Das Zollschwert des Präsidenten
Trumps Handelspolitik als Herausforderung des Weltwirtschaftsrechts
Donald Trump ist noch nicht als US-Präsident vereidigt, doch die Ankündigungen für seine ersten Amtshandlungen sind bereits jetzt groß. Nicht nur den Krieg Russlands gegen die Ukraine möchte Trump „in 24 Stunden“ nach seinem Amtsantritt beenden, auch für das Außenwirtschafts- und damit Welthandelsrecht hat der künftige US-Präsident tiefgreifende Eingriffe in Aussicht gestellt. Konkret hat Trump mehrfach betont, dass er sofort nach Amtsantritt Einfuhrzölle für zunächst Warenimporte in die USA aus Mexiko und Kanada um 25% sowie aus China um 10% bis zu 60% (die Aussagen hierzu sind unklar) erhöhen werde. Aber auch eine Erhöhung von Einfuhrzöllen für Produkte aus der EU steht auf der präsidialen Agenda. Entsprechende Zollerhöhungen hätten nicht nur eine ökonomische und wirtschaftspolitische Dimension, sondern betreffen letztlich verfassungsrechtliche Grundfragen der internationalen Wirtschaftsordnung. Im Kern geht es dabei um das Wechselspiel zwischen US-Verfassungsrecht und internationalem Wirtschaftsrecht sowie insgesamt um die rechtliche und rechtspolitische Frage, wie mit einer Entwicklung umzugehen ist, die das gegenwärtige Ordnungssystem der internationalen Wirtschaftsbeziehungen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt.
Nichts Neues: Zölle als Instrument US-amerikanische Handelspolitik
Trump zielt mit seiner angekündigten Politik einer drastischen Zollerhöhung auf eine Stärkung der US-amerikanischen Wirtschaft ab. Das verknüpft er mit dem Ansinnen, die Politik von Drittstaaten in Bereichen wie insbesondere der Bekämpfung des Drogenhandels und der Regulierung von Migration zu beeinflussen. Schließlich beabsichtigt Trump, durch Zölle Unternehmen dazu zu bewegen, Produktionsstätten im Ausland in die USA zu verlegen. Ob das Kalkül von Trump ökonomisch und politisch aufgeht, soll hier nicht vertieft werden; Zweifel sind aber angebracht. Schon die Zollerhöhungen in seiner ersten Amtszeit haben der US-amerikanischen Wirtschaft Schaden zugefügt, jedenfalls aber keinen positiven Gewinn erbracht. Dessen ungeachtet sollte nicht vergessen werden, dass die US-amerikanische Handelspolitik auch in der Vergangenheit immer wieder von einer starken Souveränitätsbetonung und damit protektionistischen Tendenzen gekennzeichnet war (im Überblick: Tietje, in: Fröhlich/Lembcke/Weber-Stein (Hrsg), Universitas, FS Klaus Dicke, 2019, S. 489 ff.). Letztlich zeigte sich dies bereits im Jahr 1789 kurz nach dem Inkrafttreten der US-amerikanischen Verfassung. Das erste umfassendere Gesetz überhaupt, das der Kongress erließ, war der Tariff Act von 1789. Zwei Jahre später entwickelte der damalige Finanzminister Alexander Hamilton das sogenannte Erziehungszollargument, das wenig später von Friedrich List theoretisch ausgebaut wurde. Es handelt sich bei dieser Spielart des sogenannten Wirtschaftsnationalismus bis heute um ein immer wieder instrumentalisiertes Argument zur Durchsetzung protektionistischer Zwecke, insbesondere durch entsprechende Zollerhöhungen. Auch die Reaktion der USA auf die Weltwirtschaftskrise 1929 war eine konsequente Fortsetzung dieser Gedanken. Mit dem berühmt-berüchtigten Smooth Harley Tariff Act aus dem Jahr 1930 führten die USA drastische Schutzzölle auf Wareneinfuhren ein. Ökonomisch ist man sich heute weitgehend einig, dass hierin ein wesentlicher Grund für die sogenannte große Depression der 1930er Jahre lag. Mit dem Handelsgesetz aus dem Jahr 1934 erfolgte zwar einer Abkehr von dieser Politik. Mit Blick auf den schon damals drohenden Zweiten Weltkrieg war es für eine Umkehr hin zu einer umfassenden Liberalisierung des Welthandels allerdings zu spät.
„Agressiver Unilateralismus“ der USA in Handelsfragen
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bereitete es den USA immer wieder Schwierigkeiten, ein umfassendes multilaterales Regelwerk für den Welthandel anzuerkennen. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT, das von den USA als Gründungsmitglied zwar seit dem 1.1.1948 rechtlich akzeptiert wurde, fand politisch erst Anfang der 1970er Jahre Anerkennung. Zugleich wurde allerdings mit dem Handelsgesetz aus dem Jahr 1974 die immer wieder diskutierte dortige Section 301 in Kraft gesetzt. Hinter dieser Vorschrift verbirgt sich eine weitreichende Ermächtigung des US-amerikanischen Kongresses an den Präsidenten, handelsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Drittstaaten zu erlassen. Section 301 US Trade Act 1974 wurde zum Sinnbild für einen sogenannten aggressiven Unilateralismus der USA. Mit der Gründung der WTO und einer rechtsverbindlichen Streitbeilegungsentscheidung zu Section 301 aus dem Jahr 1999 glaubte man endgültig, diese Phase des aggressiven Unilateralismus in den Handelsbeziehungen überwunden zu haben. Die Entwicklungen in den 2000er Jahren zeigten dann sehr schnell das Gegenteil.
Zölle in der Systematik des Welthandelsrechts
In der Systematik des WTO-Rechts unterliegen Zölle und mögliche Zollerhöhungen zunächst einer klaren Regelungssystematik. Für die weitaus meisten Produkte weltweit bestehen Zollbindungen, d. h. völkerrechtlich verbindliche Festlegungen eines maximalen Zollsatzes (Art. II:1 GATT). Über die Zollbindung hinausgehende, höhere Zölle können ausnahmsweise nur als handelspolitische Schutzmaßnahme erhoben werden. Konkret sind dies allgemeine Schutzmaßnahmen, Antidumpingzölle sowie im Subventionsbereich sogenannte Ausgleichsmaßnahmen. Diese handelspolitischen Schutzmaßnahmen unterliegen allerdings engen prozeduralen und materiellrechtlichen Voraussetzungen. Darüber hinaus besteht – neben sehr eng umrissenen Maßnahmen zum Schutz der Zahlungsbilanz (Art. XII GATT) – nur die Möglichkeit, auf dem Verhandlungswege Änderungen der Listen der Zollbindungen herbeizuführen, wobei allerdings das insgesamt bestehende Liberalisierungsniveau nicht abgesenkt werden soll (Art. XXVIII GATT). Sofern eine Zollerhöhung unzulässig ist, bleibt es nur bei einer möglichen Rechtfertigung. Das ist unter engen Voraussetzungen möglich im Hinblick auf nicht-wirtschaftliche, gesamtgesellschaftliche Ziele (Art. XX GATT) sowie nationale und internationale Sicherheitsinteressen (Art. XXI GATT). Ganz ähnliche Regelungen im Hinblick auf die vollständige Abschaffung von Zöllen bestehen im Rahmen des United States-Mexiko-Kanada Agreement (USMCA) vom 1. Juli 2020. Dieses Freihandelsabkommen bestimmt unmissverständlich in Art. 2.4, dass „no Party shall increase any existing customs duty, or adopt any new customs duty”.
Mit der dargestellten Systematik handelspolitischer Schutzinstrumente und möglicher Maßnahmen zum Schutz nicht-wirtschaftlicher Interessen ist ein abschließendes System begründet worden. Das WTO-Recht lässt es nicht zu, außerhalb des vereinbarten Rechtsrahmens unilaterale Maßnahmen zum Schutz eigener Wirtschaftsinteressen zu ergreifen. Das gilt auch für sogenannte Gegenmaßnahmen. Das rechtswidrige Handeln eines Staates begründet, anders als im allgemeinen Völkerrecht, kein Recht, eine rechtmäßige Gegenmaßnahme zu ergreifen. Besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wird das in Art. 23 WTO-Übereinkommen über die Streitbeilegung (DSU).
Legislative Ermächtigungen des US-Präsidenten zum Erlass handelsbeschränkender Maßnahmen
Ungeachtet der aufgezeigten Regelungssystematik des Welthandelsrechts sowie entsprechender Regelungen in bilateralen und regionalen Handelsabkommen, haben insbesondere die USA immer wieder einseitige handelsbeschränkende Maßnahmen ergriffen. Aus rechtlicher Perspektive spielt hierbei die US-amerikanische Verfassungsrechtslage eine große Rolle. Nach Article I, Section 8, Clause 3 Verfassung der USA ist die Regelung der Handelsbeziehungen mit Drittstaaten eine Kompetenz des Kongresses, d. h. der Legislative. Anders als in sonstigen außenpolitischen Handlungsfeldern hat der US-Präsident keine unmittelbare verfassungsrechtliche Kompetenz im Bereich der Handelspolitik. Der Präsident ist bei handelspolitischen Maßnahmen, die er selbst ergreifen möchte, immer auf eine legislative Ermächtigung des Kongresses angewiesen. Solche legislative Handlungsermächtigungen gibt es durchaus zahlreich im US-amerikanischen Recht. Für Präsident Trump, der Zollerhöhungen schnell und damit augenscheinlich ohne zusätzliche legislative Absicherung beschließen will, kommen die folgenden Ermächtigungsgrundlagen in Betracht:
1) Zunächst könnte sich der Präsident auf den International Emergency Power Act (IEEPA) 1977 berufen, der handelsbeschränkende Maßnahmen in außergewöhnlichen Situationen der Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Wirtschaft der USA ermöglicht. Diese Ermächtigung hat den Vorteil, dass sie nicht an bestimmte prozedurale Voraussetzungen gebunden ist und daher Trump unter Berufung auf sie sehr schnell handeln könnte.
2) Eine weitere Möglichkeit einer rein exekutiven Zollerhöhung bestünde unter Verweis auf die bereits genannte Section 301 Trade Act 1974. Diese Vorschrift ermöglicht handelsbeschränkende Maßnahmen im Hinblick auf unfaire Handelspraktiken dritter Staaten. Allerdings setzt eine Maßnahme nach Section 301 zunächst eine Untersuchung sowie einen entsprechenden Untersuchungsbericht des US-amerikanischen Handelsbeauftragten (USTR) voraus; dies kann mehrere Monate in Anspruch nehmen und daher den Weg zu schnellen Maßnahmen bereits unmittelbar nach Amtsantritt von Trump versperren. Die WTO-Streitbeilegung hat Maßnahmen von Trump nach Section 301 in seiner ersten Amtszeit bereits als rechtswidrig eingestuft.
3) Auch Section 232 Trade Expansion Act of 1962, der im Falle der Beeinträchtigung nationaler Sicherheitsinteressen einseitige Maßnahmen zur Handelsbeschränkung durch den Präsidenten ermöglicht, setzt zunächst ein entsprechendes Untersuchungsverfahren, in diesem Fall durch das US Department of Commerce, voraus.
4) Eine lange Zeit in Vergessenheit geratene, aber möglicherweise für Trump sehr attraktive Ermächtigung besteht in Section 338 Tariff Act of 1930. Diese Vorschrift ermöglicht ausdrücklich Zusatzzölle von bis zu 50% in Fällen drittstaatlicher Handelspraktiken, die sich nachteilig auf die US-Wirtschaft auswirken. Prozedural hat diese Ermächtigung keine weiteren Voraussetzungen, so dass sie von Trump für ein schnelles Handeln direkt genutzt werden könnte.
5) Schließlich verbleibt theoretisch noch die Möglichkeit, auf der Grundlage von Section 122 Trade Act of 1974 zu handeln. Durch dieses Gesetz wird der Präsident ermächtigt, neue Zölle von bis zu 15% auf Importe einzuführen, und zwar für maximal 150 Tage. Tatbestandlich ist nur Voraussetzung, dass eine Zahlungsbilanzschwierigkeit vorliegt, die zu einer erheblichen Abwertung des US-Dollars führen könnte. Nach Ablauf von 150 Tagen muss der US-Kongress über eine Verlängerung einer entsprechenden Zollerhöhung entscheiden.
Insgesamt stehen Präsident Trump verschiedene Ermächtigungsgrundlagen zur Verfügung, die eine Erhöhung von Einfuhrzöllen durch ausschließlich exekutives Handeln ermöglichen. Da einige der Ermächtigungsgrundlagen allerdings an prozedurale Voraussetzungen gebunden sind, bleibt es im Ergebnis bei einer nur sehr begrenzten Möglichkeit für Trump, tatsächlich unmittelbar nach Amtsantritt entsprechende Zollerhöhungen in Kraft zu setzen. Dabei bestehende rechtliche Hürden im innerstaatlichen Recht scheinen den politischen Willen von Trump, möglichst schnell zu Zollerhöhungen zu kommen, nicht zu beeinflussen.
Gegenmaßnahmen?
Zollerhöhungen durch die USA werden mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu Gegenmaßnahmen insbesondere Chinas und möglicherweise auch der EU führen. Welthandelsrechtlich besteht hierfür allerdings zumindest vorläufig keine Rechtsgrundlage. Wie bereits hervorgehoben, verlangt insbesondere Art. 23 DSU zunächst die Durchführung eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens. Erst im Anschluss hieran kann über Gegenmaßnahmen nachgedacht werden, die dann nach den entsprechenden WTO-Vorgaben möglich wären. Natürlich könnte sich auch die EU politisch über das Welthandelsrecht hinwegsetzen und insbesondere unter Verweis auf die VO 2023/2675 vom 22. November 2023 „über den Schutz der Union und ihre Mitgliedstaaten vor wirtschaftlichem Zwang durch Drittländer“ Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Risiken für die Stabilität der rechtsgebundenen internationalen Handelsordnung wären bei einem solchen Vorgehen allerdings nicht unbeachtlich.
Keine Steuerungskraft des Welthandelsrechts?
Damit stellt sich sehr grundsätzlich die Frage, welche Funktion dem Recht in der politischen Ausgestaltung der Welthandelsordnung überhaupt noch zukommt (hierzu auch Tietje, ebda, FS Dicke, S. 489 ff). Mit anderen Worten: Zeigen die angekündigten Maßnahmen nicht, dass das Welthandelsrecht als Völkerrecht keine Steuerungskraft mehr hat oder gar vielleicht nie besessen hat? Kontextualisiert man die aktuellen Entwicklungen vor einigen Grundannahmen der Welthandelsordnung, so geht es, wie auch in jedem Lehrbuch nachzulesen, um das Gefangenendilemma der Spieltheorie. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass das egoistisch-rationale Verhalten der Staaten und der EU im Welthandelssystem, das gemeinhin als Protektionismus bezeichnet wird, zwar kurzfristig Wohlfahrtsgewinne für den betreffenden Staat erbringen kann. Wenn allerdings alle Akteure im internationalen Handelssystem so agieren, kann dies gemäß den Annahmen der klassischen Außenhandelstheorie langfristig für alle Akteure nur zu Wohlfahrtsverlusten führen. Dementsprechend ist das bestmögliche Ergebnis für alle nur dann zu erreichen, wenn es zu internationaler Kooperation kommt. Diese Kooperation stellt sich allerdings nicht von selbst ein, sondern bedarf konkreter Rechtsregeln, die Kooperation nicht nur gewährleisten, sondern auch erzwingen.
Über diese Erklärung hinausgehend bedarf es zum Verständnis der Welthandelsordnung auch einer über den Rechtstext hinausgehenden Betrachtung der sozialen Wirklichkeit des internationalen Zusammenlebens. Nur so erschließt sich, warum Völkerrecht als Recht überhaupt gilt: es gilt, weil es notwendig ist (Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 41). Dies ist keine reine normative Aussage. Vielmehr geht es darum, dass normative und soziologische Überlegungen kombiniert werden. Völkerrecht gilt in Anerkennung der Realität im internationalen System, um ein Mindestmaß an Humanität, sozialer Sicherheit, Wohlstand und insgesamt Frieden auf der Welt zu sichern (Delbrück). Methodisch zielt dieser Ansatz darauf ab, das Völkerrechtssystem nicht nur als rein politisches System zu begreifen; ebenso wenig geht es um eine reine normative Sollensperspektive, die die politische Realität ignoriert. Kombiniert man insofern die genannten Überlegungen, und bezeichnet sie als Neuen Realismus im Völkerrechtssystem, eröffnet sich die Möglichkeit, das genannte Kooperationsmodell der Welthandelsordnung umfassender zu verstehen. Kooperation im Welthandelssystem und im Völkerrecht insgesamt, ist eben nicht nur gleichsam harmonisches Miteinander. Vielmehr ist die notwendige Kooperation immer auch als Konflikt zu verstehen, allerdings nicht im militärischen Sinne. Konflikt ist hier vielmehr der Konflikt, wie ihn schon Rudolf Jhering 1872 in seinem „Kampf ums Recht“ beschrieben hat: Es geht um den Konflikt, der teils innerhalb des Rechts, teils durch Rechtsbruch gelebt wird und das Recht begründet und fortentwickelt. Entscheidend ist dabei, dass der Konflikt keine Absage an das Recht ist, sondern als dem Recht inhärent angesehen wird.
Ausblick
Die von Präsident Trump angekündigten handelspolitischen Maßnahmen zeigen einmal mehr, dass das internationale Recht fragil ist und bleibt. Das macht es umso herausfordernder, die globale Friedenssicherung sowie ein Mindestmaß an sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit als fundamentale Ziele des Völkerrechts zu gewährleisten. Gerade im Kontext der absehbaren Herausforderungen, die sich mit dem Amtsantritt von Trump u.a. im Weltwirtschaftssystem stellen werden, kann mit dieser Herausforderung nur umgegangen werden, wenn Kooperation und Konflikt immer von Verantwortung getragen sind. Diese Verantwortung kann das Recht selbst nicht garantieren. Sie findet ihre Wurzeln und Grundlagen außerhalb des Rechts und ist letztlich eine politische Aufgabe der Staatsleitung.