06 April 2023

Dünnes Eis für die 5%-Sperrklausel

Kaum war das Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes am 17. März beschlossen, wurden die ersten Stimmen laut, die sich wahlweise der Verfassungswidrigkeit oder der Verfassungskonformität des neuen Wahlrechts überaus sicher zeigten. Während an der grundlegenden Umstellung des Wahlsystems, das künftig den Verhältniswahlelementen Vorrang einräumt, kaum ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, wird mit guten Gründen Anstoß genommen am Wegfall der Grundmandatsklausel – Lebensversicherung der CSU und Notnagel der Partei DIE LINKE. Plötzlich tritt ein bislang kaum sichtbares Spannungsfeld zwischen Grundmandatsklausel, 5%-Hürde und der Integrationsfunktion von Wahlen in regionaler Hinsicht zutage.

Integrationsfunktion der Wahl

Das Bundesverfassungsgericht hat der Wahl in der Vergangenheit mehrfach den Charakter „eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes“ beigemessen (zuletzt BVerfGE 154, 1/19 m.w.N.). Die verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen aufzugreifen und ihnen im Parlament eine Stimme zu geben, darin liegt das Anliegen und der Wert des Integrationscharakters einer Wahl. Sie soll „Gravitationszentrum des demokratischen Verfassungsstaates“ (Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 94) sein und die Fliehkräfte der Gesellschaft einfangen durch integrative Repräsentation im Parlament. Mit anderen Worten: Alle sollen wissen, dass auch ihre Interessen im Parlament vertreten sind. Selbst (und gerade) der aufgebrachte Mob mit Mistgabeln und Fackeln.

Bei der Überprüfung des Wahlrechts erkennt das Bundesverfassungsgericht wohl an, dass der Gesetzgeber im Zuge der Ausgestaltung des Wahlrechts einen Ausgleich verschiedener Belange zu schaffen hat. Dazu gehören neben „dem Anliegen integrativer Repräsentanz“, also dem integrativen Charakter der Wahl, die „Funktionsfähigkeit des Parlaments“ sowie „die Gebote der Wahlrechtsgleichheit“ und „der Chancengleichheit der politischen Parteien“ (BVerfGE 95, 408/420). Seinen Prüfungsmaßstab beschränkt das Bundesverfassungsgericht auf die Kontrollüberlegung, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts den jeweils verfolgten Zweck verfolgen durfte, ob die Ausgestaltung in dieser Form zur Erreichung des Ziels ungeeignet ist und ob es das Maß des Erforderlichen zur Zielerreichung überschreitet (BVerfGE 95, 408/420). Lange Rede, kurzer Sinn: Es führt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne echte Angemessenheitsprüfung durch.

5%-Sperrklausel im Lichte der Verfassungswirklichkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, sich bei der Ausgestaltung des Wahlrechts an der „politischen Wirklichkeit“ zu orientieren (BVerfGE 120, 82/107; E 95, 408/418 f. m.w.N.). Damit ist nicht gemeint, dass keine Änderungen am Wahlsystem vorgenommen werden dürften, die Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber kann das Koordinatensystem des Wahlrechts auf den Kopf stellen, wenn er denn möchte. Er muss allerdings anerkennen, dass die politische Realität ist wie sie ist und darf sich nicht die Augen zuhalten, während er neue Spielregeln erfindet. Und zur gegenwärtigen politischen Realität gehören eben auch die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl aus dem Jahr 2021, bei der die CSU insgesamt 5,2% der Stimmen und 45 Direktmandate erzielte, die Partei die Linke nur 4,9% der Stimmen holte, aber immerhin drei Direktmandate erringen konnte. Nehmen wir nun an, die absolute Zahl der CSU-Stimmen bliebe gleich und die Wahlbeteiligung bundesweit stiege gleichzeitig spürbar an – eine nicht völlig abwegige Vorstellung. Die CSU würde unter die 5% rutschen, noch bevor beim politischen Aschermittwoch die nächste Maß gereicht wird. In der Konsequenz würden nicht einmal diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten von CSU und DIE LINKE mit relativen Erststimmenmehrheiten in ihren jeweiligen Wahlkreisen in den Bundestag einziehen.

