Eine Schwangerschaft, eine Beziehung
Plädoyer für eine differenzierte Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs
Im Bundestag liegt derzeit der Gesetzentwurf einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten vor, der eine moderate Änderung des – im internationalen Vergleich – restriktiven deutschen Rechts des Schwangerschaftsabbruchs vorschlägt. Der Entwurf sieht Änderungen nur für die Frühschwangerschaft bis zur 12. Woche nach der Empfängnis vor. Nach aktueller Rechtslage bleibt der Schwangerschaftsabbruch straffrei, wenn sich die Schwangere vor dem Eingriff hat beraten lassen und zwischen der Beratung und dem Eingriff drei Tage vergangen sind (§ 218a Abs. 1 StGB). Der Schwangerschaftsabbruch bleibt aber rechtswidrig. Auch wenn die Schwangere die rechtlichen Verfahrensregeln einhält, bleibt also – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 88, 203) – ein „Unwerturteil“ an ihr hängen, und seien die Gründe für den Abbruch noch so nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf, der nun im Parlament verhandelt werden soll, sieht dagegen vor, die Abbrüche nach Pflichtberatung als rechtmäßig zu behandeln. In der Folge würden die Kosten des Eingriffs von den gesetzlichen Krankenkassen getragen, müssten also nicht wie bisher im Regelfall von den Betroffenen selbst finanziert werden.
Die erwartbare Gegenreaktion bleibt argumentativ schwach. Jüngst forderte eine kleine Gruppe von Ärzt*innen und Rechtswissenschaftler*innen in der FAZ eine „nüchterne[…], interdisziplinär aufgeklärte Bewertung“ des Reformvorschlags. Im Ergebnis wird jede Veränderung des geltenden Rechts kompromisslos abgelehnt. Der Staat habe eine Schutzpflicht für das ungeborene Leben, die nicht zugunsten einer vollständigen Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aufgegeben werden dürfe. Die Befürworter*innen der Reform seien, so die kleine Diffamierung am Rande, „von bemerkenswerter Einseitigkeit der Perspektive, von unzutreffenden Prämissen und fehlerhaften Ableitungen geprägt“. Die jahrzehntealte Debatte um Recht und Ethik des Schwangerschaftsabbruchs wird damit auf ein paar wenige vermeintliche Wahrheiten verkürzt. So einfach ist es jedoch nicht. Geboten ist daher eine Einordnung wesentlicher Argumente aus rechtsethischer und verfassungsrechtlicher Sicht.
Zum Status von Embryonen und Feten leider kein neues Argument unter der Sonne
Der Status von Embryonen und Feten ist und bleibt umstritten, daran kann und wird auch die noch so oft wiederholte Behauptung des Gegenteils nichts ändern. Die starke ethische Annahme, Embryonen und Feten seien dem geborenen Menschen in ihrem Schutzanspruch gleichzustellen, gibt keineswegs einen Konsens oder auch nur eine Mehrheitsmeinung wieder – dies gilt für die Ethik wie für die Verfassungsrechtswissenschaft, die hier ethische Argumente weitgehend rezipiert. Kurz zusammengefasst, folgert eine Position, die man als „embryozentriert“ bezeichnen kann, aus vier Umständen des embryonalen/fetalen Daseins seine Statusgleichheit mit dem geborenen Menschen. Dies sind die sogenannten SKIP-Argumente der Spezieszugehörigkeit, der Kontinuität der Entwicklung sowie der Individualität und Potenzialität des Embryos/Fetus. Der Streit um die Bedeutung dieser Argumente füllt Bibliotheken. Zwingende Folgerungen lassen sich aus ihnen nicht ableiten. Die These, Embryonen und Feten seien dem geborenen