Ohne öffentliche Ausschreibung keine unabhängige Datenschutzbehörde
Das Amt der Bundesdatenschutzbeauftragten soll endlich unabhängig werden. Dies ist zumindest das erklärte Ziel eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der gerade im Innenausschuss des Bundestags verhandelt wird. Da sich die Regierung jedoch kaum selbst einen mächtigen Gegenspieler erschaffen würde, ließ Kritik an der Ausgestaltung des Vorschlags nicht lange auf sich warten.
Eines allerdings verwundert:
Warum empören sich eigentlich Sachverständige und Datenschützer über die geplanten Änderungen – nicht aber die Bundesdatenschutzbeauftragte selbst?
Weil sie ohnehin keine kritische Stimme erheben wird, möchte man sagen. Die Benennung Andrea Voßhoffs als Bundesdatenschutzbeauftragte war von Beginn an umstritten, denn sie hat zuvor als Abgeordnete im Bundestag für Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren gestimmt. Noch immer befürwortet sie die Vorratsdatenspeicherung und erscheint daher vielen als völlige Fehlbesetzung.
Gemeinsam mit einer Reihe von Sachverständigen wurde sie Anfang letzter Woche vor dem Innenausschuss angehört, um zu besagtem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, durch den die europäische Datenschutzrichtlinie von 1995 nun vollständig umgesetzt werden soll.
Laut Art. 28 der Richtlinie muss die einzurichtende öffentliche Kontrollstelle „in völliger Unabhängigkeit“ arbeiten. Da die Bundesdatenschutzbeauftragte der Dienstaufsicht des Innenministeriums und der Rechtsaufsicht der Regierung unterliegt, ist sie dem Europäischen Gerichtshof zufolge nicht unabhängig (Rs. C-518/07 , ähnlich 2012 gegen Österreich Rs. C-614/10 und 2014 gegen Ungarn Rs. C-288/12 ).
Die Umsetzung des Urteils gegen Deutschland aus dem Jahr 2010 ließ lange auf sich warten. Ende August dieses Jahres legte die Bundesregierung nach erneutem Druck durch die EU-Justizkommissarin Viviane Reding den Gesetzentwurf vor. Demnach soll die Bundesdatenschutzbeauftragte nicht mehr durch Innenministerium und Regierung kontrolliert werden, sondern nur noch durch den Bundestag und durch Gerichte.
Daneben soll auch die Aussagefähigkeit der Bundesdatenschutzbeauftragten vor Gerichten und Untersuchungsausschüssen neu geregelt werden. Sie soll in Zukunft nur noch dann aussagen dürfen, wenn dadurch keine insbesondere sicherheits- oder außenpolitischen Nachteile für die Bundesrepublik entstehen oder Grundrechte verletzt werden können. Sollte die Aussage Vorgänge aus dem sogenannten „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung“ betreffen, soll die Bundesdatenschutzbeauftragte nur „im Einvernehmen“ mit der Regierung aussagen dürfen.
Diese Einschränkungen sind hoch problematisch, konterkarieren sie doch gerade die eigentlich angestrebte Unabhängigkeit der Stelle.
Deshalb wurden sie auch von der großen Mehrheit der geladenen Sachverständigen heftig kritisiert. Dirk Heckmann, Alexander Roßnagel und Hans-Hermann Schild empfahlen daher, dass zumindest die Einschätzung, ob ein entsprechender Fall vorliegt, bei der Bundesdatenschutzbeauftragte selbst liegen sollte. Anderenfalls werde erneut gegen die Datenschutzrichtlinie verstoßen. Hartmut Aden unterstellte gar, dass die Regelung Zeugenaussagen gezielt verhindern solle. Im Klartext: die Aussagen von Voßhoff und ihrem Amtsvorgänger Peter Schaar vor dem NSA-Untersuchungsausschuss.
Weitgehend einhellig bemängelten die Gutachter außerdem, dass noch immer keine Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse der Stelle geplant und außerdem die vorgesehene Personalausstattung völlig unzureichend sei.
Man möchte meinen, als Hauptbetroffene würde sich gerade die Bundesdatenschutzbeauftragte selbst für die Unabhängigkeit ihres Amtes einsetzen und massive Kritik üben. Andrea Voßhoff jedoch sprach lediglich die mangelhafte Personal- und Sachausstattung an. Nur auf Nachfrage äußerte sie sich zu den Zeugenaussagerechten und wiegelte ab, da deren verfassungsrechtliche Bewertung nicht ihre Aufgabe sei.
