10 August 2021

Eine Collage der Selbstreferenzialität

Zum Sachsen-Anhalt-Beschluss des BVerfG

Nun ist es also so gekommen, wie wohl von fast allen Beobachtern erwartet: Am 5. August hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) seinen schon am 20. Juli gefassten Beschluss veröffentlicht, mit dem er die Weigerung des Landes Sachsen-Anhalt, der Rundfunkbeitragserhöhung für die Beitragsperiode 2021-2024 zuzustimmen, für verfassungswidrig erklärt. Er hat den Verfassungsbeschwerden der ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradio stattgegeben. Im System der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze ist dieses Ergebnis zwingend. Jedoch hätte man sich mehr Reflexionsbereitschaft und Offenheit des Gerichts hinsichtlich der Grundannahmen seines rundfunkverfassungsrechtlichen Systems oder doch wenigstens hinsichtlich einiger von dessen Details vorstellen können. Stattdessen bleibt es bei der apodiktischen Feststellung, dass die „Grundsätze [der beiden „Gebührenurteile“ von 1994 und 2007] weiter Bestand haben“. Perspektiven für eine Weiterentwicklung des Rundfunkrechts, insbesondere hinsichtlich der Rolle und Gestaltungsmacht des Gesetzgebers im Verhältnis zu seinen Anstalten, werden nicht aufgezeigt.

Der Fall Sachsen-Anhalt

Zur Erinnerung an den Fall Sachsen-Anhalt in aller Kürze nur so viel: Am 8.12.2020 zog Ministerpräsident Haseloff die Gesetzesvorlage über die Zustimmung zur Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV) zurück. Die Ministerpräsidenten (auch Haseloff selbst) hatten sie erst im Juni 2020 unterzeichnet, in Sachsen-Anhalt war nun aber klar geworden, dass die Vorlage nicht die erforderlichen Stimmen der CDU-Fraktion finden würde, was das Ende der regierungstragenden Kenia-Koalition bedeutet hätte. Die Änderung (technisch: Art. 1 des 1. Medienänderungstaatsvertrags) hatte, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) vom Februar 2020 folgend, eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 0,86 € von 17,50 € auf 18,36 € zum Inhalt (§ 8 RFinStV), ferner eine Neujustierung der Mittelverteilung zwischen ARD, ZDF und Deutschlandradio (§ 9 RFinStV) sowie eine Erhöhung der Finanzausgleichsmasse zugunsten der defizitären Anstalten Radio Bremen und saarländischer Rundfunk (§ 14 RFinStV). Da alle Länderparlamente (im Regelfall durch Gesetz) zustimmen müssen, damit die Beitragserhöhung in Geltung treten kann, wurde die rechtzeitige Erhöhung damit blockiert. Für die 4-jährige Periode hätte sie insgesamt zusätzliche Erträge von 1,5 Milliarden € bedeutet; stattdessen galt der seit dem 1.4.2015 in Höhe von 17,50 € erhobene Beitrag daher einstweilen weiter – wie nun feststeht, aber nur bis zum 19. Juli 2021: Das BVerfG hat in seinem Beschluss durch Vollstreckungsanordnung (§ 35 BVerfGG) bestimmt, dass ab dem 20. Juli, dem Datum der Entscheidung, „übergangsweise“ Art. 1 MÄndStV gelten soll, die gescheiterte Beitragserhöhung also ebenso wie die übrigen Änderungen zur Mittelverteilung und zum Finanzausgleich. Die bis dahin entstandenen Mindererträge (unter dem festgestellten Bedarf), die nach Angaben der Anstalten bisher nicht zu Einschränkungen im Programm geführt haben, sondern beispielsweise durch Aufschub von Investitionen kompensiert worden sind, sollen, soweit künftig noch kompensationsfähig, in der nächsten Neufestsetzung des Beitrags berücksichtigt werden.

