Klage verloren, Kontrollrechte gewonnen
Wie das VG Berlin den Drittrechtsschutz im Parteispenderecht anerkennt
Eine umstrittene Parteispende an die Berliner CDU war der Anstoß für ein wegweisendes Urteil des VG Berlin (Urteil der 2. Kammer vom 30. September 2025 – VG 2 K 78/24). Zwar ist die politische Partei „DIE PARTEI“ mit einer Klage gescheitert, mit der sie die Bundestagsverwaltung verpflichten wollte, die CDU wegen des Verstoßes gegen ein Spendenannahmeverbot zu sanktionieren. Das Berliner Verwaltungsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Berliner Landesverband der CDU zwei umstrittene Spenden in Höhe von insgesamt 800.000 Euro annehmen durfte. Gleichzeitig hat das Gericht aber den bisher in der Literatur umstrittenen Drittrechtsschutz konkurrierender Parteien im Parteienfinanzierungsrecht anerkannt und so die Klage für zulässig gehalten. Dieser folgt unmittelbar aus der in Art. 21 GG verankerten Chancengleichheit der politischen Parteien.
Umstrittene Parteispende
Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2021 in Berlin spendeten der Immobilienunternehmer Christoph Gröner und seine Firma insgesamt 800.000 Euro an den Landesverband Berlin der CDU (Rechenschaftsbericht der Christlich Demokratischen Union Deutschlands für das Jahr 2020, Bundestags-Drucksache 20/1490, S. 80.)
In einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur und in einem Podcast des Tagesspiegel erklärte Gröner damals in Bezug auf seine Spende, er habe Bedingungen bzw. Forderungen gegenüber dem Landesvorsitzenden der CDU gestellt. Unter anderem habe er der CDU mitgeteilt, dass er – falls das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nicht abschaffen sollte – keine Abschaffung durch die CDU befürworte, sondern eine Modifizierung fordere. Der Landesvorsitzende der Berliner CDU Kai Wegner bestätigte dies (siehe Interview von „Jung und naiv“, Minute 1:44:00).
Nachdem angesichts dieser Äußerungen in den Medien öffentlich die Rechtmäßigkeit der Spende in Frage gestellt wurde, leitete die für die Parteienfinanzierung zuständige Bundestagsverwaltung ein Prüfverfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz ein. Die Annahme einer sog. Einfluss- oder Erwartungsspende ist gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG verboten und wird gemäß § 31c S. 3 PartG mit einer Strafzahlung in Höhe des Dreifachen der erlangten rechtswidrigen Spende sanktioniert – im vorliegenden Fall also in Höhe von 2.400.000 Euro.
Nach Anhörung der CDU stellte die Bundestagsverwaltung das Verfahren im Sommer 2023 ein. Die PARTEI sah sich durch die rechtswidrigen, wettbewerbsverzerrenden finanziellen Vorteile der CDU in ihrer Chancengleichheit aus Art. 21 GG verletzt. Deshalb beantragte sie bei der Bundestagsverwaltung, die CDU wegen der Annahme rechtswidriger Spenden zu sanktionieren. Als dies unterblieb, erhob sie Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt 3 VwGO bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Berlin.
Drittrechtsschutz
Das VG Berlin hat die Klage für zulässig erachtet. Zwar sind die Entscheidungsgründe noch nicht öffentlich, doch lässt sich der Pressemitteilung des VG Berlin dessen Argumentationslinie entnehmen. Danach könne DIE PARTEI geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein, wenn die Bundestagsverwaltung bei einem Verstoß gegen ein Spendenannahmeverbot gegen die betroffene Partei nicht einschreite. Dieses Recht folge aus dem grundgesetzlich verankerten Grundsatz der Chancengleichheit aller politischen Parteien. Weil es dazu bislang keinerlei Rechtsprechung gab, kommt der Entscheidung des VG Berlin über das eigentliche Verfahren hinaus wegweisende Bedeutung zu.
Grundsätzlich sind lediglich Parteien klagebefugt, die Adressat eines Verwaltungsaktes der Bundestagspräsidentin in Form eines Festsetzungs- oder Rückforderungsbescheides sind. Um klagebefugt zu sein, müsste die PARTEI durch die unterlassene Sanktionierung der rechtswidrigen Spende in ihren subjektiven Rechten verletzt sein können. Zwar berührt ein Sanktionsbescheid gegenüber der CDU die Rechte der PARTEI nicht unmittelbar, so dass sie keine unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen geltend machen kann. Ihr stehen jedoch subjektive Rechte zu, die nicht ausdrücklich im Parteiengesetz normiert sind, sich aber aus der verfassungskonformen Auslegung der entsprechenden Vorschriften ergeben, insbesondere im Lichte von Art. 21 Abs. 1 GG, was auch die Pressemitteilung andeutet.
Nach § 31c S. 3 PartG ist die Bundestagspräsidentin verpflichtet, rechtswidrig erlangte Spenden durch den Erlass eines Verwaltungsaktes zu sanktionieren. Dieser Pflicht korrespondiert ein subjektives Recht der konkurrierenden Parteien, ein entsprechendes Einschreiten zu verlangen.
