Der alte Wunsch nach einfachen Lösungen
Die Unionsfraktion fordert ein Sexkaufverbot – doch gut gemeint ist manchmal unterkomplex
Die Unionsfraktion des Bundestages hat am 7. November ein Positionspapier mit dem Titel „Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen“ verabschiedet, in welchem sie vorschlägt, in Deutschland das sog. Nordische Modell einzuführen und den Kauf sexueller Dienstleistungen prinzipiell zu kriminalisieren. Derartige politische Forderungen häufen sich auf nationaler und europäischer Ebene (siehe etwa hier, S. 26, Nr. 41 und hier). Ziel des Sexkaufverbots nach schwedischem Vorbild ist ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Prostitution soll als Menschenrechtsverletzung begriffen werden, die einer echten Gleichstellung der Geschlechter zuwiderläuft. Doch die von der Union behaupteten Zahlen zu Umfang und Struktur der Prostitution in Deutschland sind spekulativ und die Forderungen hypokritisch. Sie blenden relevante Facetten und Akteure aus und ignorieren verfassungsrechtliche wie dogmatische Probleme.
Das Nordische Modell sieht vor, Ausstiegs- und Beratungsangebote für Sexarbeiter*innen auszubauen, während sich Freier durch die Inanspruchnahme der Dienstleistung strafbar machen. Langfristig sollen diese Maßnahmen Prostitution stark reduzieren oder möglichst ganz abschaffen. Schweden, Norwegen, Island, Kanada, Nordirland, Frankreich, Irland und zuletzt Israel haben das sog. Nordische Modell in unterschiedlichen Varianten implementiert; Finnland, Dänemark, Großbritannien, Spanien und die Schweiz entschieden sich nach parlamentarischen Debatten bislang dagegen.
De facto ein Berufsverbot
Ein Sexkaufverbot nach Nordischem Modell würde einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Sexarbeiter*innen darstellen. Sexarbeit/Prostitution ist ein Beruf im Sinne des Art. 12 GG (Rn. 22). Wenn die Nachfrage nach der angebotenen Leistung kriminalisiert würde, käme das de facto einem Berufsverbot gleich. Ein solches wäre nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter gegen nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren zulässig und erst dann, wenn alle weniger invasiven Eingriffe keinen Erfolg versprächen. Nach dem derzeitigen empirischen Kenntnisstand (S. 36 f.) zu Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland wäre dieser Nachweis kaum zu führen.
Daneben ist das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung sowohl der Kund*innen als auch der Sexarbeiter*innen betroffen. Eine konsensuale sexuelle Interaktion zwischen Erwachsenen strafrechtlich zu verbieten, unterliegt einem erheblichen Rechtfertigungsdruck. Insbesondere für die Fälle, in denen konsensualer Bezahlsex für Menschen die einzige Möglichkeit darstellt, ihre Sexualität auszuleben und zu entfalten – etwa im Rahmen von Sexualbegleitung/-assistenz für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung – ist ein generelles Nachfrageverbot kaum zu rechtfertigen.
Außerdem wirft ein faktisches Berufsverbot für eine Gruppe, die weit überwiegend aus Frauen besteht, auch Fragen im Hinblick auf den staatlichen Gleichstellungsauftrag gemäß Art. 3 Abs. 2 GG auf. Ein Sexkaufverbot ist die Einschränkung einer spezifisch weiblichen Form des Gelderwerbs. Eine belastende Regelung, die faktisch Frauen in überdurchschnittlicher Anzahl betrifft, wirkt als eine mittelbare Diskriminierung für diejenigen, die die Tätigkeit freiwillig und selbstbestimmt ausüben.
Die Tatsache, dass Ermittlungen im sog. „Rotlicht-Milieu“ schwierig und personell aufwendig sind, rechtfertigt keine generelle Kriminalisierung. Strafrecht darf als ultima ratio nur und erst dann eingesetzt werden, wenn hochwertige Rechtsgüter nicht anders geschützt werden können. Polizeiliche und behördliche Ermittlungsarbeit zu erleichtern, ist hingegen nicht die Aufgabe von Strafrecht (Renzikowski, An den Grenzen des Strafrechts – Die Bekämpfung der Zwangsprostitution, in: ZRP 2005, 213 (216)).
