26 September 2022

Im Griff des Bären?

Zu den (geringen) Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens gegen die Treuhandverwaltung von Rosneft Deutschland

Es war nicht das erste Mal, dass der Bundeswirtschaftsminister verkündete, die deutschen Tochtergesellschaften eines russischen Energieriesen unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur (BNA) zu stellen. Bereits im April und Juni dieses Jahres übernahm das BNA das Steuer bei der Gazprom Germania GmbH, um so eine Befüllung des überwiegend im Eigentum der Gazprom Germania GmbH stehenden Erdgasspeichers in Rehden sicherstellen zu können (siehe BAnz AT 04.04.2022 B13 und BAnz AT 17.06.2022 B15). Nun trifft es die Rosneft Deutschland GmbH und eine weitere Tochtergesellschaft des gleichnamigen russischen Staatskonzerns. Gemeinsam kontrollieren die Gesellschaften die PCK-Raffinerie in Schwedt, die für große Teile der ostdeutschen Heizöl- und Kraftstoffversorgung verantwortlich ist (siehe BAnz AT 16.09.2022 B1).

Neu ist dabei die prompte Reaktion aus Moskau: Man werde sich mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln gegen diese „Zwangsenteignung“ wehren, ließ der russische Staatskonzern in einer Pressemitteilung verlauten. Doch welche Chancen hat ein solches Vorhaben?

Rechtlicher Rahmen der Treuhandanordnung

Die rechtliche Grundlage für die Treuhandverwaltung findet sich im jüngst novellierten Energiesicherungsgesetz (EnSiG). Gemäß § 17 Abs. 1 EnSiG kann ein Unternehmen, das kritische Energieinfrastruktur betreibt, durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) unter Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn die Gefahr besteht, dass das Unternehmen anderenfalls seine gemeinwohlrelevanten Aufgaben nicht erfüllt und damit eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht.

Am Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen bestehen im Fall der Tochtergesellschaften von Rosneft kaum Zweifel. Zum einen war die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der PCK-Raffinerie zuletzt praktisch unmöglich geworden, weil wesentliche Geschäftspartner und Dienstleister (insb. in den Bereichen IT und Zahlungsverkehr) nicht mehr bereit waren, mit den betroffenen Tochtergesellschaften des russischen Staatskonzerns zu kooperieren. Stärker noch schlug jedoch zu Buche, dass sich die Tochtergesellschaften außerdem weigerten, eine Diversifizierung bei der Rohölbelieferung der PCK-Raffinerie vorzunehmen und stattdessen weiterhin allein Rohöl aus der russischen Druschba-Pipeline bezogen und verarbeiteten. Sowohl die Gefahr für den Geschäftsbetrieb wie auch die fortdauernde Fähigkeit Russlands, jederzeit über eine strategische Einstellung der Rohöllieferungen einen Produktionsstopp in der PCK-Raffinerie auszulösen, bedingten in Kombination eine erhebliche Bedrohung für die Sicherheit der Heizöl- und Kraftstoffversorgung und machten die Anordnung einer Treuhandverwaltung somit notwendig.

Die zwei Ebenen eines gerichtlichen Vorgehens

Was bedeutet dies für das von Rosneft angedrohte Vorgehen? Unterstellt man, dass Rosneft tatsächlich alle zur Verfügung stehenden Mittel in Bewegung setzen wird, um sich gegen die Treuhandverwaltung zu wehren, kommen zwei Ebenen des rechtlichen Vorgehens in Betracht. Zum einen dürfte Rosneft die Anordnung der Treuhandverwaltung – kraft der Sonderzuweisung in § 17 Abs. 6 S. 2 EnSiG ­– vor dem BVerwG anfechten. Zum anderen ist davon auszugehen, dass Rosneft auf Grundlage des Investitionsschutzrechts ein völkerrechtliches Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland anstrengen wird. Eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) käme hingegen erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Betracht – sie soll hier daher außer Acht gelassen werden.

