Taschenspielertricks mit der Idee demokratischer Selbstbestimmung: Der AfD-Antrag zur Ablehnung des UN-Migrationspakts
Soll man lachen oder sich Sorgen machen? Selbstverständlich beides. Die AfD-Fraktion hat einen Antrag gestellt, die Bundesrepublik Deutschland solle dem Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (UN-Migrationspakt) nicht beitreten. Der Antrag wurde heute in erster Lesung im Bundestag beraten. Die AfD-Fraktion bringt darin nicht nur ihre wenig überraschende Ablehnung von Migration zum Ausdruck, sondern auch ein äußerst krudes Verständnis von Völkerrecht und staatlicher Souveränität. Was durchscheint aus den widersprüchlichen Ausführungen ist eine ethno-nationalistische und anti-demokratische Verdrehung der Idee demokratischer Selbstbestimmung sowie die Sehnsucht nach einer verbündeten internationalen Rechten.
Der UN-Migrationspakt ist zur Annahme im Dezember in Marrakesch vorgesehen. Der Text des Pakts ist das Ergebnis aus mehreren Phasen zwischenstaatlicher Verhandlungen; der Entschluss, ein solches Abkommen auszuhandeln, findet sich in der New Yorker Erklärung, welche die UN-Generalversammlung im September 2016 einstimmig verabschiedet hat. Der UN-Migrationspakt bezieht sich auf Migration in allen Formen, also sowohl auf Arbeitsmigration als auch auf Flucht, sowie auf die vielfältigen Abstufungen, Überschneidungen und sonstigen Varianten, die ein so allgegenwärtiges Phänomen wie Migration mit sich bringt. Es ist eine Leistung des UN-Migrationspakts, dass er diese umfassende Natur von Migration anerkennt und zum Ausdruck bringt. Für konkretere, bindende Regelungen ist es notwendig und sinnvoll, dass zwischen Migrationsformen unterschieden wird und Organisationen mit verschiedener Ausrichtung bestehen.
Die New Yorker Erklärung war wesentlich eine Reaktion auf die eklatanten Mängel im gegenwärtigen System internationalen Flüchtlingsschutzes und des Schutzes von Migrantinnen und Migranten in weiterem Sinne. Sie reagierte auf die horrende Zahl von Todesfällen im Zusammenhang mit Migration, Todesfälle, die vermeidbar wären. Sie reagierte auf den Mangel an Koordination zwischen Staaten, indem sie beispielsweise den Grundsatz der Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz betonte. Und sie nahm den Zusammenhang von massiven Klimaveränderungen mit Migration in den Blick, ein überfälliges Thema und eine wichtige Aufgabe für vorausschauende Politik. Folge der New Yorker Erklärung waren die Verhandlungen für den genannten UN-Migrationspakt, sowie für den UN-Flüchtlingspakt (Global Compact on Refugees), für den ebenfalls die im Dezember zu verabschiedende Endfassung vorliegt. Zusammenfassend kann man sagen, dass die beiden Pakte hinter den Anfangs hohen Erwartungen erheblich zurückbleiben. Sie sind nicht nur rechtlich unverbindlich, sondern in den Formulierungen auch überwiegend vage gehalten. Was damit geschaffen werden kann ist aber ein Rahmen für die zukünftige Zusammenarbeit von Staaten und eine Bekräftigung von Grundsätzen, die angesichts weitreichender Rechtsverletzungen notwendig scheint. Doch schon die konstruktive Behandlung von Migration und die Betonung, dass Menschenrechte auch für Migrantinnen und Migranten gelten, lässt rechte Fraktionen in diversen Staaten offenbar unruhig werden.
Staatliche Souveränität und internationales Recht
Ohne Frage, viele Formulierungen des UN-Migrationspakts entsprechen nicht der politischen Linie der AfD. Das ist aber kein Problem, denn die AfD wurde von einer Minderheit in Deutschland gewählt und die Bundesregierung hat nicht die Aufgabe, Politik in ihrem Sinne zu betreiben. Um aus der Zustimmung zum UN-Migrationspakt nun ein Problem staatlicher Selbstbestimmung zu machen, dreht der Antrag der AfD einige staats- und völkerrechtstheoretische Pirouetten.