Ist die mit der Sperrklausel einhergehende Beschränkung der Erfolgswertgleichheit der Stimmen damit noch gerechtfertigt? Der 2. Senat hat noch im Jahr 2017 in Bezug auf die Verfassungskonformität der Sperrklausel ausgeführt, diese sei zwar noch verfassungskonform. Anders könne die Bewertung aber ausfallen, „wenn der sperrklauselbedingte Ausfall an Stimmen einen Umfang erreichte, der die Integrationsfunktion der Wahl (vgl. BVerfGE 95, 408 [419] m.w.N.) beeinträchtigen würde.“ (BVerfGE 146, 327/355). Der Gesetzgeber hat also die Funktion der Wahl als Vorgang der „Integration der politischen Kräfte des gesamten Volkes“ zu verstehen und sicherzustellen (BVerfGE 146, 327/355). Er möge versuchen zu verhindern, dass sich „gewichtige Anliegen im Volk“ nicht in der Volksvertretung wiederfinden (BVerfGE 146, 327/355).

Regionale Dimension der integrativen Funktion von Wahlen

Politische Konfliktlinien verlaufen aber nicht immer regional gleichmäßig. Was für die Bayerin ein „gewichtiges Anliegen“ ist, muss noch lange keines für den Berliner sein. So entspricht es beispielsweise auch der politischen Praxis, dass Abgeordnete jedenfalls innerhalb der größeren Bundestagsfraktionen wiederum in Landesgruppen organisiert sind. Daran wird deutlich, dass sich politische Interessen auch innerhalb einer Fraktion regional gliedern lassen. Das „Gewicht“ eines Anliegens kann sich daher auch aus dem Umstand ergeben, dass es in bestimmten Regionen der Bundesrepublik mit Nachdruck verfolgt wird (in diesem Sinne auch BVerfGE 6, 84/96). Entscheiden sich Parteien dafür, die Anliegen einer einzelnen Region zur politischen Agenda zu erheben, ist das ihr gutes Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG und zugleich Ausdruck ihrer programmatischen Freiheit.

Wenn es Parteien in einzelnen Ländern gelingt, regelmäßig Zweitstimmenergebnisse von über 10% zu erzielen, liegt darin ein Indiz für das Gewicht der verfolgten Anliegen — jedenfalls in diesen Regionen. Erkennt man an, dass Anliegen im Volk auch dann von Gewicht sein können, wenn darin das Interesse einer bestimmten Region zum Ausdruck kommt, gesteht man dem integrativen Charakter von Wahlen damit letztlich über die inhaltliche Dimension hinaus auch eine regionale Dimension zu. So klingt auch in der einschlägigen Rechtsprechung des Zweiten Senats wiederholt die „effektive Integration“ des Staatsvolks durch die Grundmandatsklausel an (BVerfGE 95, 408/421; 96, 264/279).

Das zuvor beschriebene Phänomen lässt sich in der bundesrepublikanischen Realität besonders bei den zwei eingangs erwähnten Parteien – der CSU und der Partei DIE LINKE – beobachten. So gelang es der CSU auch bei der letzten Bundestagswahl, mit 31,7% der Zweitstimmen als stärkste Partei in Bayern aus der Wahl hervorzugehen. DIE LINKE konnte in Berlin und Thüringen jeweils 11,4%, in Mecklenburg-Vorpommern 11,1% der abgegebenen Zweitstimmen auf sich vereinen. CSU und DIE LINKE sind daher – nicht ausschließlich, aber eben auch – als Parteien zu begreifen, durch die spezifische Interessen einzelner Regionen Deutschlands aufgegriffen werden. Dies gilt in besonderer Weise für die CSU, da sie ausschließlich im Freistaat Bayern antritt. Aber auch DIE LINKE darf man angesichts der bundesweit schwachen, regional aber sehr starken Wahlergebnisse als Partei verstehen, durch die Interessen einiger Länder besonders deutlich artikuliert werden. Dies gilt ähnlich auch für die AfD, die gegenwärtig allerdings nicht ernsthaft durch die 5%-Sperrhürde bedroht ist.