§ 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG als (unnötiges) verfassungsrechtliches Risiko im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Bereits auf fachgerichtlicher Ebene sind die sich stellenden Rechtsfragen komplex und betreffen – angesichts dessen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EnSiG recht eindeutig vorliegen – vor allem die Rechtsfolgenseite und insoweit insbesondere das „ob“ einer die Verhältnismäßigkeit der Anordnung betreffenden Ausgleichspflicht. Die Höhe einer etwaig dem Grunde nach bestehenden Ausgleichspflicht wäre hingegen erst in einem sich anschließenden, eigenständigen Verfahren zu klären (§ 17 Abs. 7 S. 2 EnSiG). Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Schon hinsichtlich einer etwaig dem Grunde nach bestehenden Ausgleichspflicht ist zu beachten, dass es sich bei der Anordnung der Treuhandverwaltung aus der Perspektive des Art. 14 GG zwar gerade nicht um eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG), sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) handelt. Auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind nach heutiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung (siehe insb. BVerfGE 100, 226, Rn. 95 ff.) jedoch ausnahmsweise zur Gewährleistung ihrer Verhältnismäßigkeit durch einen Ausgleich zu kompensieren, wenn sie eine Intensität aufweisen, die über die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinausgeht. Das EnSiG stellt die Möglichkeit eines solchen Ausgleichs für eine Treuhandverwaltung daher in § 17 Abs. 7 S. 1 EnSiG ausdrücklich fest.

Nicht unproblematisch ist insoweit allerdings, dass diese in § 17 Abs. 7 S. 1 EnSiG enthaltene Ausgleichsmöglichkeit in § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG für solche Personen pauschal ausgeschlossen wird, die sich nicht auf Art. 14 GG berufen können (eine gleichlautende Formulierung findet sich auch in § 21 Abs. 1 S. 2 EnSiG, der die Entschädigung für Formalenteignungen regelt). Dies hat zur Folge, dass ausländische (bzw. durch einen fremden Staat kontrollierte inländische) juristische Personen des Privatrechts, die nach Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich nicht grundrechtsfähig sind (siehe hierzu BVerfGE 143, 246, Rn. 185 ff.), – also gerade auch der russische Staatskonzern Rosneft beziehungsweise dessen Tochtergesellschaften – ungeachtet der Intensität der sich aus der Treuhandverwaltung ergebenden Eigentumsbeeinträchtigung von jedwedem Ausgleich ausgeschlossen sind. Selbst wenn das BMWK im Rahmen seiner Anordnung der Treuhandverwaltung eine Ausgleichspflicht dem Grunde nach hätte erwägen wollen, wäre ihm dieser Weg durch § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG folglich verstellt gewesen.

Was auf den ersten Blick wie eine kluge Strategie des Gesetzgebers zur Verhinderung von Ausgleichsleistungen an russische Staatsunternehmen für (künftig wohl noch zahlreiche) staatliche Zugriffe im Bereich kritischer Energieinfrastruktur erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als handfeste Herausforderung für die Verfassungsmäßigkeit von § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG und damit verbunden auch für die Rechtmäßigkeit einer Treuhandanordnung durch das BMWK. Denn Kompensationspflichten für Eigentumsbeeinträchtigungen ergeben sich im rechtlichen Mehrebenensystem nicht lediglich aus Art. 14 GG, sondern auch aus eigentumsschützenden Normen abseits der deutschen Grundrechte – so etwa aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die von Art. 25 GG in die deutsche Rechtsordnung überführt werden und die deutsche Staatsgewalt daher auch in ihrem innerstaatlichen Handeln binden (Art. 20 Abs. 3 GG).

