EGMR schützt den Humor, nicht die Bigotterie
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat normalerweise nicht viel zu lachen. Die Berliner Eltern beispielsweise, die ihren Kreuzzug gegen das Pflichtfach Ethik auch nach zwei verlorenen BVerfG-Verfahren noch nicht aufgeben wollten, scheinen mir nicht mit einem Übermaß an Humor gesegnet zu sein. Jetzt haben sie auch in Straßburg verloren, und ihr Töchterlein wird künftig mit Heiden, Muselmännern und anderen der Verdammnis Anheimgegebenen die Ethik-Schulbank drücken müssen. Zitat aus der Pressemitteilung:
It was not possible to deduce from the Convention a right not to be exposed to convictions other than one’s own.
Zwei andere heute entschiedene Fälle verdienen ebenfalls Beachtung: Ein Portugiese, der mit einer satirischen Karnevalsfigur einen angeblich korrupten Bürgermeister anprangerte, machte von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch und hätte nicht zu 4.450, – Euro Schadensersatz wegen Rufschädigung verdonnert werden dürfen. Auch hier ein wunderbar knapper, scharfer und präziser Satz aus der Pressemitteilung:
The message conveyed by Mr Alves da Silva was quite clearly satirical in nature, namely, a form of artistic expression and social commentary which, through its exaggeration and distortion of reality, naturally sought to provoke a reaction. It could hardly be taken literally – particularly as it had been delivered in the context of a carnival – and even if this had been the case, the mayor should, as a politician, have shown a greater degree of tolerance towards criticism.
(Dank an den ECHR-Blog)
Der dritte Fall spielt im revolutionären Rumänien 1989: Ein Miliz-Offizier der Ceaucescu-Regimes war von der wütenden Masse zuerst verletzt, dann aus dem Ambulanzwagen gezogen und zu Tode geprügelt worden. Die Täter wurden zwar teilweise angeklagt und verurteilt, aber keine der Strafen wurde vollstreckt. Die Sache, so der Gerichtshof vorsichtig, sei zwar “extremely complex”, und man müsse auch den “socio-political context after 1989” in Betracht ziehen – aber das sei alles kein Grund, über 20 Jahre den Abschluss des Verfahrens zu verzögern.