Same-sex Loving? Der Supreme Court nimmt zwei Fälle zur gleichgeschlechtlichen Ehe an
Der US-Supreme Court hat am 7. Dezember 2012 seine lang erwartete Entscheidung getroffen, welche der zehn ihm angetragenen Fälle zu gleichgeschlechtlichen Ehen er in dieser Sitzungsperiode hören wird. Anders als das Bundesverfassungsgericht ist der Supreme Court relativ frei darin, welche Fälle er annimmt, indem er certiorari gewährt. Nun steht fest: Hollingsworth v. Perry und U.S. v. Windsor sind es geworden. Die Fälle stehen für zwei legislative Projekte, das eine auf Staaten- und das andere auf Bundesebene: Proposition 8 und DOMA. Sie betreffen die beiden Gleichheitsklauseln in der US-Bundesverfassung und werfen grundsätzliche Fragen auf: Gibt es ein Grundrecht zu heiraten? Ist Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung an einem ähnlich strengen Maßstab zu messen wie rassistische oder sexistische Diskriminierung? Wie wird sich der Supreme Court in diesen heiß umstrittenen Fragen positionieren?
Proposition 8: Federalism-Pingpong im Bundesstaat
Proposition 8 steht für einen Trend, der sich möglicherweise gerade in der Umkehr befindet: Nachdem gleichgeschlechtliche Ehen zunehmend vor den Gerichten der Bundesstaaten Anerkennung gefunden haben, wurden durch Wählerinitiative in einer Vielzahl von Bundesstaaten gesetzliche und gar Verfassungsänderungen eingeführt, die die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau festschreiben. Im Zuge der Präsidentschaftswahlen im November 2012 ist eine solche Initiative in North Carolina erstmals gescheitert. In Kalifornien hat das ganze allerdings eine längere Vorgeschichte, die den Fall Hollingsworth v. Perry etwas ungewöhnlich macht. Dort existieren seit langem domestic partnerships, die nach und nach alle Rechte eines Ehepaares zugestanden bekommen haben – außer der Bezeichung „Ehe“.
Im Jahr 2000 führte Proposition 22 eine Regelung in den kalifornischen Family Code ein, die die Ehe auf gegengeschlechtliche Paare beschränkte. Nachdem die Stadt San Francisco 2004 dennoch Eheerlaubnisse ausgegeben hatte, erhoben die Befürworter der Proposition 22 Klage. Der kalifornische Supreme Court befand jedoch die Gesetzesänderung 2008 in In Re Marriage Cases für verfassungswidrig: Sie verstoße gegen das Recht zu heiraten und gegen das Gleichheitsrecht der kalifornischen Verfassung. Das Gericht war auch das erste bundesstaatliche Gericht, das Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung dem strengen Rechtfertigungsmaßstab unterwarf, der für die Rassendiskriminierung vom Supreme Court anerkannt ist.
Daraufhin wurde Proposition 8 zur Abstimmung gebracht, das eine entsprechende Regelung in die kalifornische Verfassung einfügte. Diese Verfassungsänderung passierte 2009 den kalifornischen Supreme Court, bereits geschlossene Ehen durften aber bestehen bleiben.
Nun erfolgte ein Spurwechsel in die Bundesgerichtsbarkeit: 2010 befand der kalifornische District Court, dass die Verfassungsänderung gegen die Bundesverfassung verstoße. Er sah sowohl die Due Process Clause als auch die Equal Protection Clause des 14. Zusatzartikels verletzt. Der Court of Appeal für den 9th Circuit bestätigte diese Entscheidung 2012 im Hinblick auf die Gleichheitsklausel mit einem Urteil, das die symbolische Bedeutung der Ehe betonte:
Newspapers run announcements of births, deaths, and marriages. We are excited to see someone ask, “Will you marry me?”, whether on bended knee in a restaurant or in text splashed across a stadium Jumbotron. Certainly it would not have the same effect to see “Will you enter into a registered domestic partnership with me?”. Groucho Marx’s one-liner, “Marriage is a wonderful institution … but who wants to live in an institution?” would lack its punch if the word ‘marriage’ were replaced with the alternative phrase. So too with Shakespeare’s “A young man married is a man that’s marr’d,” Lincoln’s “Marriage is neither heaven nor hell, it is simply purgatory,” and Sinatra’s “A man doesn’t know what happiness is until he’s married. By then it’s too late.” We see tropes like “marrying for love” versus “marrying for money” played out again and again in our films and literature because of the recognized importance and permanence of the marriage relationship. Had Marilyn Monroe’s film been called How to Register a Domestic Partnership with a Millionaire, it would not have conveyed the same meaning as did her famous movie, even though the underlying drama for samesex couples is no different. The name ‘marriage’ signifies the unique recognition that society gives to harmonious, loyal, enduring, and intimate relationships. . . . .