Insbesondere die fremdenrechtliche Pflicht zur Enteignungsentschädigung als Mindeststandard einer willkürfreien Behandlung von Ausländern (sog. „minimum standard of treatment“) wird so als allgemeine Regel des Völkerrechts zum Teil der deutschen Rechtsordnung, geht den einfachen Gesetzen vor (Art. 25 S. 2 GG) und bildet in Verbindung mit Art. 25 S. 1 GG einen verfassungsrechtlichen Maßstab, an dem sich letztlich auch das EnSiG messen lassen muss. Für den hiesigen Kontext ist dabei von besonderer Bedeutung, dass der völkergewohnheitsrechtliche Begriff der Enteignung nicht allein Formalenteignungen umfasst, sondern sich zugleich auf sogenannte indirekte Enteignungen erstreckt und damit auch die durchaus intensive Eigentumsbeeinträchtigung durch Treuhandverwaltung in den Blick gerät (jedenfalls mit einer Formalenteignung der Tochtergesellschaften von Rosneft gemäß §§ 18 ff. EnSiG wäre der Fall aber endgültig klar). § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG, der einen Ausgleich gegenüber ausländischen (bzw. durch einen fremden Staat kontrollierten inländischen) juristischen Personen generell ausschließt, steht daher wegen Art. 19 Abs. 3 GG zwar nicht mit Art. 14 GG, wohl aber mit Art. 25 GG in Konflikt – wie das BVerfG im Rahmen einer durch das BVerwG angestrengten konkreten Normenkontrolle feststellen könnte.

Aus deutscher Perspektive folgt damit aus § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG ein unnötiges rechtliches Risiko für die Rechtmäßigkeit jedweder Treuhandverwaltung, die das BMWK auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 EnSiG gegenüber einer ausländischen (bzw. durch einen fremden Staat kontrollierten inländischen) juristischen Personen anordnet – so letztlich auch hinsichtlich der bereits ergangenen Anordnung in Bezug auf die Tochtergesellschaften von Rosneft. Dies liegt daran, dass § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG – sollte die Treuhandverwaltung der deutschen Tochtergesellschaften von Rosneft tatsächlich die Grenze der indirekten Enteignung im völkerrechtlichen Sinne überschreiten – einer nach Art. 25 GG im Grundsatz erforderlichen Kompensation bisher schlicht im Wege steht.

Grund zur Panik besteht indes nicht. Über eine zügige Anpassung des § 17 Abs. 7 EnSiG im Rahmen der ohnehin erneut anstehenden Novelle des EnSiG könnte dieses Risiko unproblematisch aufgelöst werden. Die Voraussetzung der Grundrechtsfähigkeit in § 17 Abs. 7 S. 3 EnSiG wäre dafür schlicht zu streichen (das gleiche gilt für § 21 Abs. 1 S. 2 EnSiG) und ein Verweis darauf aufzunehmen, dass Art. 25 GG unberührt bleibt. Für die konkrete Treuhandverwaltung der Tochtergesellschaften von Rosneft könnte das BMWK die unter Umständen erforderlichen Erwägungen zur Kompensationspflichtigkeit sodann noch im (gerichtlichen) Verfahren ergänzen und so eine drohende gerichtliche Aufhebung der Treuhandanordnung abwenden.

Kompensationspflichten aus dem deutsch-russischen Investitionsschutzvertrag?

Neben der Möglichkeit eines fach- und verfassungsgerichtlichen Angriffs auf die Anordnung der Treuhandverwaltung kommt für Rosneft auch ein auf Enteignungsentschädigung gerichtetes investitionsschutzrechtliches Vorgehen in Frage.

Für diesen Kontext ist dabei der Investitionsschutzvertrag zwischen Deutschland und Russland aus dem Jahr 1989 (DE-RUS-Investitionsschutzvertrag) relevant, der jede direkte oder indirekte Enteignung russischer Investoren in Deutschland (und andersherum) ausdrücklich von einer Entschädigung abhängig macht (Art. 4 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag).