Der Wahlrechtsgesetzgeber ist also gehalten, den gewichtigen Anliegen dieser Regionen Rechnung zu tragen, indem er den beiden Parteien – und dadurch mittelbar den betroffenen Regionen – keine Steine in den Weg legt, sondern Regelungen schafft, die ihnen entgegenkommen. Zwar können die Wahlergebnisse und auch die Anliegen der betreffenden Regionen schon bei der nächsten Wahl andere sein. Das Wahlrecht ändert der Gesetzgeber aber vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhältnisse und bewirkt damit jedenfalls keine Integration der genannten Regionen; er riskiert vielmehr ihre Ausgrenzung.

Zielsetzung des Gesetzgebers

Nun gesteht das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aber zu, dass es im Grundsatz bei ihm liegt, die verschiedenen Belange des Wahlrechts in einen Ausgleich zu bringen (s.o.). Nur dann, wenn unzulässige Ziele verfolgt werden, die Ausgestaltung zur Verfolgung der Ziele ungeeignet ist oder das Maß des Erforderlichen überschritten wird, greift das Gericht ein. Aber welches Ziel hat der Gesetzgeber nun verfolgt, als er sich bei der Reform des Bundeswahlgesetzes auf den letzten Metern für die Abschaffung der Grundmandatsklausel entschied? In der Gesetzesbegründung heißt es, die Beibehaltung der Grundmandatsklausel stelle im geänderten Wahlsystem einen „Systembruch“ dar (BT-Drs. 20/6015, S. 12). Bei der Wahl in den Wahlkreisen gehe es nunmehr um die Besetzung der durch die Parteien mit den Zweitstimmen errungenen Sitze und nicht mehr um eine Personenwahl (BT-Drs. 20/6015, S. 12). Demnach sei die Beibehaltung der Grundmandatsklausel verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen (BT-Drs. 20/6015, S. 12). Selbst in der schriftlichen Stellungnahme der von den Koalitionsfraktionen benannten Sachverständigen, auf die das neue Wahlsystem dem Grunde nach zurückgeht, findet dieses Argument allerdings keine Stütze. Dort heißt es zur Beibehaltung der 5%-Sperrklausel im Wortlaut: „Verfassungsrechtlich ist dieser Schritt unbestritten möglich, aber ebenso klar nicht geboten. […] Die Grundmandatsklausel beizubehalten, ist für die Glaubwürdigkeit des Entwurfs […] unabdingbar.“ (Schriftliche Stellungnahme v. Achenbach/Meinel/Möllers, S. 6).

Eine minimale systemische Abweichung vom Wahlsystem hätte die Beibehaltung der Grundmandatsklausel dargestellt. Aber war die Grundmandatsklausel nicht eigentlich schon immer ein Systembruch? Womöglich handelt es sich bei der Systemkonformität gar nicht um das tragende Argument. Und womöglich wurden die „Risiken und Nebenwirkungen“ nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern gerade beabsichtigt. Sollte etwa das Motiv, sich der konkurrierenden Partei DIE LINKE zu entledigen und bei dieser Gelegenheit auch die CSU ins Schwitzen zu bringen, eine Rolle gespielt haben, sind dies gewiss keine Ziele, die der Gesetzgeber des Bundeswahlgesetzes legitimerweise verfolgen darf.

