe der Finanzierung soll sich dann an den Stärkeverhältnissen der letzten vier Bundestagswahlen orientieren.
Stiftungsfinanzierung als indirekte Parteienfinanzierung?
Gerade wegen des großen Nutzens einer Stiftung für die Partei und der teilweisen Aufgabenverschränkung ist die Abgrenzung der beiden Organisationen von entscheidender Bedeutung: Parteien unterliegen einer eigenen Rechenschaftspflicht (Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG). Für sie gilt eine absolute wie relative Obergrenze für staatliche Finanzierung (§ 18 Abs. 2 und Abs. 5 PartG). Für Stiftungen gilt beides nicht.
Im Stiftungsurteil von 1986 hat das BVerfG den auch monetären Vorteil der Stiftungen für die Parteien durch Forschungs- und Beratungsinstitute zwar erkannt, hat die Stiftungen aber als ausreichend personell und organisatorisch verselbständigt angesehen. Daran ändere auch die starke personelle Durchsetzung der Stiftungen mit Parteimitgliedern nichts. Und die Begrenzung auf die ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen hat es auch gebilligt.
Insgesamt kann der Versuch, Stiftung und Partei zu trennen, nicht überzeugen. Das Gericht fordert personelle und organisatorische Eigenständigkeit, lässt dabei die bestehenden rechtlichen wie tatsächlichen Umstände aber weitgehend außer Acht. Dadurch macht das Gericht die Stiftungen zu einer Art „Schrödingers Katze im Parteiumfeld“: Sie sind einerseits parteinah, wenn sie als Grundströmung zu einer Partei gehörig identifiziert werden wollen, und werden von der Partei auch formal als „ihre“ Stiftung anerkannt. Die Partei erkennt ihre Stiftung auch faktisch an, wenn sie für sie die Geldmittel im Haushaltsausschuss verhandelt. Weiterhin hängt die Höhe der Mittel unmittelbar vom Wahlergebnis der nahestehenden Partei ab. Andererseits muss die Stiftung sich organisatorisch und personell unabhängig aufstellen und sich von der Partei ein Stück weit distanzieren.
Parteinahe Stiftungen sind der Partei zuzurechnen
Die Stiftungen sind von den Parteien nicht zu trennen. Das rechtlich selbständige Subjekt der Stiftungen wird der ebenfalls rechtlich selbständigen Partei zugerechnet. Als maßgebliche Zurechnungsgründe kommen hier die wechselseitigen finanziellen wie wirtschaftlichen Abhängigkeiten und die personelle Beherrschung in Betracht. Die Beherrschung einer Organisation liegt in Anlehnung an die Fraport-Rechtsprechung nicht nur bei einem „Mehrheitsanteil“ vor, sondern kann sich auch aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Umstände ergeben (BVerfGE 128, 226, 247 spricht von einer möglichen Ergänzung in „besonderen Fällen“). Allen insbesondere aktienrechtlichen Fallgruppen zur Beherrschung ist gemein, dass sie die Personalbestimmungsmacht im Blick haben: Wer die Leitung einer Organisation bestimmen kann, der bestimmt auch die Organisation. Daneben können finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeiten oder Personalverflechtungen eine Beherrschung begründen.
Legt man dies zugrunde, dann werden die Stiftungen von den Parteien beherrscht. Sie sind finanziell abhängig von der Partei, da ohne die Partei keine Zuschüsse mehr fließen. Die Stiftungen haben sogar ein finanzielles Interesse an guten Wahlergebnissen der Partei, da dadurch auch ihre Mittelzuflüsse steigen. Daneben liegt es in der Macht der Partei, eine Stiftung als die „ihre“ anzuerkennen oder nicht. Weiterhin deuten die Personalverflechtungen auf beherrschenden Einfluss hin: Die Leitungsgremien der Stiftungen sind bei den meisten Stiftungen ausschließlich mit Parteimitgliedern besetzt, teilweise mit lang gedienten, prominenten ehemaligen Spitzenpolitikern, und auch die Mitgliederstruktur ist stark durch Parteimitglieder geprägt. Die Parteimitglieder werden regelmäßig in die Gremien entsandt, die (Vor-)Entscheidung über die Besetzung fällt dann eher im Parteivorstand, nicht bei der Stiftung.
Und auch prozessual zeigt sich die Zugehörigkeit zur Partei ganz prominent: Antragssteller vor dem BVerfG ist die Partei, welche eine Verletzung in Art. 21 GG durch Nichtbeachtung ihrer Stiftung geltend macht, und nicht die Stiftung. Warum die Stiftungsarbeit aber einerseits der Chancengleichheit der Parteien unterfallen, ansonsten aber von den restlichen Vorgaben des Art. 21 GG ausgeklammert bleiben soll, ist nicht einzusehen.
Die Folge einer Einstufung der Stiftungen als Parteiorganisationen wäre freilich die Erstreckung der Rechenschaftspflicht und auch der Obergrenzen auf die Stiftungen. Dies würde das bisherige System der Stiftungsfinanzierung beenden, was rechtlich komplett neu ausgestaltet werden müsste.
Ein zweites Stiftungsurteil?
Dass das Bundesverfassungsgericht einen derart radikalen Schritt gehen würde, ist unwahrscheinlich. Jedenfalls die Ausgangslage hat sich aber seit 1986 verändert: Parteien dürfen nach dem zweiten Parteienfinanzierungsurteil staatlicherseits Geld auch für ihre allgemeine politische Arbeit und damit auch die politische Bildungsarbeit erhalten. Das hatte das BVerfG noch 1966 (und 1986) anders gesehen.
Jedenfalls bietet sich für das Gericht die Gelegenheit, die bisherige Finanzierungspraxis kritisch zu beleuchten. Wünschenswert wäre die Forderung nach einem formellen Gesetz, welches die Anforderungen an die Mittelvergabe regelt, daneben aber auch Transparenzpflichten enthält. Daneben muss es sich dann damit auseinandersetzen, ob die bedenkliche Beschränkung des Geldsegens auf die zweimal im Bundestag vertretenen Parteien nicht eine zu hohe Hürde darstellt und die Ausbildung eines Parteiumfeldes bei kleinen Parteien über Gebühr erschwert.
Es bleibt zu hoffen, dass sich das Gericht mit etwas Mut von der zurückhaltenden Linie aus dem Stiftungsurteil verabschiedet und auch diesen Bereich der Politikfinanzierung einer strengeren Betrachtung unterwirft.