Ist das Nordische Modell emanzipatorisch?
Es sprechen durchaus gute Gründe für die Idee des Nordischen Modells. So ist aufgrund der Legalisierung von Sexarbeit in Deutschland die Nachfrage nach „sexuellen Dienstleisterinnen“ so stark gestiegen, dass sie sehr wahrscheinlich nicht durch freiwillig tätige Sexarbeiter*innen gedeckt werden kann. Das wiederum setzt einen Anreiz für Menschenhandel (sog. pulling factor).
Auch ergeben sich aus der Sexarbeit/Prostitution problematische Implikationen für das Geschlechterverhältnis (S. 102-105), selbst dann, wenn sie unter weitgehend idealen Bedingungen freiwillig angeboten wird. Die Verfügbarkeit weiblicher Sexualität und die Zentrierung auf männliche Bedürfnisse konstruiert männliche Überlegenheit, trägt zu einem patriarchalen Geschlechterverhältnis bei und führt die Ungleichverteilung sexueller Freiheiten zwischen Frauen und Männern fort (Vgl. Gerheim, Die Produktion des Freiers, S. 204). Insofern könnte die Stellungnahme des Gesetzgebers, die generelle Verfügbarmachung weiblicher Sexualität für männliche Bedürfnisse zu verneinen, wie sie durch ein Sexkaufverbot zum Ausdruck gebracht würde, als emanzipatorisch verstanden werden.
Allerdings werden ähnliche Effekte in vielen anderen „Care-Berufen“ weitgehend unhinterfragt hingenommen. Niemand käme auf die Idee, die Inanspruchnahme weiblicher Reinigungsdienste, Pflegedienstleistungen oder die Hausfrauenehe strafrechtlich zu verbieten. Auch steckt in der generellen Untersagung des Tauschs „Sex gegen Geld“ egal, unter welchen Bedingungen er stattfindet, eine paternalistische Bevormundung, die ihrerseits eine unrühmliche patriarchale Tradition hat (Vgl. Gerheim, Die Produktion des Freiers, S. 62 f.) und das „Huren-Stigma“, das der Tätigkeit als Sexarbeiterin anhaftet, noch verstärken kann (S. 13-16).
Zudem gibt es Aspekte in der Sexarbeit, die patriarchale Machtstrukturen sogar infrage stellen. Sexarbeit kann bedeuten, dass sexuelle Verfügbarkeit neu und auf Augenhöhe verhandelt, heterosexuelle Normativität mit den ihr inhärenten Machtstrukturen gebrochen und sexuelle Devianz nicht moralisch abgewertet und verurteilt wird (Vgl. Maga, (M)ein Weg der heiligen Hure, in: Schrader/Künkel (Hrsg.), Sexarbeit. Feministische Perspektiven, S. 51 ff.). In einigen Bereichen erfüllen sexuelle Dienstleistungen therapeutische Funktionen. Neben der Sexualbegleitung betrifft das auch den Bereich Tantra-Massage, die dazu dienen soll, Menschen in ihrer Ekstasefähigkeit und in ihrer Selbstwahrnehmung zu sensibilisieren und eine erfülltere Sexualität jenseits sexueller Skripte zu ermöglichen. Männliche Sexarbeitende berichten von Kundinnen, die nach einer Vergewaltigung ihren Escort-Service in Anspruch nehmen, um in einer sexuellen Interaktion das Gefühl von Kontrolle zu haben und wieder Sicherheit zu gewinnen. Sexuelle Dienstleistungen werden nicht nur von Männern in Anspruch genommen, sondern von Personen aller Geschlechter.
