Evelyne Schmid
Wenn (Rechts-)Wissenschaftler:innen mit ihren eigenen Accounts auf sozialen Medien öffentlich Stellung nehmen, bewegen sie sich in einem Spannungsfeld von Interessen, in dem es nicht darum gehen darf, sich darauf zu beschränken, „eigene Fehlpässe zu vermeiden“, sondern vielmehr Bälle aufzunehmen und den Austausch mit der Öffentlichkeit zu pflegen.
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Odile Ammann
Es gehört zur Daseinsberechtigung und Aufgabe der Wissenschaft, dass sie sich in den Dienst der Gesellschaft stellt und somit auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Diese Aufgabe der Forschenden, ihre Forschung in den demokratischen Diskurs einzubringen, darf jedoch nicht dazu führen, dass die Integrität der Wissenschaft als grundrechtlich geschütztes Gut relativiert wird.
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Andreas M. Scheu, Daniel Nölleke
Verfassungsrechtliche Expertise ist ein relevanter Bezugspunkt für politische Entscheidungen. Politische Akteur*innen beziehen sich oft auf rechtliche Rahmenbedingungen, um ihre Argumente zu stützen. Verfassungsrechtliche Argumente und Verfassungsexpert*innen sind deshalb Teil eines öffentlich geführten und auf strategische politische Ziele ausgerichteten Diskurses.
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Andreas Busch
Es ist offenkundig, dass das zur Pandemiebekämpfung notwendige medizinische und epidemiologische Spezialwissen in Kernexekutiven nicht vorhanden ist und deshalb von außen dem Entscheidungsprozess zugeführt werden muss. Dies passiert in unterschiedlichen politischen Systemen auf sehr verschiedene Weise. Aber wie sehen die Beratungsstrukturen grundsätzlich aus und wie agierten sie in der Pandemiekrise der letzten 12 Monate? Diese Frage soll im folgenden aus vergleichender Perspektive mit einem Blick auf die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten beantwortet werden.
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Alexandra Kemmerer
Immer wieder ist in den Beiträgen dieses Symposiums von Räumen und Rollen die Rede, von Recht und Politik, von Wissensproduktion und Wissenstransfer, von Forschung und Beratung, vom ruhigen Kommentieren und hektischen Twittern. Bei näherem Hinsehen bleibt oft vage, wovon da genau gesprochen wird, wo Grenzen verlaufen und wie Begriffe bestimmt werden.
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Thorsten Kingreen
Der Topos der herbeigeschriebenen Verfassungskrise ist ein Pappkamerad, der den Blick auf die eigentlich wichtigen Debatten im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft verstellt. Man steht gemütlich an der Seitenlinie, reibt sich an Einzelformulierungen auf und drückt sich um die Sachdebatte herum, um die sich andere bemühen. Daher sollten wir nicht zu viel Aufwand darauf verwenden, Haltungsnoten zu verteilen, sondern über Haltungen zu Verfassungsnormen diskutieren.
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Konstantin Kuhle
In dem Moment, in dem die Verfassungsrechtswissenschaft unter medialer Begleitung das politische Parkett betritt, wird sie zum Teil einer politischen Diskussion. Sie sollte diesen Auftritt auf dem politischen Parkett nicht scheuen. Dabei sollte die Politik die nötige Offenheit und den nötigen Respekt für wissenschaftliche Expertise mitbringen. Die Verfassungsrechtswissenschaft sollte Verständnis für die politischen Mehrebenen-Mechanismen der Mediendemokratie mitbringen. Mithilfe dieser Gewöhnungsprozesse können beide Akteure voneinander lernen.
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Daniel Thym
Jenseits des Elfenbeinturms, der institutionalisierten Politikberatung und der etablierten Medien droht die Rechtswissenschaft in eine „Vereinfachungsfalle“ zu stolpern. Ein grundlegendes Kennzeichen der Wissenschaft ist ein kritischer Rationalismus, der das eigene Ergebnis überprüfbar und falsifizierbar macht. Das ist der tiefere Sinn von Fußnoten und Methoden. Im öffentlichen Raum muss man vereinfachen. Fußnoten haben hier keinen Platz, die Grundannahme der Falsifizierbarkeit gilt aber dennoch – und zwar gerade für das Verfassungsrecht, dessen Ableitungen häufig von normativen Grundannahmen abhängen.
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Isabel Feichtner
Ich verstehe mich als politische Rechtswissenschaftlerin. Wenn ich lehre oder forsche, so tue ich das „im politischen Raum“; meine Lehre und Forschung sind politisch. Während ich meine rechtswissenschaftliche Tätigkeit als durchweg politisch verstehe und nicht zwischen einem unpolitischen Seminar- oder Konferenzraum und einem politischen „Draußen“ unterscheide, differenziere ich durchaus zwischen verschiedenen Rollen, die ich wahrnehme (ohne mich auf eine festzulegen). Als Wissenschaftlerin sind mir „Verdikte der Verfassungswidrigkeit“ regelmäßig kein Anliegen, halte ich sie sogar oft für unwissenschaftlich. Betätige ich mich dagegen als Rechtspraktikerin, etwa im Rahmen strategischer Prozessführung, so treffe ich selbstverständlich auch Aussagen über Rechtmäßig-/Rechtswidrigkeit.