Das Festsetzungsverfahren nach dem RFinStV

Die Höhe des Rundfunkbeitrags zur Deckung des nicht aus Werbung und sonstigen Einnahmen finanzierten Bedarfs wird nach dem Reglement des RFinStV in einem dreistufigen Verfahren ermittelt: Ausgangspunkt ist die Bedarfsanmeldung durch die Rundfunkanstalten. Diese wird sodann durch die KEF fachlich geprüft, und zwar auf die Einhaltung der Maßstäbe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, aber auch darauf, „ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten“ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RFinStV). Besetzt ist die KEF mit Sachverständigen, die von den Ländern bestimmt werden. Die KEF-Prüfung führt regelmäßig zu einer erheblichen Kürzung der Bedarfsanmeldung (2020 um etwa die Hälfte). Auf der dritten Stufe setzen die Länder den Beitrag ziffernmäßig im Staatsvertrag fest. Die konsolidierte Bedarfsfeststellung der KEF hat dafür „Grundlage“ zu sein (§ 7 Abs. 2 Satz 1 RFinStV). Abweichungen sind möglich, „sollen“ aber mit den Ländern, den Rundfunkanstalten und der KEF erörtert werden und bedürfen einer Begründung (§ 7 Abs. 2 RFinStV).

Diese Verfahrensgestaltung ist zwar nicht en détail verfassungsrechtlich vorgegeben, insbesondere nicht hinsichtlich der dritten Stufe. Eine parlamentarische Beschlussfassung ist keineswegs geboten, vielmehr käme auch eine Festsetzung durch Rechtsverordnung oder wohl sogar – auf der Grundlage eines „automatischen“ Anpassungsmechanismus (Indexierung) – durch den Beitragsservice in Betracht. Entscheidet sich allerdings der Gesetzgeber, was nach richtiger Auffassung nicht zwingend so geschehen müsste, für eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Aufkommen einer nichtsteuerlichen besonderen Abgabe, unterliegt der politische Gestaltungsspielraum für die Ausgestaltung des Festsetzungsverfahrens engen verfassungsrechtlichen Grenzen: Die Bedarfsanmeldung durch die Anstalten ist nach der Rechtsprechung des BVerfG (insb.: BVerfGE 90, 60 – „1. Gebührenurteil“; 119, 181 – 2. Gebührenurteil) ebenso indisponibel wie die „fachliche Prüfung“ durch eine externe, unabhängige Stelle. Nach dem Karlsruher Konzept bestimmen die Anstalten wesentlich selbst über das, was erforderlich ist, um den verfassungsrechtlichen („klassischen“) Funktionsauftrag zu erfüllen – und daher auch über den finanziellen Bedarf, der sich daraus ergibt. Die externe Stelle (also die KEF) ist verfassungsrechtlich und auch unionsrechtlich notwendiger Kontrolleur und Gegenspieler, um dem zu erwartenden „Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresse“ (BVerfGE 119, 181, Rn. 145) der Anstalten entgegenzutreten. Und was die dritte Stufe angeht, ist, wenn hier eine politische Letztentscheidung vorgesehen ist, sicherzustellen, dass die Festsetzung sich am ermittelten Bedarf orientiert – die Finanzierung hat dem Auftrag und dem daraus sich ergebenden Mittelbedarf zu folgen und nicht umgekehrt (Grundsatz der „Programmakzessorietät“) – und dass politische Einflussnahmen auf den Rundfunk über die Finanzierung ausgeschlossen sind (Grundsatz der „Programmneutralität“). Sieht das einschlägige Rundfunkrecht eine Abweichungsmöglichkeit der Länder von der Bedarfsfeststellung vor, ist diese der Rechtsprechung des BVerfG zufolge verfassungsrechtlich eng begrenzt, und zwar über das in § 7 Abs. 2 Satz 3 RFinStV genannte Begründungserfordernis hinaus auch materiell: Den Staatsvertragsparteien ist jede Berufung auf „medienpolitische Gründe“ verboten. Verfassungsrechtlich denkbarer Grund, den Beitrag unter die Bedarfsfeststellung zu kürzen, wäre wohl nur das Argument einer unzumutbaren Belastung der Beitragszahler (so nun schlichter und deutlicher als noch im 2. Gebührenurteil Rn. 97 des Beschlusses vom 20. Juli). Allerdings kann sich niemand praktisch vorstellen, dass es sich in der gebotenen Abwägung mit dem bedarfsorientierten Finanzierungsanspruch der Anstalten gegen Erhöhungs-Empfehlungen von unter einem Euro (oder auch etwas mehr) wirklich durchsetzen kann, zumal sozial Bedürftige schon nach den Härteregeln des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags aus der Beitragspflicht herausfallen. Auch das Corona-Argument (pandemiebedingte finanzielle Sonderbelastungen) taugt bei Licht betrachtet nicht wirklich, um eine Verweigerung der Beitragsanhebung zu begründen – Sachsen-Anhalt hatte dazu auch gar nicht in der vom BVerfG geforderten substantiierten Weise vorgetragen.