Das Gericht befand, dass eine Tradition der Diskriminierung – wie auch im Fall rassistischer „Mischehe“-Verbote in Loving v. Virginia – ein Gesetz nicht vor der Verfassung beschützen könne; zudem habe Proposition 8 weder auf Familienrecht, noch Lehrpläne noch die Religionsfreiheit Einfluss, noch könne sie dazu beitragen, dass Kinder in stabilen Familien aufwachsen oder traditionelle Ehen gestärkt oder gefördert werden. Unter doppelter Berufung auf Romer v. Evans findet das Gericht deutliche Worte:
Proposition 8 is “so far removed from these particular justifications that we find it impossible to credit them.” …. Proposition 8 serves no purpose, and no effect, other than to lessen the status and human dignity of gays and lesbians in California, and to officially reclassify their relationships and families as inferior to those of opposite-sex couples. The Constitution simply does not allow for “laws of this sort.”
Nun ist der Fall beim Supreme Court anhängig. An ähnlichen Fällen mangelt es nicht – zuletzt kam eine petition for certiorari aus Nevada, die ebenfalls eine Verfassungsänderung betrifft. Besonders ist an dem kalifornischen Fall aber, dass er aufgrund der zwischenzeitlichen Zulassung zur Ehe den gezielten Ausschluss einer Gruppe von Menschen von einem allgemeinen Recht betrifft, der – wie schon in Romer v. Evans, in dem es um ein Verbot von Antidiskriminierungsgesetzen zugunsten von Schwulen und Lesben ging – nur mit böswilligem Animus zu erklären ist. Diese Besonderheit würde es dem Supreme Court erlauben, seine Entscheidung auf den kalifornischen Fall zu beschränken.
Eine weitere Möglichkeit, die Reichweite der Entscheidung klein zu halten, ist die Bestätigung der Begründung des Untergerichts, dass die Vorenthaltung der Bezeichnung „Ehe“ nicht zu rechtfertigen ist, wenn alle anderen Rechte identisch sind; dies würde für insgesamt acht Staaten mit vergleichbaren Modellen Auswirkungen haben.
DOMA: Verteidigung der Ehe auf Bundesebene
In Windsor geht es um den Defense of Marriage Act (DOMA), ein Bundesgesetz von 1996, genauer um dessen § 3, der folgende Regelung auf Bundesebene eingeführt hat:
In determining the meaning of any Act of Congress, or of any ruling, regulation, or interpretation of the various administrative bureaus and agencies of the United States, the word ‘marriage’ means only a legal union between one man and one woman as husband and wife, and the word ‘spouse’ refers only to a person of the opposite sex who is a husband or a wife.
Infolge dieser Regelung sind gleichgeschlechtlichen Paaren, die nach dem Recht eines Bundesstaates oder nach ausländischem Recht geheiratet haben, alle Vorteile verwehrt, die ihnen als gegengeschlechtlichem Ehepaar nach Bundesrecht zustehen würden. Dazu zählt das Recht zum Familiennachzug eines ausländischen Ehepartners, aber auch – ähnlich wie in Deutschland – Steuervorteile.
So auch im Fall Windsor: Edie Windsor und Thea Spyer, seit 40 Jahren ein Paar, hatten 2007 in Kanada geheiratet. 2009 verstarb Thea Spyer in New York, einem Bundesstaat der ausländische gleichgeschlechtliche Ehen anerkennt. Als Erbin unterlag Edie Windsor allerdings bundesrechtlichen Regelungen – und die behandeln sie als alleinstehend, nicht als Witwe. So musste sie $363.000 Erbschaftssteuer zahlen, statt vollkommen unbelastet zu bleiben. Der Court of Appeal for the 2nd Circuit befand im Oktober 2012 die Regelung für unvereinbar mit der Bundesverfassung.
