31 May 2024

Namhafter Fortschritt?

Warum das neue Namensrecht nicht so antidiskriminierend ist, wie es sich gibt

Das neue Namensrecht ist auch ein Antidiskriminierungsrecht“, erklärte Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen) im April bei der Aussprache im Bundestag. Kurz darauf beschlossen die Abgeordneten in dieser Sitzung das „Gesetz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts“. Am 17. Mai billigte nun auch der Bundesrat den Gesetzesentwurf. Doch tatsächlich ist das neue Namensrecht nicht so antidiskriminierend, wie es politisch dargestellt wird.

Mehr Freiheit durch den echten Doppelnamen

Als wohl größte Änderung führt das Gesetz den sogenannten echten Doppelnamen ein. Zuvor konnte nach der Heirat nur einer der Ehegatten einen zweiten Namen als Begleitnamen wählen. Mit dem neuen Gesetz ist es ab Anfang 2025 möglich, dass beide Ehegatten den Doppelnamen als Familiennamen tragen und diesen auch als Namen für ihre Kinder weitergeben. Heirateten vorher Herr Öztürk und Frau Makris, konnten sie zwischen Öztürk und Makris wählen, oder eine Person wählte Öztürk-Makris oder Makris-Öztürk als Begleitnamen. Nun können beide den Doppelnamen Öztürk-Makris oder Makris-Öztürk tragen. Der Bindestrich zwischen den beiden Namen ist zudem nicht mehr notwendig. Denkbar wäre also auch der Name Öztürk Makris.

Neu ist auch, dass die beiden verheirateten Elternteile den Doppelnamen an das Kind weitergeben. Das gilt ebenso für Kinder unverheirateter Eltern. Herr Öztürk und Frau Makris können ihr gemeinsames Kind also auch Makris-Öztürk nennen. Bei Doppelnamen darf sich der Name allerdings aus nicht mehr als zwei Namen zusammensetzen. Heiratet die Tochter von Herrn Öztürk und Frau Makris also beispielsweise Frau Mayer, so darf der Familienname dieser Ehe nicht Makris-Öztürk-Mayer heißen, sondern es muss zwischen zwei Namen gewählt werden, die dann den Doppelnamen bilden. Möglich wäre zum Beispiel, dass Frau Mayer und Frau Makris-Öztürk den Familiennamen Makris-Mayer oder Öztürk-Mayer annehmen.

Auch für Scheidungs- und Stiefkinder ändert sich etwas. Diese können nun ebenso wie ihre Elternteile nach deren Scheidung ihren Namen ändern. Das Kind Makris-Öztürk kann also im Scheidungsfall den Namen Makris annehmen, wenn die Mutter nach der Scheidung auch diesen Namen wieder annimmt. Bei minderjährigen Kindern ist hier zusätzlich vorausgesetzt, dass das Kind auch bei dem betreffenden Elternteil lebt und das andere Elternteil der Namensänderung zustimmt. Gleiches gilt für Stiefkinder, die den Namen des Stiefelternteils angenommen haben.

Im Namen der Minderheiten

Das Gesetz berücksichtigt außerdem traditionelle und geschlechterangepasste Formen des Familiennamens von Minderheiten wie Sorben, Dänen und Friesen. Im Friesischen bildet sich der Nachname aus dem Vornamen des Elternteils zusammen mit dem Zusatz „en“ oder „s/es“. So kann künftig beispielsweise das Kind von Jan Makris aus Friesland den Namen Jansen als Nachnamen tragen. Traditionell bildet sich der friesische Nachname aus dem Vornamen des Vaters. Der neue Gesetzesentwurf sieht aber explizit auch die Möglichkeit vor, den Namen aus dem Vornamen der Mutter zu bilden.

Das Gesetz ändert auch, wie sich das anwendbare Recht im internationalen Namensrecht bestimmt. War zuvor die Staatsangehörigkeit das Anknüpfungsmerkmal, so ist nun der gewöhnliche Aufenthalt der Person maßgeblich. Möglich ist auch, das Heimatrecht zu wählen.

Im Namen der Geschlechtergerechtigkeit

Auf den ersten Blick scheinen all diese Änderungen mehr Freiheit mit sich zu bringen. Vor allem für die Geschlechtergerechtigkeit ist ein wichtiger Schritt, dass man nun den echten Doppelnamen wählen kann. Im Namensrecht herrschte bis 1976 nämlich ein patriarchales Prinzip. Die Frau durfte nicht wählen, welchen Namen sie annimmt, sondern sie nahm schlichtweg den Namen des Mannes als gemeinsamen Ehenamen an. Doch auch noch 2016 nahmen einer Studie der Gesellschaft für deutsche Sprache zufolge etwa 74 Prozent der Frauen den Namen des Mannes an. Nur ein geringer Teil der Ehegatten entschied sich für einen unechten Doppelnamen (sogenannter Begleitname). Wenn sich die Ehegatten für einen solchen Begleitnamen entschieden, so war es in den allermeisten Fällen die Frau, die diesen Begleitnamen trug. Mit der Gesetzesänderung müssen sich Ehegatten künftig nicht mehr zwischen dem Namen des Mannes oder der Frau entscheiden, sondern können gleichberechtigt einen gemeinsamen Familiennamen wählen.

