26 July 2024
Kein Startschuss für Abschiebungen nach Syrien
Laut OVG Nordrhein-Westfalen besteht für Zivilpersonen in Syrien keine ernsthafte, individuelle Lebensgefahr mehr aufgrund des Bürgerkriegs; Rückkehrer:innen hätten außerdem keine zielgerichteten Menschenrechtsverletzungen zu befürchten. Das Politik- und Medienecho war gewaltig. Die Urteilsgründe zeigen allerdings, dass die große politische und mediale Aufmerksamkeit in keinem Verhältnis zum Inhalt der Entscheidung steht. Continue reading >>
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05 July 2023
Unsichere Vermutung
Laut Überzeugungsgrundsatz müssen Richter:innen in Asylverfahren von Tatsachen überzeugt sein, auf deren Grundlage sie einen Schutzstatus vergeben. Zu dieser knappen tautologischen Aussage lässt sich das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Militärdienstverweigerern (MDV) aus Syrien zusammenfassen, die bereits im Januar fiel und deren Begründung seit Anfang Juli vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht nutzt die Entscheidungsbegründung zwar dazu, die seit dem EuGH-Urteil in Rechtspraxis und -wissenschaft vieldiskutierte „starke Vermutung“ als „Erfahrungssatz“ auf den deutschen Kontext zu übertragen. Es verpasst es allerdings, die Anforderungen an den Umgang mit Erfahrungssätzen in Asylverfahren zu konkretisieren und ergreift nicht die naheliegende Möglichkeit, angesichts unsicherer Tatsachen den Maßstab der „vollen Überzeugungsgewissheit“ abzuschwächen. Continue reading >>
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08 November 2022
Länderleitentscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht
Die Entscheidungspraxis in Asylverfahren ist sowohl beim BAMF als auch bei den Gerichten uneinheitlich. Dabei hängt nicht nur die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Antragsstellenden von den jeweiligen Entscheider*innen oder Richter*innen ab, sondern auch die Beurteilung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat. Die Bundesregierung schlägt nun vor, das Bundesverwaltungsgericht sogenannte Länderleitentscheidungen treffen zu lassen, ihm also eine Tatsachenkompetenz zu grundlegenden Fragen zu verleihen. Die hinter der Uneinheitlichkeit stehenden Probleme werden damit nur teilweise gelöst. Continue reading >>
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21 July 2022
Rückkehrhilfen gegen alsbaldige Verelendung
Rückkehrprämien werden in asylgerichtlichen Entscheidungen immer häufiger bei der Bewertung der Gefahr einer humanitären Notlage angeführt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun den Volltext einer Grundsatzentscheidung zu diesem Thema veröffentlicht: Maßgeblich ist danach, ob Rückkehrhilfen eine „alsbaldige“ Verelendung verhinderten; eine nachhaltige Existenzsicherung sei unerheblich. Zugleich gesteht das Bundesverwaltungsgericht indirekt ein, dass die langfristige Wirkung der Hilfen berücksichtigt werden muss. Continue reading >>09 December 2021
Asylrechtsprechung nach der Machtübernahme der Taliban
Verwaltungsgerichte korrigieren in großer Zahl Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, insbesondere seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 und jüngst seit der Machtübernahme der Taliban. Da die Rechtsprechung zu diesen „kollektiven Gefährdungslagen“ weiterhin uneinheitlich ist, bedarf es einer systematischeren Veröffentlichungspraxis, transparenteren Urteilsbegründungen und einer stärkeren wissenschaftlichen Begleitung. Continue reading >>
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08 April 2021
Kollektive Gefährdungslage Corona
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lebenssituation in Afghanistan sind derzeit unter den Verwaltungsgerichten heftig umstritten. Dabei wird die kol-lektive Gefährdungslage junger, alleinstehender Männer uneinheitlich bewertet, abhängig von den jeweiligen Annahmen der Gerichte zur zeitlichen Dimension der Krise sowie ihrer Kompensation durch humanitäre Unterstützung. Die Afghanis-tan-Entscheidungen führen damit zwei grundlegende Probleme der deutschen Asyl-rechtsprechung vor Augen: Die Uneinheitlichkeit bei der Bewertung vergleichbarer Fallkonstellationen und die Defizite bei herkunftslandbezogener Tatsachenfeststel-lung. Continue reading >>
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02 December 2020