Kein Recht auf Profite mit der Miete
Zur dringend gebotenen Verlängerung der Mietpreisbremse noch in dieser Legislatur
Nach langer taktischer Verzögerung hatte das FDP-geführte Bundesjustizministerium (BMJ) den Gesetzesentwurf zur Verlängerung der Mietpreisbremse Mitte Oktober endlich auf den Weg gebracht. Kurz darauf platzte die Regierungskoalition. Das Schicksal des Gesetzesentwurfs ist seitdem offen. Es ist jedoch dringend geboten, die Verlängerung der Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen, besser noch, die Mietpreisbremse zu entfristen. Ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen keine. Demgegenüber drohen fatale Folgen für die Mieter:innen in Ballungsgebieten, wenn der Bundestag hier untätig bleibt.
Entfristung der Mietpreisbremse jetzt
Die Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) wurde 2015 eingeführt. Sie soll den Anstieg der Wohnungsmietpreise in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt verlangsamen. Die Länder werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen. In diesen Gebieten darf die Miethöhe bei Neuvermietung grundsätzlich maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese wird nach der gesetzlichen Definition aus den üblichen Entgelten gebildet, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten sechs Jahren vereinbart oder geändert worden sind. Das Gesetz war zunächst auf fünf Jahre angelegt und ist seither bereits einmal um weitere fünf Jahre verlängert worden. Ende 2025 läuft diese Verlängerung aus.
Die Ampel-Regierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern, die sog. Kappungsgrenze (moderat) abzusenken und den Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete (geringfügig) zu verlängern. Keines dieser – angesichts der Wohnungskrise ohnehin wenig ambitionierten – Vorhaben ist bislang umgesetzt. Die Koalition kann also schon jetzt nicht für sich beanspruchen, die Lage der Mieterinnen und Mieter verbessert zu haben. Ganz im Gegenteil: Sollte sie nun nicht einmal die Mietpreisbremse verlängern, riskiert sie sogar, das Leben von Mieterinnen und Mietern nachhaltig zu verschlechtern.
Die Mietpreisbremse muss jetzt entfristet werden, mindestens aber um weitere fünf Jahre verlängert werden. Diese Neuregelung verträgt keinen Aufschub in die neue Legislaturperiode. Es ist fraglich, ob eine absehbar unionsgeführte Regierung den politischen Willen hierzu mitbringt. Zudem käme die Regelung dann zu spät: Da die Verordnungsermächtigung für die Länder einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeutet, müssen diese sich frühzeitig auf die Verlängerung einstellen können.
Kein Vorschieben verfassungsrechtlicher Bedenken
Gegen die Verlängerung der Mietpreisbremse (und dementsprechend erst recht gegen die Entfristung, die politisch kaum diskutiert wird) werden indes immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht: Das Bundesverfassungsgericht habe die Mietpreisbremse in seiner Entscheidung von 2019 nur durchgehen lassen, weil ihre Geltung zeitlich begrenzt sei. Sie sei nur als Übergangsinstrument mit der Verfassung vereinbar (was das Gericht, um das hier schon einmal klarzustellen, an keiner Stelle der Entscheidung sagt). Weil sie bereits zehn Jahre gelte, werde der Eingriff in die Grundrechte der Vermieter:innen „potenziert“ (so der Geschäftsführer des Immobilienverbands IVD unlängst hier).
Auch der Entwurf des noch von Marco Buschmann geführten BMJ zur Verlängerung der Mietpreisbremse drückt diese verfassungsrechtlichen Bedenken aus. Die Mietpreisbremse könne angesichts der Schwere des mit der Mietpreisbremse verbundenen Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht der Vermieter:innen nach Art. 14 GG lediglich um drei weitere Jahre verlängert werden. Eine erneute Verlängerung führe nämlich dazu, dass der mit der Mietpreisbremse verbundene Eingriff in verschiedener Hinsicht vertieft werde. Zum einen ergebe sich dies schon aus der fortschreitenden zeitlichen Dimension. Zum anderen flössen mit zunehmender Geltungsdauer immer mehr Miethöhen in die ortsübliche Vergleichsmiete ein, die durch die Vorgaben der Mietpreisbremse der Höhe nach beschränkt seien. Dies verstärke „die Wirkung des Preisbeschränkungsmechanismus“ (S. 5). Hinzu komme die aktuell hohe Inflationsrate, welche die Eingriffsintensität verstärke. Die der Höhe nach beschränkten Mieten entfernten sich bei hoher Inflation nämlich immer mehr vom allgemeinen Lohn- und Preisniveau. Das BMJ meint, allein aufgrund dieser Umstände ergäben sich besonders hohe verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung für eine Verlängerung der Mietpreisbremse.