Praktische Auswirkungen auf die Anbietenden
Dass die Kriminalisierung der Kund*innen zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen führen würde, wird in der Fachwelt bezweifelt. Eine wirksame Hilfe bedarf (teurer) staatlicher Fürsorge und Unterstützung bei der Bewältigung der Bedingungen, die erst zu den finanziellen und sozialen Notlagen führen, die die Sexarbeit für viele als die beste oder einzige Option erscheinen lassen. Dies betrifft insbesondere Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, deren Bildungsabschlüsse hier oft nicht anerkannt werden, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, vertiefte Sprachkenntnisse zu erwerben oder gar nicht über einen legalen Aufenthaltsstatus verfügen. All diese Bedingungen für prekäre Arbeits- und Lebensumstände will gerade die Unionsfraktion jedoch nicht verändern.
Das Positionspapier der Unionsfraktion konstatiert, dass Verurteilungen im Bereich Menschenhandel und Zwangsprostitution häufig an der fehlenden Aussagebereitschaft der Opfer scheitern (S. 4). Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Betroffenen von Menschenhandel und Zwangsprostitution eher zu Aussagen bereit wären, wenn der Kauf sexueller Dienstleistungen generell kriminalisiert würde; insbesondere dann, wenn mit einer belastenden Aussage weiterhin fehlender Schutz vor den Tätern und vor Abschiebungen einherginge. Bündnisse wie der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel verweisen auf die Notwendigkeit eines gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status (S. 97) für die Opfer, um deren Aussagebereitschaft zu erhöhen. Diesen Vorschlag sucht man im Positionspapier jedoch vergeblich, ebenso wie den Hinweis darauf, dass Studien existieren, die nahelegen, dass das schwedische Sexkaufverbot zu einem Anstieg der Gewaltprävalenz, schlechteren Arbeitsbedingungen und erhöhten Gesundheitsrisiken (S. 6) für die verbleibenden Sexarbeiter*innen geführt und dabei Menschenhandel und Zwangsprostitution nicht wesentlich reduziert hat.
Das unerforschte Dunkelfeld
Die Unionsfraktion behauptet (S. 2), dass „den überwältigenden Mehrheitsanteil [der Sexarbeit] (Schätzungen zufolge 85 bis 95%) die unfreiwillige Armuts- und Elendsprostitution aus[macht], die von Täuschung, Drohung und völliger Abhängigkeit von Zuhältern geprägt ist“, dies beträfe eine „sechsstellige Anzahl von Frauen und Mädchen“ (S. 4). Solche Zahlen sind jedoch spekulativ. Expert*innen vermuten zwar ein großes Dunkelfeld (S. 36), belastbare Zahlen für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik existieren in Deutschland jedoch nicht. Die dafür erforderlichen (teuren) Studien wurden auch während der unionsgeführten Regierungen nicht in Auftrag gegeben. Welchen Anteil diejenigen, die durch Menschenhandel und Zwangsprostitution ausgebeutet werden, an der Gesamtzahl aller Prostituierten/Sexarbeitenden haben, weiß also niemand.
Diejenigen, die in der Sexarbeit einen akzeptablen bis lukrativen Beruf, einige auch ihre Berufung gefunden haben, werden im Positionspapier als marginal abgetan. Auch die Frage wird ausgeblendet, wo die Grenze zwischen Zwang/Fremdbestimmung und beschränkten Optionen aufgrund prekärer Lebensbedingungen verläuft. Die Reduktion auf ein reines Opfernarrativ suggeriert eine Hilf- und Willenlosigkeit von Frauen, die das Stereotyp einer Oper-Täter-Dichotomie perpetuiert, welches seinerseits Sexismen und Rassismen (re-)produzieren kann. Die stark vereinfachte Beschreibung der Realitäten in der Prostitution blendet Facetten der Sexarbeit und sexuellen Selbstbestimmung aus, die komplexere Problemlösungsansätze erfordern würden. Doch die Frage nach der Autonomie in der Sexarbeit wird durch ein schlichtes Verbot nicht beantwortet. Ein generelles Verbot zu fordern, ohne diese komplexen Fragen auch nur aufzuwerfen, ist populistisch.