Menschen an moralischen und juridischen Rechten gleichzustellen, weil sie als individualisiertes menschliches Leben das Potenzial hätten, geboren zu werden, wird vielfach kritisiert – nicht nur im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch, sondern auch in der Debatte um die Fortpflanzungsmedizin. Auch wenn die Individualisierung schon in der frühen Phase der Schwangerschaft stattfindet, gibt es gute Gründe, das sich entwickelnde menschliche Leben in den unterschiedlichen Phasen der Schwangerschaft unterschiedlich zu behandeln. Gerade das Prozesshafte der embryonalen und fetalen Entwicklung spricht für abgestufte Lebensschutzkonzepte, wie sie beispielsweise auch dem Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin der Bundesregierung zugrunde liegen, die im April 2024 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Auch dort findet sich die gut begründete Empfehlung, den Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau in der Frühphase der Schwangerschaft als rechtmäßig zu behandeln
Von der notorischen Missachtung der Lebenserfahrung „Schwangerschaft“
Vor allem aber befindet sich der Embryo/Fetus im Körper einer anderen Person. Dieser Umstand kann weder mit „Zweiheit in Einheit“ (so das Bundesverfassungsgericht), noch mit „Ein Körper, zwei Personen“ (so der jüngste Meinungsbeitrag in der FAZ) adäquat beschrieben werden. Daran ändert sich auch nichts, wenn man behauptet, der Embryo/Fetus entwickle sich organisch weitgehend „unabhängig“ von der Schwangeren „über die aktive, selektive Entnahme von Nährstoffen und Sauerstoff aus dem mütterlichen Kompartiment durch sein größtes biologisches Organ ‚Plazenta‘“. Medizinisch mag man die Plazenta als ein Organ des Embryos oder Fetus und nicht der Schwangeren ansehen können, aus dem der Embryo/Fetus sich aktiv ernährt und nicht etwa ernährt wird. Schon ein oberflächlicher Blick in die Medizingeschichte, zeigt allerdings, wie unterschiedlich die Schwangerschaft zu verschiedenen Zeiten beschrieben wurde (siehe nur: Barbara Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort). Der Verdacht liegt nahe, man wolle uns hier doch wieder nur die aristotelische Idee des Frauenkörpers als eines passiven Brutgefäßes in modernem Gewand verkaufen. Wie dem auch sei, auch so beschrieben findet die vorgeburtliche Entwicklung des Menschen im Körper einer Frau statt.
Wer in der Schwangerschaft eine „Zweiheit“ sieht und in der Folge einen Konflikt zwischen Embryo und Schwangerer konstruiert, macht bei näherem Hinsehen Folgendes: Der Embryo/Fetus wird aus der Schwangeren herausphantasiert und ihr als gleichrangiges Gegenüber präsentiert („Mutter-Kind-Konflikt-Modell“). Auf dieser Grundlage werden sodann gegenläufige Rechtspositionen abgewogen, und zwar so: Für den Embryo/Fetus geht es um sein Leben. Für die Schwangere um ihre Selbstbestimmung, Gesundheit, körperliche Integrität, Intimsphäre – vermeintliche Kleinigkeiten im Vergleich zu der Alles-oder-Nichts-Position „Leben“. Von den formal einbezogenen Grundrechten der Schwangeren bleibt in dieser simplen Gleichung: nichts. Ein patriarchaler Zaubertrick von beeindruckender Wirkungsmacht trotz anhaltend bescheidener Überzeugungskraft. Die Frau bleibt abhängig von der Gnade eines Staates, der von seinem Unwerturteil nur dann abrücken muss, wenn die Motive für den Abbruch seinen Vorstellungen von Unzumutbarkeit entsprechen.