Es kann nicht ernsthaft überraschen, dass die Zustimmungsverweigerung Sachsen-Anhalts dem Beschluss des BVerfG vom 20. Juli zufolge mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar war. Dass der Ministerpräsident schon die parlamentarische Beschlussfassung verhinderte, indem er die Vorlage zurücknahm, desavouierte das auf gemeinsame Beschlussfassung angelegte Verfahren und vereitelte im Ergebnis die bedarfsorientierte Beitragsanpassung. Der Verstoß gegen die Verfahrens- und Entscheidungsregeln des Staatsvertrags schlug auch auf die zugrunde liegenden rundfunkverfassungsrechtlichen Prinzipien durch. Allerdings war es das erste Mal, dass das Gericht über ein Veto eines Landes mit der Folge des Nicht-Inkrafttretens einer staatsvertraglichen Beitragsanpassung zu entscheiden hatte. Daher war noch nicht explizit geklärt, ob nicht auch ein solches Veto, das zur Weitergeltung des alten Beitrags führt, unter bestimmten Umständen als verfassungsrechtlich zulässige Abweichung von der Bedarfsempfehlung gelten könnte. Dies wird nun vom BVerfG – und darin liegt überhaupt die einzige nennenswerte Weiterentwicklung des rundfunkverfassungsrechtlichen acquis – verneint: Solange staatsvertraglich, was zulässig wäre, keine Beschlussfassung mit Mehrheit vorgesehen ist, sondern das Einstimmigkeitsprinzip, sind die Länder – Landesregierungen und Parlamente – zur Zustimmung zum Änderungsstaatsvertrag mit dem Inhalt der Bedarfsempfehlung der KEF verpflichtet, sofern sie sich nicht sämtlich auf einen gemeinsame begründete Abweichung (unter den oben skizzierten Voraussetzungen) einigen. Für die Beitragsfestsetzung gilt das Konsensprinzip, Abweichungen kraft Dissenses sind von Verfassung wegen ausgeschlossen. Das verfassungswidrige Unterlassen bestand mithin nicht erst und nur in einer fehlenden Begründung der „Abweichung“, sondern schon in der fehlenden Zustimmung als solchen.

Der Senat hält es hingegen nicht für nötig, das verfassungswidrige Verhalten genauer zu beschreiben (stattdessen nur: Unterlassen des Landes Sachsen-Anhalt); die drei Prozessvertreter der beschwerdeführenden Anstalten hatten insoweit konkreter an die Landesverfassungsorgane angeknüpft, die hier in Betracht kommen, dabei aber unterschiedliche Beschwerdegegenstände bezeichnet (Beschwerde der ARD-Anstalten: Rücknahme der Vorlage durch den Ministerpräsidenten [m. E. zutreffend], ZDF: Unterlassen der Zustimmung des Landtags, DLR: „Entschluss des Landtags, dem Gesetz […] nicht zuzustimmen“)

