Die Kohärenz als Begleitmusik zum infektionsschutzrechtlichen Tanz
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat in einem Beschluss am gestrigen Montag (27.4.2020) einige Eckpunkte der Regelung in der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV), die den Einzelhandel betreffen, für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Dies ist die erste Entscheidung, die unter dem Gesichtspunkt eines Grundrechts nicht nur punktuell im Einzelfall (wie schon bei vereinzelten Versammlungen), sondern mit allgemeiner Wirkung die Verfassungswidrigkeit einer Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie feststellt. Da die Rechtsprechung damit eine neue Ebene betreten hat und dies Signal- und Vorbildcharakter für etliche künftige Verfahren haben dürfte, lohnt sich ein etwas ausführlicherer Blick darauf, worum sich die Entscheidung des VGH dreht und was sie für ganz Deutschland zu bedeuten hat.
Ausgangspunkt der Entscheidung: Wie sieht die bayerische Regelung bzgl. Einzelhandel aus?
Die bayerische Regelung zum Einzelhandel in Corona-Zeiten ist im Wesentlichen zweigeteilt: Es gibt eine Liste mit privilegierten Geschäften in § 2 Abs. 4 S. 2 BayIfSMV (Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel), die mit Wirkung ab dieser Woche durch den neu eingefügten § 2 Abs. 4 S. 4 BayIfSMV um Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel ergänzt wurde. Diese privilegierten Geschäfte müssen nur die allgemeinen Schutzanforderungen aus § 2 Abs. 6 S. 1 BayIfSMV erfüllen (v.a. Mund- und Nasenbedeckung bei Personal und Kundschaft sowie ein Hygienekonzept für die Geschäftsräume und den Parkplatz). Für alle anderen (nicht-privilegierten) Geschäfte gilt, dass sie nur öffnen dürfen, wenn sie bis zu 800 qm Verkaufsfläche haben (wobei eine größere Fläche nicht reduziert werden darf) und sichergestellt ist, dass nur ein Kunde pro 20 qm Verkaufsfläche gleichzeitig im Geschäft ist.
Wie wurde die Regelung begründet?
In Rn. 13 ff. des Beschlusses finden sich aufgrund eines vom VGH vor Erlass der Entscheidung verschickten Fragenkatalogs erstmals detaillierte Erklärungen der Staatsregierung dazu, welches Ziel sie insgesamt verfolgt und worauf die Differenzierungen zwischen den verschiedenen Einzelhandelsbetrieben in der Verordnung beruhen. In Kürze: Der Zweck aller Maßnahmen sei es, „dass das Entstehen neuer lnfektionsketten bestmöglich vermieden wird. Der Maßstab bleibt dabei, dass die Infektionsdynamik so moderat bleiben muss, dass unser Gesundheitswesen jedem Infizierten die bestmögliche Behandlung ermöglichen kann und die Zahl der schweren und tödlichen Verläufe minimiert wird“ (Rn. 14). Um ein beliebtes populärwissenschaftliches Bild aufzugreifen: Es geht also nicht mehr um Suppression („the hammer“), sondern um ein Leben mit dem Coronavirus („the dance“). Der Normgeber riskiert also bewusst, dass es überhaupt eine „Infektionsdynamik“ gibt, will diese aber so begrenzen, dass sie die Kapazität des Gesundheitswesens nicht überreizt – sprich: Triage vermeiden.
