Wir händeringenden, karlsruhehörigen Deutschen
Soso, er ist also gescheitert mit seinem eiligsten aller Eilanträge, der Jeremias der nationalen Demokratie, Rechtsanwalt Dr. Peter Gauweiler MdB. Der Zweite Senat will die Verkündung seines Ratschlusses in Sachen ESM/Fiskalpakt morgen nicht verschieben. Warum nicht, erfahren wir nicht. Mehr als eine magere Pressemitteilung wird aus Karlsruhe einstweilen nicht mitgeteilt.
Ich persönlich halte ja die apokalyptischen Szenarien, die von manchen für den Fall, dass das BVerfG morgen grünes Licht gibt und der ESM in Kraft tritt, an die Wand gemalt werden, für maßlos übertrieben. Natürlich ist der faktische Druck zur “Alternativlos”-Exekutiventscheidung, unter dem die Politik in Europa in wachsendem Ausmaß steht, keine schöne Sache, und da gibt es in den nächsten Jahren verfassungspolitisch eine Menge zu tun. Aber die japsende Panik, von der, wenn man dem Twitter-Hashtag #StopESM glaubt, die halbe Republik ergriffen ist, finde ich bizarr.
Aber gut: Wer glaubt, dass wir uns in einer Art Januar-1933-Situation befinden, bitteschön, das respektiere ich. Ich will genauso wenig in einer autoritären Bankendiktatur leben wie jeder andere auch, und vielleicht liege ich mit meiner unaufgeregten Sicht der Dinge ja auch falsch. Aber mal unterstellt, wir wären in einer solchen Situation: Was wäre da zu tun?
Sollten wir dann nicht schleunigst auf die Straße gehen? Uns unsere Wahlkreisabgeordneten vorknöpfen? Uns organisieren, Kampagnen auf die Beine stellen, uns Gehör verschaffen? Die Regierung zur Rede stellen, oder noch besser: dafür sorgen, dass Leute regieren, die es besser machen, und wer soll das sein, wenn nicht wir? Sollten wir dann nicht, um es mit einem Wort zu sagen: politisch werden?
Stattdessen sitzen wir in unserem Kämmerlein, die Hände zum stillen Gebet gefaltet und flehen zu den Hohepriestern in Karlsruhe, sie mögen dem drohenden Unheil wehren mit dem Donnerwort ihrer Grundgesetzauslegung. Wir glauben immer noch, unsere Verfassung sage uns, was zu tun ist. Damit überfrachten wir die Verfassung mitsamt ihren Karlsruher Hütern auf das Heilloseste, und wenn dann morgen das Bundesverfassungsgericht das Unvermeidbare tut und kundgibt, dass sich der Verfassung leider nicht entnehmen lässt, ob es richtig ist oder nicht, den ESM zu machen – dann sind wir furchtbar sauer und enttäuscht und verlieren das Vertrauen in die Verfassungsrichter und in die Verfassung und in die Demokratie und sagen, früher war doch am Ende wirklich alles besser und das hätte es unter Ulbricht/Adolf/Kaiser Wilhelm nicht gegeben.
Und das, mit Verlaub, finde ich ziemlich armselig.
Foto: Laura Marie (*Brujita*), Flickr Creative Commons
Um noch etwas mehr Panik zu verbreiten, poste ich mal folgenden Link:
Über Wahl, Qualifikation und Befähigung von Verfassungsrichtern
http://www.danisch.de/blog/2012/09/11/uber-wahl-qualifikation-und-befahigung-von-verfassungsrichtern/
na dann steh doch auf und organisier was zur rettung zu demokratie, und hör auf hinter deinem bildschimr leute als armselig zu bezeichnen 😉
@Grundgesetz: Den Text, den Sie da verlinken, halte ich ehrlich gesagt für einen ziemlichen Schmarren. Susanne Baer kann man mögen oder nicht, aber sie für eine schlechte Juristin zu halten, nur weil sie sich wissenschaftlich mit Gender-Themen beschäftigt, ist ein völlig haltloser Rückschluss. Außerdem hat sich neuerdings bei der Berufung von Verfassungsrichtern viel getan im Vergleich zu früher, wo Karlsruhe-Personalien im ganz, ganz kleinen Kreis ausgekartelt wurden. Heute stellen sich die Bundestags-Kandidaten, soweit ich weiß, allen Fraktionen persönlich vor und geben Auskunft über sich und ihre Qualifikation, zwar nichtöffentlich, aber um so gründlicher.
@Mike: Wenn ich selbst mal von Januar-1933-Panik ergriffen werde, will ich das tun, ja. Vor meinem Bildschirm (dahinter? sind nur Kabel…) und auch sonst.
Meine volle Zustimmung zu diesem Beitrag!!!
Dieser Blog hebt sich mal wieder wohltuend von der ganzen ESM-Euro-Hysterie in anderen Foren bzw. Kommentarspalten.
Nebenbei angemerkt, geht mir dieser Gauweiler-Hype gehörig auf den Keks.
Kann nicht Herr Samaras einfach mal Herrn Gauweiler verklagen?
http://www.sueddeutsche.de/bayern/peter-gauweiler-zur-grienland-rettung-rettungspakete-sind-muehlsteine-am-hals-der-armen-griechen-1.1112248
Schließlich kann das Herr Gauweiler doch auch?
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.brutaler-prozesskrieg-wie-peter-gauweiler-die-deutsche-bank-besiegte.c3b4c40f-476a-41b1-87ae-779bbe58abb2.html
die humoristische krönung ist es, wenn sich die jungs und mädels dann in karlsruhe auf ihr widerstandsrecht berufen (vgl. lissabon). lustiger geht es dann wirklich nicht mehr…
@schorsch: In der Tat, die Sache mit dem Widerstandsrecht hat etwas Amüsantes. Man sollte tatsächlich meinen, dass die Kläger, die schon im Vertrag von Lissabon das Ende der Diktatur sahen, ihre damalige Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht ganz so gelassen hätten wegstecken dürfen… Andererseits wollen wir mal lieber nichts beschwören – nicht dass am Ende ein paar antieuropäische Freiheitskämpfer zu den Waffen greifen und, sagen wir mal, den Bundestag besetzen, bis die nationale Demokratie wiederhergestellt ist… Der menschlichen Dummheit sind keine Grenzen gesetzt, und die Hysterie macht nur so lange Spaß, wie sie folgenlos bleibt.
Korrektur: Natürlich sollte es oben “das Ende der Demokratie”, nicht “der Diktatur” heißen. Mal sehen, ob mir jetzt jemand eines Freud’schen Verschreiber unterstellt 😉
Komischer Text. Unsere Wahlkreisabgeordneten haben wir uns längst “vorgeknöpft”. Zu einer Zeit als das noch Sinn machte, vor der Abstimmung im Bundestag. Die meisten reagierten nicht, einige wenige antworteten ausweichend und geprägt von großer Unkenntnis. Wenn die Kompetenzen des Parlaments, und damit unsere indirekten Kompetenzen, mit Füßen getreten werden ist Aufklärung und Information keine Hysterie, sondern dringend notwendig.
Was also fordert dieser Blog, etwa aktiv zu werden? Nein, er fordert nichts zu tun da alles gar nicht so schlimm wird.
Und das, mit Verlaub, finde ich ziemlich armselig.
Herr Gauweiler, könnten Sie auch die Verschiebung des Abgabetermins meiner Studienarbeit beantragen?
Wie offensichtlicher Bruch von Verfassung (Budgethoheit, de facto Entmachtung des Parlaments, …) und EU-Recht (No Bailout, Staatenfinanzierung, …) einen Volljuristen und Verfassungsspezialisten so kalt lassen kann, finde ich höchst bedenklich.
Und das wird sicher nicht der letzte Rechtsbruch bleiben.
hier wird bei unangenehmer meinung zensiert. da schreib ich nichts mehr. censorship
Wer sich auf Politiker oder Richter verlässt anstatt selber an sich was zu ändern ist verraten und verkauft. Will man das Banken und Geldsystem ändern muss man sein Bankkonto bei einer Systembank kündigen. Wenn man gegen Tierquälerrei und Chemie in der Nahrung ist muss man lokal und nicht im Supermarkt kaufen. Man stimmt mit dem Portmonnaie ab, so einfach ist die DEMOkratie.
@Maria K: Ihr Kommentar war aus irgendwelchen Gründen im Spamfilter hängengeblieben. Hab ihn grad rausgeholt. Das passiert immer wieder mal, wir werden zZ total zugebombt mit Kommentarspam.
Also durchatmen und entspannen bzw. einfach mal eine Mail schicken, bevor Sie mit hier mit Censorship-Vorwürfen kommen, ok?
Der Beitrag bringt das Problem auf den Punkt: Das Dilemma unseres so respektierten und (insgesamt) sorgsam urteilenden BVerfG ist, dass die Bürgerinnen und Bürger damit rechnen, Karlsruhe werde es schon richten – und dass es nicht Aufgabe jedes Einzelnen sei, sich um Politik zu kümmern.
Fluch des Erfolgs…
[…] wackelnder Euroländer zu kaufen, gemünzt sein. Allerdings hat der Senat zeitgleich auch den gestern gefällten Beschluss, Peter Gauweilers Einstweiligen-Aufschiebungs-Einstweilige abzulehnen, […]
nun ist das urteil ja gefallen und ja, es stimmt, wir haben zu sehr gehofft auf das verfassungsgericht, das in der tat politisch besetzt ist. und nun auch noch gauck, der vor bedeutung besoffen wirkt, unterschreibt die gesetze..ohne die vielgerühmten vorbehalte, soweit ich das erkennen kann; Merkel habe “versichert”, sie werde diese völkerrechtlich verbindlich verarzten. na, dann.