28 November 2022

Ernüchternde Klimakonferenz und ihre Lehren

Die diesjährige UN-Klimakonferenz wurde mit kaum positiven Ergebnissen abgeschlossen. Es ist auf globaler Ebene nicht gelungen, sich auf ehrgeizigere Klimaschutzziele zu einigen. Zwar gab es in einigen Bereichen positive erste Schritte, komplexe Verhandlungspunkte wurden aber größtenteils auf das nächste Jahr verschoben.

Dabei fand die COP27 in Sharm el Sheikh unter schwierigen Bedingungen statt. Hier ein kurzer Überblick, welche Ergebnisse – auch am Rande der offiziellen Verhandlungen – trotzdem erzielt werden konnten und was wir für das nächste Jahr lernen können.

I. Ergebnisse der COP27

Größte mediale Aufmerksamkeit bekam in diesem Jahr das auf der COP27 verhandelte Thema Schäden und Verluste. Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange. Vielerorts sorgen höhere Temperaturen und sich mehrende Extremwetterereignisse bereits heute für Schäden und diese werden sich auch weiterhin häufen. Einige Staaten fordern bereits seit gut 30 Jahren, dass hierfür ein Kompensationsfonds eingerichtet wird. In Sharm el Sheikh kam das Thema erstmals als eigenständiger Punkt auf die Tagesordnung. Allerdings gehen die Erfolge kaum über die prominente Platzierung auf der Tagesordnung hinaus. Der Beschluss besagt lediglich, dass ein Fonds für Verluste und Schäden eingerichtet werden soll; sämtliche Details sollen aber erst auf der nächsten Klimakonferenz in Dubai 2023 verhandelt werden. Der diesjährige Beschluss ist insofern ein Erfolg, als sich die EU mit der Forderung nach einem Fonds gegen andere Industrieländer, insbesondere die USA, durchsetzen konnte.

Auch ansonsten gibt es nur zögerliche Fortschritte bei der Verteilung von Geldern. Zur Klimafinanzierung, für Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel bedarf es weltweit jährlicher Investitionen in Billionenhöhe. Hierfür wurden auf vergangenen Staatenkonferenzen einzelne spezialisierte Fonds errichtet, wie zum Beispiel der Anpassungsfonds oder der ‚Least Developed Countries Fund‘. Die bisher zur Verfügung gestellten Finanzmittel reichen aber bei weitem nicht aus. Diese Lücken werden auch in der Abschlusserklärung der COP27 benannt und die Industriestaaten dazu aufgefordert, Mittel bereitzustellen und den Zugang zu Krediten zu vereinfachen. Obwohl die Sprache der Abschlusserklärung deutlich ist, hat die COP27 jedenfalls bisher im Bereich der Klimafinanzierung noch keine wesentlichen Fortschritte erzielen können.

Ebenso gab es kaum Fortschritte im Bereich des Global Stocktake. Dieser im Pariser Übereinkommen vereinbarte Prozess soll alle nationalen Anstrengungen sowie bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zusammen darstellen und eine Gesamt-Klimabilanz bilden, um die internationalen Klimaschutzbemühungen zu überprüfen und zu steigern. Die Ergebnisse sollen den Staaten Aufschluss darüber geben, wie sie ihre Klimamaßnahmen auf nationaler Ebene aktualisieren und verbessern können und wie sie dabei international noch enger zusammenarbeiten können. Der erste Global Stocktake läuft zwar über drei Jahre und soll planmäßig erst auf der nächsten COP28 abgeschlossen werden, sodass hier keine Beschlüsse erwartet wurden. Allerdings scheint nun der wesentliche Teil der Verhandlungen in das nächste Jahr aufgeschoben zu sein, sodass fraglich ist, ob der Global Stocktake in Dubai fertiggestellt werden kann.

Bei der COP26 in Glasgow war das Herunterfahren der Nutzung fossiler Energieträger zentrales Thema der Klimakonferenz. Hier gab es massive Fortschritte bei dem Weg zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. An diesen Erfolg konnte leider auf der COP27 nicht angeknüpft werden. In diesem Jahr wurde unter anderem von Deutschland versucht, den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern in die COP27-Abschlusserklärung einzubringen. Hierauf konnten sich die Staaten aber nicht einigen. Die Abschlusserklärung enthält stattdessen den Hinweis, dass „low-emission“ und erneuerbare Energie gefördert werden soll. Damit wäre es weiterhin möglich, fossilen Energieträger mit weniger Emissionen als andere fossile Energieträger, etwa Kohle, zu fördern. Auch wurden keine konkreten Pläne gemacht, wie und in welchem Umfang der Ausbau von Erneuerbaren gefördert werden soll. Das Abschlussdokument wiederholt immerhin die Mahnung der COP26 zum Kohleausstieg und zum Ende von Subventionen.

Aus deutscher Sicht bleiben damit die offiziellen Verhandlungen der 27. UN-Klimakonferenz – abgesehen von den ersten Schritten im Bereich Schäden und Verluste – weitgehend ohne Konsequenzen. Allerdings ist die COP weit mehr als der Ort der Verhandlungen aller Staaten. Daneben wurden wichtige bi- und multilaterale Partnerschaften geschlossen und neue nationale Pläne zu Klimaschutz und Klimaanpassung vorgestellt.

II. Am Rande und außerhalb der COP27

Unabhängig von den globalen Verhandlungen steht das Ziel für die EU fest: Die Kommission hat im Laufe der zweiwöchigen 27. Klimakonferenz eine Reihe von Partnerschaften angekündigt, etwa Rahmenvereinbarungen mit Ägypten, Kasachstan und Namibia zum Import von grünem Wasserstoff.