Besonders interessant sind die Begründungen für o.g. Privilegierungen: Geschäfte des täglichen Bedarfs, v.a. Vollversorger, hätten gerade im ländlichen Raum typischerweise eine Fläche zwischen 1.200 und 1.500 qm. Schließe man diese oder ordne man eine Verkleinerung der Verkaufsfläche an, dann könne dies „zu auch infektionshygienisch unerwünschten Reaktionen auf eine befürchtete Verknappung des Angebots an Gegenständen des täglichen Bedarfs führen („Hamsterkäufe“, verstärkter Kundenandrang bei Ladenöffnung u.ä.)“ (Rn. 19). Hinzu komme, „dass Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien und Baumschulen regelmäßig in Ortsrandlagen ansässig seien und Kunden nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr, sondern mit dem eigenen Pkw anfahren; außerdem auch deswegen, weil sie regelmäßig sperrige oder umfangreiche Einkäufe abtransportieren müssten.“ Die nicht-privilegierten Geschäfte müssen sich hingegen die Wertung aus dem Baurecht entgegenhalten lassen, dass ihnen typischerweise ab 800 qm eine besondere Sogkraft innewohne. Dies ändere sich auch bei einer Verkleinerung der Verkaufsfläche nicht, wie es in Rn. 20/21 heißt: „Eine größere Verkaufsfläche korreliere dabei unter normalen Umständen regelmäßig auch mit der Breite und Vielfalt des vorgehaltenen Warensortiments. Allerdings sei, ließe man die Reduzierung auf 800 qm zu, nicht damit zu rechnen, dass die betroffenen Einzelhandelsbetriebe nun auch ihr Warenangebot entsprechend der angebotenen Warenvielfalt reduzieren würden. Vielmehr sei anzunehmen, dass auf engerem Raum nahezu dasselbe Sortiment in geringerer Stückzahl verfügbar wäre. Damit wären aber gerade die vom Verordnungsgeber bezweckte Reduzierung der Attraktivität und damit die Verringerung der Anziehungskraft großflächiger Einzelhandelsbetriebe konterkariert. Die große Sogwirkung bliebe nahezu gleich.“
Was hat der VGH beanstandet?
An diesem Konzept hat der VGH im Wesentlichen drei Punkte beanstandet:
- Dass Buchhandlungen und Fahrradgeschäfte nun in der Liste der privilegierten Geschäfte zu finden seien und die Begrenzung auf 800 qm nicht einhalten müssten, sei nicht nachzuvollziehen (Rn. 38). Tatsächlich greift hier weder die Begründung für den Lebensmittelhandel (befürchtete Hamsterkäufe bei partiellen Schließungen) noch die für Baumärkte etc. (typischerweise in Ortsrandlagen).
- Die starre 800-Quadratmeter-Grenze sei nicht konsequent. Wenn für Baumärkte etc. die Privilegierung u.a. darauf gestützt werde, dass sie typischerweise in Ortsrandlagen seien und die Kundschaft in Pkw anreise, dann müsse dieses Argument auch gegenüber nicht-privilegierten Geschäften greifen. Konsequent wäre daher eine Unterscheidung zwischen dicht bebauten Innenstadtlagen, wo die Anreise typischerweise mit dem ÖPNV erfolge, sowie großen Outlet-Centern einerseits und Betrieben in Stadtrandgebieten sowie im ländlichen Raum andererseits (Rn. 41). Unter diesem Gesichtspunkt müsse es mindestens möglich sein, die Verkaufsfläche auf 800 qm zu verkleinern und diesen Bereich zu öffnen.
- Es sei nicht einsichtig, warum die privilegierten Geschäfte nicht auch sicherstellen müssten, dass nur ein Kunde pro 20 qm den Laden betrete. Hierfür gebe es keinen sachlichen bzw. infektiologischen Grund (Rn. 42).
Warum genau diese Beanstandungen?
Das führt zu dem auf den ersten Blick kuriosen Ergebnis, dass die Justiz die meisten der ganz harten Grundrechtseingriffe in der ersten Phase der Eindämmung unbeanstandet ließ, jetzt aber bei Details auf dem Rückweg in die Normalität kleinteilige Vorgaben aus den Grundrechten ableitet. Dies folgt einer Logik, die den juristischen Übergang zwischen „Hammer“ und „Tanz“ markiert und in erster Linie die (allzu grobe) Konfliktlinie zwischen „Wirtschaft“ und „Gesundheit“ kennzeichnet. Generell lässt sich nämlich festhalten: Wenn von den Freiheitsrechten „nur“ Art. 12 GG bzw. die EU-Grundfreiheiten betroffen sind, müssen diese regelmäßig in der Abwägung mit dem Gesundheits- und Lebensschutz zurückstehen. Daher kommen die entscheidenden Impulse insoweit aus dem Gleichheitssatz bzw. über einer inhärenten Gleichheitskomponente der Grundfreiheiten. Wird konsequent ein hohes Gesundheitsschutzniveau verfolgt, das alle Unternehmen in gleicher Weise stark in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt, ist das regelmäßig in Ordnung und hinzunehmen, solange nicht andere Grundrechte auch noch eine Rolle spielen. Sobald das Gesundheitsschutzniveau gesenkt wird, also bestimmte für die Gesellschaft gefährliche Aktivitäten wieder erlaubt werden, müssen vergleichbare Wirtschaftsteilnehmer jedoch auch nur vergleichbare Grundrechtseingriffe hinnehmen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass der Normgeber ein klares Konzept erkennen lässt, warum er bestimmte Tätigkeiten für gesundheitlich vertretbar und andere für unvertretbar hält.