Fazit

Da die Grundmandatsklausel als heilsames Korrektiv der Sperrklausel wirkte, dürfte unter ihr das Eis nun dünn werden. Wie dick das Eis noch ist, ob es bricht und ob die Sperrklausel dann „baden geht“, wird der 2. Senat wohl in Kürze entscheiden. Dabei wird er sich auch zur Grundmandatsklausel verhalten müssen. Ein Fremdkörper im Bundestagswahlrecht war die Grundmandatsklausel schon immer und ihre Beibehaltung ist gewiss nicht zwingend geboten. Verzichtet man aber auf sie, muss der Gesetzgeber einen anderen Modus schaffen, um die mit der 5%-Sperrklausel einhergehende Beeinträchtigung der Erfolgswertgleichheit zu rechtfertigen und die integrative Funktion der Wahl sicherzustellen. Der Gesetzgeber könnte etwa Listenverbindungen vorsehen und es damit CDU und CSU anheimstellen, mit einer Listenverbindung die Gefahr einer Unterschreitung der 5%-Sperrklausel durch die CSU von vornherein auszuschließen. Der Partei DIE LINKE wäre damit freilich nicht geholfen. Die vorzugswürdige Alternative liegt darin, die Sperrklausel auf 4% oder 3% abzusenken. Wäre die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Bundestags dadurch gefährdet? Nicht wirklich.


SUGGESTED CITATION  Müller, Leo: Dünnes Eis für die 5%-Sperrklausel, VerfBlog, 2023/4/06, https://verfassungsblog.de/dunnes-eis-fur-die-5-sperrklausel/, DOI: 10.17176/20230406-190218-0.

7 Comments

  1. Pyrrhon von Elis Thu 6 Apr 2023 at 18:32 - Reply

    Ich finde Smends wundersame Wiederbelebung in diesem Kontext immer noch äußerst verwunderlich. Überzeugender als in Weimar ist das “integrative” Denken nicht geworden, genauso ist es dogmatisch immer noch nicht irgendwo außer in einem nebulösen Dickicht aus Parolen, das Recht möge doch bitte irgendetwas tun, verortet.

    Der Wahlgesetzgeber ist bei aller Beachtung der “politischen Realität” nicht an die Strategie von Parteien gebunden, ganz im Gegenteil. Wer es unter dem geltenden Wahlrecht verpasst, genügend Stimmen zu mobilisieren, geht unter. Ich wüsste nicht, warum der Wahlgesetzgeber für CSU und Linke in die Bresche springen müsste. Wie einst bei Smend wird die Forderung nach Berücksichtigung von “Wirklichkeiten” zu einer Knebelung des Gesetzgebers durch politische Kräfte, über denen er zumindest qua Verfassung und in ihr eingeräumter Gesetzgebungsbefugnis steht. Den Parteien stünde es ohne Probleme zu, mehr Wähler durch Änderung ihres Profils zu gewinnen – dann bestünden auch keine Sorgen in Bezug auf den Einzug ins Parlament.

    • Pseudonym Sat 8 Apr 2023 at 00:31 - Reply

      Versuch mich mal, obgleich kein Jurist, mal mit dem Lieblingsargument der Juristen, der Reductio ad Absurdum: Wäre der Gesetzgeber nicht an die “Berücksichtigung von ‘Wirklichkeiten'” gebunden, dürfte er gar nicht eine Sperrklausel einführen, da unter einem solchen Gesetz in der (nicht wirklichen) Theorie der Bundestag dadurch vollends geleert werden könnte. Oder sogar noch schlimmer seinen Parlamentscharakter durch ein theoretisches Szenario nur einer Partei über 5% (die restlichen dadrunter) vollends verlieren könnte. Allein die “Berücksichtigung von ‘Wirklichkeiten'” erlaubt den Gesetzgeber überhaupt eine Sperrklausel einzuführen.

