Zwei- bis Drei-Klassen-Justiz in Österreich?
Seit der „Ibiza-Affäre“ vom Mai 2019 reißt die Kette an Skandalen in Österreich nicht ab. Zuletzt sorgte die Causa Pilnacek für Aufsehen. Der dazu nun veröffentlichte Kommissionsbericht attestiert Österreichs Justizsystem gravierende Mängel, insbesondere Korruption. In der europäischen Mehrebenenjustiz ist dies letztlich ein genuin europäisches Problem. Die zutage getretenen Schwächen sind damit nicht nur Schwächen der österreichischen Rechts- und Verfassungsordnung, sondern Herausforderungen für die europäische Rechtsstaatlichkeit insgesamt.
Continue reading >>Eiltransport gegen Eilrechtsschutz
Mit der Auslieferung von Maja T. nach Ungarn zur Strafverfolgung hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Fakten geschaffen, die sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts, nicht auszuliefern, kam zwar schnell, lief aber ins Leere, weil die Polizei Maja T. schon ins Ausland verbracht hatte. Die Feststellung der Generalstaatsanwaltschaft, man könne außerhalb des deutschen Staatsgebiets nichts mehr für Maja T. tun, ist blanker Hohn. Ihr Vorgehen ist mit Blick auf die Rolle und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Auslieferungsverfahren rechtsstaatswidrig, weil es gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstößt.
Continue reading >>Warum das KlimaSeniorinnen-Urteil nicht undemokratisch ist
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Fall „KlimaSeniorinnen" ein bemerkenswertes Urteil zugunsten einer lebenswerten Zukunft für alle gefällt. Vor allem in der Schweiz stieß das Urteil jedoch auf scharfe Kritik. Die Schweizer Volkspartei bezeichnete den Entscheid als „dreiste Einmischung fremder Richter", der Aargauer Zeitung spricht von einer „Aushebelung der Demokratie". Der Entscheid des EGMR – zumindest nach Schweizer Verständnis – wirft also zentrale Fragen der Gewaltenteilung und der Rolle der Justiz bei der Beurteilung von Menschenrechten auf.
Continue reading >>Separation of Powers and KlimaSeniorinnen
Especially in Switzerland, the KlimaSeniorinnen ruling has been met with sharp criticism. The rightwing Swiss People’s party (Schweizerische Volkspartei, SVP) (predictably) accused the Court of judicial overreach and demanded that Switzerland leave the Council of Europe. The ECtHR decision directly addresses separation of powers and the role of the judiciary in adjudicating human rights, specifically in the context of climate change. This post unpacks the decision and argues that concerns about ECtHR overreach are unwarranted. It shows how the judgment forms an integral part of democratic governance (particularly in Switzerland) whilst being conducive to better laws and policies.
Continue reading >>Comme il faut!
Die für Ende Februar 2024 angesetzten Präsidentschaftswahlen im Senegal ließ der jetzige Präsident in einer Ankündigung aus Gründen von Streitigkeiten über das nationale Wahlgesetz ad interim aussetzen. Dagegen stellte sich daraufhin Mitte Februar 2024 vehement die senegalesische Judikative. Der senegalesische Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) erklärte die präsidial angekündigte Wahlverschiebung für verfassungswidrig.
Continue reading >>One-sidedly Staffed Courts
In Poland, the new parliamentary majority elected on October 15 is confronted not only with a president brought into office by the PiS party but also with a constitutional court made up exclusively of judges elected under the aegis of PiS. Any effort to restore the rule of law in the Polish judiciary is likely to meet resistance from these veto players. The difficulties to be expected for the new majority in dealing with the rule of law deficiencies that have piled up in the Polish justice system, and especially in the Polish Constitutional Tribunal since 2010 (on these difficulties here, pp. 227 ff., and here) draw attention to an underlying problem to be witnessed not only in Poland, and not only in other countries where democracy and the rule of law have deteriorated or never existed: the problem of courts, and in particular constitutional courts, with a blatant lack of political balance in their composition.
Continue reading >>Einseitig besetzte Gerichte
In Polen ist die am 15. Oktober gewählte neue Parlamentsmehrheit nicht nur mit einem von der PiS ins Amt gebrachten Staatspräsidenten konfrontiert, der ihr das Leben schwer machen kann, sondern auch mit einem Verfassungsgericht, das inzwischen von lauter unter der Ägide der PiS gewählten Richtern besetzt ist. Die Schwierigkeiten rechtsstaatlicher Bewältigung der Rechtsstaatswidrigkeiten, die sich seit 2010 in der polnischen Justiz und speziell auch beim polnischen Verfassungsgerichtshof aufgetürmt haben, lenken den Blick auf ein zugrundeliegendes Kernproblem, das nicht nur in Polen zu besichtigen ist, und auch sonst nicht nur in Staaten, die von wirklich demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen noch oder wieder weit entfernt sind: Das Problem politisch einseitig besetzter Verfassungsgerichte.
Continue reading >>Ein Mensch, zwei Jobs, viele Fragen
In Deutschland gibt es eine verfassungsrechtliche Besonderheit: Regierungsmitglieder können gleichzeitig Abgeordnete bleiben, obwohl diese Funktionen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten einhergehen. Insbesondere für die Informationsfreiheit hat sich dadurch eine rechtliche Grauzone entwickelt.
Continue reading >>