Verfassungswidriger Nobelpreis? oder: zu was Verfassungsrecht alles gut sein kann…
Okay, ich habe auch den Kopf geschüttelt, dass er den Friedensnobelpreis gekriegt hat. Aber so irre, dass er die Annahme des Preises verweigern sollte, fand ich die Entscheidung auch wieder nicht. Dass er ihn gar nicht annehmen darf, und zwar von Verfassungs wegen, darauf wäre ich echt im Traum nicht gekommen.
Aber die Fantasie konservativer amerikanischer Verfassungsrechtler darf man nie unterschätzen, und deshalb ist dieser Text vielleicht auch gar nicht so überraschend, höchstens noch, dass die WashPost ihm Platz in ihren Seiten eingeräumt hat.
Article I, Section 9, of the Constitution, the emolument clause, clearly stipulates: “And no Person holding any Office of Profit or Trust under them, shall, without the Consent of the Congress, accept of any present, Emolument, Office, or Title, of any kind whatever, from any King, Prince or foreign State“
schreiben die beiden Verfasser: Ronald D. Rotunda lehrt Verfassungsrecht an der Chapman University und ist Senior Fellow am libertären Cato Institute, und J. Peter Pham ist ein Politikwissenschaftler an der James Madison University und arbeitet für die Foundation for the Defence of Democracies, die mit hawkish noch zurückhaltend beschrieben ist.
An diesem altehrwürdigen Stück Verfassungsrecht knüpfen die beiden Profs ihr parteipolitisches Drahtseil fest und beginnen mit ihren halsbrecherischen Kunststückchen: “from any … foreign State“? Das Nobelkomittee ist zwar unabhängig, und die Stiftung auch und das Preisgeld kommt aus privaten Händen, aber hey: Das Komittee wird vom norwegischen Parlament gewählt! Hoho, Applaus! Und wieso “Emolument” (= Vergütung, Dienstbezüge)? Das Komittee wollte – anders als bei Teddy Roosevelt und Woodrow Wilson – nicht Geleistetes belohnen, sondern Obama zu zukünftigen Leistungen ermutigen, mit anderen Worten: den Mann kaufen! Okay, Obama will die Kohle gar nicht behalten, sondern an Charities spenden, aber die Spende kann er von der Steuer absetzen! Jubel, Tusch!
Das sind alles Kaspereien. Sie taugen höchstens als Beweis, dass man in einer Zeit globaler permanenter Interaktion und Interdependenz mit Verfassungsklauseln, die nur im Rahmen des diplomatischen Verkehrs souveräner, in sich geschlossener Nationalstaaten Sinn machen, allerhand Schwierigkeiten machen kann. In den Händen von reaktionären Politikern und Gelehrten, die diese vermeintliche gute alte Zeit wieder herstellen wollen, gerät das Verfassungsrecht zu einem politischen Kampfinstrument.
Ohnehin hat der Kongress, wie Jeff Balkin indigniert anmerkt, seinen “Consent” längst gegeben: Es gibt ein Gesetz dazu, den “Foreign Gift and Decorations Act“, wonach – wenig überraschend eigentlich – alles in bester Ordnung ist mit dem Nobelpreis. Das Gesetz kommt in dem Artikel, glaubt es oder nicht, überhaupt nicht vor, was Balkin zu der besorgten Schlussfolgerung treibt, dass die WashPost in ihrer Editorial-Redaktion offenbar niemanden mit juristischem Sachverstand beschäftigt, der sie vor dergleichen Blamagen zu bewahren imstande wäre.