Das verfassungsrechtliche Problem soll insgesamt offenbar darin liegen, dass sich der zulässige Mietpreis mit Verlängerung der Geltungsdauer der Bremse „noch stärker von den aktuellen Marktverhältnissen entfernt“ (S. 2 d. Informationspapiers zum BMJ-Entwurf). Diese Bedenken sind nicht nachvollziehbar. Das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG steht weder einer weiteren Verlängerung noch einer Entfristung der Mietpreisbremse entgegen. Art. 14 GG gibt nämlich kein Recht auf die „Marktmiete“, schon gar nicht verstanden als diejenige Miete, die auf einem unregulierten, aber dysfunktionalen Markt erzielt werden könnte. Die Vorschriften zur Mietpreisbremsen in den §§ 556d ff. BGB bringen dementsprechend ein wesentliches Prinzip der Vertragsgerechtigkeit zum Ausdruck, nämlich den Austausch zu fairen Bedingungen. Es ist Zeit, jenes Prinzip im Miethöherecht des BGB fest(er) zu verankern.
Bürgerlich-rechtliches Miethöherecht als Recht der gerechten Marktmiete
Wie das Mietrecht im Übrigen regeln auch die §§ 556d ff. BGB im Wesentlichen die Bedingungen des Austauschs der Vermieterleistung (Zurverfügungstellen von Wohnraum) und der Mieterleistung (Zahlung des Mietzinses). Bei der maßgeblichen Hauptleistung (d.h. Wohnraum) handelt es sich dabei um eine besondere Leistung, die für die Mietpartei erhebliches Gewicht hat.
Die Besonderheit der Wohnungsmiete spiegelt sich u.a. darin, dass der „freie Markt“ für die Preisbildung tendenziell zu keinen gerechten Lösungen führt. Das liegt maßgeblich daran, dass Boden, und mit ihm Wohnraum, nicht beliebig reproduzierbar ist. Dadurch ist ein idealer Markt – das heißt einer, auf dem ein (annäherndes) Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage besteht – jedenfalls ab dem Moment nicht mehr gegeben, in dem die Nachfrage das Angebot übersteigt. Hinzu kommt, dass die mietende Seite auf die Leistung existenziell angewiesen ist. Diese Umstände führen dazu, dass Vermieter:innen die Preise schier unendlich anheben können.
Wenn im Zusammenhang mit Miethöheregulierung von „Marktmiete“ oder dem „Marktpreis“ gesprochen wird, ist indes häufig genau dieser Preis gemeint, der auf einem völlig unregulierten Markt abgerufen werden könnte. Es ist jedoch überzeugender, hier gar nicht vom „Marktpreis“ zu sprechen, weil der Wohnraummietmarkt eben inhärent dysfunktional ist. Stattdessen sollte dieser Begriff nur für Preise verwendet werden, die auf ausgeglichenen Märkten gebildet werden. Versteht man Marktpreis in diesem letzteren Sinn – also als auf einem unterstellt funktionierenden Markt erzielbarer Preis – dann entfernt sich die Mietpreisbremse nicht von jenem, sondern bringt ihn erst zur Geltung. Die Mietpreisbremse orientiert den Preis mit der ortsüblichen Vergleichsmiete an hypothetisch ausgeglichenen Marktbedingungen, um die Vertragsgerechtigkeit nicht den Dynamiken eines funktionsgestörten Markts preis zu geben. Die ortsübliche Vergleichsmiete bildet in diesem Sinne, wie das Bundesverfassungsgericht auch in seiner Entscheidung zur Mietpreisbremse aus 2019 festhält, „einen am angestrebten Normalzustand orientierten Maßstab für die höchstzulässige Miete“ (Rn. 82; so auch schon BVerfGE 38, 348 [360 f.]).