Gibt es schon vergleichbare Konstellationen in der Rechtsprechung?
Es mag auf den ersten Blick überraschend wirken, aber die sinnvollsten Vergleichsfälle aus der bisherigen Rechtsprechung finden sich im Bereich der Glücksspielregulierung. Auch dort finden sich Aktivitäten, die früher unter Gesichtspunkten des Gesundheitsschutzes (in jenem Fall der Suchtprävention) vollständig verboten waren, mit der Zeit aber kontrolliert gelockert werden sollten, ohne die gesundheitliche Problematik aus den Augen zu verlieren. Dabei spielten auch wirtschaftliche, insbesondere fiskalische, Erwägungen eine tragende Rolle. Besondere Bedeutung erlangte in diesem Zusammenhang die Rechtsfigur der Kohärenz, die maßgeblich vom EuGH geprägt (in Deutschland hauptsächlich bekannt durch die Fälle Carmen Media und Stoß) und in leicht abgewandelter Form (als Konsequenz- oder Konsistenzgebot) auch vom Bundesverfassungsgericht verwendet wird. Die Grundprämisse lautet: Der Normgeber hat es aufgrund seines großen Einschätzungsspielraums in diesem Bereich selbst in der Hand, das gewünschte Niveau an Gesundheitsschutz zu bestimmen. Die Gerichte dürfen also nicht ihre eigene Einschätzung der Suchtgefahren, die vom Glücksspiel ausgehen, – oder im aktuellen Fall der Gefährlichkeit des Virus – an die Stelle der Einschätzung der dazu demokratisch legitimierten Organe setzen. Sie dürfen allerdings überprüfen, ob der Staat seine eigenen Prämissen ernst nimmt und ob er dabei ein in sich schlüssiges, nachvollziehbares Konzept verfolgt.
Im Glücksspielbereich haben sich insoweit zwei Spielarten dieses Prinzips herauskristallisiert: die sektorspezifische und die sektorenübergreifende Kohärenz. Erstere betrachtet einen abgrenzbaren Regelungsbereich, z.B. Online-Sportwetten, und fragt danach, ob ein nachvollziehbares, für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich wirksames Schutzkonzept vorliegt. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn staatliche Anbieter ein Monopol übertragen bekommen, um einen besonders starken Schutz zu gewährleisten, gleichzeitig aber expansiv Werbung betreiben, um neue Kundschaft zu gewinnen. Die sektorenübergreifende Kohärenz hingegen fragt danach, ob in sich schlüssige Konzepte in einem Regelungsbereich dadurch konterkariert werden, dass in einem anderen Bereich ein Laissez-faire-Ansatz vorherrscht und dadurch die Glaubwürdigkeit des angeblich angestrebten Schutzniveaus untergraben wird. So ist es beispielsweise, wenn es harte Einschränkungen für das unter Suchtgesichtspunkten vergleichsweise harmlose Lottogeschäft gibt, gleichzeitig aber großzügig mit Spielhallen umgegangen wird.
Was folgt daraus?
Aufgrund eines innovativen Aspekts der Entscheidung, die zu erklären den Rahmen dieses ohnehin langen Blogbeitrags endgültig sprengen würde, hat der VGH die beanstandeten Regelungen der BayIfSMV nicht außer Vollzug gesetzt, sondern dem Normgeber im Stile eines Verfassungsgerichts bis zum 3. Mai Zeit gelassen, um die Kritikpunkte aufzunehmen und eine verfassungsgemäße Lösung zu finden.