Viele der Vorschläge im Positionspapier der Union sind vernünftig und wären bereits jetzt bzw. schon vor Jahrzehnten umsetzbar gewesen; sie sind nicht zwangsläufig an das Nordische Modell gebunden. Es liegen Evaluierungen (S. 151 ff.) und Vorschläge (S. 94 ff.) dazu vor, wie ein besserer Schutz vor Menschenhandel und Zwangsprostitution durch das Strafrecht unter Beibehaltung eines Regulierungsmodells möglich wäre. Insbesondere die Vorschläge im Positionspapier zur „ersten Säule“ (S. 8) könnten auch in einem regulatorischen Modell umgesetzt werden, ohne dabei in die Grundrechte einer unbekannt großen Gruppe von Menschen (v.a. Frauen) einzugreifen und sich über diverse grund- und strafrechtsdogmatische Grenzen hinwegzusetzen.
“Doch die von der Union behaupteten Zahlen zu Umfang und Struktur der Prostitution in Deutschland sind spekulativ und die Forderungen hypokritisch.”
Ein Beispiel für Letzteres: Die Verfechter eines “Sexkaufverbots” behaupten, in der Prostitution tätige Menschen schützen, und nicht kriminalisieren zu wollen. Bezeichnenderweise wird die nach wie vor auf > 90% der Fläche der Bundesrepublik anhaltende Kriminalisierung nach § 184f StGB niemals angesprochen – so, als gäbe es sie nicht.
Lieber Herr Büche,
vielen Dank für den Hinweis!
Die Kriminalisierung nach § 184f StGB sehe ich ebenfalls kritisch und hatte mich damit im Rahmen des Symposiums zur Regulierung der Sexarbeit in Deutschland (https://verfassungsblog.de/category/debates/regulierung-der-sexarbeit-in-deutschland-6-jahre-prostituiertenschutzgesetz/) auseinandergesetzt: https://verfassungsblog.de/ist-das-rechtsguterschutz-oder-kann-das-weg/.
ich kann dem Tenor nur zustimmen: nur weil etwa im Handwerksbereich sehr viel Schwarzarbeit herrscht, wird dennoch nicht dieser Berufszweig verboten. Nur weil viele Menschen ihren Job nicht völlig selbstbestimmt und frei wählen kann, spricht niemand darüber, diese Strukturen zu verändern, was sicher weitaus wichtiger wäre als ein Sexkaufverbot.
Sexkaufverbot ist die Einschränkung einer spezifisch männlichen Form der Geldausgabe. Ergo: This is not a mansplaining.
Die dargebrachte akademische Meinung ist so unverschämt, der Prostitution anhand “ähnliche(r) Effekte” mit vielen anderen „Care-Berufen“ hier eine Ebenbürtigkeit zu konstatieren. Den eigenen Hintern für Analverkehr oder das Gesicht für Ejakulationen beruflich hinzuhalten fährt beileibe nicht ansatzweise auf demselben Gleis, wie etwa bedürftige Menschen bei der Körperpflege zu unterstützen. Was sind die konkreten “Facetten der Sexarbeit, die komplexere Problemlösungsansätze erfordern würden”? Sozialdruck hin oder Migrationsfrage her: Handelt es sich dabei um nicht belegbare Theorien, welche in dem nicht der Realität des Prostitutionsalltags ausgesetzten Diskursraum herumschwirren?