Immerhin, in ihrer später veröffentlichten schriftlichen Stellungnahme wurden die Einschränkung der Aussagerechte und auch mangelnde Durchsetzungsbefugnisse problematisiert. Bedeutend genug, um sie in der Anhörung anzusprechen oder zumindest in einer Pressemitteilung zu kritisieren, scheinen ihr diese Punkte jedoch nicht gewesen zu sein.
Voßhoffs einzige Pressemitteilung zum Thema sowie ein Gastbeitrag in der Welt gilt der Ausstattung ihrer Behörde, wohingegen Peter Schaar gleich am Tag der Bekanntgabe auf netzpolitik.org mit dem Entwurf als ganzem abrechnete.
Leider überrascht das nicht, denn als unbequeme und hartnäckige Verfechterin des Datenschutzes hat Voßhoff sich bisher nicht gerade hervorgetan. Nachdem ihre Benennung zunächst für viel Wirbel gesorgt hatte, ist es zunehmend still um sie geworden.
Inhaltlich hat Andrea Voßhoff zwei Themenschwerpunkte: Sie befürwortet den Erlass der EU-Datenschutzgrundverordnung und fordert daneben die besagte Unabhängigkeit ihrer Behörde. Das ist praktisch, denn über beides wird auf europäischer Ebene schon lange gestritten, so dass Voßhoff sich nur noch anzuschließen braucht. Zumal ohnehin klar ist, dass beides früher oder später kommen wird – fraglich ist nur die Ausgestaltung. Zu dieser jedoch äußert sich Voßhoff nur ungern.
Im Angesicht staatlicher Massenüberwachung durch NSA, GCHQ, BND und zahlreicher anderer Datenschutz-Skandale lautet die traurige Bilanz ihres ersten Amtsjahrs: Ihre Website wurde neu gestaltet. Ach ja, und eine Podiumsdiskussion hat sie mitorganisiert.
Dies bringt uns zum eigentlichen Hauptproblem des Gesetzentwurfs: dem Vorschlagsrecht für die Person des Datenschutzbeauftragen.
Bisher schlägt die Bundesregierung einen Kandidaten vor, der dann vom Bundestag gewählt wird. Mit dem Effekt, dass sich „die kontrollierte Institution ihren Kontrolleur selbst aussucht“, wie Hans-Jürgen Garstka es in der Anhörung beschrieb.
Eine Änderung dieses Verfahrens ist dringend notwendig, aber im Entwurf nicht vorgesehen.
Man könnte doch den Bundestag selbst einen Kandidaten vorschlagen lassen. So fordert es Peter Schaar. Das wäre eine Verbesserung, weil so immerhin mehrere Kandidaten zur Wahl gestellt würden. Wie dagegen Heckmann bemerkt, würde die die Regierung tragende Mehrheit im Bundestag wahrscheinlich trotzdem genau denjenigen Kandidaten wählen, den anderenfalls die Regierung vorgeschlagen hätte.
Darum muss die Stelle ausgeschrieben werden, wie es etwa von den Piraten im Schleswig-Holsteinischen Landtag 1))))+AND+DID=K-70857&format=WEBDOKFL">vorgeschlagen wurde. Wie ein entsprechendes Anforderungsprofil aussehen sollte, erläutert Schild in seiner Stellungnahme und betont, das Amt sei nämlich kein politisches, sondern erfordere in erster Linie ein hohes Maß an Sachverstand.
Sachverstand, den Andrea Voßhoff bei ihrer Ernennung vermissen ließ.
Die geplante Reform soll das Amt der Bundesdatenschutzbeauftragten endlich der europäischen Datenschutzrichtlinie entsprechend unabhängig machen. Doch wie unabhängig kann eine durch und durch regierungstreue Bundesdatenschutzbeauftragte werden?
Nur durch öffentliche Ausschreibung kann die Stelle, wie vom EuGH gefordert, „über jeglichen Verdacht der Parteilichkeit erhaben“ sein. Andrea Voßhoff ist der lebende Beweis dafür.
Dieser Text ist im Rahmen des Verfassungsblog-Seminars 2014/15 entstanden.
References
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SUGGESTED CITATION
Schmidt, Nikola: Ohne öffentliche Ausschreibung keine unabhängige Datenschutzbehörde, VerfBlog, 2014/12/09, https://verfassungsblog.de/ohne-oeffentliche-ausschreibung-keine-unabhaengige-datenschutzbehoerde/, DOI: 10.17176/20170602-113309.
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