Selbstverteidigung gegen Schmerzgriffe
Notwehrbefugnisse bei rechtswidrigen Polizeieinsätzen
Gegen rechtswidrige Polizeieinsätze darf man sich wehren, auch mit dem „scharfen Schwert“ der Notwehr. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der handelnde Beamte seine Kompetenzen bewusst überschreitet oder wenn er sich über die rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen irrt. Wen die Polizei in offensichtlich rechtswidriger Weise mit sogenannten Schmerzgriffen konfrontiert, der darf sich also hiergegen verteidigen. Auch andere Personen dürfen dann einschreiten, den Betroffenen zu Hilfe eilen und den Schmerzgriff mittels Gewalt beenden (sogenannte Notwehrhilfe). In diesen Fällen macht sich derjenige, der den Schmerzgriff beendet, nicht wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach den §§ 113, 114 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Die Frage der Rechtswidrigkeit von Schmerzgriffen wird allerdings kontrovers diskutiert und ist von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Doch selbst dann, wenn Schmerzgriffe grundsätzlich für eine rechtlich zulässige Maßnahme gehalten werden, kann es im Einzelfall unverhältnismäßig sein, von ihnen Gebrauch zu machen. Dies liegt jedenfalls dann nicht fern, wenn Klimaaktivistinnen und -aktivisten der „Letzten Generation“ mit Schmerzgriffen bedacht werden, um sie von der Straße zu bewegen, anstatt sie wegzutragen (s. dazu bereits hier und hier sowie hier und hier).
Zur Praxis der Schmerzgriffe
Unter „Schmerzgriffen“ versteht man Techniken und Handgriffe, die gezielt eine überproportionale Menge an Schmerzen erzeugen können, ohne dass dabei viel Kraft aufgewandt werden muss. Man unterscheidet hierbei einerseits punktuelle Kompressionen einzelner neuronaler Punkte oder Areale im Körper (Nervendrucktechniken), andererseits aber auch die Überstreckung bzw. Überbeugung einzelner Gliedmaßen (Hebeltechniken). Die Schmerzgriffe dienen in erster Linie dazu, Personen, die sich polizeilichen Maßnahmen widersetzen, etwa einen gegen sie erfolgten Platzverweis im Rahmen von Protestaktionen nicht befolgen, dazu zu veranlassen, sich aus einer bestimmten Körperhaltung zu lösen und die Straße zu verlassen. Regelmäßig dienen die Schmerzgriffe aber gerade nicht unmittelbar dazu, das entsprechende Ziel (Entfernung des Betreffenden) zu erreichen, sondern dazu, den Willen des Betroffenen zu beugen und ihn dadurch zur Befolgung der Anordnung zu veranlassen (s. hier).
Rechtliche Bewertung von Schmerzgriffen
Die Zulässigkeit und Reichweite solcher „Schmerzgriffe“ ist umstritten. Teilweise wird davon ausgegangen, dass bereits eine Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen fehle, da sie nicht im Wege des unmittelbaren Zwangs zur unmittelbaren Herbeiführung eines rechtmäßigen polizeilichen Ziels dienen (Entfernung des Betreffenden), sondern eben gerade auf die Willensbeugung ausgelegt sind (s. hier und eingehend Moser, Nervendrucktechniken im Polizeieinsatz, 2022, S. 89 ff.). Dem ist insoweit zuzustimmen als Schmerzgriffe nicht um ihrer selbst willen und zur Demütigung und Willensbeugung eingesetzt werden dürfen, sondern nur dazu, das eigentliche Ziel (die Entfernung des Betreffenden) im Wege des unmittelbaren Zwangs zu unterstützen. Sieht man die Schmerzgriffe grundsätzlich von einer polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlage (Anwendung unmittelbaren Zwangs) als gedeckt an (so jedenfalls das OVG Lüneburg NJW 2017, 1626), wird es aber oft an der Verhältnismäßigkeit, insbesondere an der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme fehlen, da andere mildere Mittel (Wegtragen) zur Verfügung stehen (Moser, a.a.O., S. 120, 182; Fischer, Energiekrise aktuell 2023, 010112; vgl. zudem hier). Dienen Schmerzgriffe nur dazu, der Polizei die Arbeit zu erleichtern oder den Betreffenden im Hinblick auf künftige Aktionen abzuschrecken, sind sie unzulässig. In der verwaltungsgerichtlichen Praxis finden sich daher auch schon Entscheidungen, die von einer Rechtswidrigkeit entsprechender Maßnahmen ausgehen (OVG Lüneburg NJW 2017, 1626, wo es allerdings an einer wirksamen Androhung fehlte; VG Hamburg, Urt. vom 22.1.2015 – 5 K 1971/11). Da die Maßnahmen unstreitig erhebliche Auswirkungen auf den Betroffenen haben können (s. hier), ist jedenfalls eine restriktive Handhabung erforderlich.