Außerhalb der offiziellen Verhandlungen hat Deutschland eine Partnerschaft mit Südafrika im Rahmen der sogenannten Just Energy Transition abgeschlossen. Mit Kenia wurde eine Klima- und Entwicklungspartnerschaft vereinbart. Diese hat zum Ziel, das Land bis 2030 komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen und Energiearmut vor Ort zu überwinden. Weiter hat Deutschland angekündigt, sein Förderprogramm H2 Global signifikant aufzustocken (von ursprünglich 900 Mio. auf 4 Mrd. Euro) und der Global Offshore Wind Alliance beizutreten. Neben Deutschland treten Belgien, Kolumbien, Irland, Japan, die Niederlande, Norwegen, das Vereinigte Königreich und die USA dem Abkommen bei.

Diese ehrgeizigen Projekte sind also außerhalb der UN-Klimakonferenz beschlossen worden. In diesem Sinne schlug Kanzler Scholz sogar vor, einen Klimaclub zu gründen, der noch in diesem Jahr eine Satzung erhalten soll und in dem Entscheidungen getroffen werden, die auf globaler Ebene nicht konsensfähig sind.

III. Lehren für COP28

Hat die diesjährige Klimakonferenz also gezeigt, dass wir Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel nicht im globalen Forum verhandeln können? Nein. Die Ergebnisse der COP27 sind weniger ambitioniert als jene des vergangenen Jahres und sicher auch zu unerheblich, um das 1,5°-Ziel zu erreichen. Aber durch kleinere Foren und bilaterale Abkommen allein lassen sich die Klimaziele erst recht nicht erreichen. Es bedarf eines gemeinsamen Wegs. Dass es keine Einigung zum Ausstieg aus allen fossilen Energien gab, wird daher zurecht als größte Enttäuschung gewertet.

Dass es hier keine Einigkeit gab, lag sicherlich zum einen daran, dass sich unter den Verhandelnden neben Staatenvertreter:innen so viele Öllobbyist:innen befanden wie noch nie. Es lag aber sicher auch daran, dass der Ausstieg aus den Fossilen für den Gastgeberstaat Ägypten – im Gegensatz zum Kohleausstieg für das Vereinigte Königreich im vergangenen Jahr – keine Priorität hat.

Die COP27 hat anschaulich gezeigt, dass der Gastgeberstaat einen wesentlichen Einfluss darauf haben kann, ob und welche Ergebnisse die Konferenz hat. Die COP27 war in vielerlei Hinsicht suboptimal organisiert. Die Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung war unzureichend, das Internet instabil, es gab kaum Arbeitsplätze, keine Steckdosen. Das hat natürlich Einfluss auf das Durchhaltevermögen aller Beteiligten. Über die erschwerten Bedingungen für NGOs und das wachsende Problem des intransparenten Lobbyismus hatte ich bereits berichtet. Demonstrationen und andere Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Konferenzrahmens waren so gut wie unmöglich. Auch besteht der Verdacht, dass Konferenzteilnehmer:innen durch Ägypten überwacht wurden. Schwache Konferenzergebnisse sind unter diesen Bedingungen kaum verwunderlich.

Im kommenden Jahr findet die COP28 in den Vereinigen Arabischen Emiraten statt, einem der weltweit größten Ölproduzenten. In diesem Jahr haben die Emirate gemeinsam mit den USA ein Übereinkommen für den Ausbau von erneuerbaren Energien geschlossen. Eine Kursänderung in Bezug auf Öl ist nicht in Sicht. Zudem wollen die beiden Staaten den Ausbau von Atomkraft in Schwellenländern fördern.

Mit den derzeitigen Bemühungen wird die 1,5°-Grenze mit Sicherheit verfehlt. Es bedarf hier also dringend mehr Maßnahmen zur Beschränkung der Folgen des Klimawandels, unter anderem durch den Beschluss eines phase-outs fossiler Energieträger. Außerdem müssen im Bereich Global Stocktake verlässliche Ergebnisse erzielt werden, damit hierauf in Zukunft aufgebaut werden kann. Schließlich ist für Schäden und Verluste bislang nur ein Grundstein gelegt. Hier bedarf es der Ausgestaltung.

COP25 und 26 fanden in einer sehr optimistischen Atmosphäre statt, die nicht nur die Stimmung bei den offiziellen Verhandlungen positiv beeinflusste, sondern auch der Zivilgesellschaft die Arbeit massiv erleichterte, was zu ambitionierten Ergebnissen beitragen konnte. Die schlechten Arbeitsbedingungen auf der diesjährigen Klimakonferenz zeigen, mit welchen einfachen Mitteln der Gastgeberstaat einen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf und die Ergebnisse der Klimakonferenz haben kann. Vom UNFCCC muss gewährleistet werden, dass es im nächsten Jahr einen Mindeststandard für die Arbeitsbedingungen gibt, damit sich die Ergebnisse der COP28 nicht allein nach den Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate richten. Dazu gehört auch eine klar definierte Rolle von Unternehmen auf der COP. Diese sollten eine offizielle Rolle einnehmen, denn sie sind sowohl Mitverursacher der Klimakrise als auch Teil ihrer Lösung. Dass Vertreter:innen dieser Unternehmen unerkannt im Namen von Staaten die Verhandlungen beeinflussen, ist unbedingt zu vermeiden.


SUGGESTED CITATION  Reeh, Greta: Ernüchternde Klimakonferenz und ihre Lehren, VerfBlog, 2022/11/28, https://verfassungsblog.de/ernuchternde-klimakonferenz-und-ihre-lehren/, DOI: 10.17176/20221129-001547-0.

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