In einem ersten Schritt passte die Bayerische Staatsregierung bereits mit Wirkung ab heute den Vollzug der 800-Quadratmeter-Regel an und lässt eine Verkleinerung der Verkaufsflächen größerer Geschäfte zu. Zudem – dabei handelt es sich um die ersten Rücknahmen von bereits erfolgten Lockerungen! – sind weitere Änderungen bereits angekündigt: Künftig müssen auch Buchläden und Fahrradgeschäfte die Begrenzung auf 800 qm einhalten, und die Regel „ein Kunde je 20 qm Ladenfläche“ gilt für den gesamten Einzelhandel. Dies kann jedoch nicht mehr als eine Notoperation sein, um etwaigen Staatshaftungsansprüche vorzubeugen. Notwendig ist eine Überarbeitung des gesamten Konzeptes, um weiteren Beanstandungen in künftigen Gerichtsverfahren vorzubeugen. Diese sind so sicher wie das Amen in der Kirche (zumindest wenn wieder Gottesdienste stattfinden dürfen).
Die wichtigste Prämisse dabei ist, dass zunächst im sektorspezifischen Bereich (hier: Einzelhandel) grundsätzlich die gleichen Regeln für alle gelten. Insbesondere bietet es sich an, die Kontaktreduzierung strikt am Kriterium „Personen pro qm“ auszurichten. Jede abweichende Sonderregel bedarf einer Rechtfertigung. Diese kann sich spezifisch nach dem angebotenen Sortiment richten (z.B. die Verhinderung von Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel und bei Drogerien oder die Möglichkeit, verderbliche Saisonware in den Gartenmärkten abzuverkaufen) und daher einzelne Sparten privilegieren.
Richten sich die Erwägungen jedoch nicht nach dem Sortiment, sondern nach anderen Gesichtspunkten wie z.B. der Verhinderung von Kontakten bei der Anreise oder im Umfeld der Geschäfte, dann darf das nicht mit dem Sortiment verknüpft werden, sondern muss als eigenständiges Kriterium Eingang in den Text der Regelung finden. Dabei könnte es auch sinnvoll sein, für Fußgängerzonen in großen Städten andere Regelungen zu treffen als für Gewerbegebiete auf dem Land. Die pauschale Differenzierung nach der Verkaufsfläche wirkt jedenfalls nicht wie der Weisheit letzter Schluss. Die Andeutung im VGH-Beschluss, dass bei Anreise mit dem Auto mehr möglich sein müsse als bei Benutzung des ÖPNV sollte es im Interesse der Umwelt und der Vitalität unserer Innenstädte jedoch auch nicht sein.
Relativ offen ist, ob und ggf. wie sich die sektorenübergreifende Kohärenz im Bereich des Infektionsschutzrechts fruchtbar machen lässt. Hier lassen sich nur einige Fragen andeuten, z.B.: Ist eine Ausgangsbeschränkung bzw. ein Kontaktverbot, das es untersagt, nahe Angehörige, die nicht im selben Haushalt leben, zu besuchen, verhältnismäßig, wenn der Normgeber gleichzeitig vielerlei Kontakte zwischen fremden Menschen im Einzelhandel in Kauf nimmt? Kann es richtig sein, dass mit der Maßgabe „eine Person pro 20 qm“ eine Ansammlung in nicht existentiell notwendigen Geschäften geduldet, eine politische Demonstration mit vergleichbaren Abstandsregeln aber untersagt wird? Das bayerische Kabinett hat heute zumindest erste Schritte in den Bereichen Gottesdienste und Versammlungen unternommen, lässt aber weiter eine große Leerstelle im Bereich des Familienlebens.