Dieses subjektive Recht folgt unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 GG. Um die verfassungsrechtlich gebotene Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung zu gewährleisten, müssen die Parteien gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen können. Weil das Recht der Parteien auf Chancengleichheit dabei in engem Zusammenhang mit den formalen Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG steht, muss auch der Grundsatz der Chancengleichheit formal verstanden werden. Art. 21 Abs. 1 GG garantiert den politischen Parteien über den Wortlaut hinaus nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt (BVerfGE 148, 11 (24); 154, 320 (334 f.); BVerfG, Urteil vom 15. Juni 2022, – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 -, Rn. 72; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 171).
Zudem schützt Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb in seiner Gesamtheit (BVerfG, Urteil vom 15. Juni 2022 – 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 -, Rn. 74; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 172). Dabei wird der Wettbewerbsbereich durchaus weit verstanden. Selbst die staatliche Finanzierung der sog. parteinahen Stiftungen, die selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit ihre Tätigkeiten durchführen und Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren (vgl. BVerfGE 73, 1 (31 f., 37)), wirkt spürbar auf die politische Willensbildung ein und ist daher am Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien zu messen (Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 172).
Dieses Recht auf gleiche Teilhabe wird regelmäßig verletzt, wenn Staatsorgane zugunsten oder zulasten einer politischen Partei handeln. Das Gebot staatlicher Neutralität gilt für sämtliche Betätigungen der Parteien, die auf die Erfüllung des ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG übertragenen Verfassungsauftrags gerichtet sind (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 172). Deshalb betritt auch die unmittelbare Zuweisung staatlicher Finanzmittel an Parteien die Chancengleichheit (BVerfGE 140, 1 (24); BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 176).
Hierbei wirkt sich die Zuweisung öffentlicher Mittel an politische Parteien unmittelbar auf deren Möglichkeit aus, am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Aber auch faktische oder mittelbare Beeinträchtigungen können die Chancengleichheit verletzen, wenn diese in Zielsetzung und Wirkungen unmittelbaren und zielgerichteten Eingriffen gleichkommen (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2023, – 2 BvE 3/19 -, Rn. 176). Dazu zählt auch die Entscheidung, ob eine Partei für rechtswidrig erlangte Spenden staatlich sanktioniert wird oder nicht. Die Nichtsanktionierung illegaler Spenden greift somit in die Chancengleichheit konkurrierender Parteien ein.1)
Im vorliegenden Fall stand ein Vermögensvorteil der CDU in Höhe von 2.400.000 Euro im Raum, den die Bundestagspräsidentin nicht sanktioniert hat. Dies wäre ein erheblicher Eingriff in die (finanzielle) Wettbewerbslage zwischen den Parteien und damit in Art. 21 Abs. 1 GG. Die PARTEI war als Dritter demnach klagebefugt und die Klage zulässig.
Doch keine Einflussspende
Das Gericht hielt die Klage aber im Ergebnis nicht für begründet. Eine Partei darf gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG Spenden nicht annehmen, die ihr erkennbar in Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden. Das VG Berlin hat den Spender Christoph Gröner im Verfahren als Zeugen vernommen und mit seinen in den Medien getätigten Äußerungen zu den Bedingungen der Spende konfrontiert. Nach der Vernehmung hat sich die Kammer jedoch nicht davon überzeugen können, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt der Spendenleistung eine konkrete Erwartung gegenüber einer spendenannahmeberechtigten Person der Berliner CDU geäußert habe. Gröner habe vielmehr nachvollziehbar dargelegt, dass seine Spendenmotivation darauf gerichtet gewesen sei, die bürgerliche Mitte und den Wahlkampf der CDU zu stärken. Er habe glaubhaft eingeräumt, in den medialen Äußerungen zu seinen Spenden gelogen zu haben. Das Gericht sah bei dieser Sachlage keine Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Spendenannahme, die gegen das Parteiengesetz verstößt. Der Berliner Landesverband der CDU durfte somit die Spende annehmen.
Kontrollbefugnis der Konkurrenzparteien
Das Verfahren vor dem VG Berlin hat deutlich gezeigt, dass Einflussspenden als verbotene Spenden im Ergebnis kaum nachweisbar sein dürften und damit parteienrechtlich bedeutungslos sind. Allerdings hat das Gericht den Drittrechtsschutz im Parteienfinanzierungsrecht anerkannt und damit klargestellt, dass konkurrierende Parteien die Entscheidungen der Bundestagspräsidentin überprüfen lassen können. Damit ist nicht mehr alleine die Bundestagsverwaltung dazu befugt, Parteispenden zu kontrollieren, sondern auch die Konkurrenzparteien – ein deutlicher Gewinn für die Parteiendemokratie. Vertrauen in die mittelverwaltende Bundestagsverwaltung ist gut, aber die zusätzliche Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle ist besser.
References
↑1 | Für einen entsprechenden Drittschutz aus dem Gedanken der Chancengleichheit schon Morlok, NomosKommentar zum Parteiengesetz, 2. Aufl. 2013, § 31a Rn. 1; § 31c Rn. 6; Hilliger, Drittschutz im Parteienfinanzierungsrecht, 2024; Schönberger, Handkommentar Parteienrecht, 2. Auflage, 2025, § 31a, Rn. 32 ff. |
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