Im Namen der Einbürgerung

Taher Saleh verwies in seiner Ansprache im Bundestag auch darauf, dass er selbst bei seiner Einbürgerung durch das deutsche Namensrecht diskriminiert worden sei: Seinen irakischen Nachnamen habe er nicht weiterführen können. Daher sei die Einführung des echten Doppelnamens ohne Bindestrich antidiskriminierend. Warum ein Satzzeichen mehr oder weniger im Namen antidiskriminierend sein soll, erschließt sich nicht sofort.

Allerdings kennen einige ausländische Rechtsordnungen den echten Doppelnamen ohne Bindestrich. So etwa die spanische Rechtsordnung, auf die Herr Taher Saleh auch anspielt.

Bei dem spanischen Doppelnamen handelt es sich um einen echten Doppelnamen. So setzt sich der Nachname aus zwei Namen zusammen und bildet den Doppelnamen. Dabei trägt jede Person in Spanien einen Doppelnamen und behält diesen auch, wenn sie eine Ehe eingeht. Bekommen Frau Garcia-Pérez und Herr Lopez-Alvarez ein Kind, so wird der Name des Kindes aus den ersten Namen der Eltern zusammengesetzt, so kann das Kind Garcia-Lopez heißen. Nach altem spanischen Namensrecht stand automatisch der Name des Vaters an erster Stelle, nun haben die Eltern die Wahl, in welcher Reihenfolge die Namen zusammengesetzt werden. Die irakische Rechtsordnung kennt allerdings eine strukturelle Aufspaltung in Vor- und Nachnamen nicht. Es handelt sich bei irakischen Namen um sogenannte Namensketten, die aus dem Eigennamen und den Namen des Vaters, Großvaters und Urgroßvaters bestehen. Heißt ein Iraker also Ahmed, dessen Vater Ali, sein Großvater Husain und der Urgroßvater Muhammed, so lautet sein Name Ahmed Ali Husain Muhammed, unabhängig vom Namen der Mutter.

Nach der Einbürgerung unterliegt das Namensrecht dem deutschen Recht. Das deutsche Recht kennt solche Namensketten nicht. Es besteht jedoch die Möglichkeit, den irakischen Namen der deutschen Rechtsordnung nach Art. 47 EGBGB anzugleichen und in Vor- und Nachnamen zu unterteilen. Wird Ahmed Ali Husain Muhammed in Deutschland eingebürgert, kann er als Vornamen Ahmed Ali Husain bestimmen und als Nachnamen Muhammed. Da es vor Einführung des neuen Namensrechtes allerdings keinen echten Doppelnamen in Deutschland gab, konnte sich Ahmed Ali Husain Muhammed nicht mit Vornamen Ahmed Ali und mit Nachnamen Husain Muhammed nennen.

Anders war dies, wenn wie im spanischen Namensrecht ein echter Doppelname vorlag. Hatte sich dieser echte Doppelname bereits verfestigt und dadurch Vertrauensschutz bewirkt, so konnte dieser echte Doppelname auch nach Einbürgerung weitergeführt werden.

Somit stellte Herr Taher Saleh zu Recht fest, dass die Namenswahl unterschiedlich behandelt wird, je nachdem ob es sich um Angehörige von Drittstaaten oder aber um EU-Bürger handelt. Das neue Namensrecht ermöglicht es nun, den Namen Taher Saleh als Familiennamen ohne Bindestrich zu führen. Doppelnamen und einfache Namen werden gleichgestellt, was antidiskriminierend wirkt.

Im Namen des Persönlichkeitsrechts

So wirkt das neue Namensrecht insgesamt wie ein großer Schritt in Richtung Antidiskriminierung: Es fördert Geschlechtergleichheit und erlaubt die Anerkennung von ausländischen und marginalisierten Namenstraditionen. Doch stellt sich das neue Namensrecht nicht mehr so antidiskriminierend dar, wenn man ernst nimmt, dass der Name Ausdruck der Persönlichkeit ist.