Zunächst wird argumentiert, dass der UN-Migrationspakt zwar formal unverbindlich, dieser Unverbindlichkeit aber nicht zu trauen sei. Dafür verweist der Antrag auf die Wirkmacht von soft law und auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Beispiel für die Entwicklung von unverbindlichen Abkommen zu Gewohnheitsrecht und jus cogens. Das wirft höchst unterschiedliche Fragen zusammen: Soft law ist die Beschreibung eines in den letzten Jahren zunehmenden Phänomens unverbindlicher Regelungen, die dennoch Steuerungswirkung in den zwischenstaatlichen Beziehungen entfalten, weil sie helfen, Handeln zu koordinieren oder Leitlinien anbieten, an welche Staaten sich halten. Das können vereinbarte Indikatoren oder Evaluationsmechanismen sein, die Kodifizierung von best practices oder Absichtserklärungen. Mit internationalem Gewohnheitsrecht oder zwingendem Recht, jus cogens, hat es wenig zu tun. Einige zentrale Regeln sind als internationales Gewohnheitsrecht anerkannt: Das Verbot des Völkermords, das Folterverbot, das Verbot der Sklaverei, nach ganz überwiegender Auffassung das flüchtlingsrechtliche Refoulement-Verbot. Während für Gewohnheitsrecht die Anerkennung und Praxis von Staaten notwendig ist, bezeichnet jus cogens Normen, deren Beachtung absolut unerlässlich ist, um von Recht zu sprechen. Es geht um Normen, deren Verletzung jeder Mensch als Unrecht erkennt und zwar unabhängig davon, ob er jemals von einem internationalen Abkommen gehört hat oder nicht. Wenn die AfD-Fraktion diese Bereiche aus Unwissenheit vermischt, ist das einfach schlechte Argumentation. Wenn sie damit Stimmung macht gegen die Idee grundlegender Menschenrechte, dann ist das eine zutiefst bedenkliche Position.
Der Schutz indigener Völker – ist hier nicht relevant
Nachdem der Antrag zunächst weitreichende Skepsis gegenüber internationalem Recht zum Ausdruck gebracht hat, zitiert er dann die UN-Menschenrechtskommission bezüglich des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das Selbstbestimmungsrecht schützt Minderheiten, es ist für kulturelle Rechte, beispielsweise Sprachenrechte relevant, und in manchen Konstellationen für politische Unabhängigkeitsbestrebungen. Neben Minderheiten bezieht sich die von der AfD zitierte Passage auf indigene Völker, also auf Situationen von Kolonialisierung. Dass diese Regel in keiner Weise auf Deutschland passt, wird jedem beim ersten Lesen klar. Dafür muss man sich nicht auf Debatten über Demographie oder den Volksbegriff einlassen, es genügt, dass wir über ein Handeln der deutschen Bundesregierung sprechen – also offenbar keine Frage von Kolonialisierung verhandeln.
Interessen statt Entscheidungen des Volkes
Der kunstlose Versuch, mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zu argumentieren, bemüht das Narrativ eines ethnisch definierten Volkes, welches durch Immigration gefährdet sei. Ein solcher Volksbegriff aber hat mit dem demokratischen Volksbegriff des Grundgesetzes nichts zu tun. Das ist auch wichtig, wenn die AfD mehrfach auf das Interesse des deutschen Volkes oder der Bundesrepublik verweist. Dies ist ein weiterer Taschenspielertrick mit der Idee demokratischer Selbstbestimmung: An Stelle von demokratischen Wahlen, durch welche Entscheidungsträger beauftragt und kontrolliert werden, rücken dabei die scheinbar feststehenden Interessen des Volkes oder des Landes. Diese Interessen können, so wird es suggeriert, nicht auf die Rechte anderer gerichtet sein, sie sind auch nicht Ergebnis demokratischer Debatten, sondern stehen zeitenthoben fest. Diese Idee ist natürlich zutiefst undemokratisch.