Allen Landesregierungen wäre jedenfalls anzuraten, dass sei bei jedem Lockerungsschritt im Bereich der Wirtschaft einen vergleichbaren Schritt im Bereich der persönlichen Lebensführung bzw. der anderen beschränkten Grundrechte mit einkalkulieren. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass nach und nach alle bestehenden Verbote beanstandet werden und am Ende von den Eindämmungsmaßnahmen gar nichts mehr übrig bleibt. Dies wäre dann kein kontrolliertes „Hochfahren“ des staatlichen Lebens mehr, sondern eine unkontrollierte Öffnung, die unter infektionsmedizinischen Gesichtspunkten kaum vertretbar sein dürfte.
Wenn die Lockerungen vorsichtig erfolgen sollen, liegt doch das Ziel einer Begrenzung immer darin, nicht zu viele Risiken auf einmal einzugehen. Dabei ist es möglicherweise in einem gewissen Rahmen gar nicht so wichtig, welche Risiken eingegangen werden, d.h. z.B. welche Läden nach Größe, Branche oder Lage geöffnet werden. Der Sachgrund für eine Ungleichbehandlung ist deshalb nicht in einer bestimmten Qualität zu suchen (diese Argumente sind womöglich vorgeschoben), sondern in der Quantität. Ich weiß nicht, ob man hiermit eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen verfassungsrechtlich begründen kann. Das wäre (aus epidemiologischer Sicht) allerdings wünschenswert, andernfalls könnte über eine Operationalisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes der Plan der schrittweisen und vorsichtigen Öffnungen konterkariert werden. Man erkennt das zur Zeit an der FDP-Linie (Linder und Kubicki), die sinngemäß meinen, dass jeder, der ein Hygienekonzept besitzt, wieder alles machen können soll. Sie verstehen möglicherweise einfach nicht, dass man zwar überall Risiken reduzieren kann, jedes zusätzlich eingegangene Risiko, aber dennoch die Wahrscheinlichkeit der Steigerung der Infektionsraten erhöht. Dies könnte wiederum zu einer Verlängerung und zur Wiederverschärfung der Maßnahmen führen.
Bestimmte Operationalisierungen des Gleichheitssatzes könnten (überspitzt) dazu führen, dass Maßnahmen nur für jeden oder für niemanden gelockert werden könnten. Das könnte buchstäblich tödlich enden.
ja, genau, vollste Zustimmung – die Möglichkeit zur infektionsträchtigen physischen paarweisen Annäherung (Möglicherweise Infizierter/Nichtimmuner) wird in der Pandemiesituation zum knappen Gut, während sie üblicherweise nichtrivalisierend für alle in beliebiger Quantität verfügbar ist. Der Gesetzgeber muss diese Quantitäten deshalb verteilen. Gleichbehandlung scheitert ggfs. schlichtweg an den verfügbaren Mengen (nicht jeder kann ein Häuschen am See haben). Die verfügbaren Quantitäten werden in epidemiologischen Metriken beschrieben (nicht in monetären Größen wie z.B. beim ebenfalls knappen Eigentum). Worauf die FDP aber zum Teil zu Recht hinweist: Die epid. Metriken lassen sich auf verschiedenen geographischen (und damit auch rechtlichen) Gebieten bilden und können dabei auch voneinander abweichen. Dass sich die WHO für die Pandemie auf einer globalen Ebene interessiert, bedeutet nicht, dass ein dt. Bundesland sich nach der Reproduktionszahl des RKI auf Bundesebene zu richten hat, ohne dass ein “geteiltes Leid” zum Rechtsgrundsatz wird. Ein quantitativ gedeckeltes Rechtsgut aus dem Bereich der Freiheitsrechte scheint juristisch schwer greifbar zu sein (aber beim Eigentum gehts doch auch !?).
Ich kann dem Autor nur zustimmen. Jetzt, wo sich die Lage zumindest etwas entspannt hat sollte die Exekutive und auch die Legislative Lösungen erarbeiten, die unseren verfassungsrechtlichen Standards entsprechend, vor allem auch, damit nicht durch eine Fülle rechtswidriger Maßnahmen und deren erzwungene Kassierung durch Gerichte (im Sinne davon, dass diesen wegen der offensichtlichen Gesetzwidrigkeit keine andere Wahl bleibt, als die Maßnahmen außer Kraft zu setzen) epidemiologische Erfolge zunichte gemacht werden.
Danke für die schöne Analyse!