In den eigenen Formeln erstarrt

Das Ergebnis der Entscheidung ist im System der in der bisherigen Rechtsprechung errichteten Grundsätze zwingend (s. dazu eingehend Cornils/Dietrich, Der intraföderale Konsenszwang im Beitragsfestsetzungsverfahren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ZUM 2021, 629). Anders hätte das BVerfG nur entscheiden können, wenn es diese Grundsätze selbst auf den Prüfstand gestellt und mindestens modifiziert hätte. Dazu zeigt der Senat aber nicht die geringste Bereitschaft, im Gegenteil: Der Beschluss bekräftigt das in den Gebührenurteilen errichtete Konzept auf ganzer Linie und auch in den Details. Auch das im Beitragsurteil von 2018 (BVerfGE 149, 222, Rn. 77-80) abgelegte Bekenntnis zur fortbestehenden, ja angeblich sogar gewachsenen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter den Bedingungen der digitalisierten Kommunikation und Plattformökonomie wird wiederholt – obwohl es hier noch weniger als damals für die zu entscheidenden Fragen erheblich ist. Die Entscheidungsgründe sind im Maßstäbeteil fast vollständig nur eine Collage aus Textabschnitten der älteren Entscheidungen, vor allem des 2. Gebührenurteils. Von geringfügigen Formulierungsänderungen abgesehen, tritt nur die schon skizzierte Klarstellung hinsichtlich der Zustimmungspflicht (Ablehnung eines Vetorechts) hinzu (Rn. 68, 75, 101), auch dies aber nur in dezisionistischer Manier (jedes Land ist nun „Mitverantwortungsträger der föderalen Verantwortungsgemeinschaft“), ohne nähere Begründung und vor allem ohne jede Auseinandersetzung mit der immerhin demokratisch heiklen Ratifikationsrolle, in die die Landesparlamente durch die Zustimmungspflicht gedrängt werden.

Das wirkt schon ambitionslos und ist in dieser Gestalt ein doch unbefriedigendes Beispiel einer selbstgenügsamen, in den eigenen Formeln erstarrten Rechtsprechung. Und diese kammerbeschlussartige Selbstreferenzialität ist eben nicht nur unter Originalitätsgesichtspunkten ernüchternd, sondern unterstreicht auch inhaltlich den durch nichts erschütterten Willen, ausnahmslos alle irgendwie in den Kontext passenden Prämissen und Herleitungen der jahrzehntealten Rundfunkrechtsprechung aufrechtzuerhalten und weiter zu tradieren, als ob es in der Kommunikationstechnologie, der Kultur der Netzwerkkommunikation usw. keinerlei Veränderungen und Entwicklungen gegeben hätte. So werden etwa die schon längst fragwürdig gewordene These von der besonderen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft des Rundfunks oder das Filterblasen-Narrativ unbekümmert weiter behauptet. Spezifisch mit Blick auf die Finanzierungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es keinen erkennbaren Versuch, in irgendeiner Weise Wege aus dem schon im ersten Gebührenurteil erkannten „strukturellen Dilemma“ (BVerfGE 90, 60, Rn. 162) hinsichtlich der Bestimmung des verfassungsgebotenen Rundfunkauftrags aufzuzeigen. Sensibilität für das „Demokratieproblem“ (Haseloff), das dadurch entsteht, dass die abschließende Entscheidung der Politik im Wesentlichen durch die Bedarfsanmeldung und KEF-Empfehlung „gebunden“ ist (BVerfGE 90, 60, Rn. 161), und ein Bemühen, der Kritik daran argumentativ etwas entgegenzuhalten, finden sich in den Entscheidungsgründen nicht. Die (gegenüber den Formulierungen der bisherigen Rechtsprechung noch geschärfte) Behauptung, mit dem Abweichungsrecht der Länder verbleibe diesen eine „Möglichkeit gehaltvoller politischer Verantwortungsübernahme“ und (wie schon in BVerfGE 119, 181, Rn. 154) es könne die politische Festsetzung des Beitrags auch „zur Sicherung der Akzeptanz der Entscheidung bei den Bürgerinnen und Bürger beitragen“, überzeugt schwerlich, wenn ein substanzielles politisches Abweichungsrecht intrasystemisch doch gerade nicht vorstellbar ist (s. dazu näher Cornils/Dietrich, Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags als gebundene Entscheidung, ZUM 2021, September-Heft). Der Senat beeilt sich dementsprechend auch sogleich, das Abweichungsrecht wieder zu relativieren, indem er auf die gewichtige Rolle hinweist, die die Bedarfsfeststellung für die Festsetzung spielen muss.