Es findet mit dem Ausbremsen des Mietenanstiegs also schon nicht – wie vom BMJ unterstellt – eine zunehmende Entfernung vom „Marktpreis“ statt. Es bedeutet lediglich, wie das Bundesverfassungsgericht präziser festhält, eine Entfernung „von der am unregulierten Markt erzielbaren Miete“ (a.a.O. Rn. 84) und eine Annäherung an den „gerechten“ Marktpreis. Schon das spricht für eine Entfristung der Mietpreisbremse und eine Verankerung im sogenannten sozialen Mietrecht des BGB. Zum Einsatz käme die Bremse weiterhin nur dort, wo angespannte Mietmärkte dazu führen, dass die Preisbildung gestört ist.
Kein verfassungsrechtliches Recht auf (maximale) Profite
Die gesetzliche Orientierung der zulässigen Miethöhe am angestrebten Normalzustand ist mit der Eigentumsfreiheit der Vermieter:innen vereinbar (so schon BVerfGE 37, 132-149). Entsprechend hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 keinerlei Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse. Wenn man sich die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben noch einmal vor Augen führt, spricht viel dafür, dass jene auch eine Entfristung tragen würden, jedenfalls aber eine weitere Verlängerung.
Art. 14 GG schützt die Eigentumsfreiheit und mit ihr, so die geläufige Formel des Bundesverfassungsgerichts, die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich. Ausdrücklich nicht durch Art. 14 GG geschützt ist aber das Interesse, mit einer Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können (Rn. 76 m.w.N.). Die Eigentumsfreiheit umfasst weder das Vertrauen in die Stabilität der Marktentwicklung, noch darin, dass sich der Staat ordnender Maßnahmen enthalten werde.
Die Untergrenze für die Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit ist dementsprechend denkbar niedrig. Unzumutbar wäre es etwa, wenn die Regeln zur zulässigen Miethöhe zu dauerhaften Verlusten für die Vermieter:innen oder zum Wegfall jeder sinnvollen Nutzungsmöglichkeit führen würde (Rn. 88 m.w.N.). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht 2019 abermals betont, dass ein solcher Eingriff nicht bereits vorliegt, „wenn aus einem Eigentumsobjekt nicht mehr die höchstmögliche Rendite erzielt werden kann“ (a.a.O., so auch schon BVerfGE 71, 230 [Rn. 49]). Es hat ferner festgehalten, dass eine die Substanz oder jegliche Nutzbarkeit gefährdende Entwicklung aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wahrscheinlich ist (Rn. 89).
Andere Schlüsse lassen sich auch nicht aus dem vom Bundesverfassungsgericht am Rande aufgegriffenen und für den BMJ-Entwurf zentralen Argument ziehen, die 10-prozentige Mietsteigerung bei Neuvermietung kompensiere derzeit die inflationsbedingten Kostensteigerungen (Rn. 89). Es gibt kein verfassungsrechtliches Gebot, dass Mieteinnahmen – etwa wie der Arbeitslohn – mit der Inflation mithalten müssen. Und selbst wenn sich der Verbraucherpreisindex in Richtung der 10 Prozent bewegen sollte, würde keine Unwirtschaftlichkeit der Vermietung drohen. Denn in der Regel verlangen Vermieter:innen außerhalb der öffentlichen Wohnraumförderung mehr als die bloße Kostenmiete. Im Übrigen dürften inflationsbedingte Kostensteigerungen überwiegend die Betriebs- und Nebenkosten betreffen. Jene bleiben von der Mietpreisbremse unberührt. Es sind also primär die Mieter:innen, die beispielsweise wegen gestiegener Energiekosten von den inflationsbedingten Mehrkosten betroffen sind (so auch S. 4 des Entwurfs).