Der eigene Körper bildet einen unverfügbaren, höchstpersönlichen Bereich, so dass jegliches emanzipatorisch verbrämte Freihalten (Autonomie) des Begriffes “Sexarbeit” direkt eine übergriffige Fremdbestimmung darstellt. Geradegerückt: Die Akzeptanz des Begriffes “Sexarbeit” geht über die bloße Toleranz der sich im rein Tatsächlichen prostituierenden Frau hinaus und signalisiert ein gesellschaftliches Okay — insbesondere in der Instrumentalisierung für antipatriarchale Feminismusdebatten. Das ist eine astreine, hausgemachte Geschlechterdiskriminierung zumindest der Frauen, die ansatzweise mit dem Gedanken oder der Ausweglosigkeit, sich zu prostituieren, in Berührung kommen. Es geht um den Schutz dieser Gesellschaftsteile und nicht um deren wirtschaftliche Emanzipation. Prostitution ist und bleibt menschenunwürdig und asozial! Der Gesetzgeber ist aufgerufen, die Unantastbarkeit der Menschenwürde mit tauglichen Mitteln zu befördern.
Eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung ist niemals unverschämt. Die Kollegin gibt hier einen guten Überblick und stellt erz- und rechtskonservative Idiotie teilweise in Frage. In Frage stellen das Sexkaufverbot viele, die nachdenken. In Irland haben 80 Experten eine Petition unterzeichnet. Amnesty International hatte zudem geruegt. In Schweden hat eine weitere deutsche Expertin die Sinnlosigkeit eines solchen Gesetzes verdeutlicht. Und andere Expertinnen meinen, dass damit überhaupt nur eine moralische Agenda verfolgt werden wuerde. Auch Richter Thomas Fischer betont den Freiwilligkeitaspekt und die Gefahr, die durch staatliche Willkür auf die Sexarbeitenden lauert. Sie dürfen natürlich gegen Prostitution sein, die grobe Schattenseiten hat – ja, das ehrt Sie sogar etwas. Ihr Kommentar hier tut das aber nicht. Ich stimme der Autorin zu, Ihnen leider nicht.
Die vorgenannten Punkte kann ich nur teilweise unterstützen. Insbesondere die Argumente unter “Praktische Auswirkungen auf die Anbietenden” scheinen stichhaltig. Ich finde es richtig, zuerst die Bedingungen, welche zu einem Abrutschen in solch eine Abhängigkeit führen, zu ändern, bevor ein Verbot durchgesetzt wird. Sprich: den Menschen muss sozial und finanziell geholfen werden, damit sich niemand gezwungen fühlen muss, Sexarbeit nachzugehen.
Doch der kriminellen Energie von Menschenhandel und Zwangsprostitution die Selbstbestimmung und freie Berufswahl gegenüber zu stellen, ist aus meiner Sicht nur zynisch. Es ist, als würde man je eine Vertreterin davon aussuchen und die beiden sollten für sich selbst und für alle anderen mit entscheiden.
Wir wissen nicht, wie hoch der Anteil der Zwangsprostituierten gegenüber denjenigen ist, die aus freien Stücken den Beruf ausüben. Aber auch wenn es nur 60 Prozent, vielleicht sogar nur 45 Prozent wären, die gezwungen werden, ihren Körper für Sex herzugeben, so ist allein um der 45 % das nordische Modell zu bevorzugen (oder eine bessere Variante).
Ein Beruf ist nur so lange ein Beruf, wie er nicht verboten ist. In keinem andern Bereich würde man in gleicher Weise argumentieren.
Niemand würde zu einem Drogendealer oder Waffenhändler, der sein Geschäft mit Extremisten macht, sagen: “Wenn es für dich fein ist und deine Kunden zufrieden sind, dann ist alles in Ordnung, weil du ja nur einen vorhandenen Markt bedienst.”
Einen mehrfach auffälligen und gefählichen Raser würde man hohe Strafen auferlegen, auch wenn das sein Lebensstil sein mag.
Jemanden, der in Serie Banken ausraubt, ein Versicherungsbetrüger oder ein notorischer Heiratsschwindler ist, würde man nicht ungestraft davon kommen lassen, egal, wie sein Leben privat aussieht.