Während der Name früher primär eine Ordnungs- und Identifizierungsfunktion hatte, rückt inzwischen die persönlichkeitsstiftende Funktion in den Vordergrund. Statt Person A von Person B zu unterscheiden oder auf den Stand bzw. Beruf hinzuweisen, ist der Name eines Menschen inzwischen Ausdruck seiner Identität sowie Individualität. Bei der Wahl des Vornamens lässt der Gesetzgeber den Eltern hier einen weiten Entscheidungsspielraum. Eingeschränkt wird dieser weite Spielraum einzig durch das Kindeswohl. Beim Nachnamen sind die Grenzen allerdings starr. Dieses enge namensrechtliche Korsett hat die Gesetzesänderung zwar etwas gelockert, das Namensrecht ist und bleibt jedoch eine Einschränkung des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die einer Rechtfertigung bedarf. Die Ordnungs- und Identifizierungsfunktion zugunsten des Staates kann den Eingriff – wie dargelegt – aber nicht mehr rechtfertigen.

Im Namen der Freiheit

Überzeugender, weil effektiv antidiskriminierend wäre eine Liberalisierung in großem Umfang. Um es mit den Worten des Bundesministers der Justiz zum neuen Namensrecht zu sagen: „Recht ist, was der Freiheit dient.“ Ein echtes Antidiskriminierungsrecht ermöglicht Freiheit für alle. Dazu bräuchte es eine freie Namenswahl.

Zum Beispiel wegen namensbasierter rassistischer Diskriminierung: So zeigte eine Studie aus Österreich, dass Muhammed Asif schlechtere Chancen hatte eine Wohnung zu finden als Michael Gruber und das nur aufgrund seines Namens. Die Verwerflichkeit dieser Diskriminierung steht außer Frage und sie sollte auch nicht dazu führen, dass ausländische Namen zwangsläufig abgelegt werden. Doch ließe sich der Nachname freier wählen, könnte man aus dem Namen weniger Rückschlüsse auf die Herkunft einer Person ziehen. Es würde ebenfalls ermöglichen, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe freier zu wählen, etwa wenn eine Person ihrer Familie nicht nahesteht.

Allerdings ist nach neuem Namensrecht eine Namensänderung außerhalb der Eheschließung, Scheidung oder Adoption nur durch eine öffentlich-rechtliche Namensänderung möglich. Hierfür muss ein wichtiger Grund vorliegen. Typische Anwendungsfälle der öffentlich-rechtlichen Namensänderung sind anstößige oder lächerlich klingende Namen sowie Namen, die in Schreibweise oder Aussprache besonders schwierig sind. So könnte Herr Axel Schweiß aufgrund der lächerlichen Kombination aus Vor- und Nachnamen eine Namensänderung beantragen. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung stellt somit den absoluten Ausnahmefall dar.

Wollen Personen also ihren Namen ändern, um Diskriminierung zu entgehen oder familiärer Identifikation, so ist ihre einzige Möglichkeit (abgesehen von der komplizierten öffentlich-rechtlichen Namensänderung) zu heiraten, um den Namen des Ehegattens anzunehmen. Überspitzt gesagt: Wer seinen Namen frei ändern möchte, muss sich einfach einen Ehegatten mit dem gewünschten Namen suchen. Dass eine Heirat die Namensänderung ermöglicht, der freie Wille jedoch nicht, ist in einer freiheitlichen Grundordnung wenig überzeugend.

Und schließlich ist das deutsche Namensrecht durch seine Reform komplexer denn je, obwohl es einfacher werden sollte. Eine Vereinfachung des Namensrechtes wäre aber durch eine durchgreifende Liberalisierung möglich. So könnte geregelt werden, dass die Wahl des Familiennamens frei ist, solange keine wichtigen Gründe dagegen sprechen. Wichtige Gründe könnten das Kindeswohl und Diskriminierung sein. Eine solche Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses, wie es auch eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf fordert, würde das Recht maßgeblich vereinfachen. Gleichzeitig ließe sich staatlichen Interessen mit einer numerischen Kennziffer Rechnung tragen. Anhand einer solchen Kennziffer könnten etwa Sicherheitsbehörden und Zwangsvollstreckungsorgane Personen auch nach einer Namensänderung identifizieren. Der Name wäre dann einzig Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.

Eine verpasste Chance

Statt das Namensrecht durchschlagend zu liberalisieren, hat der Gesetzgeber ein kompliziertes traditionelles Namensrecht beibehalten, das nur bruchstückhaft Diskriminierung verhindert. So hilft das neue Namensrecht zwar der Geschlechtergleichstellung, einzelnen Minderheiten und Menschen mit ausländischen Namen. Aber von einem freiheitlichen Namensrecht, das sowohl die identitätsprägende Funktion des Namens als auch das namensbasierte Diskriminierungspotenzial ernst nimmt, ist es weit entfernt. „Antidiskriminierungsrecht“ kann sich das neue Namensrecht nicht nennen.

 


SUGGESTED CITATION  Pöttgen, Frauke: Namhafter Fortschritt?: Warum das neue Namensrecht nicht so antidiskriminierend ist, wie es sich gibt, VerfBlog, 2024/5/31, https://verfassungsblog.de/namhafter-fortschritt/, DOI: 10.59704/fabc49fa92be8ec9.

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