Weil die Verfassung also von Vornherein kein Recht auf einen theoretisch erzielbaren maximalen Mietertrag bereithält, steht sie also auch einer dauerhaften Regulierung der zulässigen Miethöhe nicht entgegen.
Hohe Sozialbindung von Wohneigentum
Zudem muss beachtet werden, dass die Eingriffsbefugnis der Gesetzgebung umso weiter geht, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Das trifft auf Eigentum an Wohnraum wegen der besonderen Bedeutung, die der Wohnung für den Einzelnen zukommt, in besonderem Maße zu (Rn. 71 m.w.N.). Dies hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen betont. Angemessener Wohnraum ist ein existenzielles Grundbedürfnis, welches auch im Grundgesetz mittelbar über die Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums gewährleistet wird. Große Teile der Bevölkerung sind auf Mietwohnungen angewiesen. Eine Wohnung bildet den Lebensmittelpunkt der Einzelnen und ihrer Familien und soll nicht allein der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, sondern auch der Freiheitssicherung und der Persönlichkeitsentfaltung dienen (Rn. 82 m.w.N.). Daraus ergibt sich eine hohe Sozialbindung von Wohneigentum. Der Mietpreis ist dabei der wesentliche Faktor für die Verfügbarkeit von Wohnraum jedenfalls für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.
Katastrophale Folgen für die Mieter:innen
Vor diesem Hintergrund verleiht die derzeitige Lage auf dem Wohnungsmarkt in deutschen Großstädten dem Gesetzeszweck eher noch höheres Gewicht als zur Zeit der Einführung bzw. ersten Verlängerung der Mietpreisbremse. Denn der Wohnungsmietmarkt bleibt hochgradig angespannt. Es ist nicht absehbar, dass sich daran zeitnah etwas ändert. Der Entwurf spricht an mehreren Stellen davon, dass dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum langfristig nur durch mehr Neubau abgeholfen werden kann. Das ist schon sachlich unzutreffend. Insbesondere auf angespannten Mietmärkten bleiben sogenannte Sickereffekte von Neubau weitgehend aus. Zudem bleibt die Neubautätigkeit weit hinter dem zurück, was an neuen Wohnungen benötigt wäre. Schuld ist dabei nicht die Mietpreisbremse, sondern insbesondere ein hochgradig spekulativer Bodenmarkt, der die Preise exorbitant in die Höhe getrieben hat, sowie eine insgesamt schwächelnde Wirtschaft. Zudem löst auch Neubau nicht das Problem der Knappheit des Bodens, welches immer dazu führen wird, dass Mietmärkte in attraktiven Regionen schlicht nicht gerecht funktionieren.
Würde die Mietpreisbremse zum Ende des Jahres 2025 auslaufen, hätte dies schlimme Folgen für die Mieter:innen in Städten wie Berlin, Hamburg oder München. Schon jetzt versuchen Vermieter:innen systematisch, die zulässige Miethöhe auszuschöpfen und die Mietpreisbremse zu umgehen. Schon jetzt sind Angebotsmieten von 20 Euro der Quadratmeter Realität. Schon jetzt ist jeder dritte Haushalt in Deutschland mit den Mietkosten überfordert. Der Wegfall der Vorgaben in §§ 556d ff. BGB hätte sehr wahrscheinlich einen radikalen, sprunghaften Anstieg der Angebotsmieten zur Folge. Die Konsequenzen wären für weite Teile der Mieter:innenschaft existenziell. Sie wären dem „freien Markt“ schutzlos ausgeliefert.
Fazit
Der Entwurf des BMJ bringt es in diesem Sinne auf den Punkt: „Das soziale Mietrecht (…) regelt elementare Fragen der Existenzsicherung für breite Kreise der Bevölkerung“ (S. 8). Die verfassungsrechtliche Lage kann also so heruntergebrochen werden: Es streitet das Interesse an (noch mehr) Geld gegen das Interesse an einer leiblichen, sozialen und räumlichen Existenz. Die Gesetzgebung hat die Pflicht, diese Belange in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung der Mietpreisbremse das absolute Minimum.