Hinzu kommt, dass Art. 10 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag vorsieht, dass ausländische Investoren die Möglichkeit erhalten, staatliche Beeinträchtigungen ihrer investitionsschutzrechtlich garantierten Eigentumsrechte in einem quasi-verwaltungsprozessualen Verfahren (Investor-Staat-Streitbeilegung) vor einem internationalen Schiedsgericht direkt gegenüber dem Gaststaat geltend zu machen. Zwar beschränkt Art. 10 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag die schiedsgerichtliche Zuständigkeit insoweit zumindest dem Wortlaut nach allein auf Streitigkeiten über die Höhe der nach Art. 4 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag zu zahlenden Entschädigung. Die schiedsgerichtliche Praxis geht jedoch im Falle solcher Klauseln nicht selten davon aus, dass dies auch die Vorfrage des Vorliegens einer Enteignung selbst umfasst (siehe etwa Sedelmayer v. Russia, S. 71 ff.). Ein Vorgehen Rosnefts gegen die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des DE-RUS-Investitionsschutzvertrags liegt also nahe.

Einem solchen Vorgehen steht wegen der weiten Definition des „Investors“ in Art. 1 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag auch nicht entgegen, dass es sich bei Rosneft nicht um einen originär privaten, sondern letztlich vollständig staatlich kontrollierten Investor handelt. Weder wird in Art. 1 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag das Erfordernis einer privaten Unternehmenskontrolle formuliert, noch werden Staatsunternehmen explizit aus der Definition des Investors ausgeschlossen.

Einschränkend könnte sich jedoch auswirken, dass die Eigentumsbeeinträchtigungen hier in der Sondersituation eines Konflikts zwischen Russland und der Ukraine stattfinden, in dem auch die Bundesrepublik Deutschland eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Zwar ist Deutschland durch die bislang geleistete Unterstützung der völkerrechtskonformen Selbstverteidigung der Ukraine keine Partei eines internationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des humanitären Völkerrechts geworden, sodass die spezifischen Regelungen des humanitären Völkerrechts zur Rechtmäßigkeit der Beeinträchtigung „feindlichen“ (Staats-)Eigentums nicht zur Anwendung kommen. Gleichwohl findet die Anordnung der Treuhandverwaltung in einer investitionsschutzrechtlich nicht völlig unerheblichen zwischenstaatlichen Ausnahmesituation statt. Dabei ist relevant, dass Art. 4 Abs. 5 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag neben „Krieg“ und „bewaffneten Auseinandersetzungen“ auch für „andere Ausnahmesituationen“ eine – wenn auch recht kryptische – Relativierung der Entschädigungspflicht für (indirekte) Enteignungen vorsieht. In der schiedsgerichtlichen Praxis sind insoweit viele Fragen offen. Dennoch spricht einiges dafür, dass ein Investitionsschiedsgericht die gegenwärtige Ausnahmesituation zwischen Deutschland und Russland – gerade angesichts des Umstandes, dass es sich bei Rosneft um ein staatliches Unternehmen handelt – nicht völlig wird außer Acht lassen können.

In diesem Zusammenhang wäre auch zu berücksichtigen, dass jedes im Voraus der Treuhandanordnung liegende etwaig vorwerfbare Verhalten Rosnefts wegen dessen staatlicher Kontrolle stets auch als Handeln des russischen Staates gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zu begreifen ist. Dies wiederum ermöglicht es, die Treuhandverwaltung unter Umständen als eine den investitionsschutzrechtlichen Verstoß ausschließende deutsche Gegenmaßnahme im Sinne von Art. 22 ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit zu begreifen.

Käme ein durch Rosneft angerufenes Investitionsschiedsgericht gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die Anordnung der Treuhandverwaltung der beiden Tochtergesellschaften eine indirekte Enteignung gemäß Art. 4 DE-RUS-Investitionsschutzvertrag darstellt, so würde es mit einiger Wahrscheinlichkeit – jedenfalls dem Grunde nach – zugleich eine völkerrechtliche Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Leistung einer Entschädigung feststellen.

