Politessenbeschimpfung ist auch für Abgeordnete strafbar
Es tut mir ja leid, aber immer, wenn in diesem Blog von Italien die Rede ist, gleitet die Sache ins Unernsthafte ab. Fern sei mir jede nationale Stereotypisierung. Wahrscheinlich liegt’s an mir.
Diesmal geht es um die Immunität des Abgeordneten: das alte und vornehme Recht der Bürgervertreter im Parlament, nicht wegen ihrer schonungslosen Kritik an der Regierung von deren Schergen aus dem Bett geholt zu werden.
Dieses Recht wollte ein italienischer Europaabgeordneter der Berlusconi-Truppe namens Aldo Patriciello für sich in Anspruch nehmen: Er hatte sich auf einem Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung mit einer dort Strafzettel verteilenden Poliziotta herumgezankt und hatte deshalb Ärger bekommen.
(Man sieht die Szene vor sich.)
Schon 2008 hatte der EuGH Gelegenheit, wiederum in einem italienischen Fall, die Konturen des Immunitätsrechts der Europaabgeordneten zu klären. Jetzt geht er einen Schritt weiter und errichtet eine starke Verknüpfung dieses Abgeordnetenrechts zur Meinungsfreiheit, die er als
wesentliche Grundlage einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft, in der sich die Werte widerspiegeln, auf denen die Union gemäß Art. 2 EUV beruht,
bezeichnet. Das geht in die Richtung der Lüth- und Spiegel-Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Meinungsfreiheit “schlechthin konstitutierend” für ein demokratisches Gemeinwesen sei.
Deshalb umfasse das Immunitätsrecht nicht nur die im Plenum geäußerten Worte der Abgerordneten, sondern sei weit zu fassen.
Allerdings ist der EuGH nicht blind für die italienischen Realitäten, sowohl was die Politik als auch was die Diskussionskultur im Straßenverkehr betrifft, und betont daher, dass, um unter den Schutz des Immunitätsrechts zu fallen,
der Zusammenhang zwischen der erfolgten Äußerung und dem parlamentarischen Amt unmittelbar und in offenkundiger Weise ersichtlich sein muss.
Was das im Falle des Herrn Patriciello bedeutet, muss jetzt das italienische Gericht beantworten, wobei ihm die Antwort jetzt nicht mehr allzu schwer fallen dürfte.
Der EuGH weist auch darauf hin, dass der Beschluss des Europaparlaments, gegenüber der italienischen Justiz auf die Immunität seines Mitglieds zu pochen, für dieselbe nicht bindend sei.
Foto: Kecko, Flickr Creative Commons
Leider sehen Politiker des Popolo della Libertà die Rechte anderer nicht so schnell tangiert wie dieser Abgeordnete.
Beispiel: http://www.freitag.de/politik/1134-blogentry-redirect-25522
Beste Grüsse, e2m