Notwehr gegen Polizeimaßnahmen?
Die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Maßnahme wird also unterschiedlich beurteilt. Oft wird sich erst in einem umfangreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Einzelfall ergeben, ob die Maßnahme als rechtmäßig oder als rechtswidrig anzusehen ist. Für den Strafrichter stellt sich dann die Frage, ob er über die verwaltungsrechtliche Rechtmäßigkeit selbst entscheiden muss oder das Verfahren bis zur verwaltungsgerichtlichen Klärung aussetzen kann. Ist die Maßnahme als rechtwidrig anzusehen, wäre die Frage einer möglichen Reaktion gegen diese Maßnahme einfach zu beurteilen: Gegen rechtswidrige staatliche Maßnahmen darf ich mich wehren, möglicherweise auch mit dem scharfen Schwert der Notwehr, § 32 StGB. Rechtmäßige Maßnahmen hingegen muss ich dulden.
Aber wie erkenne ich, insbesondere in der meist emotional aufgeheizten Situation eines Polizeieinsatzes gegen meine Person, ob die polizeiliche Maßnahme nun rechtmäßig oder rechtswidrig ist, insbesondere wenn die Zulässigkeit des Einsatzes von Schmerzgriffen in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist? Darf ich mich „auf Verdacht“ wehren, wenn ich die Maßnahme selbst für rechtswidrig, der Polizeibeamte sie aber für rechtmäßig hält? Handle ich, wenn ich mich wehre, in Notwehr oder mache ich mich nach § 113 StGB wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte oder nach § 114 StGB wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte strafbar? Gilt dies dann nur für den Betroffenen selbst oder auch für ihm nahestehende Personen, die helfen wollen? Und macht sich der handelnde Vollstreckungsbeamte wegen einer Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB strafbar, wenn er mir im Rahmen einer unzulässigen polizeilichen Maßnahme Schmerzen zufügt? Gilt dies auch dann, wenn er sich über die Rechtswidrigkeit seiner Maßnahme irrt? Aus der Garantiefunktion des Strafrechts folgt, dass die Strafbarkeit für den einzelnen Bürger vorhersehbar sein muss. Er muss wissen, was er tun darf und was nicht.
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
Was sagt uns das Gesetz? In § 113 Abs. 1 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) findet sich die Regelung: „Wer einem Amtsträger […], der zur Vollstreckung von Gesetzen […] berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt […] Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Noch schärfer – was den Strafrahmen angeht – ist die Regelung in § 114 Abs. 1 StGB (Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte): „Wer einen Amtsträger […], der zur Vollstreckung von Gesetzen […] berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“.
Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Diensthandlung
Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob die Diensthandlung auch (unter verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten) rechtmäßig sein muss. Weiter hilft uns hier § 113 Absatz 3 StGB (auf den auch § 114 Abs. 3 StGB verweist): „Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig“. Dies deutet nun in der Tat darauf hin, dass sich die Strafbarkeit des „Sich-Wehrenden“ nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Diensthandlung richtet.
Aber welcher Maßstab ist hinsichtlich der Rechtmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit der Diensthandlung anzulegen? In der rechtlichen Beurteilung eindeutig wäre es, sich hier an der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit, also der Frage, ob der „Schmerzgriff“ nach polizeirechtlichen Maßstäben zulässig ist oder nicht, zu orientieren. Dies ist aber, wie oben beschrieben, oft nicht eindeutig und es kann möglicherweise erst nach einem jahrelangen Verwaltungsrechtsstreit entschieden werden. Hinzukommt, dass sich der Betroffene meist dahingehend einlassen wird, er sei von der Rechtswidrigkeit der Maßnahme ausgegangen, unter strafrechtlichen Gesichtspunkten also: Er sei einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit unterlegen, der ihn aber nur dann vor Strafe bewahrt (§ 17 S. 1 StGB), wenn er den Irrtum nicht „vermeiden“ konnte – wobei die Rechtsprechung an die Unvermeidbarkeit seit jeher strenge Anforderungen stellt.