Eine andere Sicht auf die Schwangerschaft
Gegenstimmen dazu gibt es seit Langem (für einen Überblick siehe hier). Eine Auseinandersetzung mit ihren Argumenten wird vorsichtshalber nicht einmal versucht. Hier nur eines davon: Eine Schwangerschaft ist kein Schauplatz eines Duells zweier antagonistischer Individuen. Sie ist eine ebenso alltägliche wie besondere Beziehung, ein Entwicklungsprozess nicht nur für den Embryo und später den Fetus, sondern auch für die Schwangere selbst. Der Embryo zieht nicht vorübergehend in eine Einliegerwohnung im Körper der Schwangeren ein, wo er sich in behaglicher Autarkie aus seinem Plazenta-Gärtchen selbst versorgt und ansonsten nicht weiter auffällt. Es ist der Körper der Schwangeren, der sich mit der Entwicklung des Embryos und später des Fetus fundamental verändert. Es ist das Leben der Schwangeren, das um diese Erfahrungswelt erweitert wird, ob sie die Schwangerschaft nun positiv erlebt, negativ oder ambivalent. Schwangere und Embryo/Fetus sind für die Dauer der Schwangerschaft eine Einheit, keine „Zweiheit“. Die Schwangerschaft betrifft die Frau in ihrer Identität. Sie ist nicht nur ein nährendes Umfeld oder „mütterliches Kompartiment“. Für ein liberales Recht des Schwangerschaftsabbruchs zu sprechen, leugnet nicht den Wert des menschlichen Lebens und versagt ihm nicht den Respekt. Für die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs spricht das besondere Beziehungsgeschehen der Schwangerschaft, das eine mündige Grundrechtsträgerin in tiefgreifenden Aspekten ihrer Identität und Integrität berührt.
Für den Umgang mit der Schwangerschaft gilt darum: Zwischen dem Embryo/Fetus und Dritten steht immer und unausweichlich die Schwangere mit ihrer gesamten Existenz. Für die Dauer der Schwangerschaft ist der Embryo/Fetus bei aller Individuierung und organischer Selbstorganisation ein Teil ihres Selbst. Wer den Embryo/Fetus medizinisch behandeln möchte, behandelt immer auch die Schwangere. Wer den Embryo/Fetus vor einem Abbruch retten möchte, muss sich dazu mit der Schwangeren auseinandersetzen. Wer eine Frau dazu zwingt, gegen ihren Willen eine Schwangerschaft auszutragen, erlegt ihr nicht nur eine vorübergehende Lästigkeit auf, sondern zwingt sie in eine identitätsprägende Lebenserfahrung hinein, zu der am Ende auch die Geburt mit ihren Schmerzen, Risiken und eventuellen Langzeitfolgen gehört.
Darum hat die Entscheidungsfreiheit der ungewollt Schwangeren ein solches Gewicht. Es geht um ihren Körper, ihr Leben und auch um ihre Verantwortung während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Die holzschnittartige Gegenüberstellung abstrakter Rechtspositionen (hier Leben – dort Selbstbestimmung) wird dem Beziehungsgeschehen „Schwangerschaft“ nicht im Ansatz gerecht. Sie entwirft ein Szenario, in dem die Frau nur verlieren kann. Es gibt durchdachtere Modelle in Ethik und Verfassungsrechtswissenschaft, die eine graduelle Betrachtung des Entwicklungsprozesses während der Schwangerschaft erlauben (eine Zusammenfassung findet sich hier, S. 177 ff.). Sie eröffnen Spielräume dafür, die Lebensrealitäten ungewollt schwangerer Personen in den Blick zu nehmen und differenzierte Lösungen zu diskutieren.
Denn hier liegt eine weitere bemerkenswerte Leerstelle in der Argumentation gegen liberale Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs: Eine Auseinandersetzung mit den Lebensumständen und Motiven, die zu einer Entscheidung für den Abbruch führen, sucht man bei den Verteidigern restriktiver Gesetze vergebens. Dabei gibt es – anders als noch zur Zeit der zweiten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch 1993 – mittlerweile gesicherte Befunde: Die häufigsten Gründe dafür, eine Schwangerschaft nicht fortzusetzen, sind Partnerschaftsprobleme oder ökonomische Sorgen (Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, S. 83 ff.). Wer Frauen wirklich dazu ermutigen möchte, ungewollte Schwangerschaften auszutragen, fände hier ein reiches sozialpolitisches Betätigungsfeld. Stattdessen wird immer noch und immer wieder um die Hoheit über den weiblichen Körper gerungen.
Nur am Rande sei erwähnt: Mit dem schematischen „Konflikt-Modell“ der Schwangerschaft, gern auch als Grundlage eines alternativlosen „Kompromisses“ präsentiert (eine Antwort darauf hier), lassen sich weitreichende Verschärfungen des Rechts des Schwangerschaftsabbruchs begründen. Vorschläge dafür stehen in einschlägigen Wahlprogrammen, unterstützt von offen frauenfeindlichen Kampagnen in den sozialen Netzwerken). Man wäge ab, mit wem man sich gemein zu machen bereit ist.
Ich möchte mich herzlich bei Frau Wapler bedanken, die in ihrem Plädoyer die so oft verzerrte und einseitige Debatte um den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch auf eine differenzierte und überzeugende Weise bereichert. Ihre klaren und nachvollziehbaren Argumente spiegeln viele Gedanken wider, die in meinem beruflichen Umfeld in der Medizin geteilt werden.
Der Artikel “Ein Körper, zwei Personen”, wirkt durch seine vereinfachenden Annahmen (u.a. “der Fetus befindet sich im Leib der Mutter, entwickelt sich aber weitgehend unabhängig von ihr”?!) und die Abwertung der Selbstbestimmung der ungewollt Schwangeren auf viele von uns irritierend und unverständlich. Frau Walter hingegen schafft es, die komplexen medizinischen und ethischen Zusammenhänge auf eine Weise darzustellen, die die Würde und Lebensrealität der Schwangeren in den Mittelpunkt stellt.
Danke für diesen wichtigen Beitrag, der der Diskussion die dringend benötigte Tiefe und Menschlichkeit verleiht.
Die Formulierung der Verfasser des FAZ-Beitrags von der „bemerkenswerten Einseitigkeit der Perspektive, der unzutreffenden Prämissen und fehlerhaften Ableitungen“ ist also eine „Diffamierung“ der Anhänger der Reform. Und die FAZ-Autoren sollten sich auch überlegen, mit wem sie „sich gemein zu machen“ bereit sind. (In der Verlinkung stehen dann „fascists“ und „right-wing populist narratives“ im Fokus …..) Umgekehrt ist es natürlich so, dass die Verfasser des FAZ-Beitrags ihrerseits „argumentativ schwach“ bleiben und eine Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten „vorsichtshalber nicht einmal versuch[en]“, was, so wird man zugunsten von Frau Wapler mutmaßen müssen, sie nicht für einen diffamierenden Vorwurf hält. Mit letzterem hätte sie zu 100% Recht. Wie man aber ein derartig selbstdistanzloses Begriffsverständnis von „Diffamierung“ in wenigen Absätzen unterbringen kann, erschließt sich auch einem Leser, der zu Abtreibungsfragen eine durchaus liberalere Haltung als die der gegenwärtigen Gesetzeslage hat, nicht wirklich. Im Furor verrutschen offenbar manchmal auch die Maßstäbe, deren Einhaltung man sich sonst gerne auf die Flagge schreibt. Er war deshalb noch nie ein guter Ratgeber.
Bei Schwangerschaftsabbruch aufgrund von Täuschung oder Drohung und Beratung könnte nur Strafbarkeit wegen Körperverletzung bleiben, unter Umständen nur mittelbar. Ein Schwangerschaftsabbruch könnte im Schuldspruch nicht mehr besonders abgebildet sein. Das scheint theoretisch konstruiert. Es kann nur zweifelhaft wirken, wenn bereits die Theorie fragwürdig scheint. Das kann dafür sprechen, im Grundsatz eine Strafbarkeit für einen Schwangerschaftsabbruch zu belassen, welche unter Umständen innerhalb einer Frist durch den Willen der Schwangeren aufgehoben werden kann?
Warum sollte das theoretisch konstruiert sein? Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Frau könnte de lege ferenda unter schwere Körperverletzung gefasst werden. Bei einer Täuschung durch den Arzt (ein schwer vorstellbarer Fall) würde es an einer wirksamen Einwilligung in den Eingriff fehlen, so dass nach allgemeinen Regeln eine Körperverletzung vorliegen würde.
Das ist mEn falsch. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf (https://dserver.bundestag.de/btd/20/137/2013775.pdf) soll der § 218 StGB wie folgt neu gefasst werden:
“Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne den Willen der Schwangeren
(1) Wer eine Schwangerschaft gegen oder ohne den Willen der Schwangeren abbricht, wird mit Frei-
heitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(…).”
Aktuell ist dies mit dem Regelbeispiel des §218 Abs. 2 Nr. 1 StGB vergelichbar und laut Fischer StGB § 218 Rn. 17 erfüllt das Herstellen einer Nötigungslage (zB durch Drohung) das Regelbeispiel im Rahmen der mittelbaren Täterschaft. Ebenso dürften die allgemeinen Fallgruppen zu Täuschung im Rahmen der mittelbaren Täterschaft hier angewendet werden können. Eine vermeintliche Strafbarkeitslücke entsteht durch die aktuelle Reform daher mEn nicht.
Ok, scheint so richtig.
Eine mögliche Irrtumsproblematik kann eventuell noch etwas unklar wirken, wenn ein täuschungsbedingter Schwangerschaftsabbruch mit irregeleitetem Willen erfolgt.
Eine Frage kann zudem sein, ob dadurch viel gewonnen sein muss, einen ursprünglichen Tatbestand zu streichen und dafür anderswo wieder einen veränderten Tatbestand ins Strafgesetzbuch aufzunehmen? Es heißt immer, Bürokratie solle verringert werden.
Mir fehlt: Wer einen gewollten, legalen bzw. unter anderen Umständen gewollten Schwangerschaftsabbruch verhindert durch Täuschung oder Nötigung, wird mit …. usw.
klar, kann man über andere Straftatbestände subsumieren, dennoch…
Es kann vielleicht bereits unklar und umstritten scheinen, ob für ein ungewolltes Kind oder für dessen Unterhalt Schadensersatz verlangt werden kann. Umso mehr sollten Uneinigkeit und Unklarheit darüber bestehen können, ob dies eine Strafbarkeit begründen kann. Selbst wenn ein ungewolltes Kind subjektiv unter Umständen teils als nachteilig empfunden werden kann, solte darüber vielleicht Uneinigkeit und Unklarheit bestehen können, ob darin objektiv ein hinreichender Nachteil liegen kann, um eine Strafbarkeit begründen zu können.
das ist sicher auch ein wichtiger aspekt, mir ging es aber zuerst um die Belastung für die Frau durch eine Schwangerschaft und Geburt, die sie ohne Nötigung oder Täuschung nicht (so) durchgeführt hätte.
Hier sollte ein Tatvorsatz problematisch wirken können. Wer einen Schwangerschaftsabbruch verhindert, kann sich grundsätzlich irrig vorgestellt haben, dass der Wille zum Schwangerschaftsabbruch unter Umständen teils mit irrig fehlgeleitet sein kann. Es kann hier ein Vorsatz gegen den hinreichend sicheren Willen einer Schwangeren zu handeln unklar wirken und im Zweifel entfallen. Die Verhinderung eines Schwangerschaftsabbruches sollte wohl in der Regel im Zweifel eher nur fahrlässig erfolgen. Eine Strafbarkeit bereits nur wegen fahrlässiger Verhinderung eines Schwangerschaftsabbruches sollte als zu weitgehend erscheinen.
Mir hat der Artikel sehr geholfen und im Gegensatz zu offensichtlich (trotz Liberalität) getroffenen Vorkommentatoren fand ich ihn zwar scharf, aber nie unsachlich. Warum sollen die Gegner des derzeitigen Abtreibungsrechtes immer auf charmanten Sammetpfoten daherkommen und sämtliche Regeln der gewaltfreien Kommunikation befolgen, was die Bewahrer des alten Rechts nie machen? Ich bin total und praktizierend katholisch, aber die Bigotterie des derzeitigen Rechts (verboten aber straffrei) hat mich schon als junge Frau bei der Entstehung des Gesetzes sprachlos gemacht. Als Rheinländerin konnte ich aber mit diesem Kompromiss leben (es war in seiner Bigotterie ja so etwas wie eine „rheinische Lösung“). Aber es ist dringend überfällig, hier eine starke und rechtlich kluge Lösung zu finden, die meiner Meinung nach der neue Gesetzentwurf sein kann. Also DANKE an Frau Wapler, you made my day!