Es darf nicht sein, dass Frauen oder Männer in Angst leben, unter Gewalt und Erniedrigung leiden – auch Drogen nehmen, um ihren Körper damit zu betäuben und die Zeit erträglich zu machen -, weil Andere in Prostitution ihre Berufung gefunden zu haben meinen. Jeder Mensch, der so etwas erleidet, ist einer zu viel. Die Politik muss dem entgegen wirken und der Weg dahin sollte seine Diskussion wert sein. Aber ein Ausspielen zweier betroffener Parteien gegeneinander verbietet sich , wenn bei einer die Würde verletzt wird oder die Gesundheit auf dem Spiel steht.
Sie Fragen, wenn sogar nur 45 Prozent der Betroffenen gezwungen werden wuerden, dann koennte ein Sexkaufverbot vielleicht helfen? Na gerade das versucht die Autorin ja zu hinterfragen, oder? Andere kommen zu der Erkenntnis, dass es das gerade nicht tut. Zwangprostitution ist ja schon verboten. Gestoppt wird sie aber nicht immer, trotz scharfer Gesetze. Hilft hier Sichtbarkeit durch Regulierung dann nicht doch etwas mehr, als ein Defactokomplettverbot?
Natürlich versucht die Autorin genau die Sinnhaftigkeit des Sexkaufverbots zu hinterfragen. Und ich behaupte ja auch nicht, dass das Nordische Modell das ultimativ beste ist.
Aber stellen Sie sich vor, Sie würden rausfinden wollen, ob eine Prostituierte zu ihrer Arbeit gezwungen wird. Wie wollen Sie sicher gehen, dass sie aus Angst vor ihrem Zuhälter nicht lügt und behauptet, es laufe alles auf freiwilliger Basis? Wie lässt sich zwischen Freiwilligkeit und Zwang zuverlässig unterscheiden?
Hallo, mir macht dieses Positionspapier der CDU, CSU sehr Angst, weil Angst habe die das tatsächlich einführen könnten , die Frage ist können die das tatsächlich einführen den es ist ja schließlich in Teilen Verfassungswidrig und würde dieses Gesetz nicht vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben?
Hallo Chris,
ich kann darauf keine sichere Antwort geben, denn ob ein Sexkaufverbot verfassungswidrig ist, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes. Außerdem von der juristischen Bewertung unterschiedlicher Punkte. Ich habe in dem Beitrag nur angedeutet, welche Punkte ich verfassungsrechtlich problematisch fände. Das ist natürlich keine vertiefte Prüfung und kein juristisches Gutachten. Zu vielen der angerissenen Fragen gibt es auch unter Jurist*innen sehr unterschiedliche Meinungen. Ob ein Sexkaufverbot eingeführt werden könnte, das vom BVerfG als verfassungskonform beurteilt würde, kann leider niemand sicher beantworten.
Hallo,
Danke für diesen interessanten Artikel. Ich würde gerne den “empirischen Kenntnisstand” zu Menschenhandel und Zwangsprostitution lesen. Der Link scheint aber nicht gültig zu sein.
Herzlichen Dank
Vielen Dank für Ihren Hinweis! Möglicherweise hat sich der Link zwischenzeitlich geändert, ich kümmere mich um eine Neuverlinkung. Dieser sollte zum Forschungsbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zur Evaluierung der Strafvorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels führen:
https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/Bericht_Evaluierung_Strafvorschriften_Bekaempfung_Menschenhandel.pdf.
Beste Grüße, Teresa Harrer
Ein paar Fragen zum “Sexkaufverbot”:
1. Würde das “Sexkaufverbot” für Menschen mit Behinderung genau so gelten? Oder gäbe es für Menschen mit Behinderung eine Ausnahme vom “Sexkaufverbot”?
2. Wäre bei eine “Sexkaufverbot” das Drehen von Pornofilmen dann ebenfalls verboten? Denn dabei haben ja auch Darstellerinnen und Darsteller bezahlten, realen Sex vor der Kamera, bzw. sie verdienen ihr Geld damit.
3. Würde das “Sexkaufverbot” uneingeschränkt auch homosexuelle Prostitution betreffen?
4. Würde in den seltenen Fällen, dass eine Frau für Sex bezahlt, diese dann genau so bestraft werden wie die männlichen Sexkäufer?