Mitverschulden als erfolgversprechende Verteidigungsstrategie

Deutsche Kompensationspflichten gegenüber Rosneft für die Anordnung der Treuhandverwaltung sind also sowohl nach deutschem Recht wie auch nach dem DE-RUS-Investitionsschutzvertrag nicht von vornherein ausgeschlossen. Damit ist aber nicht gesagt, in welcher Höhe Kompensation zu leisten wäre. Bei der Festsetzung der Höhe der Kompensationssumme, die im deutschen Recht in einem gesonderten Verfahren gemäß § 17 Abs. 7 S. 2 EnSiG erfolgt, spielt nämlich auch das Mitverschulden Rosnefts eine Rolle, das die Kompensation – theoretisch sogar auf null – reduzieren könnte. Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben lässt sich der allgemeine Rechtsgedanke des Mitverschuldens dabei sowohl für das deutsche Recht wie auch für das Investitionsschutzrecht fruchtbar machen.

So sieht das deutsche Recht teilweise sogar explizite Klauseln zur mitverschuldensbedingten Reduzierung aus einer Eigentumsbeeinträchtigung folgender Vermögensnachteile vor. Dies gilt etwa für § 93 Abs. 3 S. 2 BauGB, der § 254 BGB für entsprechend anwendbar erklärt (ähnlich auch § 8a Abs. 8 BFStrG; § 13 Abs. 2 SchutzBerG). Eine vergleichbare explizite Klausel ließe sich ohne Weiteres auch in § 17 Abs. 7 EnSiG (und § 21 Abs. 1 EnSiG) einfügen. Doch selbst ohne eine solche Mitverschuldensklausel könnte § 254 BGB analog auf eine etwaige Ausgleichspflicht aus § 17 Abs. 7 EnSiG angewendet werden.

Eine solche Anknüpfung an ein Mitverschulden ist auch nach dem völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht berücksichtigungsfähig, welches unter dem Stichwort des „contributory fault“ ebenfalls das – als Rechtsgedanke auch in Art. 39 ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit niedergelegte – Prinzip der schuldhaften Mitverursachung kennt. Gerade für den Bereich des Investitionsschutzrechts existiert insoweit schiedsgerichtliche Rechtsprechung, die eine Berücksichtigung des Mitverschuldens im Rahmen der Bestimmung der Entschädigungssumme für Enteignungen explizit anerkennt (siehe insbesondere Yukos v. Russia, S. 500 ff.).

Für die Frage der Reduzierung einer etwaigen Kompensationspflicht wird es daher entscheidend sein, inwieweit Rosneft die Umstände, die eine Treuhandverwaltung überhaupt erforderlich werden ließen, im Voraus selbst mit herbeigeführt hat. Vieles spricht dafür, dass hier insbesondere das Unterlassen einer stetig angemahnten Diversifizierung der Rohölbelieferung der PCK-Raffinerie und die daraus resultierende erhebliche Bedrohung für die Sicherheit der Heizöl- und Kraftstoffversorgung in Ostdeutschland ein solches besonders schwerwiegendes vorwerfbares Verhalten darstellt, welches eine Reduzierung etwaiger Kompensationspflichten auf null rechtfertigt.

Fazit

Kompensationslose Zugriffe auf russisch kontrollierte kritische Energieinfrastruktur sind nach alledem möglich, aber juristisch anspruchsvoll. Der Gesetzgeber und das BMWK sollten daher mit Bedacht agieren und vor allem die völkerrechtlichen Dimensionen der anstehenden Auseinandersetzungen stets im Blick haben. Nichts wäre politisch misslicher, als russischen Staatskonzernen eine Gelegenheit zu geben, sich mit den Mitteln des Rechtsstaates erfolgreich als Opfer zu stilisieren und so ihr antiwestliches Narrativ weiter zu entfalten. Dagegen Vorkehrungen zu treffen, ist Teil eines holistischen Ansatzes zur Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung.