USA: Kein Kündigungsschutz für kirchliche Angestellte
Wer sich von einer Kirche anstellen lässt, hat auch in den USA alle Hoffnung auf arbeitsrechtlichen Schutz fahren zu lassen. Der US Supreme Court hat gestern im Fall Hosanna-Tabor sein Urteil gesprochen, über den ich hier schon berichtet habe. Es ist zwar weniger grundsätzlich als erwartet, aber dafür einstimmig ausgefallen, und zwar zu Gunsten der Kirchen.
Die amerikanische Verfassung verbietet im First Amendment dem Kongress, Gesetze über die Etablierung einer Religion zu verabschieden
or prohibiting the free exercise thereof.
Daraus schließt der Supreme Court seit jeher, dass der Staat sich nicht in die Kriterien einmischen darf, nach der die Kirchen ihre Priester auswählen. Die Gesetze, die Diskriminierung am Arbeitsplatz verbieten, enthalten denn auch eine so genannte “ministerial exception”: Die Freiheit der Kirchen, ihre Glaubensbotschaft zu verkünden, schließt auch die freie Auswahl der Leute ein, die das tun. Das hat der Supreme Court jetzt ausdrücklich bestätigt:
Requiring a church to accept or retainan unwanted minister, or punishing a church for failing to do so, intrudes upon more than a mere employment decision. Such action interferes with the internal governanceof the church, depriving the church of control over the selection of those who will personify its beliefs.
Das bestreitet soweit auch keiner – aber was ist mit kirchlichen Angestellten, die nicht direkt Priester sind? Das sind auch in Europa die heiklen Fälle: Erzieher an kirchlichen Kindergärten, Ärzte in kirchlichen Kliniken, Sekretärinnen in kirchlichen Büros. Müssen die alle als Glaubensbotschafter herhalten, auch wenn sie Backe-Backe-Kuchen spielen, operieren oder Terminkalender pflegen? Ist die Entscheidung, ob sie das müssen, auch eine rein kirchliche und gegen jede grundrechtliche Überprüfung immun?
Das BVerfG sagt im wesentlichen ja. Der EGMR differenziert.
Der US Supreme Court betont, er wolle dafür keine grundsätzliche Regel aufstellen. Aber das Mehrheitsvotum, verfasst von Chief Justice Roberts, ist zumindest der Meinung, dass die Frage, ob die “ministerial exception” auf einen bestimmten zivilen Angestellten anwendbar ist oder nicht, vor einem weltlichen Gericht diskutiert werden kann. Dem widerspricht allein Justice Thomas:
A religious organization’s right to choose its ministers would be hollow, however, if secular courts could second-guess the organization’s sincere determination that a given employee is a“minister” under the organization’s theological tenets.
So ungefähr hat das zu Böckenfördes Zeiten auch der Zweite Senat des BVerfG gesehen, oder nicht? Darf sich das BVerfG somit rühmen, mit Clarence Thomas auf einer Linie zu liegen? A rare distinction, indeed.
Der Fall ist auch dadurch politisch aufgeladen, weil die Klägerin eine Verbindung zwischen der “ministerial exception” und den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche gezogen hatte: Damit könne die Kirche ihre Leute einschüchtern, damit sie nicht zur Polizei gehen.
CJ Roberts nennt dieses Argument “a parade of horrors”, deren Eintreffen man getrost abwarten könne und sich auf den vorliegenden Fall nicht auswirke.