Strafrechtlicher Rechtswidrigkeitsbegriff der Rechtsprechung
Die strafrechtliche Rechtsprechung hat sich daher von der verwaltungsrechtlichen Beurteilung abgewandt und einen „strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriff“ im Rahmen des § 113 Abs. 3 StGB entwickelt (BGHSt 21, 334 [361 ff.]; BGHSt 60, 253 [258 ff.]; gebilligt durch BVerfG NJW 2007, 1180). Er geht von folgenden Grundsätzen aus: Eine Vollstreckungshandlung ist (schon dann) rechtmäßig, wenn (1) der Vollstreckungsbeamte sachlich und örtlich zuständig ist, (2) die wesentlichen Förmlichkeiten gewahrt wurden, insbesondere diejenigen, die dem Schutz des Betroffenen dienen und (3) die tatsächlichen Eingriffsvoraussetzungen pflichtgemäß gewürdigt wurden, der Beamte also sein Handeln nach pflichtgemäßer Prüfung der gesamten Umstände für sachlich gerechtfertigt halten durfte. Letztlich kommt es also auf die Vertretbarkeit der Ermessensausübung an, nicht auf deren sachliche Richtigkeit. Auch im Verwaltungsvollstreckungsrecht kennt man diesen Grundsatz: Hier wird davon ausgegangen, der betroffene Bürger habe eine Pflicht zur Duldung von Vollstreckungsmaßnahmen, auch wenn nicht sämtliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Er sei darauf beschränkt, nachträglichen Rechtsschutz einzuholen. Rechtssicherheit bietet freilich auch dieser strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff nicht, da es auch hier vielfach von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen wird, insbesondere ob der Beamte seine Handlung für nötig und sachlich gerechtfertigt handeln durfte oder nicht.
Weiterhin wird in diesem Rahmen (jedenfalls bei einem Amtsträger, der nicht auf Anordnung handelt) wie folgt differenziert: Verkennt der Vollstreckungsbeamte die rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen, bleibt die Vollstreckungshandlung rechtswidrig, weil man von den Vollstreckungsbeamten die erforderliche Rechtskenntnis erwarten kann. Das ist etwa der Fall, wenn die Maßnahme schlicht zu weit geht oder unverhältnismäßig ist, wie es für die Schmerzgriffe gegen Teilnehmer von Sitzblockaden angenommen wird (s. hier, hier, hier und hier). Möglich ist aber auch, dass sich der Vollstreckungsbeamte lediglich über die tatsächlichen Eingriffsvoraussetzungen irrt, etwa wenn sich die an sich zulässige Maßnahme irrtümlich gegen die falsche Person richtet. In diesem Fall soll die Maßnahme zulässig sein (zu dieser Differenzierung vgl. Engländer, NStZ 2015, 577 f.). Hier spiegeln sich die grundsätzlichen Erkenntnisse der allgemeinen strafrechtlichen Irrtumslehre wider: Ein Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen (§ 16 StGB) privilegiert, ein Irrtum über die rechtliche Zulässigkeit des eigenen Verhaltens (§ 17 StGB) hingegen führt nur im Ausnahmefall (bei Unvermeidbarkeit des Irrtums) zum Entfallen der Strafbarkeit.
Nimmt also der Vollstreckungsbeamte nach einer pflichtgemäßen Würdigung der tatsächlichen Umstände an, zu der vorgenommenen Handlung berechtigt (oder gar verpflichtet) zu sein, bleibt die Maßnahme auch dann (im strafrechtlichen Sinne) rechtmäßig, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass er die Voraussetzungen fahrlässig (so Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl. 2023, § 113 Rn. 12) oder grob fahrlässig (so BayOblG JR 1989, 24) verkannt hat. Gerade in der strafrechtlichen Literatur mehren sich freilich die Stimmen, die sich von dieser Subjektivierung abwenden und eine Objektivierung fordern. Rechtmäßig sei demnach nur eine Maßnahme, die sich zur Zeit ihrer Vornahme in objektiv vertretbaren Grenzen gehalten hat (in diese Richtung auch OLG Köln NStZ 1986, 234, 235).
Rechtswidrigkeitsbegriff des Notwehrrechts
Damit ich mich auf Notwehr berufen kann, muss ich in rechtswidriger Weise angegriffen werden. Ob dies der Fall ist, dafür soll wiederum der strafrechtliche Rechtmäßigkeitsbegriff, der im Rahmen des § 113 Abs. 3 StGB entwickelt wurde, ausschlaggebend sein (BGHSt 60, 253, 258; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil Band 2, 23. Aufl. § 53 Rn. 18). Eine Notwehr oder Nothilfe soll demnach nur zulässig sein, wenn der Vollstreckungsbeamte die rechtlichen Voraussetzungen in nicht mehr vertretbarer Weise verkannt hat.