Gegen DOMA sind zahlreiche Verfahren in verschiedenen Materien anhängig, sieben weitere auch beim Supreme Court. Inzwischen acht Bundesgerichte haben Section 3 des DOMA für verfassungswidrig erklärt. Nicht nur Präsident Clinton, der das Gesetz 1996 unterzeichnet hatte, hat inzwischen seine Meinung darüber geändert; auch die Regierung Obama hat es inzwischen aufgegeben, das Gesetz zu verteidigen. Nachdem sie 2009 noch der Tradition gefolgt war, alle Bundesgesetze vor Gericht zu verteidigen, folgte sie 2011 vielfachen Aufrufen, ihrem Wahlprogramm von 2008 (das DOMAs Aufhebung forderte) auch vor Gericht Ausdruck zu geben:
After careful consideration, including a review of my [Attorney General Eric Holders] recommendation, the President has concluded that given a number of factors, including a documented history of discrimination, classifications based on sexual orientation should be subject to a more heightened standard of scrutiny. The President has also concluded that section 3 of DOMA, as applied to legally married same-sex couples, fails to meet that standard and is therefore unconstitutional. Given that conclusion, the President has instructed the Department not to defend the statute in such cases.
Daraufhin übernahm die Bipartisan Legal Advisory Group (BLAG), ein Ausschuss des republikanisch dominierten House of Representatives diese Rolle. Diese Übernahme der Verteidigung von DOMA kann im Hinblick auf die Frage des standing eine Rolle spielen – grob übersetzt mit Klagebefugnis.
Standing: Wo kein Verteidiger da kein Richter?
Ausgangspunkt ist Art. III §2 der US-Verfassung, nach dem die Bundesgerichte nur für „cases“ und „controversies“ zuständig sind. Um standing zu haben, muss ein Kläger injury, causation und redessability beweisen: Er muss verletzt sein, es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verletzung und dem Streitgegenstand bestehen, und ein Sieg vor Gericht muss die Verletzung wiedergutmachen können. Nur die Geltendmachung eigener Rechte ist grundsätzlich erlaubt.
Im DOMA-Fall Windsor verteidigt die Regierung das Gesetz nicht mehr. Der Supreme Court hat daher die Parteien um weitere Stellungnahmen zur Frage gegeben, ob (1.) der Umstand dass die Regierung der Entscheidung des Circuit Court of Appeal zustimmt, dem Supreme Court die Gerichtsbarkeit entzieht, und ob (2.) BLAG nach Art. III standing hat.
Im Proposition 8-Fall Perry verweigert die kalifornische Regierung ebenfalls die Verteidigung der Verfassungsänderung. Auch hier hat der Supreme Court daher die Zusatzfrage aufgeworfen, ob die Befürworter der Proposition 8 – ursprünglich nur Drittparteien – nun als Kläger standing haben. Sollte der Supreme Court dies aufgrund eines Präzedenzfalls verneinen, würde dies auch die Entscheidung des Court of Appeal betreffen, denn schon dort trat das Problem auf. Bestehen bleiben würde allerdings die Entscheidung des District Court, denn dort war nach einhelliger Meinung noch standing gegeben; es bliebe damit bei der Verfassungswidrigkeit von Prop. 8, allerdings wohl nur zwischen den damals beteiligten Parteien.
In beiden Fällen gibt es daher für den Supreme Court ein Schlupfloch, das es ihm erlauben würde, nicht in der Sache zu entscheiden.
Equal Protection und der standard of review
Sollte es dagegen zu einer Entscheidung in der Sache kommen, kreist alles um die Equal Protection Clause – bzw. die Clauses: für den Bund gibt es eine im Fünften Zusatzartikel, für die Bundesstaaten wurde nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg im Zuge der Abschaffung der Sklaverei in den Südstaaten eine im Vierzehnten Zusatzartikel eingeführt.
