Der Weltkongress des Verfassungsrechts tagt, und ich darf nicht hin
Im Juni trifft sich die Verfassungsrechtswissenschaft der Welt in Oslo zu einer großen Konferenz. Die findet nur alle paar Jahre statt, und ich fände das ganz spannend, so gebündelt zu beobachten, wie Verfassungsjuristen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt miteinander reden, welche gemeinsamen Themen sie haben, welche Unterschiede sichtbar werden. Also bot ich der FAZ einen Artikel dazu an, die fand das eine schöne Idee und bestellte einen Bericht. Ich schrieb an die auf der Konferenz-Website angegebene Stelle eine Mail und bat, mich als Journalisten zu akkreditieren.
Das war am 14. März.
Heute habe ich Antwort bekommen:
Due to the circumstances of overbooking, we cannot offer any preferred arrangements for journalists. We have a long waiting list so we cannot guarantee you will be registered as a participant. However, you may still come if you want and arrange a meeting with the communication’s manager for the congress, Ms. Elise Koppang Frøjd.
Ah so. Alles klar. Ich kann also nicht über den Kongress berichten. Aber ich darf gerne nach Oslo fahren und mit Ms. Elise Koppang Frøjd ein Interview führen.
Ich habe im Prinzip nichts dagegen, Ms. Elise Koppang Frøjd kennen zu lernen. Sie ist bestimmt eine interessante Frau mit einem interessanten Job als “communication’s manager” eines Kongresses, der kein Interesse daran hat, dass die FAZ über ihn berichtet. Aber ich glaube, ich werde dafür dann doch lieber nicht einen Flug nach Oslo buchen. Ich werde Ms. Elise Koppang Frøjd lieber eine Mail schicken und sie um Auskunft bitten, was die Veranstalter des Kongresses eigentlich mit “Kommunikation” genau meinen, wenn der Begriff eine Berichterstattung in der führenden deutschen Tageszeitung, vom führenden deutschen Verfassungsblog ganz zu schweigen, offenbar nicht einschließt. Zumindest diese Frage müsste Ms. Elise Koppang Frøjd doch beantworten können.
Ich fahre also nicht nach Oslo. Aber dafür fahre ich mit um so größerem Vergnügen nach Florenz. Dort ist Ende Juni ebenfalls eine Konferenz, und – ich weiß, das klingt jetzt nach sauren Trauben, aber im Ernst – die scheint mir sowieso viel interessanter. Ausgerichtet wird er von der neu gegründeten “International Society of Public Law”, die Verfassungs-, Verwaltungs- und Völkerrechtler zusammenbringt, und zwar nicht nur im “rechtsvergleichenden” Sinn, sondern um ihres gemeinsamen Forschungsgegenstands eines zunehmend globalen Verfassungsraums willen, in dem globale Probleme wie Terrorismus, Finanzkrise etc. mit einem globalen Set konstitutioneller Werkzeuge bearbeitet werden, kurz: alles, was wir auf dem Verfassungsblog toll und spannend finden, wird dort in Florenz behandelt, und zwar von genau den Leuten, die wir vom Verfassungsblog toll und spannend finden.
Die Konferenz in Florenz hat zwar keinen “communication’s manager”, aber dafür habe ich auf meine Anfrage, mich als Journalist zu akkreditieren, schon tags darauf am 15. März eine Antwort gekriegt, von dem NYU-Professor Lorenzo Casini. Er fand die Idee, dass ich komme, sehr gut und schrieb, er freue sich, mich Ende Juni in Florenz zu sehen.
Ich mich auch.
Schlimm. Einmal mit Profis…
Was genau werfen Sie den Norwegern vor?
Dass die Veranstaltung nicht im Nationalstadion stattfindet, damit jeder, der will, auch kommen kann?
Dass man nicht Verfassungsrechtswissenschaftlern, die gerne gekommen wären, abgesagt hat, um statt dessen eine jedenfalls ausreichende Zahl von Plätzen für Journalisten aus aller Welt zu reservieren?
Dass man die Plätze für Journalisten offenbar nach dem Prioritätsprinzip vergibt und nicht nach einem Prinzip, das auch jemandem, der erst drei Wochen vor der Veranstaltung auf die Idee kommt, nachzufragen, eine gleichgroße Chance auf einen Platz garantiert?
@grumpylawyer wenn man um die Resonanz von inhaltlichen Themen und Thesen bemüht ist, könnte sich ein anderer Umgang mit Journalisten anbieten als etwa bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse, wo es im wesentlichen um Kontrolle geht.
@grumpylawyer: Ich habe nicht drei, sondern vierzehn Wochen vorher nachgefragt. Müsste eigentlich reichen, um planen zu können.
Eigenartig finde ich, dass von den 389 accepted papers bei dem Kongress in Oslo nur zwei von Wissenschaftler/innen kommen, die an deutschen Einrichtungen arbeiten, während die deutsche Beteiligung bei dem Kongress in Florenz recht üppig ist. Es wäre interessant herauszufinden, welche Grenzen – jenseits der Sprachenfrage – in und zwischen Vereinigungen wie der “International Association of Constitutional Law” und der “International Society of Public Law” verlaufen und zu solchen Ergebnissen führen.
@FB: Sagen Sie doch mal die beiden Namen “Unserer Stars für Oslo”!
@FB: Eine interessante Beobachtung. Hat dieses Ergebnis was damit zu tun, dass die IACL sich stärker aus dem Bereich des Comparative Constitutional Law und der Verfassungstheorie rekrutiert, während die neue ICON-S von Völker- und Europarechtlern inauguriert wird, die in einer holistischen Perspektive das Öffentliche Recht als verbindendes großes Ganzes entdeckt haben? Ein Sentiment, das dem generalistisch (de-) formierten deutschen Rechtswissenschaftler nicht ganz fremd ist, weswegen er sich gleich im Verbund nach Florenz aufmacht …
Dafür würde sprechen, dass der (genauer: die) deutsche Star, die ich bislang auf dem extrem unübersichtlichen Osloer Programm ausmachen konnte, international (auch, vielleicht vor allem) als Verfassungsvergleicherin ausgewiesen ist.
Was Max’ Misere angeht: Ich glaube, dass die Drahtzieher der ICON-S sich bereits als Teil einer transnationalen Öffentlichkeit sehen, die sich für verfassungsrechtliche Fragen interessiert und mit der sie auch sonst interagieren. Und dass sie deswegen weder mit der FAZ noch mit dem Verfassungsblog Berührungsängste haben. Bei der IACL sieht das anders aus.