  2. Pyrrhon von Elis Mon 10 Apr 2023 at 13:51 - Reply

    Ich würde gerne antworten aber verstehe weder Prämissen noch Konklusionen ihres Arguments – könnten sie erläutern?

    • Pseudonym Mon 17 Apr 2023 at 02:54 - Reply

      Gerne.
      zu widerlegende Annahme: Der Gesetzgeber darf ohne “Berücksichtigung von ‘Wirklichkeiten'” eine Sperrklausel einführen.
      darauf folgende falsche Aussage: Der (einfache) Gesetzgeber darf auch im Falle, dass keiner diese Hürde in “Wirklichkeit” diese Sperrklausel erreicht, eine Sperrklausel einführen. Der (einfache) Gesetzgeber darf also den Bundestag auflösen.
      Konklusion: Der Gesetzgeber darf, wenn überhaupt, unter “Berücksichtigung von ‘Wirklichkeiten'” eine Sperrklausel einführen.

  3. Weichtier Fri 14 Apr 2023 at 12:54 - Reply

    Eine Wahl, bei der 20 Parteien antreten und bei der 19 Parteien jeweils 4,999% der Stimmen erhalten und eine Partei 5,019% der Stimmen erhält, würde bei der 5%-Sperrklausel dazu führen, dass eine Partei 100% der Abgeordneten stellt. Eine solches Wahlergebnis ist für mich genauso „wirklich“, wie das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2021. Ein solches Wahlergebnis verstösst nicht gegen die Natur- oder Denkgesetze, es ist nur nicht sonderlich wahrscheinlich. Jedenfalls nehmen die Apologeten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ein solche Konsequenz der 5%-Sperrklausel restrisikomäßig in Kauf.

    • Mittelwert Sun 16 Apr 2023 at 10:57 - Reply

      Dieses Szenario ist zwar für die nähere Zukunft höchst unwahrscheinlich, vorbeugen könnte gleichwohl mein an anderer Stelle schon geäußerter Vorschlag, die Prozenthürde nicht an den Zweitstimmen, sondern den Mandaten festzumachen. Dann müsste die stimmenstärkste Partei jedenfalls schon 20 Mal so viele Wähler haben wie die nächstkleinere, um sämtliche Mandate erhalten zu können.

      Durch die Grundmandatsklausel hätte nach bisherigem Wahlrecht übrigens der Gewinn von mindestens drei Direktmandaten durch eine Partei mit (annähernd) null Prozent der Zweitstimmen den Effekt, das der Bundestag (quasi) unendlich groß werden müsste – dann wären vermutlich sämtliche Listenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien gewählt …

  4. Gresell Fri 21 Jul 2023 at 17:52 - Reply

    Ich finde die Argumentation bezüglich der CSU wenig überzeugend, denn diese begibt sich bewusst in die Position, eventuell die 5%-Hürde nicht zu erreichen. Würde die CSU landesweit antreten und sich nicht nur als Vertreterin von Bayern sehen, stünden ihre Chancen besser, die Hürde zu überspringen. Das Grundgesetz sieht vor, dass der einzelne Abgeordnete die Bevölkerung als Ganzes vertreten soll. Eine Partei, die nur in einem Bundesland antritt, weil sie und ihre Abgeordneten sich als dezidiert bayerisch betrachten, stellt diesen Grundsatz stark in Frage. Dies schädigt zudem den integrativen Charakter der Wahl enorm, da 70 Millionen Menschen in Deutschland mit gutem Recht das Gefühl haben können, dass ein Bundesland systematisch bevorzugt wurde. Dies ist bei Aussagen wie “Scheuer war der beste Bundesverkehrsminister aller Zeiten, weil er mehr Geld als jeder andere vor ihm nach Bayern gebracht hat”, nicht überraschend. Vor diesem Hintergrund fällt es mir schwer, der Argumentation zu folgen, dass das Grundgesetz diesen Zustand schützt, weil man die politische Realität berücksichtigen muss.

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