Viel hängt hier am sogenannten standard of review: „Normale“ Gesetze werden nur darauf überprüft, ob sie eine rationale Verbindung zu einem legitimen Ziel haben (rationally related to a legitimate government interest); dies ist der sogenannte rational basis test. Gesetze des Bundes genießen eine starke Vermutung zugunsten ihrer Verfassungsmäßigkeit – hierauf hatte sich der Supreme Court in der New Deal-Ära zurückgezogen und damit die starken gerichtlichen Eingriffe in das (sozial)gesetzgeberische Handeln der berüchtigten „Lochner era“ beendet.
Anders ist es bei Gesetzen, die entweder ein in der Bill of Rights (den ersten 10 Zusatzartikeln) aufgezähltes oder sonst geschütztes Grundrecht betreffen, oder die wegen der Rasse oder der nationalen Herkunft diskriminieren: Hier gilt strict scrutiny. Danach muss ein Gesetz von einem zwingenden gesetzgeberischen Interesse (compelling state interest) gerechtfertigt sein, darauf eng zugeschnitten (narrowly tailored) sein und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Dies gilt als „strict in theory, fatal in fact“: Einmal angewandt, überlebt angeblich kaum ein Gesetz diesen Test. Dieser Standard gilt für „suspekte Klassifizierungen“, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind: Die Klasse von Personen hat eine Geschichte der Diskriminierung hinter sich, hat offensichtliche unveränderliche oder spezifische Charakteristika gemeinsam und ist politisch machtlos, eine discrete and insular minority. Zurück geht dieser standard of review auf eine der berühmtesten Fußnoten in der amerikanischen Rechtsgeschichte: Fußnote 4 in Carolene Products.
Dazwischen liegt die intermediate scrutiny, die für Geschlechtsdiskriminierung entwickelt wurde: Dafür muss ein Gesetz einen „wichtigen“ Zweck substantiell fördern (substantially related to an important government interest).
Wohin nun mit der sexuellen Orientierung? Einige Gerichte haben entschieden, dass das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen schon den rational basis review nicht überlebt, weil es keines der genannten Ziele – Schutz der traditionellen Ehe, Schutz der Kinder, usw. – tatsächlich fördern kann. So befand etwa der 9th Circuit Court of Appeal in Perry (s.o.). Andere Gerichte, so der 2nd Circuit Court of Appeal in Windsor, haben sich für eine Annäherung an strict scrutiny entschieden und damit die Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung auf eine Stufe mit rassistischer Diskriminierung gestellt. Wieder andere halten dagegen, der Erfolg an den Wahlurnen zeige, dass Homosexuelle des gerichtlichen Schutzes als machtlose Minderheit nicht bedürften: „It simply cannot be seriously maintained, in light of these and other recent democratic victories, that homosexuals do not have the ability to protect themselves from discrimination through democratic processes such that extraordinary protection from majoritarian processes is appropriate.“ (Sevcik v. Sandoval) Kommt es zu einer Entscheidung in der Sache, könnte diese Frage durch den Supreme Court geklärt werden.
A kind of Loving?
Die Parallele zur rassistischen Diskriminierung ist nicht weit hergeholt – ein wichtiger Präzedenzfälle ist der bereits zitierte Segregationsfall Loving v. Virginia. Nach dem Recht des Bundesstaates Virginia hatten sowohl Weiße als auch Schwarze das Recht zu heiraten, allerdings durften Nicht-Weiße keine Weißen heiraten, um die „rassische Integrität der Bürger“ des Staates zu bewahren.
Bereits in Brown v. Board of Education (1954) hatte der Supreme Court entschieden, dass die separate but equal-Doktrin, nach der Schwarze und Weiße zwar (angeblich) gleich behandelt, aber getrennt gehalten werden, mit der Gleichheitsklausel unvereinbar ist: „We conclude that, in the field of public education, the doctrine of ‘separate but equal’ has no place. Separate educational facilities are inherently unequal.“ Dieses Urteil leitete die Desegregierung der öffentlichen Schulen unter dem Schutz der Bundesarmee ein.
1967 konnte der Supreme Court in Loving hierauf aufbauen und strict scrutiny walten lassen:
There is patently no legitimate overriding purpose independent of invidious racial discrimination which justifies this classification. … We have consistently denied the constitutionality of measures which restrict the rights of citizens on account of race. There can be no doubt that restricting the freedom to marry solely because of racial classifications violates the central meaning of the Equal Protection Clause.