Begründet wird das Abstellen auf den „strafrechtlichen“ Rechtswidrigkeitsbegriff damit, dass sich Vollstreckungsbeamte häufig in der Situation sehen, in einem schwierig gelagerten Fall unter einem gewissen zeitlichen Druck eine schnelle Entscheidung treffen zu müssen und es ihnen oftmals nicht möglich sein wird, die gesamten tatsächlichen Umstände zu überblicken und rechtlich zutreffend zu würdigen. Im Interesse einer effektiven Dienstausübung läge es aber, die Entschlusskraft der Vollstreckungsbeamten zu stärken, sie gleichzeitig aber auch vor einem größeren Notwehrrisiko zu schützen. Müssten sie stets dann, wenn ihnen (auch kleinere) Fehler unterlaufen, damit rechnen, dass sich die Betreffenden in zulässiger Weise auch mit gewalttätigen Widerstandsmaßnahmen im Rahmen der Notwehr wehren, so würde dies die staatliche Vollstreckungstätigkeit über Gebühr einschränken. Andererseits hat aber auch das BVerfG (NVwZ 2007, 1180, 1182) betont, dass die Einschränkungen nicht zu weit gehen dürften. Insbesondere sei, jedenfalls in Bezug auf eine strafrechtliche Verurteilung des Widerstandsleistenden nach § 113 StGB, mit Blick auf die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung auch der Schutzbereich des betroffenen Grundrechts zu berücksichtigen.
Einschränkungen des Notwehrrechts
Geht man nun grundsätzlich von einem Notwehr- oder Nothilferecht des Betroffenen bei unzulässigen Schmerzgriffen aus, ist aber auch die Einschränkung des Notwehrrechts über die Gebotenheit zu beachten. Eine solche ist dann zu machen, wenn sich die Notwehr oder Nothilfe gegen einen erkennbar Irrenden richtet. Geht nun aber der Betroffene davon aus, dass der Vollstreckungsbeamte genau weiß, dass die Maßnahme unzulässig ist, so ist das Notwehrrecht entweder – sofern dies zutrifft – nicht eingeschränkt oder der Betreffende unterliegt nun selbst einem Irrtum über die Gebotenheit der Notwehrhandlung. Geht er hingegen davon aus, dass sich der Vollstreckungsbeamte über die rechtliche Zulässigkeit seiner Maßnahme irrt, so darf das Notwehrrecht jedenfalls nicht in seiner vollen Schärfe ausgeübt werden. Gleiches gilt für einen helfenden Dritten, der im Rahmen der Nothilfe nach § 32 StGB vorgeht. Auch hier gelten dieselben Grundsätze wie bei der Notwehr.
Irrtümer des Widerstandleistenden
Was einen möglichen Irrtum des Widerstandleistenden angeht, so ist ferner § 113 Abs. 4 StGB zu beachten (der über § 114 Abs. 3 StGB auch für die Strafnorm des § 114 StGB gilt). Hier wird im Hinblick auf einen möglichen Irrtum des Betreffenden bestimmt: „Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen“. Und weiter: „Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen“. Die Lage wird also – insbesondere wenn mögliche Irrtümer mit einbezogen werden – durchaus unübersichtlich. Dies gilt in gleicher Weise für die irrtümliche Annahme, in Notwehr zu handeln. Geht der Betreffende irrtümlich davon aus, ihm stünde ein Notwehrrecht zu, welches von der Rechtsordnung aber nicht anerkannt wird, liegt ein Irrtum über die rechtliche Weite des Notwehrrechts und somit ein „Erlaubnisirrtum“ vor, der nach § 17 StGB wiederum nur dann zum Ausschluss der Strafbarkeit führt, wenn er unvermeidbar war.
Fazit
Unter strafrechtlichen Gesichtspunkten steht und fällt die Strafbarkeit (des Polizeibeamten nach § 340 StGB, des Sich-Wehrenden nach §§ 113, 114 StGB) sowie der einzelnen Notwehrbefugnisse somit mit der Beurteilung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Schmerzgriffe an sich. Sind diese im Einzelfall als unzulässige polizeiliche Maßnahme anzusehen, wovon unter anderem mehrere Beiträge dieses Symposiums ausgehen (s. hier, hier, hier und hier), steht dem Betroffenen ein Notwehrrecht hiergegen offen.