Als ein Grund, aus welchem der UN-Migrationspakt angeblich nicht im Interesse Deutschlands läge, wird angeführt, dass er die von der Regierung geplanten Ankerzentren völkerrechtlich unzulässig werden ließe. Das ist interessanter Humbug: Die Verabschiedung des Migrationspakts ändert, wie mehrfach betont, unmittelbar nichts am geltenden internationalen Recht, ebenso wenig wie die in diesem Zusammenhang aufgeführte New Yorker Erklärung. Aber die zitierte Regel, dass Freiheitsentziehung nur als letztes Mittel zulässig ist, gilt auch jetzt schon.
Die internationale Rechte
Die USA haben sich unter Donald Trump von den Verhandlungen zum Migrationspakt bereits im Dezember 2017 zurückgezogen; nach dem Abschluss der Verhandlungen haben u.a. Ungarn und zuletzt Österreich, angekündigt, den Pakt nicht unterzeichnen zu wollen. Auf diese Vorbilder verweist der AfD-Antrag. Mit ihrem Antrag positioniert sich die AfD also erkennbar in den Reihen einer internationalen Rechten. Dass die Argumentation inhaltlich schwach ist, spielt dafür keine Rolle. Diese Einreihung und das Aufgreifen entsprechender rhetorischer Figuren verdeutlichen, dass es hier auch nicht wirklich um eine Frage von Souveränität oder Regelungsebene geht. Es geht um die Ablehnung menschenrechtlicher Normen, welche sich um Gleichheit und den Schutz Schwächerer bemühen.
Das zeigt sich etwa in den Passagen zu Migration in Zusammenhang mit Klimaveränderungen sowie zur Unterscheidung von irregulärer und regulärer Migration. Der Antrag der AfD spricht wiederholt von „Klimaflüchtlingen“, die „umgesiedelt“ werden sollten – eine Formulierung, die sich weder so noch in Paraphrase im Text des UN-Migrationspakt findet. Was sich dort findet, ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit, gemeinsame Leitlinien für Migration wegen dauerhafter Unbewohnbarkeit ganzer Staaten zu entwickeln und allgemein die massiven Auswirkungen des Klimawandels auf Migrationsfaktoren anzuerkennen. Diese Bemühungen sind längst im Gange. Wenn der Antrag der AfD dies als problematische Förderung von Migration beschreibt, ignoriert er die Realität: dass „root causes“ dieser Migration die bereits unumkehrbaren Klimaveränderungen sind, für die besonders die industrialisierten Staaten Verantwortung tragen. Aber das expressive Augenverschließen vor der Tatsache und Bedeutung des Klimawandels ist zum Schibboleth der internationalen Rechten geworden.
Daneben beklagt der AfD-Antrag, der UN-Migrationspakt hebe die Unterscheidung zwischen illegaler und legaler Migration auf. Auch diese Fixierung auf den Ausdruck der „illegalen Migration“ ist weitgehend sinnentleert, aber vernetzt die Rhetorik von Budapest bis Washington. Tatsächlich ist Migration legal oder illegal je nach Regelung, daher auch die vielfach bevorzugte Bezeichnung als regulär oder irregulär. Entgegen der verbreiteten Gleichsetzung irregulärer Migration mit Armutsmigration, trägt der Text des UN-Migrationspakts der Tatsache Rechnung, dass ein irregulärer Status zum Problem von Migrantinnen und Migranten in unterschiedlichsten Lebenssituationen werden kann. Gerade in diesem Zusammenhang wird übrigens auch deutlich, dass der Pakt keineswegs radikal ist. Unter Ziel 11, dem „[i]ntegrierte[n], sichere[n] und koordinierte[n] Grenzmanagement“, verpflichten sich Staaten, „irreguläre Migration zu verhindern“. Das darf selbstverständlich nur im Rahmen geltenden internationalen Rechts geschehen, also für europäische Staaten beispielsweise nur unter Beachtung der Garantien der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der UN-Migrationspakt ein liberaler Kompromiss, er ist nicht bindend und sein Inhalt ist überwiegend nicht neu. Aber er bringt in plötzlich wichtiger Weise ein Grundverständnis von Migration zum Ausdruck, welches unaufgeregt anerkennt, dass Migration so alt ist wie die Menschheit und dass eine globalisierte Welt sich erst recht nicht davor verschließen kann. Der Pakt schafft keine neuen Regeln, aber er wendet sich gegen neu erstarkte Gegner: Gegen einen mehr oder minder subtilen Rassismus in der Migrationsdebatte. Gegen die Leugner des Klimawandels und diejenigen, die jegliche Verantwortung in der gemeinsamen Reaktion darauf scheuen. Und gegen eine internationale Rechte, welche ganz grundlegend die Geltung von Menschenrechtsabkommen in Frage stellt.
