22 April 2016
Warum die “Reform” des Sexualstrafrechts keine ist
Wenn ein Unrechtszustand länger andauert, kann es geschehen, dass er als Normalität wahrgenommen wird. Dies zeigt auch der aktuelle Gesetzentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts, welcher nicht auf fehlendes Einverständnis abstellt, sondern in einem Sondertatbestand des „sexuellen Missbrauchs“ einige Konstellationen aufzählt, in denen ein sexueller Übergriff trotz fehlendem Widerstand strafbar ist. Der Vergewaltigungsmythos des unbedingten Widerstandes wird damit als Regelfall bestätigt, und Betroffene, die sich nicht physisch wehren, werden terminologisch wie dogmatisch mit Geschäftsunfähigen gleichgestellt. Continue reading >>
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05 April 2016
Menschenwürde schlägt Anerkennungsgrundsatz
Europa fußt auf Vertrauen. Aber was, wenn manche europäischen Mitgliedsstaaten aufhören dieses Vertrauen zu verdienen? Ist die Vertrauenswürdigkeit ihrerseits Vertrauenssache? Angesichts der Mir-doch-egal-Haltung, die einige mittel- und osteuropäische Regierungen gegenüber dem Europarecht und den fundamentalen Verfassungsgrundsätzen Europas mittlerweile an den Tag legen, ist das keine theoretische Frage, sondern eine, von der Europas Zukunft abhängt. Heute hat der Europäische Gerichtshof sie auf eine Weise beantwortet, die mir einen Stein vom Herzen fallen lässt. Continue reading >>29 March 2016
Pressefreiheit im Strafprozess und ihre Grenzen
Die heutige Entscheidung Bédat v. Schweiz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich für Journalisten, die ein waches Gefühl für liberale Freiheitsrechte und ein noch wacheres für ihre eigenen professionellen Interessen besitzen, leicht skandalisieren: "Straßburg lässt die Pressefreiheit im Stich!" wäre eine mögliche Überschrift. "Straßburg billigt Kriminalisierung von Justizberichterstattern!" eine andere. Ich bin auch ein professioneller Journalist, und in punkto Sorge um liberale Freiheitsrechte lasse ich mich für gewöhnlich ungern von irgendwem übertreffen. Trotzdem, oder gerade deswegen, komme ich zu einem anderen Schluss: Ich halte das heutige Urteil der Großen Kammer für richtig. Continue reading >>12 January 2016