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Uwe Volkmann
Aufgabe der Verfassungsrechtswissenschaft ist nicht oder jedenfalls nicht primär, zur Beruhigung der Lage oder auch der Bevölkerung beizutragen, sondern zu versuchen, die bestehenden verfassungsrechtlichen Bindungen gerade in dieser Lage zur Geltung zu bringen. Das ist und war nicht leicht, und es erfordert auch Zuspitzungen und Dramatisierungen, die sich in anderen Zeiten verbieten. Dazu einige hier notwendig kursorische Bemerkungen.
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Günter Krings
Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen. Diesen hier sinngemäß zitierten Satz hat Jens Spahn bei einer Regierungsbefragung zu den ersten Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie im Frühjahr 2020 gesagt. Ich denke, dass sich auch die Staatsrechtslehre davon angesprochen fühlen sollte.
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Friedhelm Hase
Die Probleme, die in der Auseinandersetzung mit der Pandemie bewältigt werden müssen, sind ihrer Art nach in vieler Hinsicht zweifellos singulär. Die Schwierigkeiten aber, die bei ihrer Beurteilung im Verfassungsrecht deutlich geworden sind, weisen über die Corona-Krise weit hinaus. Sie zeigen an, dass die verfassungsrechtliche Expertise Gefahr läuft, reale Verhältnisse zu verfehlen, die sich heute zum Teil in geradezu unfassbarem Tempo tiefgreifend verändern: Verhältnisse, in denen das Recht in gesicherter Erfahrung keinen Halt mehr findet, sondern sich auf Neues, Unerforschtes, auf im Einzelnen noch nicht einzuschätzende Möglichkeiten und Risiken einzustellen hat.
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Matthias Jestaedt, Anna-Bettina Kaiser
Es steht außer Zweifel, dass diejenigen, die mit ihren öffentlichen Wortmeldungen „Engagement im juristischen Ernstfall“ beweisen, in Sorge um die freiheitlich-demokratische Grundordnung handeln. Dennoch kann der Analyse, die pandemiebedingte Krise habe eine Verfassungskrise ausgelöst, nicht zugestimmt werden. Ganz im Gegenteil hat sich das Grundgesetz in seinen Inhalten wie in seinen Institutionen als erfreulich robust und resilient erwiesen. Doch kann eine Verfassungskrise auch herbeigeschrieben werden.
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Oliver Lepsius
Ist das Verhältnis zwischen politischen Organen und Verfassungsrechtswissenschaft von wachsenden Irritationen gekennzeichnet? Die jetzt geführte Debatte hat einen konkreten Anlass, nämlich die Novellierungen des IfSG im Rahmen der Pandemiepolitik. Sie betrifft jedoch ein strukturelles Problem, das Ursachen sowohl in der Eigenrationalität des politischen Willensbildungsprozesses als auch im Rechtssystem hat. Überdies hat sich die deutsche Rechtswissenschaft weitgehend einem Rechtswissenschaftsverständnis verschrieben, das rechtspolitische Expertise einengt. Die nachfolgenden thesenhaften Analysen betreffen nicht den konkreten Anlass, schon gar nicht das Handeln derjenigen Rechtswissenschaftler und Rechtswissenschaftlerinnen, die sich die Mühe gegeben haben, Rat zu geben. Mein Interesse gilt der strukturellen Perspektive und der Frage, wie sich ein fruchtbarer rechtspolitischer Diskurs herstellen lässt, der den Systemrationalitäten von Rechtswissenschaft und Rechtspolitik gerecht wird.
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Alexander Thiele
Zahlreiche politische Debatten werden jedenfalls auch, bisweilen sogar vornehmlich aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive geführt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass ein beachtlicher Bedarf des politischen Raumes an verfassungsrechtlicher Expertise besteht, der auf ein entsprechendes (und stetig wachsendes) wissenschaftliches Angebot zurückgreifen kann. In der Coronapandemie hat sich diese verfassungsrechtliche Aufladung des politischen Diskurses in besonderer Weise offenbart.
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Michaela Hailbronner, Alexander Thiele, Lukas Mitsch, Maximilian Steinbeis
Im politischen Raum wird regelmäßig verfassungsrechtliche Expertise angefragt. Verfassungsrechtliche Expertise und rechtswissenschaftliche Argumente werden dadurch Teil des politischen Diskurses und Meinungskampfes, in der Flüchtlingskrise und jetzt in der Pandemie. Dies gibt der Verfassungsrechtswissenschaft Anlass, sich selbst über die Rolle von verfassungsrechtlicher Expertise im politischen Raum zu vergewissern und darüber mit der Politik sowie mit der Medienöffentlichkeit das Gespräch zu suchen.
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