Vielen Dank für diesen Beitrag und die ( hoffentlich nicht neue) Sicht auf die Schwangerschaft als existenzielle Beziehung und somit eine jeweils den anderen durchdringende Situation.
Diese Betrachtung alleine wird all die möglichen Problemfelder rund um eine Schwangerschaft und insbesondere um eine ungewollte nicht lösen. Sie ist aber ein wertvoller und vielleicht bisher nicht genügend beachteter Ausgangspunkt für weitere Diskussionen.
In einer solchen Diskussion wäre gegenseitige Achtung und Respekt vor den Bemühungen Andersdenkender wesentlich. Die Art wie Frau Prof. Wapler am Anfang ihres Blogs über die Vertreter von Sichtweisen, denen sie nicht zustimmen möchte, abwertend spricht und teils sich sarkastisch über Argumente als patriarchale Zaubertricks lustig macht, wird die so wichtige Diskussion nicht gerade beleben. Eigentlich schade.
Vielleicht wäre es gut, zu versuchen, die unterschiedlichen Sichtweisen, da wo es geht, zusammenzuführen. So muss eine Zweiheit von Mutter und Ungeborenem nicht die ganze Wahrheit sein, aber sie ist doch auch nicht vollständig zu leugnen. Ich hoffe das bedarf hierfür keiner weiteren Herleitung. Ebenso muss die Einheit dieser beiden, wie von Frau Wapler beschrieben, wahrgenommen werden. Die Lösung wird nicht in mathematischer Logik, nicht in wahr oder falsch zu finden sein. Auch wenn es einem nicht sofort eingehen mag, es ist doch beides wahr. Und diese Spannung macht es so schwierig. Und auch so schön. Die Lösung liegt m. E. also einem integrativen Ansatz. Und dafür wäre das Bild einer Beziehung doch eigentlich ideal.
1. Der Beitrag wendet sich gegen Positionen, die – zumindest unter den Befürwortern der geltenden Regelung – niemand vertritt:
Die These, Embryonen und Feten seien dem geborenen Menschen in ihrem Schutzanspruch gleichzustellen, kommt in dieser Regelung jedenfalls nicht zum Ausdruck. Es kann auch keine Rede davon sein, dass bei der Abwägung zwischen den Positionen des Fötus und der Schwangeren von den Rechten der Frau “nichts übrig bleibt”. Die Regelung ermöglicht es der Schwangeren, den Fötus bei Einhaltung bestimmter Verfahrensschritte begründungslos zu beseitigen, ohne dass sie durch den Staat oder einen Dritten daran gehindert werden kann. Das – im wesentlichen verbale – Unwerturteil ist im Vergleich dazu der geringstmögliche Eingriff, mit dem der Position des Fötus überhaupt Geltung verschafft werden kann.
2. Die neue Sicht auf die Schwangerschaft, die der Beitrag empfiehlt, kann das Problem nicht lösen.
Es mag sein, dass die rein begrifflichen Argumentationen zum Schwangerschaftsabbruch (“SKIP”) nicht vollständig überzeugen können. Aber warum sollte es ein Argument aus der “Lebenserfahrung Schwangerschaft” tun? Die Mehrzahl der Bevölkerung kann diese Lebenserfahrung von vornherein nicht teilen. Fraglich ist auch, ob die Schwangere den Fötus immer als Teil ihres Selbst (und nicht z.B. als aufgenötigten Fremdkörper) erlebt. Unabhängig davon kann die Lebenserfahrung eines Subjekts allein niemals ausreichen, um ihm ein Zugriffsrecht auf ein anderes Subjekt zu verschaffen. Erst recht nicht taugt sie dazu, das andere Subjekt einfach wegzuerklären (“Schwangerschaft ist keine Zweiheit”). Richtig ist, dass der Fötus nicht an der Schwangeren vorbei vor einem Schwangerschaftsabbruch geschützt werden kann – aber das ist keine Antwort auf das Problem, sondern das Problem selbst.