Danke für den Beitrag. Ist es tatsächlich so, dass „Der UN-Migrationspakt sich auf Migration in allen Formen, also sowohl auf Arbeitsmigration als auch auf Flucht“ bezieht? In einigen Medien wurde es vor einigen Tagen anders dargestellt. In Nr. 4 des Pakts heißt es: „Flüchtlinge und Migranten haben Anspruch auf dieselben allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten, die stets geachtet, geschützt und gewährleistet werden müssen. Dennoch handelt es sich bei ihnen um verschiedene Gruppen, die separaten Rechtsrahmen unterliegen. Lediglich Flüchtlinge haben ein Anrecht auf den spezifischen internationalen Schutz, den das
internationale Flüchtlingsrecht vorsieht. Der vorliegende Globale Pakt bezieht sich auf Migranten und stellt einen Kooperationsrahmen
zur Migration in allen ihren Dimensionen dar.“ Also grundsätzlich Flüchtende vom Migrationspakt nicht erfasst, außer in seiner Funktion als Kooperationsrahmen, oder wie muss ich das verstehen?
Eine gute Nachfrage: Ja, der Migrationspakt bezieht sich tatsächlich auf alle möglichen Formen von Migration, einschließlich Flucht. Der Pakt für Flüchtlinge enthält darüber hinaus spezifischere Ziele für den Flüchtlingsschutz. Während es richtig ist, dass für Flüchtlingsschutz ein gesonderter Rechtsrahmen besteht, betreffen viele Fragen von Migration sowohl Flüchtlinge als auch sonstige Migranten. (Bspw. Datenerhebung oder Verhinderung von Diskriminierung). Daneben stellen sich diverse Fragen, bevor der rechtliche Status festgestellt werden kann. (Bspw. Bekämpfung von Menschenhandel, Rettung von Menschenleben.) Ich hoffe, das macht den Zusammenhang etwas klarer.
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was dann passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die Meisten garnicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter. Schritt für Schritt, bis es kein Zrück mehr gibt.“ (Jean-Claude Juncker)
Und Sie wollen uns hier also allen Ernstes erzählen, dass dieser Mensch in unserem Interesse und im Interesse der Menschen handelt?! Wirklich?
Skeptische Grüße.
Da muss ich Sie nun doch einmal noch abschließend fragen: WER spielt hier eigentlich tatsächlich mit rhetorischen Taschenspielertricks und sophistischer Dialektik dem klaren Grundgesetzbruch in die Hände?:
Jeder, der diesen Vertrag gelesen und verstanden hat, weiß, dass dies niemals im Interesse der deutschen Bevölkerung sein kann:
Es werden klar falsche Signale gesendet, die eher zur Migration in die deutschen Sozialsysteme einladen.
Es werden klar internationale IMF-Ziele verfolgt, die arbeitsfähige Bevölkerung aus rohstoffreichen Ländern wie Sudan (Gold, Diamanten, Platin, Chrom, Vanadium, Mangan, Uran, Eisenerz), Senegal(