Auch homosexuelle Menschen haben in Amerika das Recht zu heiraten – nur nicht gleichgeschlechtliche Partner_innen. Seperate but equal? Es könnte Zeit für ein neues Loving sein.
Die mündliche Verhandlung wird für März erwartet, das Urteil für Juni 2013.
Noch ein Problem von “domestic partnership”, die auf Einzelstaatenebene die selben Rechte gibt, ist, wenn ein anderer Bundesstaat nur die *Ehe* (marriage) eines anderen Staates anerkennt, aber nicht die domestic partnership (und selbst keine Ehen für gleichgeschlechtliche Partner vollzieht; wie das lange in NY der Fall war, siehe die Vorgeschichte des Falles Windsor, dort mit einer Ehe aus Kanada; das wäre wohl nicht mit einer dom. partnership aus Kalifornien gegangen, in NY dann verheiratet zu sein).
Aus dem Merkblatt des BVerfG [1]:
Jemandem, der nicht begründen muss und Beschlüsse fassen kann, die unumstößlich sind, würde ich als ziemlich frei bezeichnen.
[1] http://www.bundesverfassungsgericht.de/organisation/vb_merkblatt.html
@Ano Nym: Die Entbindung von der Begründungspflicht ist keine Aufhebung der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 1III und 20 GG). Und in § 93a BVerfGG steht:
(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.
(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,
a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
“Ist anzunehmen” räumt kein Ermessen ein. Das Absehen von der Begründungspflicht ist also kein Freibrief für willkürliches Handeln, sondern lediglich eine Arbeitserleichterung für ein überschwemmtes Gericht – auch wenn es sich vielleicht anders liest. Ob man dem Gericht traut, von allein seiner Gesetzesbindung nachzukommen steht auf einem anderen Blatt, aber irgendwo in der Kette ist mit der Überprüfung so oder so Schluß: “the buck stops here.”
Ich habe nicht behauptet, dass die Entbindung von der Begründungspflicht eine Aufhebung der Bindung an Recht und Gesetz darstellt.
Die Annahmepflicht besteht nur, wenn eine der Bedingungen in lit. a oder b erfüllt ist. Ist das Vorliegen der Bedingungen gerichtlich feststellbar?
Sie verwechseln die (löbliche?) interne Arbeitsethik des Gerichts mit dem objektiven Sachverhalt. Wenn das Gericht nicht will, dann braucht es auch nicht. Das nenne ich Freiheit.
[…] Ich berichtete bereits von der Vorgeschichte und den wesentlichen Rechtsfragen dieses Falls und des DOMA-Falls Windsor (ein separater Verhandlungsbericht folgt). Die fünf Kläger sind Vertreter von zwei Initiativen gegen die Ausweitung der Ehe; einer von ihnen, William Tam, ein Anführer aus der chinesisch-amerikanischen Evangelikalen, vertritt derart radikale Ansichten, dass er sich aus dem Supreme-Court-Verfahren zurückgezogen hat. Die ursprünglichen Kläger und Klägerinnen, hier die Beklagten, sind ein lesbisches und ein schwules Paar, denen die Eheerlaubnis verweigert wurde. Vertreten werden die beiden Seiten durch zwei Freunde, von denen sich der eine mit einem ehemaligen Gegner verbündet hat: Klägervertreter Charles Cooper und Beklagtenvertreter Theodore Olson sind konservative Parteifreunde; der libertäre Olson schloss sich für das Vorgehen gegen Proposition 8 jedoch mit David Boies zusammen, der ihm in Bush v. Gore gegenüber gestanden hatte. Die Bundesregierung war als Amicus curiae geladen, vertreten durch ihren Solicitor General Donald B. Verrilli. […]
[…] hier habe ich bereits über die Umstände des Falls berichtet – DOMA ist ein Bundesgesetz, das in seinem § 3 gleichgeschlechtlichen Ehepaaren sämtliche […]
[…] die Umstände des Falls habe ich schon berichtet: Edith Windsor und Thea Spyer lernten sich vor 50 Jahren in New York kennen; 1967 […]