3. Vielleicht müssen sich beide Seiten damit abfinden, dass es beim Schwangerschaftsabbruch kein “knock down”-Argument gibt, das alles beantwortet und erklärt. Dann wäre zu fragen, welche Regelung am ehesten geeignet ist, um das allgemein erwünschte Ergebnis zu verwirklichen. Hier scheint derzeit (noch) Konsens darüber zu bestehen, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine bloße Geschmackssache wie eine Haarfrisur oder auch eine Tätowierung ist, sondern tendentiell vermieden werden sollte. Und zumindest unter diesem Gesichtspunkt steht die gegenwärtige Regelung eigentlich nicht schlecht da: Die deutschen Abbruchquoten sind im europäischen Vergleich verhältnismäßig niedrig, und anders als in Ländern, in denen der Schwangerschaftsabbruch als Menschenrecht gilt, gibt es zum Beispiel auch kaum Abbrüche von Teenagern. Unelegant (heuchlerisch/inkonsistent/intellektuell unredlich…), aber ziemlich erfolgreich – das ist nicht unbedingt das Schlechteste, was man über eine gesetzliche Regelung sagen kann.
“Die These, Embryonen und Feten seien dem geborenen Menschen in ihrem Schutzanspruch gleichzustellen, kommt in dieser Regelung jedenfalls nicht zum Ausdruck. Es kann auch keine Rede davon sein, dass” – schön wärs. Da zeigen aber Parteiprogramme und Äußerungen von rechten Parteien aber leider anderes.
ansonsten stimme ich Ihnen durchaus zu: mir geht die zumindest in der öffentlichen Diskussion formulierte vollständige Straffreiheit von Abbrüchen zu weit: natürlich bleiben einige Abbrüche weiterhin strafbar – die gegen den Willen der Frau, die nach der 12. Woche etc.
und sollte in einer technologisch und sozial utopischen Zukunft die nennenwiresmal Adoption von Embryonen und Feten möglich sein, sollte jede Schwangerschaft nicht mehr abgebrochen werden können (=einzige Ausnahme vielleicht noch Inzest und schwere genetische Schäden beim Embryo)…
Gerade wenn “man” eine graduelle Lösung des Problems befürwortet (wie es fast immer bei ethischen Konflikten in einer pluralistischen Gesellschaft geboten ist), sollte man Position beziehen. Das tut die Autorin mE gut.
Eine ethische Position wie die der Vertreter von “ein Körper – zwei Personen” ist dann schwer vertretbar, wenn sie zu Widersprüchen und schweren Folgen führt. Um nur auf einen weiteren der vielen Widersprüchen hinzuweisen: Nach dieser Position muss sich doch eigentlich jede schwangere Frau strafbar (zumindest mit bedingtem Vorsatz) machen, die während der Schwangerschaft stark raucht oder Alkohol trinkt und weiteren Lastern extensiv frönt.
Widersprüche sind mE ein Merkmal ethischer Postionen. Deshalb müssen sie verhandelbar, ausgleichbar sein. Das ist gerade notwendig, wenn man ethische Positionen an Art. 1 und 2 GG festmacht.
Eine ethische Position wie die der Vertreter von “ein Körper – zwei Personen” ist dann schwer einseitig vertretbar, wenn sie zu Widersprüchen und schweren Folgen führt. Um nur auf einen weiteren der vielen Widersprüche hinzuweisen: Nach dieser Position muss sich doch eigentlich jede schwangere Frau strafbar (zumindest mit bedingtem Vorsatz) machen, die während der Schwangerschaft stark raucht oder Alkohol trinkt und weiteren Lastern extensiv frönt.
Widersprüche sind mE ein Merkmal ethischer Postionen. Deshalb müssen sie verhandelbar, ausgleichbar sein. Das ist gerade notwendig, wenn man ethische Positionen an Art. 1 und 2 GG festmacht.