Sollte Obama die Folter-Verantwortlichen der Bush-Ära begnadigen?
Was für eine wahnwitzige Idee: US-Präsident Obama soll die Verantwortlichen für die Folterpolitik seines Vorgängers begnadigen – Bush, Cheney, Rumsfeld mitsamt ihren geheimdienstlichen Exekutoren und ihren juristischen Büchsenspannern. Das fordert, pünktlich zur Veröffentlichung des Senatsberichts über die Folterpraxis der CIA, niemand Geringeres als die ehrwürdige American Civil Liberties Union (ACLU), die Speerspitze des Bürgerrechts-Liberalismus, die seit fast 100 Jahren die Freiheit des Einzelnen vor dem Übergriff des Staates so effektiv und leidenschaftlich verteidigt wie so leicht keine zweite Organisation auf der Welt.
Wenn man sich allerdings anschaut, wie ACLU-Chef Anthony Romero in seinem Gastbeitrag in der New York Times diese Forderung begründet, kommt man schon erst mal ins Grübeln: Strafrechtlich haben Rumsfeld, Cheney und tutti quanti sowieso nichts zu befürchten. Niemand ist weit und breit in Sicht, der ein Ermittlungsverfahren einleiten will. Die 13 Jahre alten Vorwürfe sind bereits verjährt oder werden es bald sein. Die Begnadigung, so die Logik der ACLU, ist die billigste Art, trotzdem klar zu machen, womit wir es hier zu tun haben. Nämlich mit Verbrechern.
Das hat erst mal was. Aber wenn man genauer hinschaut, ist es leider noch nichts anderes als das, wonach es auf den ersten Blick schon aussieht: eine Schnapsidee.
Es hat schon seine guten Gründe, dass wir niemanden als Straftäter verurteilen, ohne ihm vorher öffentlich und in streng ritualisierter Form den Prozess gemacht zu haben. Auf der Bühne des Gerichts wird seine Tat reinszeniert. Wir hören die Beweise, die die Anklage gegen ihn zusammengetragen hat. Wir hören, was er zu seiner Verteidigung zu sagen hat. Wir warten, während das Gericht im Arkanum des Beratungszimmers seine Schlüsse zieht. Wir hören, wie das Gericht sein Urteil begründet. Und wir sehen zuletzt, wie es vollstreckt wird. Dann, und erst dann, und nur dann bekommen wir, was die Tat uns genommen hat: Rechtsfrieden.
Den werden wir im Fall von Rumsfeld/Cheney/Tenet nicht bekommen. Es wird keine Anklage geben, es wird keine Verhandlung geben, es wird kein Urteil geben.
Es wird, sofern Obama dem ACLU-Vorschlag folgen sollte, höchstens einen Präsidenten geben, der uns sagt: Übrigens, ich finde, das sind Verbrecher, aber bestraft werden sollen sie nicht.
Davon haben wir überhaupt nichts.
Auch wenn die Forderung nach Begnadigung der Folter-Verantwortlichen ohne jegliche strafrechtliche Bedeutung ist, so finde ich diese Forderung doch für eine sehr gute Idee.
Denn dadurch wird der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass die Verantwortlichen sich über Recht und Gesetz hinweggesetzt hatten.
Das ist ihnen aber entweder eh bewusst, oder wenn nicht, wird sich dadurch nicht das Mindeste ändern.
Folter als Mittel imperialer Machtpolitik ist seit etwa 1250 legal gewesen. Das Folter-Verbot ( niedergelegt in diversen internationalen
Konventionen ) wird zumeist nicht beachtet. Urteile gegen Folterer sind selten und stehen außer Verhältnis zu der tatsächlichen Praxis
( systematisch, flächendeckend, total ). Daher haben Untersuchungsausschüsse aller Art auch meist den Effekt, an der Praxis nichts zu ändern, und dadurch, dass dies passiert, den intendierten Terroreffekt der Folterpraxis zu erhöhen. Dies führt zu dem beabsichtigten Ergebnis, dass es immer normaler wird, jegliche politische Aussage zu verweigern.
Rumsfeld usf., die NSA, die CIA und wer nicht noch alles waren schon vor etwa 40 Jahren Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen, mit dem Ergebnis, dass heute Parlamentsmitglieder abgehört werden wie damals auch.
Der Geheimdienstapparat ist seitdem genauso inflationär aufgeblasen worden wie die Verschuldung und der damit verbundene Vermögenstransfer, aber das ist bloß Zufall.
Die Überwachung ist allgegenwärtig, wie auch die “Terroristen”.
Damit korrespondiert eine Steuer – und Abgabenlast, für die jeder mittelalterliche Potentat als Tyrann bezeichnet worden wäre.
Außerdem: wie soll man jemanden begnadigen, der kein Unrechtsbewusstsein hat ? In einem Kontext, in dem sich der Unterschied zwischen Recht und Unrecht aufgelöst hat ?
Als ein interessierter Leser dieses Blogs dachte ich, nachdem ich über die Veröffentlichung des Senatsberichtes über andere Medien gehört hatte, ich schaue mal in den Verfassungsblog und bekomme das Thema hier juristisch fundiert aufbereitet.
Aus meiner Sicht wurde hier vorsätzlich ein grober Verstoß gegen die verfassungsrechtliche/strafrechtliche Ordnung der Vereinigten Staaten von Amerika begangen und zwar von zu dieser Zeit in politisch hoher Verwantwortung stehenden Personen.
Dieser ist nun offiziell dokumentiert und wird von den beschuldigten Personen nicht mal angezweifelt oder bestritten.
Nach meinem Verstädnis eines Rechtsstaates müsste jetzt zumindest ein Verfahren/Prozess eingeleitet werden, Verdachtsmomente dürften wohl genug bestehen.
“Den werden wir im Fall von Rumsfeld/Cheney/Tenet nicht bekommen. Es wird keine Anklage geben, es wird keine Verhandlung geben, es wird kein Urteil geben.”
Und hier frage ich mich: Empört das eigentlich gar niemanden mehr?
Akzeptieren wir es wirklich als gegeben, dass in dem Land, indem 1945 die Universelle Erklärung der Menschenrechte unterschrieben wurde, das als Führer der freien Welt gilt und einer unserer engsten politischen Verbündeten ist, so fundamental gegen die eigenen (oder gibt es eine vertretbare Rechtsmeinung, die Folter unter der aktuellen Verfassung und den völkerrechtlichen Bindungen der USA als legitim ansieht?), die universellen und die unseren rechtlich niedergelegten Werte verstoßen wird?
Wenn Menschenrechtler und all jene, die sich für dieses Konzept einsetzen, hier nicht aufschreien, wie soll ihre Stimme dann in irgendeinem anderen, noch so berechtigen Kontext ernstgenommen werden?
Ich bin gespannt auf wissende Antworten!