Vergleichbares gilt für die Verweisung des Gesetzgebers auf die Definition des Auftrags. Dass der Gesetzgeber, wenn schon nicht am finanziellen Hebel des Beitrags, so aber doch bei der Beauftragung der Anstalten mit ihren linearen und Onlineangeboten medienpolitische Erwägungen demokratisch fassen und durchsetzen und so auch mittelbar das Finanzierungsvolumen steuern könnte, dürfte nur begrenzt realistisch sein: Der Senat ruft vorsichtshalber – vielleicht mit Blick auf die derzeitige Auftragsdiskussion – auch jetzt wieder die Grenzen der Programmfreiheit sowie das grundsätzliche Recht der Anstalten, selbst über das Funktionserforderliche – bis hin zu „Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme – zu entscheiden, in Erinnerung. Ist der demokratische Gesetzgeber aber auf allen Seiten verfassungsrechtlich gehindert, Inhalt und Umfang der Tätigkeit seiner anstaltlichen Geschöpfe signifikant zu prägen, läuft dies auf eine einzigartige Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (auch im Verhältnis zu Universitäten, Kultureinrichtungen usw.) hinaus. So selbstverständlich ist diese Stellung indes nicht, dass sie keiner fortwährenden Vergewisserung, überzeugenden Begründung und ggf. auch sachlichen Neujustierung bedürfte. Zu alledem leistet der Beschluss mit der bloßen Wiederholung der alten Sätze keinen Beitrag und verspielt damit jedenfalls die Chance, wieder neu und für mehr Verständnis für die Rechtsprechung des Gerichts zu werben.

Verantwortung der Länder

Gewiss muss man auch mit den Ländern und ihrer Rolle im Festsetzungsverfahren nicht allzu viel Mitleid haben, schon gar nicht mit Sachsen-Anhalt und dem sicherlich aus rechtlich gut informiertem Kalkül handelnden, die politisch prekäre Angelegenheit nach Karlsruhe abwälzenden Ministerpräsidenten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Allgemeinen und seine Beitragsfinanzierung im Besonderen ist schon seit längerem ein Lieblingsthema der Agitation inzwischen nicht mehr nur extremer Parteien, dessen Wuterregungspotential schwer begreiflich ist und betroffen macht. Allzu oft geht es nicht mehr um rationale Kritik, sondern um die Mobilisierung offenbar verbreiteter Affekte („GEZ-Zwangsabgabe“). Und für Klagen über die mit dem Konsensprinzip oder überhaupt der staatsvertraglichen Bindung einhergehende Einschränkungen der einzelstaatlichen „Souveränität“ besteht wenig Anlass: Länderübergreifende Koordinierungsnotwendigkeiten müssen (wie im Völkerrecht) keineswegs als Schwächung dezentral organisierter Kompetenzen und also des bundesstaatlichen Gedankens begriffen werden. Sie sind eben Folge der politischen Entscheidung für gemeinsame Rundfunkanstalten und gemeinsam veranstaltete Programme, zu der die Länder verfassungsrechtlich wohl (das bedürfte freilich näherer Betrachtung) durchaus nicht verpflichtet sind. Das derzeitige Konsensprinzip, das die parlamentarische Billigung in der Tat zur Farce denaturiert, könnte von den Ländern selbst durch Änderung des Mechanismus (etwa Einführung der Mehrheitsregel oder einer Indexierung) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise aufgegeben werden, auch wenn die rundfunkverfassungsrechtlich vorgegebene Bindung an die Bedarfsfeststellung damit natürlich nicht überwunden würde. Schließlich bliebe den Ländern, wollten sie wirklich Hand an das Volumen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks legen, dessen Größe in Deutschland wesentlich seiner föderal-pluralistischen Struktur geschuldet ist, der organisationsrechtliche Eingriff in dieses üppige institutionelle Gefüge – ein Schritt, der aber aus naheliegenden regionalpolitischen Gründen nirgendwo ernsthaft auf der Agenda steht.